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KSchG
Kündigungsschutzgesetz
§ 13 Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen (Regelung seit 01.01.2004)
(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.

(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.
Motivreihe zur Änderung zum 01.01.2004 (Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt)
Wir (der Autor und seine Mitwirkenden) haben im nachfolgenden Text gegenüber den Originalen Veränderungen vorgenommen, insb. Absätze, Hervorhebungen und Unterstreichungen eingefügt, etc.


Kleine Erläuterung zu einem Teil unserer Formatierungen:
(Etwaige jetzt folgende Ergänzungen zum Originaltext sind blau!)
Speziell zu § 13
Abweichungen der Vorschläge untereinander, also des neueren vom je vorherigen!



Stationen der Gesetzgebung:


Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN (BT-Drucksache 15/1204, 24.06.2003)

Empfehlungen der Ausschüsse (BR-Drucksache 421/1/03, 01.07.2003)

BR Drs. 421/03 vom 19.6.2003 (besonders eilbedürftig): Zuweisung an AfArbSoz(f), FinanzA, RechtsA und WirtschA
. PlPr 790 vom 11.7.2003: Stellungnahme

Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucksache 15/1509, Anlage 2, 02.09.2003)

Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/1509, Anlage 3, 02.09.2003)

BT Drs. 15/1509 vom 2.9.2003
. 1. Beratung am 9.9.2003, PlPr 15/58: An AfWA(f), InnenA, RechtsA, AfFSFJ, AfGS und HaushA
mitberatend und gem. § 96 GOBT überwiesen (ohne Aussprache)
. Beschlussempfehlung und Bericht des AfWA: Drs. 15/1587 vom 24.9.2003 mit Änderungsvorschlägen
(u.a. Zusammenführung mit E026)
. Bericht des HaushA: Drs. 15/1588 vom 24.9.2003
. 2. und 3. Beratung am 26.9.2003, PlPr 15/64: Ann. in namentl. Abstimmung (305:249:0)

Rechtsausschuss (BT-Drucksache 15/1587, 24.09.2003)

BR Drs. 676/03 vom 26.9.2003: Zuweisung an AfArbSoz(f), FinanzA, AfGesundh und WirtschA
. PlPr 792 vom 17.10.2003: Anrufung des VermA (BT Drs. 15/1792 vom 22.10.2003)

BT Beschlussempfehlung des VermA: Drs. 15/2245 vom 16.12.2003 (Änderungsvorschlag)
. PlPr 15/84 vom 19.12.2003: Ann. in namentl. Abstimmung (592:4: 0)

BR Drs. 944/03 vom 19.12.2003
. PlPr 795 vom 19.12.2003: Kein Einspruch
Gesetz vom 24.12.2003, verkündet am 30.12.2003, BGBl I, Nr. 67, S. 3002, Inkrafttreten am 1.1.2004



A. Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN (BT-Drucksache 15/1204, 24.06.2003)


ENTWURF
eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt


A. Problem und Ziel

Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit auf derzeit über 4,3 Millionen Arbeitslose erfordert konsequentes Handeln für die Stärkung der Wachstumskräfte und für eine raschere Umsetzung der Wachstumsimpulse in neue Beschäftigung. Hierzu bedarf es u. a. der Senkung der Lohnnebenkosten und des Abbaus von Beschäftigungshemmnissen im Arbeits- und Sozialrecht.

Im Bereich des Arbeitsrechts bedarf insbesondere das Recht des Kündigungsschutzes sorgfältiger Überprüfung und Korrektur, um mehr Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen und so Hindernisse für Neueinstellungen abzubauen. Gerade in Kleinbetrieben besteht ein hohes Beschäftigungspotential, das durch Entschärfung der „Schwellenproblematik“ im Kündigungsschutzgesetz wirksam erschlossen werden kann. Deshalb sollen neu eingestellte Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag auf den Schwellenwert nicht angerechnet werden. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme wird nach fünf Jahren überprüft.

Zur unbefriedigenden Beschäftigungsbilanz in Deutschland hat die im internationalen Vergleich relativ niedrige Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer wesentlich beigetragen. Dies ist nicht zuletzt Ergebnis der seit den 80er Jahren zur Entlastung des Arbeitsmarktes von den Tarifvertragsparteien und den früheren Bundesregierungen praktizierten Politik der Frühverrentung.

Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, die das Arbeitskräfteangebot spätestens zu Beginn des kommenden Jahrzehnts spürbar verknappen wird, angesichts des bereits heute partiell auftretenden Fachkräftemangels und nicht zuletzt aufgrund der vorruhestandsbedingten Belastungen der Beitragszahler in der sozialen Sicherung kann die Politik zur Förderung der Frühverrentung nicht länger fortgesetzt werden.

Deshalb ist es erforderlich, die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer von derzeit bis zu 32 Monaten auf 12 bzw. 18 Monate zurückzuführen.
Dabei gilt der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz von 25 Monaten, der den Betroffenen eine langfristige Übergangsfrist zur Neuorientierung einräumt. Durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurden bereits die Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung und Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern ab 50 Jahren verbessert. Durch die im Zuge der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe für Erwerbsfähige noch zu schaffende Übergangsregelung zwischen Arbeitslosengeld und der neuen Unterstützungsleistung werden soziale Härten bei der Rückführung der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vermieden und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt verbessert.

B. Lösung

1. Änderungen des Kündigungsschutzes und Erleichterungen beim Abschluss befristeter Arbeitsverträge

– Um in kleinen Unternehmen mehr Beschäftigung zu fördern, wird die Anwendungsschwelle des Kündigungsschutzgesetzes flexibel gestaltet. Neu eingestellte Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag werden auf den Schwellenwert von fünf Arbeitnehmern nicht angerechnet. Die Regelung gilt zunächst bis zum 31. Dezember 2008.

– Im Interesse höherer Rechtssicherheit bei betriebsbedingten Kündigungen wird die Sozialauswahl auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers beschränkt.

Die Regelung über Ausnahmen von der Sozialauswahl zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Betriebes wird präzisiert. Als berechtigte betriebliche Interessen werden die Weiterbeschäftigung von Leistungsträgern und die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur hervorgehoben.

Die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl wird auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt, wenn in einem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind.

– Aus Gründen der Flexibilität und Praxisnähe werden die kündigungsrechtlichen Regelungen bei betriebsbedingter Kündigung durch einen gesetzlichen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers ergänzt. Der Arbeitnehmer soll die Möglichkeit erhalten, sich zu entscheiden, ob er gegen die betriebsbedingte Kündigung gerichtlich vorgeht – wie bisher schon nach geltendem Recht – oder ob er stattdessen die gesetzliche Abfindung beansprucht. Er kann den Abfindungsanspruch geltend machen, wenn der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe gestützt und den Arbeitnehmer darauf hingewiesen hat, dass er die im Gesetz vorgesehene Abfindung beanspruchen kann, wenn er die dreiwöchige Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage verstreichen lässt. Bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen bleibt es beim geltenden Recht.

– Es wird eine einheitliche Frist von drei Wochen für die gerichtliche Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung eingeführt. Damit besteht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer alsbald Klarheit über den Fortbestand oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

– Für Existenzgründer wird die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern erleichtert. In den ersten vier Jahren nach Unternehmensgründung können befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Befristungsgrund bis zur Dauer von vier Jahren abgeschlossen werden.

2. Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch

Die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld wird grundsätzlich auf 12 Monate begrenzt. Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, können Arbeitslosengeld bis zu einer Dauer von höchstens 18 Monaten beanspruchen.

C. Alternativen

Zu den Änderungen im Arbeitsrecht

Änderungen des Kündigungsschutzgesetzes entsprechend unterschiedlicher Vorschläge zur Anhebung des Schwellenwertes für den Geltungsbereich des Gesetzes. Dies würde je nach Ausgestaltung für mehrere Millionen Arbeitnehmer zum Verlust des Kündigungsschutzes führen. Andere Abfindungsregelungen, die entweder für die Unternehmen zu höheren Kosten führen oder den kündigungsrechtlichen Bestandsschutz der Arbeitnehmer in das Belieben des Arbeitgebers stellen würden.

(...)

