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BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 142 Wirkung der Anfechtung (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.
1. Anwendungsbereich

1.1 Gegenstand der Anfechtung

Das sind nach hM. nicht einzelne Willenserklärung sondern Rechtsgeschäfte. Dieser Punkt soll bedeuten, dass bei Verträgen nicht die einzelne WE sondern der Vertrag angefochten wird (Pal.-Heinrichs 64. Aufl. §142 Rn. 1 mwN.; a.A. zB. Staudinger-Herbert Roth, 1996 § 142 Rn. 15, Flume AT II 421, Larenz AT 386).

Das ist wohl ein überwiegend akademischer Streit.

Die Motive zum BGB setzten die Begriffe Rechtsgeschäft und Willenserklärung noch gleich. Ob es wirklich zwingende Gründe gibt hiervon abzuweichen sei an dieser Stelle dahingestellt.

Ich für meinen Teil halte das eher für falsch und folge der Mindermeinung.

Wenn ein Angebot abgegeben wird und es erfolgt eine Annahme, die einen Anfechtungsgrund beinhaltet, sehe ich zunächst keinen Grund, warum es nicht möglich sein soll, nur die Annahmeerklärung anzufechten.

Der Vertrag wird damit mittelbar auch hinfällig, das ist klar.

Aber was, wenn gute Gründe dafür sprechen, dem Angebotsempfänger eine zweite Chance der Annahme zu geben? Beispielsweise bei einem zeitlich befristeten Angebot zur Absicherung einer Rechtsposition und einer frühen Annahme (mit Anfechtung). Warum soll dann nicht das Angebot/ die andere WE bis zum Ende der Laufzeit in Kraft bleiben? Sollte aber der Vertrag angefochten werden, wie will man dann dessen weitere Gültigkeit begründen?


1.2 Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen

Nach herrschender Meinung können auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen angefochten werden (Ulrici NJW 2003, 2053 mwN).


1.3 Teilanfechtung

Eine Teilanfechtung ist wirksam, wenn auch das Rechtsgeschäft teilbar ist. Das Restgeschäft bleibt dann wirksam, wenn dies dem mutmaßlichen Willen der Parteien entspricht.


1.4 Nichtige WE

Selbst nichtige Rechtsgeschäfte sollen noch angefochten werden können, wenn dadurch der Rechtsschein dieser Geschäfte beseitigt wird (Pal.-Heinrichs, § 142 Rn. 1 mwN.).


1.5 Realakte, Tathandlungen

Nicht anfechtbar sind Realakte und Tathandlungen. Darunter fällt z.B. die Übertragung des unmittelbaren Besitzes einer Sache durch Übergabe (siehe hierzu auch neuerdings BGH, VIII ZR 219/03 - 15.09.2004). Aber auch Grenzfälle sind denkbar. Jüngst entschied das BVerwG (3 C 18.04 - 16.03.2005), das die Milchreferenzmenge bei Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes als unanfechtbarer Realakt mit übergehe; da hätte man auch der Auffassung sein können, das hierfür eine gesonderte dingl. Einigung nötig sei.

Versicherungsverträge sind hingegen anfechtbar, auch wenn im Falle der arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer der Versicherer seine Prämien gem. § 40 VVG behalten kann (so neuerdings BGH, IV ZR 46/04 - 01.06.2005).


1.6 Leistung iSd. Bereicherungsrechts?

Fraglich ist, ob jemand eine Leistung iSd. Bereicherungsrechts anfechten kann.

Das mag zunächst erstaunen, da ja der Begriff "Leistung" schon sehr nach einem Realakt klingt.

Ob diese Einschätzung richtig ist, hängt zunächst davon ab, wie man den Leistungsbegriff im Bereicherungsrecht definiert.

Folgt man der Willenstheorie, wonach es zur Qualifizierung einer Leistung als solche und zwar einer bestimmten Person an eine andere bestimmte Person alleine auf den tatsächlichen = subjektiven Willen des Ausführenden ankommt, kann man diesen realen Umstand, nämlich den bei der Ausführungshandlung vorhandenen tatsächlichen=subjektiven Willen, zumindest nach § 119 I nicht mehr anfechten (weil ja eben genau der Wille vorgelegen haben muß; eine Abweichung vom tatsächlichen und vom objektiven Erklärungsgehalt ist dann naturgemäß nicht möglich)). Eine Anfechtung nach § 119 II und 123 hingegen ist an sich auch hier nicht ausgeschlossen. Das ergibt sich daraus, dass in diesen Fällen ja auch Willenserklärungen angefochten werden können, die subjektiv genau so gewollt waren wie sie objektiv erklärt wurden (aA. vertretbar, vielleicht sogar hM.).

Folgt man jedoch der Auffassung, wonach es für die Einordnung einer Ausführungshandlung als Leistung, und zwar einer bestimmten Person, auf den obj. Empfängerhorizont ankommt, so kann man die erforderliche "Zweckbestimmung" des Leistenden als Willensausdruck sehr wohl auch nach § 119 I anfechten. Dabei sei einmal dahingestellt, ob diese Zweckbestimmung nach dieser Theorie nun Willenserklärung oder rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist.

Folge nin diesem speziellen Fall: Die Bereicherung fällt natürlich nicht weg, denn das ist ja ein objektiver Fakt. Aber es ist eben keine Bereicherung durch Leistung mehr sondern eine Bereicherung durch Nicht-Leistung.

1.7 Anfechtungserklärungen als anfechtbare Rechtsgeschäfte?

Da die Anfechtungserklärung eine Willenserklärung ist, müsste streng genommen auch sie anfechtbar sein.


