Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 157 Auslegung von Verträgen (Regelung seit 01.01.2002)
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
1. § 157 gilt entgegen seinem Wortlaut nicht nur für Verträge, sondern auch für einseitige Rechtsgeschäfte und einzelne Willenserklärungen. Die Vorschrift steht somit in gewisser Konkurrenz zu § 133, der seinerseits auch auf die Auslegung von Rechtsgeschäften jeder Art Anwendung findet. Dieser Konflikt spielt aber in der Praxis eine untergeordnete Rolle, da beide Normen ineinander übergehen, nicht sinnvoll voneinander getrennt werden können und somit stets nebeneinander heranzuziehen sind.
Es kann gesagt werden, dass zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen überwiegend und für die ergänzende Vertragsauslegung ausschließlich § 157 heranzuziehen ist.

Daher wird hier die ergänzende Vertragsauslegung kommentiert, bezüglich der anderen Fälle wird auf die Ausführungen zu § 133 verwiesen.

2. Durch die ergänzende Vertragsauslegung sollen Lücken der rechtsgeschäftlichen Erklärungen geschlossen werden. Die Auslegung ist möglich bei jeder Art von Rechtsgeschäften, auch AGB können ergänzend ausgelegt werden. Hierbei sind aber die Schranken aus § 6 AGBG zu beachten. Zur Auslegung von AGB (BGH Urt. v. 03.11.99 - VIII ZR 269/98).

3. Voraussetzung ist, dass der Vertrag eine "planwidrige Unvollständigkeit" aufweist, egal wann diese entstanden ist. Diese Lücke kann von den Parteien bewusst offen gelassen worden sein, um sich darüber später noch zu einigen oder, was meistens der Fall sein dürfte, die Parteien haben einen regelungsbedürtigen Punkt einfach übersehen. Darüber hinaus kann sich die Unvollständigkeit durch nachträgliche wirtschaftliche oder rechtliche Zustände ergeben oder eine früher getroffene Vereinbarung ist nicht mehr feststellbar. Auch durch die Nichtanwendbarkeit einer unwirksam geschlossenen Vertragsbestimmung kann eine Regelunglücke entstehen.

Keine Lücke liegt vor, wenn die Regelung von den Parteien bewusst als abschließend getroffen wurde oder sich eine eindeutige Regelung als unbillig erweist.

4. Eine ergänzende Auslegung hat nicht stattzufinden, wenn die Lücke durch dispositives Recht geschlossen werden kann, weil ansonsten das dispositive Recht funktionslos sein und leerlaufen würde. Anders ist es, wenn die Parteien etwas ausdrücklich oder mutmaßlich vereinbart haben, dass der Heranziehung des dispositiven Rechts widerspricht. Dann ist der Wille der Parteien zu akzeptieren und dieses Recht außen vor zu lassen. Genauso ist es, wenn das dispositive Recht nicht in die Lücke passt.

5. Der Vertrag ist entsprechend dem hypothetischen Willen der Parteien zu ergänzen. Dabei sind die im Vertrag enthaltenen Vereinbarungen und Wertungen Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Die Grundsätze nach Treu und Glauben und die Heranziehung der Verkehrssitte sind dabei zugleich als objektive Maßstäbe zu berücksichtigen.


6. Im Zuge der Auslegung muss dem Grundsatz der Privatautonomie und der Vertragstreue Genüge getan werden. Es sind daher die sich aus dem Parteiwillen und dem Vertragsinhalt ergebenen Grenzen zu beachten. Keinesfalls darf ein dem Parteiwillen widersprechender Vertragsinhalt entstehen. Auch darf die Auslegung nicht zur Änderung oder gar Nichtigkeit des Vertrages führen, oder eine Erweiterung des tatsächlich gesetzten Vertragsrahmens bedeuten. Wenn die Regelungslücke in verschiedener Weise geschlossen werden kann, aber nicht feststellbar ist, für welche Möglichkeit sich die Parteien entschieden hätte, ist eine ergänzende Auslegung ebenfalls nicht möglich.

7. Entscheidungen der Rechtsprechung:
Ein Bürgschaftsvertrag, mit dem auch andere als der "Anlasskredit", durch Vereinbarungen in den AGB, gedeckt werden ist zwar mit § 9 AGBG war nicht vereinbar, doch ergibt sich aus der Auslegung (§ 6 II AGBG, 133, 157 BGB), dass die Bürgschaft für den Anlasskredit weiterhin wirksam bleibt (BGH Urt. v. 02.03.2000 - IX ZR 328/98). Vereinbaren die Parteien beim Kauf einer Eigentumswohnung, geringfügige Änderungen der Fläche nicht bei Erhöhung oder Absenkung des Preises zu berücksichtigen, liegt aber bei der endgültigen Berechnung eine deutliche Abweichung vor, so ergibt die Auslegung der Vertragsbestimmungen, dass die dann berechtigte Herabsetzung nicht um einem "Geringfügigkeitszuschlag von 3 %" gekürzt werden darf (BGH Urt. v. 22.10.99 - V ZR 398/98). Sieht eine Prämienregelung für Berufsfußballer bei Verletzungen die Gleichbehandlung mit gesunden Spielern für 6 Wochen vor, dann ist davon asuzugehen, dass dies dann nicht der Fall sein soll, wenn die Verletzungen nicht trainings- oder spielbedingt sind (BAG Urt. v. 19.01.2000 - 5 AZR 637/98).

Diese Kommentierung basiert auf einer Arbeit der Rechtsanwältin Solveig Schuster, Bitterfeld, einer damaligen Mitarbeiterin der Fa. Advo-net.com, Eco-Part GmbH & Co. KG. Stand ist eigentlich der 21.09.2000. Aus technischen Gründen musste oben ein Stand nach dem In-Kraft-treten der Neufassung des BGB am 1.1.2002 eingegeben werden.

Für Hinweise und Anregungen sind wir immer dankbar. Bei Interesse ist qualifizierten Juristen die Aufnahme in die Kommentatoren-Liste möglich.
Urteile nach 02.01.2002, also nach Abschluss dieser Kommentierung
       URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS BER UNS IMPRESSUM