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte


1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Durch die Neuregelungen im Arbeitsrecht entstehen für die öffentlichen Haushalte keine Kosten. Die Neuregelungen im Kündigungsschutzgesetz werden zu einer Verringerung der arbeitsgerichtlichen Verfahren führen, so dass eine Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit zu erwarten ist.

Die Neuregelung der Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld führt zu einer finanziellen Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit.

Dieser Entlastung stehen jedoch höhere Ausgaben für Arbeitslosenhilfe, Belastungen für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie – nicht bezifferbare – Mehrausgaben in der Sozialhilfe gegenüber.

Aufgrund der verfassungsrechtlich notwendigen Übergangsregelung sind erste finanzielle Auswirkungen erst ab der zweiten Jahreshälfte 2006 zu verzeichnen.

Die Bundesregierung beabsichtigt, ab 2004 Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige zu einem einheitlichen Leistungssystem zusammenzuführen. Die konkrete Ausgestaltung des neuen Leistungssystems steht noch nicht fest. Die nachfolgend dargestellten Belastungen dürften aber je nach Ausgestaltung des neuen Systems anders ausfallen. Im Einzelnen:

Finanzielle Auswirkungen (in Mrd. Euro)

Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe Nettoeinsparungen
Einsparungen Mehrausgaben
Jahr 2006 2007 ab 2008 2006 2007 ab 2008 2006 2007 ab 2008
Insgesamt 0,2 2,5 3,9 0,1 1,1 1,7 0,1 1,4 2,2
Nettoleistung 0,1 1,5 2,3 0,1 0,8 1,3 0,1 0,7 1,1
GKV-Beiträge 0,0 0,4 0,6 0,0 0,1 0,2 0,0 0,3 0,5
GRV-Beiträge 0,0 0,5 0,8 0,0 0,2 0,2 0,0 0,4 0,6
PflV-Beiträge 0,0 0,1 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,1


2. Vollzugsaufwand

Keine Änderungen.


E. Sonstige Kosten

Durch die Neuregelungen im Arbeitsrecht entstehen für die Wirtschaft keine Kosten.

Die Änderungen im Kündigungsschutz werden dazu führen, dass sich die Zahl der arbeitsgerichtlichen Verfahren und das Prozessrisiko der Arbeitgeber verringern.

Es ist zu erwarten, dass die Transaktionskosten für die Unternehmen, insbesondere für Rechtsberatung und Durchführung gerichtlicher Verfahren, sinken werden.

Die Änderungen des Kündigungsrechts und die Erleichterung beim Abschluss befristeter Arbeitsverträge in neu gegründeten Unternehmen werden zu mehr Beschäftigung führen. Durch zusätzliche Beschäftigung sind eine Entlastung der Arbeitslosenversicherung, höhere Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen und höhere Steuereinnahmen in nicht zu quantifizierender Höhe zu erwarten.


TEXTVORSCHLAG:


Artikel 1 - Änderung des Kündigungsschutzgesetzes


Das Kündigungsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317), zuletzt geändert durch … (BGBl. I S. …), wird wie folgt geändert:

(...)
6. § 13 wird wie folgt gefasst:

㤠13

Außerordentliche und sittenwidrige Kündigungen

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.

(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.“

Artikel 5 - Inkrafttreten


Dieses Gesetz tritt am … in Kraft.


BEGRÃœNDUNG:


A. Allgemeiner Teil


Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit auf derzeit über 4,3 Millionen Arbeitslose erfordert konsequentes Handeln für die Stärkung der Wachstumskräfte und für eine raschere Umsetzung der Wachstumsimpulse in neue Beschäftigung. Hierzu bedarf es u. a. der Senkung der Lohnnebenkosten und des Abbaus von Beschäftigungshemmnissen im Arbeits- und Sozialrecht.

In den vergangenen Monaten sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, den Arbeitsmarkt weiter zu flexibilisieren. In Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission wurden die Arbeitsmärkte für neue Formen der Beschäftigung und der Selbständigkeit geöffnet. Die Bedingungen für die Vermittlung der Arbeitslosen wurden durchgreifend verbessert. Die Rechte und Pflichten der Arbeitsuchenden wurden in ein neues Gleichgewicht gebracht.

Die Anstrengungen reichen jedoch nicht aus.

Entsprechend der Regierungserklärung vom 14. März 2003 sind weitere Reformschritte im Arbeits- und Sozialrecht notwendig, um Beschäftigungshemmnisse zu überwinden.

I. Änderungen des Kündigungsrechts

Der Kündigungsschutz gehört zum Wesen der sozialen Marktwirtschaft.

Er ist nicht nur eine soziale, sondern auch eine ökonomische und kulturelle Errungenschaft. Der Schutz vor unbegründetem und willkürlichem Verlust des Arbeitsplatzes ist für die Arbeitnehmer und ihre Familien von existenzieller Bedeutung und zugleich Voraussetzung dafür, dass sich die Arbeitnehmer motiviert und engagiert für die Belange des Unternehmens einsetzen.

Damit liegt der Kündigungsschutz zugleich im Interesse der Arbeitgeber. Er muss in seiner Substanz erhalten bleiben.

Änderungen sind dort notwendig, wo das geltende Kündigungsschutzrecht schwer handhabbar ist und sich starre Regelungen als Einstellungshemmnis erweisen.

Im Einzelnen ist Folgendes vorgesehen:

1. Das Kündigungsschutzgesetz gilt derzeit nicht in Betrieben, deren regelmäßige Zahl von Arbeitnehmern ohne Auszubildende fünf Arbeitnehmer nicht übersteigt.

Wird ein Arbeitnehmer über diese Grenze hinaus eingestellt, findet das Gesetz sogleich für alle Arbeitnehmer im Betrieb Anwendung. Eine Kündigung wird damit schwieriger und kostenträchtiger.


Um kleinen Unternehmern die Entscheidung zu Neueinstellungen zu erleichtern, wird die Anwendungsschwelle des Gesetzes flexibler gestaltet:

Sind in einem Betrieb nicht mehr als fünf vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer oder eine dieser Zahl entsprechende Zahl von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern beschäftigt, kommt der Betrieb durch die befristete Beschäftigung weiterer Arbeitnehmer nicht in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Es wird davon ausgegangen, dass von der Regelung viele Handwerker und kleine Gewerbetreibende Gebrauch machen werden, die bislang trotz bestehenden, meist vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs von Einstellungen absehen und stattdessen auf Überstundenarbeit ausweichen oder sogar auf Aufträge verzichten.

Die Regelung soll zunächst bis zum 31. Dezember 2008 gelten. Über die weitere Geltung soll nach Überprüfung der Beschäftigungswirkung entschieden werden.

Die Nichtberücksichtigung von zusätzlich eingestellten befristet Beschäftigten wird nicht zur Folge haben, dass in einem Betrieb eine so große Anzahl befristet beschäftigter Arbeitnehmer zusätzlich eingestellt wird, dass nicht mehr von einem Kleinbetrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes ausgegangen werden kann. Die vom Bundesverfassungsgericht für Kleinbetriebe als verfassungsgemäß anerkannte Ausnahme vom Kündigungsschutzgesetz bleibt gewahrt. Sie beruht auf der engen persönlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern und der begrenzten verwaltungsmäßigen und wirtschaftlichen Belastbarkeit von Kleinbetrieben, insbesondere auch in Bezug auf die Durchführung und die Kosten eines Kündigungsschutzprozesses (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87, DB 1998 S. 826). Die Flexibilisierung der Anwendungsschwelle wird dazu führen, dass jenseits der Schwelle Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag eingestellt werden. Dem Arbeitgeber wird das Risiko genommen, rechtlich zutreffend beurteilen zu müssen, ob der Arbeitnehmer als „in der Regel“ befristet Beschäftigter beim Schwellenwert mitzuzählen ist oder dies unterbleiben kann, weil der Arbeitnehmer nur als vorübergehend beschäftigte Aushilfskraft tätig wird. Der Arbeitgeber wird ermutigt, bei unstetiger Konjunkturund Auftragslage statt Überstunden einen oder mehrere befristet Beschäftigte zusätzlich einzustellen, weil er nicht befürchten muss, dass dadurch der gesamte Betrieb in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt. Vor diesem Hintergrund ist ein deutlich überproportionaler Anteil befristet Beschäftigter gegenüber unbefristet Beschäftigten im Allgemeinen nicht zu erwarten.
Dafür spricht auch, dass die für befristete Arbeitsverträge geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, zu beachten sind.