1.8 Prozeßhandlungen

Prozeßhandlungen (zB. Klagerücknahme) sind nach hM. nicht anfechtbar; das gilt jedenfalls für ihre prozessuale Wirkung.

Der gerichtliche Vergleich mit seiner berühmten Doppelwirkung ist hinsichtlich seiner materiellen Wirksamkeit nach richtiger Ansicht als anfechtbar einzustufen.


2. Rechtsfolge

2.1 Normalfall Wirkung ex tunc

Durch eine Anfechtung ist das Rechtsgeschäft von Anfang an als nichtig anzusehen. Die Nichtigkeit infolge Anfechtung ist endgültig.

Eine Rücknahme der Anfechtung ist ausgeschlossen, nicht aber eine Anfechtung der Anfechtungserklärung.

Die Rückwirkung der Anfechtung gilt auch für und gegen Dritte.

Hält man eine Anfechtung einer Leistungszweckbestimmung für möglich, führt diese ANfechtung dazu, dass die Leistungsqualität wegfällt. Es entsteht dann ein Fall der seltenen (Nichtleistungskondiktion, die nicht durch eine Leistungskondiktion verdrängt ist und auch keine Eingriffskondiktion darstellt.


2.2 Ausnahmsweise Wirkung nur ex nunc

Bei vollzogenen Arbeits- und Gesellschaftsverhältnissen wirkt die Anfechtung aber nicht rückwirkend sondern nur in die Zukunft (ex nunc).


Sonderfall

Nach arglistigerTäuschung durch den Versicherungsnehmer behält der Versicherer den Anspruch auf die Versicherungssumme und kann zusätzlich die Versicherungsleistung verweigern bzw. zurückfordern (BGH, IV ZR 46/04 - 01.06.2005 mwN. auch zur bis dato vertretenen Gegenmeinung insb. des OLG Nürnberg).


3. Status bis zur Anfechtung

Vor erklärter Anfechtung ist das Rechtsgeschäft gültig. Allerdings begründet die Anfechtbarkeit für mithaftende Dritte wie z.B. Bürgen bis zum Ende der Anfechtungsfrist ein Leistungsverweigerungsrecht (§§ 770, 1137, 1211 BGB).


4. § 142 II

Hat der Erwerber die erworbene Sache mittlerweile an einen Dritten weiterveräußert, so hat er auf Grund der Anfechtung bei Annahme echter "ex tunc" Nichtigkeit als Nichtberechtigter gehandelt.

Andererseits kann man die Vergangenheit nicht ändern, und im Moment der Übertragung durch den Veräußerer war derselbe ja Rechtsinhaber (Eigentümer, etc.), also "Berechtigter" (aA offenbar Pal.-Heinrichs 64., § 142 Rn. 4 mwN).

Deutlich wird dies bei einer Nicht-Anfechtung trotz Möglichkeit derselben: Unstrittig ist dann der Erwerber mit der Übertragung des Rechts Inhaber desselben geworden und bleibt das.

Also fand im Moment des Rechtserwerbs kein solcher vom "Nicht-Berechtigten" sondern eben vom "Berechtigten" statt.

Insoweit scheiden nach m.A. die Gutglaubensvorschriften (zB. § 932 BGB) aus (aA Pal.-Heinrichs 64., § 142 Rn. 4 mwN)!

Hier greift (unstrittig) § 142 II ein.

Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Anfechtbarkeit führt zur Bösgläubigkeit des Geschäftspartners des Anfechtungsgegners im Fall der Weiterveräußerung.

Der Wortlaut des BGB, § 142 II, legt nahe, dass im Falle der maximal mittel-fahrlässigen Unkenntnis der Anfechtungsgründe ein gutgläubiger Erwerb stattfände, der voraussetzte, dass der Veräußerer Nichtberechtigter bei Übertragung war.

Das ist nach meiner Auffassung, wie oben dargelegt (Vergangenheit kann man nicht ändern) falsch.

Die Wirkung des § 142 II dürfte so zu verstehen sein, dass nur unter diesen Voraussetzungen ein Rechtsverlust des zuvor erworbenen Rechtes beim Erwerber zugunsten des Ursprungsinhabers/Anfechtenden stattfindet.

Gem. § 142 verliert also der Dritterwerber bei Bösgläubigkeit iSd. § 142 II im Moment der Anfechtung das erworbene Recht (zB. Eigentum) wegen Wegfalls der dingl. Einigung, und dass dann (wohl) rückwirkend. Eine Heranziehung des § 932 (bzw. verwandter Vorschriften) findet nicht statt (aA. hM, s.o. Pal.-Heinrichs).


3. Voraussetzungen

3.1 Anfechtbares Rechtsgeschäft

Hierzu siehe oben.


3.2 Anfechtungsgrund

Als Anfechtungsgründe kommen die der §§ 119 I, 119 II, 120 und 123 in Betracht.

Keine Anfechtungsgründe in diesem Sinne sind die nach Anfechtungs-/Insolvenzrecht nach AnfG bzw. InsO!


3.3 Anfechtungserklärung

Diese ist gem. § 143 abzugeben.


3.4 Anfechtungsfrist

Hier gibt es, je nach Anfechtungsgrund, zwei Möglichkeiten: § 121 und § 124 BGB.


Für Hinweise und Anregungen sind wir immer dankbar. Bei Interesse ist qualifizierten Juristen die Aufnahme in die Kommentatoren-Liste möglich.
Urteile nach 02.06.2005, also nach Abschluss dieser Kommentierung
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