Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
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Pressemitteilung
C-72/15;
Verkündet am: 
 28.03.2017
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Die restriktiven Maßnahmen, die der Rat im Rahmen der Ukrainekrise gegenüber bestimmten russischen Unternehmen, darunter Rosneft, erlassen hat, sind gültig
Leitsatz des Gerichts:
Der Gerichtshof ist für die Vorabentscheidung über die Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen zuständig, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber natürlichen oder juristischen Personen erlassen wurden
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Als Reaktion auf die Handlungen Russlands zur Destabilisierung der Lage in der Ukraine erließ der Rat am 31. Juli 2014 mit einem Beschluss1 und einer Verordnung2 restriktive Maßnahmen, mit denen verschiedene Geldtransaktionen, die Ausfuhr bestimmter sensibler Güter und Technologien und der Zugang bestimmter russischer Organisationen zu den Kapitalmärkten beschränkt wurden und die Erbringung von Dienstleistungen für bestimmte Erdölgeschäfte verboten wurde. Ziel der vom Rat erlassenen Maßnahmen ist es, die Kosten für die die Souveränität der Ukraine untergrabenden Handlungen Russlands zu erhöhen. Eine der Gesellschaften, gegen die sich die Maßnahmen richten, ist die auf Erdöl und Erdgas spezialisierte russische Gesellschaft Rosneft.

Rosneft macht vor dem High Court of Justice (England & Wales) geltend, die restriktiven Maßnahmen, die der Rat gegen sie erlassen habe, und die vom Vereinigten Königreich auf der Grundlage der Rechtsakte des Rates getroffenen Durchführungsmaßnahmen seien nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Rechtsakte des Rates und des Vereinigten Königreichs gültig sind.

Was die nationalen Durchführungsmaßnahmen angeht, möchte das vorlegende Gericht insbesondere wissen, ob das Vereinigte Königreich für Verstöße gegen die restriktiven Maßnahmen Strafsanktionen vorsehen durfte, solange der Gerichtshof die Bedeutung der vom Rat verwendeten Ausdrücke noch nicht geklärt hat, und ob die restriktiven Maßnahmen die Abwicklung von Zahlungen durch die Banken betreffen und die Begebung von Global Depositary Receipts verbieten, die vor dem Erlass der Maßnahmen begebene Aktien repräsentieren.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst klar, dass er für die Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer auf der Grundlage der Vorschriften über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erlassenen Handlung wie des Beschlusses des Rates zuständig ist. Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens muss aber die Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 EUV (der das Verhältnis zwischen der GASP und den übrigen Politiken der Union regelt) durch den Beschluss oder die Überwachung der Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen sein.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass seine Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit des Beschlusses oder der Verordnung berühren könnte. Insbesondere stellt es keinen Eingriff in die Befugnisse des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission dar, dass der Beschluss den Inhalt der Verordnung teilweise vorgibt und den Gegenstand der restriktiven Maßnahmen bestimmt. Ferner steht das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Russland3 dem Erlass des Beschlusses und der Verordnung nicht entgegen. Der Rat hat die Rechtsakte auch hinreichend begründet. Die Bedeutung der mit ihnen verfolgten Ziele kann negative Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht von Rosneft kann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, zumal sich die Intensität der als Reaktion auf die Krise in der Ukraine erlassenen restriktiven Maßnahmen allmählich steigerte.

Die Frage, ob der Wortlaut der Verordnung einen Mitgliedstaat daran hindert, für Verstöße gegen sie Strafsanktionen vorzusehen, wird vom Gerichtshof verneint. Dass die in der Verordnung verwendeten Begriffe später schrittweise durch den Gerichtshof geklärt werden können, kann einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, Sanktionen zu erlassen, um die effektive Umsetzung der Verordnung sicherzustellen.

Der Gerichtshof gelangt zu der Einschätzung, dass die restriktiven Maßnahmen nicht die Abwicklung von Zahlungen durch die Banken betreffen. Der Unionsgesetzgeber hätte, wenn er für die Abwicklung jeder Überweisung eine zusätzliche Genehmigung hätte vorschreiben wollen, einen anderen Ausdruck als „Finanzhilfe“ verwendet. Zahlungsdienste werden von den Finanzinstituten nämlich als Mittler geleistet, ohne dass sie auf eigene Mittel zurückgreifen müssten, und die Verordnung hat nicht das Ziel, das Einfrieren von Geldern oder Beschränkungen im Bereich des Geldtransfers einzuführen.

Der Gerichtshof stellt schließlich fest, dass die restriktiven Maßnahmen die Begebung von Global Depositary Receipts, die vor ihrem Erlass begebene Aktien repräsentieren, verbieten.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Beschluss 2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S.13), in der durch den Beschluss 2014/872/GASP des Rates vom 4. Dezember 2014 (ABl. 2014, L 349, S. 58) geänderten Fassung.
2Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 1, berichtigt im ABl. 2014, L 246, S. 59), in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1290/2014 des Rates vom 4. Dezember 2014 (ABl. 2014, L 349, S. 20) geänderten Fassung.
3Am 24. Juni 1994 auf Korfu unterzeichnetes Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits.
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).