2. Die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen ist eine Quelle von Rechtsunsicherheit.

Berücksichtigt ein Arbeitgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend, können sich alle in diesem Zusammenhang gekündigten sozial schwächeren Arbeitnehmer hierauf berufen.

Welche sozialen Gesichtspunkte außer den von der Rechtsprechung anerkannten Hauptgesichtspunkten, der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers, zu berücksichtigen sind, ist zum Teil umstritten.

Die Arbeitsgerichte entscheiden nach unterschiedlichen Maßstäben, die für den Arbeitgeber im Einzelfall schwer vorhersehbar sind.

Um größere Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erreichen, wird die Sozialauswahl auf die drei sozialen Grunddaten beschränkt. Der bisherige soziale Schutz bei Schwerbehinderung bleibt erhalten.

Im Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Betriebes werden die betrieblichen Erfordernisse gegenüber sozialen Gesichtspunkten stärker betont. Der Arbeitgeber kann bestimmte Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl ausnehmen, wenn deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers wegen seiner Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur notwendig ist.

Damit wird ausdrücklich klargestellt, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht zur Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit führen müssen.

Besonders schwierig ist die Sozialauswahl bei der Entlassung einer größeren Zahl von Arbeitnehmern bei Betriebsänderungen, z. B. bei Stilllegung von Betriebsteilen.

Größere Rechtssicherheit für alle Beteiligten wird durch folgende Regelung erreicht:

Vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat im Falle einer Betriebsänderung (§ 111 Betriebsverfassungsgesetz) einen Interessenausgleich und sind darin die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich festgelegt, wird gesetzlich vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Die Sozialauswahl kann in diesem Fall vom Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Diese Regelung entspricht § 125 der Insolvenzordnung, der sich in der Praxis unter dem Gesichtspunkt der Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten bewährt hat.

3. Die kündigungsschutzrechtlichen Regelungen bei betriebsbedingter Kündigung werden durch einen gesetzlichen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers ergänzt.

Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung wird den Arbeitsvertragsparteien ein Verfahren für eine einfache, effiziente und kostengünstige vorgerichtliche Klärung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeboten:

Der Arbeitnehmer kann entscheiden, ob er Kündigungsschutzklage erhebt oder darauf verzichtet und stattdessen eine Abfindung beansprucht.

Voraussetzung für den Abfindungsanspruch ist, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe stützt und den Arbeitnehmer darauf hinweist, dass er die im Gesetz vorgesehene Abfindung beanspruchen kann, wenn er die dreiwöchige Klagefrist verstreichen lässt. Der Abfindungsanspruch entsteht dann mit dem Ablauf der Kündigungsfrist.

Mit der im Gesetz geregelten Berechnung der Abfindungshöhe wird den Arbeitsvertragsparteien ein Standardverfahren zur Verfügung gestellt, das einen fairen Interessenausgleich ermöglicht, ohne die Arbeitsgerichte anrufen zu müssen.

Das Kündigungsschutzgesetz sieht bisher keine Möglichkeit vor, dass der Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers anstelle des kündigungsrechtlichen Bestandsschutzes einen Abfindungsanspruch geltend machen kann.

Dennoch enden in der arbeitsgerichtlichen Praxis viele Kündigungsschutzklagen vor Gericht mit einem Vergleich, in dem das Arbeitsverhältnis gegen Abfindungszahlung zum Kündigungstermin beendet wird.

Nur in seltenen Fällen kommt es zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

In der öffentlichen Diskussion wird der Realitätsverlust des Kündigungsschutzrechts beklagt, der die wirklichen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in vielen praktischen Fällen ignoriere. Die Arbeitsvertragsparteien würden gezwungen, ineffiziente und kostenträchtige Kündigungsschutzprozesse zu führen, obwohl sie oft von vornherein nur an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen eine angemessene Abfindungszahlung interessiert seien.

Der vorgesehene Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers hat zahlreiche Vorteile:

Der Arbeitnehmer muss nicht mehr den Weg über eine Kündigungsschutzklage gehen, um eine Abfindung zu erhalten. Er wird sich für die Abfindung entscheiden, wenn er eine Anschlussbeschäftigung schon in Aussicht hat, mit der Wirksamkeit der Kündigung rechnen muss oder auch bei Erfolg seiner Kündigungsschutzklage ein belastetes Arbeitsklima befürchtet.

Durch die gesetzlich festgelegte Abfindungshöhe wird dem Arbeitnehmer die Sorge genommen, dass er keine angemessene Abfindung erhält. Für den Arbeitgeber wird das Kündigungsrecht transparenter und kalkulierbarer.

Der Arbeitgeber kann das Risiko vermeiden, dass die betriebsbedingte Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält und er das während des Prozesses angefallene Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzuges nachzahlen muss. Er spart die Transaktionskosten, die er sonst zur sachgerechtenWahrung seiner rechtlichen Interessen aufwenden müsste. Die außergerichtliche Streitbeilegung wird die Arbeitsgerichtsbarkeit entlasten.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen keine Einbußen ihrer bisherigen Rechtspositionen befürchten.

Dem Arbeitnehmer bleibt der kündigungsrechtliche Bestandsschutz auch bei betriebsbedingten Kündigungen erhalten. Wie bisher kann der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben und den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend machen.

Der Arbeitgeber wird auch künftig nicht verpflichtet, bei betriebsbedingten Kündigungen stets eine Abfindung zu zahlen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber keine Zweifel an der Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung hat.

4. Im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht, wird für die Geltendmachung aller Unwirksamkeitsgründe eine einheitliche Klagefrist von drei Wochen eingeführt.

Eine entsprechende Regelung gilt bereits für die Kündigung durch den Insolvenzverwalter nach § 113 Abs. 2 der Insolvenzordnung. Für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages hat der Arbeitnehmer nach § 17 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes ebenso eine Dreiwochenfrist einzuhalten.

Nach bisherigem Recht gilt die Dreiwochenfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers (§ 4 Abs. 1 Satz 1) nur für die Geltendmachung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung nach § 1, der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 13 Abs. 1 und einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter (§ 113 Abs. 2 der Insolvenzordnung).

Für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung aus anderen Gründen ist keine Frist festgelegt.

Aus anderen Gründen kann eine Kündigung rechtsunwirksam sein, z. B. wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, wegen eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 4 BGB, wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) wie § 9 des Mutterschutzgesetzes, § 18 des Bundeserziehungsgeldgesetzes oder § 85 SGB IX (schwerbehinderte Menschen) sowie bei Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegt das Klagerecht in diesen Fällen der Verwirkung. Wann das Klagerecht verwirkt, richtet sich nach Zeit- und Umstandsmoment im Einzelfall. Die Rechtsprechung zur Frage des maßgebenden Zeitablaufs schwankt zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten.

II. Erleichterung befristeter Einstellungen für Existenzgründer

Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz sind befristete Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Befristungsgrund bis zur Dauer von zwei Jahren möglich; eine weitergehende Regelung gilt für die sachgrundlose befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern ab dem 52. Lebensjahr. Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen hat sich als flexible Form der Beschäftigung insbesondere bei unsicherer Auftragslage der Unternehmen bewährt. Für Existenzgründer ist der wirtschaftliche Erfolg besonders ungewiss. Sie können in der Aufbauphase kaum abschätzen, wie sich das Unternehmen entwickeln und wie hoch der Personalbedarf sein wird. Neu gegründete Unternehmen erhalten deshalb in den ersten vier Jahren nach der Aufnahme der Erwerbstätigkeit die Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Befristungsgrund bis zur Dauer von vier Jahren abzuschließen.

Damit wird Existenzgründern die Entscheidung zu Einstellungen erheblich erleichtert. Bis zu dieser Höchstgrenze kann ein zunächst kürzer befristeter Arbeitsvertrag mehrfach verlängert werden. Entsprechend der Regelung zur Befreiung von neu gegründeten Unternehmen von der Sozialplanpflicht nach § 112a des Betriebsverfassungsgesetzes gilt die längere Befristungsmöglichkeit nur bei einem unternehmerischen Neuengagement, nicht jedoch für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen. Nach den Erfahrungen ist davon auszugehen, dass eine zunächst befristete Beschäftigung für einen großen Teil der betreffenden Arbeitnehmer eine Brücke in eine Dauerbeschäftigung sein wird.

III. Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch

Die Beiträge zur Sozialversicherung haben eine Höhe erreicht, die für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine erhebliche Belastung darstellen. Für die Unternehmen, insbesondere in personalintensiven Wirtschaftsbereichen, sind sie zu einem Hindernis für mehr Beschäftigung geworden. Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, im Rahmen der „Agenda 2010“ die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Hierzu ist es auch notwendig, den Faktor Arbeit von einem Teil der gegenwärtigen Kosten der sozialen Sicherungssysteme zu entlasten. Die beschäftigten Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber, die mit ihren Beiträgen ganz überwiegend die Mittel für die sozialen Sicherungssysteme aufbringen, haben Anspruch darauf, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, die zu einem erheblichen Teil durch die Sozialversicherungsbeiträge bestimmte Höhe der Lohnnebenkosten zu senken. Zugleich verbessert dies in personalintensiven Branchen die Beschäftigungschancen nachdrücklich.

Die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor der Arbeitslosenversicherung.

Die gegenwärtige Struktur der Leistungsdauer, insbesondere die über zwölf Monate hinausgehende Anspruchsdauer, kann negative Anreize auf das arbeitsmarktrelevante Verhalten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern setzen. Sie hat erhebliche Steuerungswirkung für den Zugang in Arbeitslosigkeit und den Abgang aus Arbeitslosigkeit. Insbesondere dürfte die seit Mitte der 80er Jahre vorhandene Struktur der Leistung, nämlich, bei steigendem Lebensalter und langer Versicherungszeit für einen jeweils längeren Zeitraum Arbeitslosengeld beanspruchen zu können, zu der in weiten Bereichen der Wirtschaft praktizierten Form der Frühverrentung beigetragen haben. Die dadurch entstehenden Ausgaben bei der Bundesanstalt für Arbeit, aber auch in der gesetzlichen Rentenversicherung haben die Handlungsspielräume für eine Senkung der Lohnnebenkosten – soweit diese durch die Beiträge zur Sozialversicherung bestimmt sind – eingeengt. Mit der Neuregelung werden mittelfristig unmittelbare und mittelbare Spielräume für eine beschäftigungswirksame Senkung des Beitrages zur Arbeitsförderung eröffnet. Die Neuregelung setzt damit ein deutliches beschäftigungspolitisches Signal für einstellende Betriebe und gibt neue Impulse für den Arbeitsmarkt. Sie ist in den Kontext der Anstrengungen um eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Sicherung, insbesondere auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, eingebettet. Eine dynamisch wachsende Wirtschaft und eine hohe Beschäftigungsquote sind wichtige Voraussetzungen für einen leistungsfähigen Sozialstaat und für eine funktionierende soziale Marktwirtschaft. Die Neustrukturierung der Dauer des Arbeitslosengeldes führt einerseits zu Einschränkungen für ältere Arbeitslose. Andererseits entlasten die damit verbundenen Einsparungen die aktiv Tätigen und die jüngere Generation.

IV. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Der Bund hat für das Arbeitsrecht und die Arbeitsförderung die Gesetzgebungszuständigkeit in dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 und Nr. 7 GG). Dem Bund steht das Gesetzgebungsrecht für diese Bereiche zu, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Artikel 72 Abs. 2 GG).

Auf dem Gebiet des Kündigungsrechts und der Befristung von Arbeitsverträgen sind bundeseinheitliche Regelungen auch weiterhin notwendig. Sie gewährleisten, dass für gleiche Lebenssachverhalte gleiche arbeitsrechtliche Mindestnormen gelten und schaffen damit – auch als Grundlage der bundeseinheitlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechtssicherheit, unabhängig davon, in welchem Bundesland das Arbeitsverhältnis besteht. Arbeitsrechtliche Mindestregelungen sind zugleich wesentliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen. Eine nach Bundesländern unterschiedliche Ausgestaltung des Arbeitsrechts würde einen fairen Wettbewerb beeinträchtigen und insbesondere ausländische Investitionen erschweren.

Das Arbeitsförderungsrecht betrifft sowohl die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse als auch die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit. Für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist das Recht der sozialen Sicherheit von besonderem Gewicht. Die leistungsrechtlichen Neuregelungen des Gesetzentwurfs müssen auf Bundesebene erfolgen, um die Einheitlichkeit der Leistungsdauer für das gesamte Bundesgebiet zu gewährleisten.


B. Besonderer Teil


Zu Artikel 1 (Änderung des Kündigungsschutzgesetzes)


(...)
Zu Nummer 6 (§ 13)

Die Änderungen der Vorschrift sind im Wesentlichen Folge der Vereinheitlichung der Klagefrist für alle Kündigungen.
Die Überschrift wird an den geänderten Inhalt der Vorschrift (Aufhebung des Absatzes 3) angepasst.
Absatz 1 entspricht mit Ausnahme des Satzes 3 und des neuen Satzes 4 dem bisherigen Wortlaut. Im neuen Satz 4 wird für den Fall des Auflösungsantrags des Arbeitnehmers bei einer nicht rechtswirksamen außerordentlichen Kündigung geregelt, welchen Zeitpunkt das Gericht für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festzusetzen hat. Aus der bisherigen Verweisung auf die Vorschrift des § 9 Abs. 2, die den Auflösungszeitpunkt bei ordentlicher Kündigung betrifft, war der Zeitpunkt der Auflösung bei außerordentlicher Kündigung nicht eindeutig zu entnehmen. Nunmehr wird eindeutig geregelt, dass das Gericht für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen hat, zu dem der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Das ist bei fristloser Kündigung der Zugang der Kündigungserklärung, bei einer außerordentlichen befristeten Kündigung der vom Arbeitgeber genannte Zeitpunkt und bei einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis bei ordentlicher Kündigung geendet hätte.
Absatz 2 enthält für eine Kündigung, die gegen die guten Sitten verstößt, nur noch die Verweisungsregelung auf die Vorschriften über den Auflösungsantrag des Arbeitnehmers (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2) sowie auf die Vorschriften der §§ 10 bis 12. Eine sittenwidrige Kündigung ist „aus anderen Gründen“ rechtsunwirksam. Für sie gelten deshalb die dreiwöchige Klagefrist (§ 4 Satz 1) sowie die Regelungen über die Zulassung verspäteter Klagen (§ 5) und der verlängerten Anrufungsfrist (§ 6).
Der bisherige Absatz 3 wird gegenstandslos. Er stellte klar,
dass die Geltendmachung anderer Rechtsunwirksamkeitsgründe für eine Kündigung als die fehlende soziale Rechtfertigung oder das Fehlen eines wichtigen Grundes nicht an die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 gebunden ist.

Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)


Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

C. Finanzielle Auswirkungen

Durch die Neuregelungen im Arbeitsrecht entstehen für die öffentlichen Haushalte keine Kosten. Die Neuregelungen im Kündigungsschutzgesetz werden zu einer Verringerung der arbeitsgerichtlichen Verfahren führen, so dass eine Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit zu erwarten ist.

Die Neuregelung der Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld führt zu einer finanziellen Entlastung der Bundesanstalt für Arbeit.

Dieser Entlastung stehen jedoch höhere Ausgaben für Arbeitslosenhilfe, Belastungen für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nicht bezifferbare Mehrausgaben in der Sozialhilfe gegenüber.

Aufgrund der verfassungsrechtlich notwendigen Übergangsregelung sind erste finanzielle Auswirkungen erst ab der zweiten Jahreshälfte 2006 zu verzeichnen. Die Bundesregierung beabsichtigt, ab 2004 Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige zu einem einheitlichen Leistungssystem zusammenzuführen. Die konkrete Ausgestaltung des neuen Leistungssystems steht noch nicht fest. Die nachfolgend dargestellten Belastungen dürften aber je nach Ausgestaltung des neuen Systems anders ausfallen. Im Einzelnen: Finanzielle Auswirkungen (in Mrd. Euro) siehe unten.

D. Preiswirkungsklausel

Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist nicht mit zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft, insbesondere für mittelständische Unternehmen, zu rechnen. Negative Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind insofern nicht zu erwarten.

E. Sonstige Kosten

Durch die Neuregelungen im Arbeitsrecht entstehen für die Wirtschaft keine Kosten.

Die Änderungen im Kündigungsschutz werden dazu führen, dass sich die Zahl der arbeitsgerichtlichen Verfahren und das Prozessrisiko der Arbeitgeber verringern. Es ist zu erwarten, dass die Transaktionskosten für die Unternehmen, insbesondere für Rechtsberatung und Durchführung gerichtlicher Verfahren, sinken werden.

Die Änderungen des Kündigungsrechts und die Erleichterung beim Abschluss befristeter Arbeitsverträge in neu gegründeten Unternehmen werden zu mehr Beschäftigung führen. Durch zusätzliche Beschäftigung sind eine Entlastung der Arbeitslosenversicherung, höhere Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen und höhere Steuereinnahmen in nicht zu quantifizierender Höhe zu erwarten.

F. Gleichstellungspolitische Bedeutung

Die Gesetzesänderungen haben keine Auswirkungen auf die Gleichstellung.



B. Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucksache 15/1509, Anlage 2, 02.09.2003)


Der Bundesrat hat in seiner 790. Sitzung am 11. Juli 2003 gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossen, zu dem Gesetzentwurf wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Ziel muss es sein, die wirtschafts-, finanz-, sozial- und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen wieder stärker auf die Förderung von Beschäftigung auszurichten. Das von der Bundesregierung prognostizierte und ohnehin nicht erreichbare mittelfristige Wachstum des realen BIP würde nicht ausreichen, um die vorhandenen Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern, geschweige denn neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Nur wenn Beschäftigungshürden abgebaut und Unternehmergeist gefördert werden, kann es gelingen, den Arbeitsmarkt zu beleben. Zum anderen müssen alle Einsparpotenziale in der Arbeitslosenversicherung konsequent genutzt werden, um den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung deutlich zu senken und so zu einer Reduzierung der Lohnnebenkosten beitragen zu können.

2. Der Bundesrat hält einen weitergehenden Gesetzentwurf, mit dem Überreglementierungen in verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechts beseitigt und Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung ermöglicht werden, für den richtigen Weg.

Dieser Gesetzentwurf sollte sich an folgenden Eckpunkten orientieren:

– Beschäftigungsorientierte Abweichungen von Tarifverträgen werden unter Beachtung der Tarifautonomie zugelassen. Betriebliche Bündnisse für Arbeit und beschäftigungssichernde Betriebsvereinbarungen werden gesetzlich abgesichert.
– Im Tarifvertragsgesetz wird klargestellt, dass es den Unternehmen möglich ist, Arbeitslose während der Probezeit unter Tarif zu beschäftigen.
– Die gerade für mittelständische Betriebe kostentreibenden Teile des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 (BetrVerf-Reformgesetz) werden zurückgenommen.
– Außerdem wird Arbeitnehmern durch eine Öffnungsklausel die Option eingeräumt, gegen die vorherige Vereinbarung einer Abfindung auf Kündigungsschutzklage zu verzichten. Für Existenzgründer entfällt während der ersten vier Jahre ihrer Existenz der Kündigungsschutz für ihre Arbeitnehmer.
– Zu weit gehende Regelungen im Gesetz über Teilzeit- und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 werden auf das notwendige und sinnvolle Maß beschränkt. Dazu wird insbesondere der generelle Teilzeitanspruch auf einen Teilzeitanspruch bei notwendiger Betreuung von Familienangehörigen (Kinder und Pflegebedürftige) reduziert.
– Der „pro-rata-temporis Grundsatz“ wird bei der Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten bei Schwellenwerten für alle arbeitsrechtlichen Gesetze und Verordnungen festgeschrieben.
– Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wird weiter dergestalt geändert, dass ein Leiharbeitnehmer erst nach Ablauf des zwölften Monats der Beschäftigung beim selben Entleiher Anspruch auf das dort geltende tarifliche Entgelt hat.
– Zur Senkung der Lohnnebenkosten wird der Beitragssatz in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung in drei Jahresschritten von derzeit 6,5 % auf 5 % abgesenkt.

3. Der Bundesrat weist ausdrücklich darauf hin, dass mit der Neuregelung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes keine finanzielle Belastung für Länder und Kommunen einhergehen darf. Angesichts der angespannten Lage der kommunalen Haushalte sind zusätzliche Belastungen nicht verkraftbar. Die nach Ablauf der Übergangsfrist zu erwartenden höheren Ausgaben der Kommunen für die Sozialhilfe müssen daher vom Bund finanziell ausgeglichen werden.



C. Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/1509, Anlage 3, 02.09.2003)


Zu Nummer 1

Die Bundesregierung stimmt mit der vom Bundesrat hervorgehobenen Zielsetzung überein, die wirtschafts-, finanz-, sozial- und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen wieder stärker auf die Förderung von Beschäftigung auszurichten.
Die Bundesregierung verfolgt diese Zielsetzung in sehr weit reichender Art undWeise. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Einbeziehung der beschäftigungspolitisch wichtigen Politikbereiche in die umfassende Reformagenda 2010. Diese ist darauf gerichtet, die Arbeitslosigkeit zu verringern, die Beschäftigung zu erhöhen, die soziale Sicherung zukunftsfest zu machen und die internationaleWettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Folgerichtig umfasst die Reformagenda die Fortführung der Politik der Steuersenkungen, die Rückführung von Subventionstatbeständen, die Fortführung der Haushaltskonsolidierung und die stärkere Konzentration der Staatsausgaben auf zukunftsorientierte Bereiche wie Bildung und Forschung, umfassende Reformen am Arbeitsmarkt – geprägt vom Grundprinzip „Fördern und Fordern“ – einschließlich der Schaffung von mehr Flexibilität im Bereich des Arbeitsrechts, Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen, Strukturreformen auf Güter-, Dienstleistungs- Kapitalmärkten, Förderung von Existenzgründern und bestehenden mittelständischen Unternehmen durch Bürokratieabbau, die Reform des Handwerksrechts, Unterstützung bei Innovationen und Zukunftstechnologien sowie eine Außenwirtschaftsoffensive, damit die Unternehmen Wachstums- und Beschäftigungschancen der Globalisierung nutzen können.

Zu Nummer 2

Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Änderungen des Arbeitsrechts und des Leistungsrechts in der Arbeitslosenversicherung berücksichtigen ausgewogen die Flexibilitätsinteressen der Unternehmen, die sozialen Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmer und die Interessen der Arbeitsuchenden. Diese Ausgewogenheit fehlt den vom Bundesrat vorgelegten Eckpunkten für weitergehende Gesetzesänderungen.
Mit den vorgeschlagenen Regelungen würden insbesondere der Tarifvertrag als Instrument zur Sicherung von Mindestarbeitsbedingungen zur Disposition gestellt, wesentliche Teile der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes rückgängig gemacht sowie bedeutsame Arbeitnehmerrechte, wie der Kündigungsschutz, der Anspruch auf Teilzeitarbeit und das Recht der Leiharbeitnehmer auf angemessene Entlohnung, erheblich beschnitten. Deshalb lehnt die Bundesregierung die in den Eckpunkten enthaltenen Forderungen des Bundesrates nach weitergehenden Gesetzesänderungen ab.

Zum 1. Anstrich (Zulassung beschäftigungsorientierter Abweichungen von Tarifverträgen)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.
Die flexible Anpassung der Tarifverträge an die Bedürfnisse der Betriebe und der Arbeitnehmer ist Sache der Tarifvertragsparteien selbst. Sie haben in den letzten Jahren vermehrt Öffnungsklauseln, Härtefallregelungen und andere Differenzierungsbestimmungen in die Tarifverträge aufgenommen. Derartige Klauseln ermöglichen den betrieblichen Akteuren, unter bestimmten Bedingungen beim Arbeitsentgelt und bei der Arbeitszeit von den normierten Standards abzuweichen und betriebsspezifische Regelungen zu vereinbaren, insbesondere zur Sicherung und zum Aufbau von Arbeitsplätzen. Diesen Weg gilt es beschäftigungsorientiert weiter zu entwickeln. Die verstärkte Nutzung der Möglichkeiten innerhalb des bestehenden Tarifvertragssystems ist nach der Auffassung der Bundesregierung der richtige Ansatz, die Vorteile des Flächentarifvertrages mit der notwendigen Flexibilität auf betrieblicher Ebene zu verbinden. Die Bundesregierung erwartet, dass die Tarifvertragsparteien die ihnen vom Grundgesetz zugewiesene Gestaltungsverantwortung konstruktiv wahrnehmen.

Zum 2. Anstrich (Gesetzliche Regelung, die es Unternehmen ermöglicht, Arbeitslose während der Probezeit unter Tarif zu beschäftigen)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.
Bereits heute gibt es Tarifverträge mit Einstiegstarifen für Arbeitnehmer, die neu eingestellt werden oder zuvor arbeitslos waren; diese Einstiegstarife sehen um bis zu 20 Prozent niedrigere Entgelte vor. Darüber hinaus würde der Vorschlag die Bemühungen der Tarifvertragsparteien, die tarifpolitischen Reformen fortzusetzen, unterlaufen und den Tarifvertragsparteien den notwendigen inneren Handlungsdruck für weitere Flexibilisierungen nehmen.

Zum 3. Anstrich (Rücknahme von Teilen der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes)

Die Bundesregierung lehnt die vorgeschlagenen Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes ab.
Mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahre 2001 sind die nach dreißig Jahren notwendigen Anpassungen an die Entwicklung in der Arbeits- und Wirtschaftswelt vorgenommen worden. Die Reform schafft die erforderlichen Voraussetzungen insbesondere für moderne Betriebsratsstrukturen, effiziente Betriebsratsarbeit, verbesserte Beteiligungsrechte in den heute wichtigen Bereichen der Beschäftigungssicherung und Qualifizierung der Arbeitnehmer und für die Stärkung der Chancengleichheit von Frauen und Männern. Die Betriebsverfassung ist von bürokratischen Hemmnissen befreit und flexibilisiert worden. Diese Erleichterungen sind gerade für kleine und mittlere Unternehmen von großer Bedeutung. Dazu gehören vor allem die Flexibilisierung des Organisationsrechts und die Vereinfachung des Wahlverfahrens. Auf die Besonderheiten kleiner und mittlerer Betriebe ist in der Reform auch an vielen weiteren Stellen Rücksicht genommen worden. Von der kritisierten Absenkung der Schwellenwerte bei der Betriebsratsgröße sind weniger als zwei Prozent und bei den Freistellungen weniger als ein Prozent aller Betriebe betroffen. Für denWirtschaftsstandort Deutschland ist eine funktionierende Betriebspartnerschaft eines der Kernelemente der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind handlungsfähige und qualifizierte Arbeitnehmervertretungen, die zur Übernahme von Verantwortung bereit sind, für den sozialen Ausgleich und den innerbetrieblichen Frieden unverzichtbar. Dies setzt konsequenterweise voraus, dass den Betriebsräten unter den gewandelten Bedingungen die notwendigen personellen Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Zum 4. Anstrich (Änderungen im Kündigungsschutz)

Der Bundesrat schlägt vor, dem Arbeitnehmer durch eine Öffnungsklausel im Kündigungsschutzgesetz die Option einzuräumen, bereits bei seiner Einstellung für den Fall einer späteren Arbeitgeberkündigung durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gegen Zusage einer Abfindung zu verzichten. Die Bundesregierung lehnt eine solche Lösung ab. Der Arbeitnehmer hätte keine wirkliche Wahlmöglichkeit. Angesichts des strukturellen Ungleichgewichtes zwischen den Vertragsparteien in der Phase des Vertragsabschlusses hätte er nur die Wahl, auf das Angebot des Arbeitgebers einzugehen oder auf den Arbeitsplatz zu verzichten. Da der Arbeitnehmer in dieser Situation die Abfindungsvereinbarung akzeptieren müsste, würde er im Falle einer späteren Arbeitgeberkündigung seinen Arbeitsplatz auch dann verlieren, wenn die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt wäre.
Auch für den Arbeitgeber wäre die vorgeschlagene Regelung mit Risiken verbunden. Er müsste über Kündigungsschutz oder Abfindungszusage zu einem Zeitpunkt entscheiden, in dem er die konkreten Gegebenheiten der späteren Kündigungssituation meist nicht beurteilen könnte. Eine Abfindungsvereinbarung wäre für ihn von Nachteil, wenn die später erforderliche Kündigung berechtigt wäre und deshalb keine Abfindung gezahlt werden müsste (z. B. wenn der einzige Betrieb eines Unternehmens stillgelegt wird).
Im Gegensatz hierzu sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Lösung vor, bei der sich die Arbeitsvertragsparteien erst nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zwischen Kündigungsschutzprozess und Abfindung entscheiden müssen.
Der Bundesrat schlägt weiterhin vor, dass für Beschäftigte bei Existenzgründern in den ersten vier Jahren des Bestehens des Unternehmens kein Kündigungsschutz bestehen soll.
Die Bundesregierung lehnt das ab. Den Arbeitnehmern würde für eine lange Zeitdauer der Kündigungsschutz auch dann genommen, wenn sich das neu gegründete Unternehmen gut entwickelt und aufgrund der Beschäftigtenzahl kein Kleinstunternehmen mehr ist, bei dem die Nichtanwendung des Kündigungsschutzgesetzes gerechtfertigt ist. Dies wäre vor allem unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht vertretbar.
Demgegenüber sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine sachgerechte Lösung vor. Existenzgründer erhalten in den ersten vier Jahren nach der Aufnahme ihrer Tätigkeit die Möglichkeit zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge ohne sachlichen Befristungsgrund bis zur Dauer von vier Jahren. Das ermöglicht die notwendige Flexibilität der Beschäftigung in der schwierigen Aufbauphase des Unternehmens, ohne dass den Arbeitnehmern der Kündigungsschutz genommen wird, wenn das Unternehmen eine entsprechende Größe erreicht hat.

Zum 5. Anstrich (Begrenzung des Teilzeitanspruchs)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab. Der Vorschlag ist familien- und gleichstellungspolitisch sowie beschäftigungspolitisch kontraproduktiv. Der im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelte Teilzeitanspruch ist zu Recht nicht auf bestimmte soziale Tatbestände beschränkt. Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass grundsätzlich alle Beschäftigten, Frauen und Männer mit und ohne Familienpflichten, gleichermaßen mit dem Anliegen einer Arbeitszeitverkürzung an sie herantreten können. Erst durch die vom Bundesrat vorgeschlagene Beschränkung der Regelung auf bestimmte Personengruppen würde der Teilzeitanspruch zu einem Einstellungshindernis für den dadurch privilegierten Personenkreis.
Mit dem allgemeinen Teilzeitanspruch wurde eine erfolgreiche Strategie für den Ausbau von Teilzeitarbeit gewählt. Die Zahl der abhängig Teilzeitbeschäftigten ist im Jahr 2002 auf annähernd 7 Millionen angewachsen. Seit Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes am 1. Januar 2001 hat die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um fast 460 000 zugenommen. Die Teilzeitquote beträgt nunmehr 21,4 Prozent. Sie ist damit innerhalb von zwei Jahren um 1,6 Prozentpunkte gestiegen.

Zum 6. Anstrich (Anteilige Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten

bei allen arbeitsrechtlichen Schwellenwerten)
Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.
Die unterschiedlichen Schwellenwerte im Arbeits- und Sozialrecht rechtfertigen sich aus den unterschiedlichen Zielsetzungen der jeweiligen Regelungen. Sie können nicht auf einen einheitlichen Schwellenwert zurückgeführt werden. Da, wo es sachgerecht ist, gilt bereits eine pro-rata-temporis- Regelung für die Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten (§ 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz, § 622 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch, § 2 Abs. 3 Arbeitsplatzschutzgesetz, § 10 Abs. 2 Lohnfortzahlungsgesetz, § 6 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz, § 11 Arbeitssicherheitsgesetz, § 147a Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch).

Zum 7. Anstrich (Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes)

Die Bundesregierung lehnt die vorgeschlagene Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ab, wonach Leiharbeitnehmer erst nach 12-monatiger Beschäftigung in demselben Entleiherbetrieb Anspruch auf das dort geltende tarifliche Arbeitsentgelt haben sollen.
Durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurden die Vorschriften der Arbeitnehmerüberlassung erheblich flexibilisiert. Das Gleichstellungsgebot der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 9 Nr. 2 AÜG wurde als Ausgleich für die Aufhebung zahlreicher Beschränkungen und Verbote des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, die dem besonderen Schutz der Leiharbeitnehmer dienten, eingeführt.
Gerade vor dem Hintergrund des nunmehr flexibilisierten Rechts muss darüber hinaus verhindert werden, dass ein verstärkter Einsatz von Leiharbeitnehmern zur Verdrängung von Stammarbeitsplätzen führt. Schließlich soll das Gleichstellungsgebot zu einer Aufwertung von Leiharbeit führen. Dies kann durch die Gleichstellung („equal pay“) von Leiharbeitnehmern mit vergleichbaren Stammarbeitskräften des Entleihers oder durch eine Regelung der wesentlichen Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge geschehen.

Zum 8. Anstrich (Senkung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung)
Auch die Bundesregierung verfolgt das Ziel, alle Möglichkeiten zur Senkung der Lohnnebenkosten zu nutzen. Mit den Veränderungen bei der Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wird hierzu ein wichtiger Beitrag geleistet.
Denn die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ist ein erheblicher Kostenfaktor der Arbeitslosenversicherung. Angesichts der immer noch sehr angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt, die auch für das Jahr 2004 voraussichtlich zu einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von deutlich über vier Millionen führen wird, zeichnen sich allerdings Spielräume für eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitsförderung noch nicht ab. Sie wären nur bei einer Umfinanzierung von Programmen und Leistungen der aktiven Arbeitsförderung denkbar, die zu Einsparungen im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit führen würden. Hierzu ist eine realistische Konzeption bisher nicht vorgelegt worden.

Zu Nummer 3

Die Forderung steht imWiderspruch zu der unter Nummer 2, 8. Anstrich, erhobenen Forderung, Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung vorzunehmen und den Beitrag zur Bundesanstalt für Arbeit zu senken. Leistungseinschränkungen in der Arbeitslosenversicherung können zwangsläufig auch dazu führen, dass Arbeitslose, deren berufliche Wiedereingliederung während des Bezuges von Arbeitslosengeld nicht gelingt, im Anschluss an den Bezug dieser Leistung oder zur Aufstockung der Leistungshöhe auf andere oder ergänzende Leistungen angewiesen sind, die den Lebensunterhalt sicherstellen. Im Übrigen ist die Frage der Ausgestaltung des zukünftigen – Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenführenden – Systems nicht Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfs, sondern der von der Bundesregierung beschlossenen Entwürfe eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch.



D. Rechtsausschuss (BT-Drucksache 15/1587, 24.09.2003)


Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf den Drucksachen 15/1204 und 15/1509 in der aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen,

(...)

g) nachstehend abgedruckte Entschließung anzunehmen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Beschäftigungswirkung der durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt getroffenen Regelungen zur Flexibilisierung der Anwendungsschwelle des Kündigungsschutzgesetzes und zur Erleichterung sachgrundloser Befristungen in neu gegründeten Unternehmen untersuchen zu lassen und dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2007 hierüber zu berichten.
Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, die Auswirkungen des Wegfalls derVerpflichtung zur Erstattung des Arbeitslosengeldes ab dem Jahr 2006 untersuchen zu lassen und dem Deutschen Bundestag hierüber zu berichten.“

Zusammenstellung
des Entwurfs eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt – Drucksachen 15/1204 und 15/1509 –
mit den Beschlüssen des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)


Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN
(BT- Drucksache 15/1204)
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
(BT- Drucksache 15/1587)
Entwurf eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt

Artikel 1

Änderung des Kündigungsschutzgesetzes

Das Kündigungsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317), zuletzt geändert durch … (BGBl. I S. …), wird wie folgt geändert:

(...)

6. § 13 wird wie folgt gefasst:

㤠13

Außerordentliche und sittenwidrige Kündigungen

6. § 13 wird wie folgt gefasst:

㤠13

Außerordentliche, sittenwidrige und sonstige Kündigungen

(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend. (1) unverändert
(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.“ (2) unverändert
 - (3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.

(...)

Artikel 5

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am … in Kraft.

Artikel 5

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2004 in Kraft.



Bericht des Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner

A. Allgemeiner Teil


I. Überweisungen, Voten der mitberatenden Ausschüsse, abgelehnter Änderungsantrag und Abstimmungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Allgemeines


Die Gesetzentwürfe auf Drucksachen 15/1204, 15/1182 und 15/1225 und der Antrag auf Drucksache 15/590 sind in der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Juni 2003 jeweils an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur federführenden Beratung und an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung zurMitberatung überwiesenworden.DerGesetzentwurf aufDrucksache 15/1204 ist in der 60. Sitzung des Deutschen Bundestags am 11. September 2003 nachträglich dem Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO-BT überwiesen worden.

Der Antrag auf Drucksache 15/430 ist in der 37. Sitzung des Deutschen Bundestages am 3. April 2003 an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur federführenden Beratung und an den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung und den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung überwiesen worden.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Reformen am Arbeitsmarkt auf Drucksache 15/1509 ist in der 58. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. September 2003 an den Ausschuss fürWirtschaft und Arbeit zur federführenden Beratung und an die bei dem Gesetzentwurf auf Drucksache 15/1204 erwähnten Ausschüsse zur Mitberatung überwiesen worden. Dem Haushaltsausschuss wurde der Gesetzentwurf ferner gemäß § 96 GO-BT überwiesen.

Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/739 ist in der 37. Sitzung des Deutschen Bundestags am 3. April 2003 an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung, den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und den Haushaltsausschuss zur Mitberatung überwiesen worden. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Drucksachen 15/1204 und 15/1509

Der Innenausschuss hat dieGesetzentwürfe in seiner 19. Sitzung am 24. September 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, die Gesetzentwürfe anzunehmen. Mit gleichem Stimmenverhältnis hat der Ausschuss die Annahme des im federführenden Ausschuss eingebrachten Entschließungsantrages auf Ausschussdrucksache 15(9)638 empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/1204 in seiner 25. Sitzung am 24. September 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Gesetzentwurf in der geänderten Fassung anzunehmen. Mit gleichem Stimmenverhältnis hat der Ausschuss die Annahme des im federführenden Ausschusses eingebrachten Entschließungsantrages auf Ausschussdrucksache 15(9)638 empfohlen. Den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/1509 hat der Ausschuss für erledigt erklärt.

Der Haushaltsausschuss hat die Gesetzentwürfe in seiner 26. Sitzung am 24. September 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP empfohlen, die Gesetzentwürfe anzunehmen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Gesetzentwürfe in seiner 17. Sitzung am 24. September 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, die Gesetzentwürfe in der geänderten Fassung anzunehmen. Der Ausschuss hat außerdem mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Hälfte der Stimmen der Fraktion der CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Nichtbeteiligung der Hälfte der Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 15(12)89 anzunehmen.

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung hat die Gesetzentwürfe in seiner 37. Sitzung am 24. September 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, die Gesetzentwürfe in der geänderten Fassung anzunehmen.Mit gleichem Stimmenverhältnis hat der Ausschuss die Annahme des Entschließungsantrages der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 15(13)306 empfohlen.

Drucksache 15/1182

Der Innenausschuss in seiner 19. Sitzung am 24. September 2003, der Rechtsausschuss in seiner 25. Sitzung am 24. September 2003 und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner 17. Sitzung am 24. September 2003 haben mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Der Haushaltsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 26. Sitzung am 24. September 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung hat den Gesetzentwurf in seiner 37. Sitzung am 24. September 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Drucksache 15/1225

Der Innenausschuss in seiner 19. Sitzung am 24. September 2003 und der Rechtsausschuss in seiner 25. Sitzung am 24. September 2003 haben mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Der Haushaltsausschuss in seiner 26. Sitzung am 24. September 2003, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner 17. Sitzung am 24. September 2003 und der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung in seiner 37. Sitzung am 24. September 2003 haben mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Drucksache 15/430

Der Rechtsausschuss in seiner 25. Sitzung am 24. September 2003, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner 17. Sitzung am 24. September 2003, der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung in seiner 37. Sitzung am 24. September 2003 und der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in seiner 12. Sitzung am 21. Mai 2003 haben mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Drucksache 15/590

Der Innenausschuss in seiner 19. Sitzung am 24. September 2003, der Rechtsausschuss in seiner 25. Sitzung am 24. September 2003, der Haushaltsausschuss in seiner 26. Sitzung am 24. September 2003, der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner 17. Sitzung am 24. September 2003 und der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung in seiner 37. Sitzung am 24. September 2003 haben mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/ CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Drucksache 15/739

Der Haushaltsausschuss in seiner 19. Sitzung am 7. Mai 2003 und der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner 17. Sitzung am 24. September 2003 haben mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung hat auf die Abgabe eines Votums verzichtet.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat den Antrag in seiner 14. Sitzung am 26. Juni 2003 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen

Abgelehnter Änderungsantrag

Folgender, von der Fraktion der CDU/CSU auf Ausschussdrucksache 15(9)642 eingebrachter Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen auf Drucksachen 15/1204 und 15/1209 und dem Gesetzentwurf der CDU/CSU auf Drucksache 15/1182 fand im Ausschuss keine Mehrheit:

Nach Art. 9 wird folgender Artikel 9a eingefügt:

,Art. 9a

Änderung des Arbeitszeitgesetzes


1. § 3 wird wie folgt gefasst:

Die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf 48 Stunden im Durchschnitt von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen nicht überschreiten.

2. § 5 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

Die Arbeitnehmer müssen in jedem Zeitraum von 24 Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.“

b) In Absatz 3 werden die Wörter „Bereitschaftsdienst oder“ gestrichen.

3. § 6 Absatz 2 Satz 2 wird wie folgt geändert:

Sie kann auf bis zu zehn Stunden und, sofern in die Arbeitszeit in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt, auf 12 1/4 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“

4. § 7 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Nummer 1 wird wie folgt gefasst:

„1. abweichend von § 3 einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,“

bb) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:

„4. abweichend von § 6 Abs. 2 einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen“

b) In Absatz 2 Nr . 1 werden die Wörter „Bereitschaftsdienst und“ gestrichen und jeweils die Wörter „dieser Dienste“ durch die Wörter „dieses Dienstes“ ersetzt.

c) Nach Absatz 6 werden folgende Absätze 7 und 8 angefügt

„(7) Willigt der Arbeitnehmer ein, kann die wöchentliche Arbeitszeit auch ohne Zeitausgleich auf über 48 Stunden pro Woche ausgedehnt werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt ist, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Voraussetzung für die Verlängerung der Arbeitszeit ist, dass der Betriebs- bzw. Personalrat durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung dem zugestimmt hat. In betriebsrats- bzw. personalratslosen Betrieben ist die Zustimmung von 2/3 der betroffenen Beschäftigten notwendig. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt hat.

(8) Werden Regelungen nach Absatz 1 Nr . 1 und Nr . 4, Absatz 2 Nr . 2 bis 4 oder solche Regelungen auf Grund der Absätze 3 und 4 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten. Erfolgt die Zulassung auf Grund des Absatzes 5, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

5. In § 15 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden die Nummern 1 und 2 aufgehoben. Die Nummer 3 wird Nummer 1, Nummer 4 wird Nummer 2.

b) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) Werden Ausnahmen nach den Absätzen 1 oder 2 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.“

6. § 16 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben.

b) In Absatz 2 Satz 2 wird das Wort „Aufzeichnungen“ durch das Wort „Nachweise“ ersetzt.‘

Artikel 11 wird wie folgt geändert

„Das Gesetz tritt zum … In Kraft. Abweichend hiervon tritt Artikel 2 Nr . 1 und 3 zum 1. März 2006 und Artikel 9 Nr . 8 und 9 zum 1. Januar 2006 sowie Artikel 9a zum 1. Januar 2004 in Kraft.“

Begründung

Mit den Änderungen wird der Rspr . des EuGH Rechnung getragen. Nach Auffassung des EuGH (Rechtssache C-151-02, Jaeger) muss Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der EG-Arbeitszeitrichtlinie verstanden werden. Es ist erforderlich, in den Regelungen des Gesetzes die unter wirtschaftlichen Aspekten notwendigen und unter gesundheitlichen Aspekten vertretbaren Gestaltungsspielräume der Richtlinie 93/104/EG auszuschöpfen. Der Entwurf der Bundesregierung setzt alleine auf eine Flexibilisierung der gesetzlichen Regelungen durch tarifvertragliche Vereinbarungen. Dieses Instrument hat sich in der Vergangenheit als ungeeignet erwiesen, weil die Tarifvertragsparteien sich nicht über geeignete Kompensationen für die Ausschöpfung der rechtlichen Spielräume einigen konnten. Darüber hinaus belastet der wirtschaftliche Zwang zur Einigung über die Ausnutzung der rechtlichen Gestaltungsspielräume die Tarifvertragspartner über Gebühr .

Die in § 3 Arbeitszeitgesetz geregelte werktägliche Arbeitszeit beruht auf jahrzehntelanger Tradition. Sie geht von physischen Belastungen des Arbeitnehmers aus, die in der modernen Wirtschaft nicht mehr vorliegen. Darüber hinaus hat sie sich als zu unflexibel für die Bedürfnisse der Wirtschaft erwiesen. Die starre Regelung einer täglichen Arbeitszeit führt zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen deutscher Betriebe. Der internationale Wettbewerb erfordert es, den notwendigen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer vor überlangen Arbeitszeiten zu gewährleisten und dabei den Erfordernissen des modernen Wirtschaftslebens gerecht zu werden. Die Richtlinie 93/104/EG zeigt dazu den geeigneten Weg auf. Sie verlangt die Einhaltung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden im Bezugszeitraum von 4 Monaten und eine zusammenhängende Ruhezeit von 11 Stunden im Zeitraum von 24 Stunden. Der Entwurf des Bundes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes schöpft die Handlungsspielräume der Richtlinie 93/104/EG nicht aus. Mit der vorgeschlagenen Regelung wird – entsprechend der EG-Richtlinie – eine flexible Gestaltung der täglichen Arbeitszeit von bis zu 12 p Stunden (13 Stunden abzüglich einer Pause von 45 Minuten nach deutschem Recht) ermöglicht.

Die Änderung in § 6 soll eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit mit geringerer Tätigkeitsdichte während der Nachtzeit, z. B. im Rettungsdienst, im Bewachungsgewerbe oder in Krankenhäusern ermöglichen. Von der Regelung einer täglichen Arbeitszeit soll dort im Hinblick auf die besonderen Belastungen durch Nachtarbeit nicht abgewichen werden.

Die übrigen Änderungen ergeben sich im Wesentlichen als Folgeänderungen soweit die derzeitige Regelung auf die Regelung einer tägliche Arbeitszeit in § 3 verweist. Die Einführung einer Aufzeichnungspflicht für die gesamte Arbeitszeit in § 16 Absatz 2 Satz 1 ist sachnotwendig, da die wöchentliche Arbeitszeit und ihr Ausgleich sonst nicht überwacht werden können.


Beratungen im federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat – bis auf den erst am 9. September 2003 überwiesenen Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 15/1509 – alle Vorlagen in seiner 26. Sitzung am 2. Juli 2003 beraten. In seiner 29. Sitzung am 8. September 2003 führte er eine Öffentliche Anhörung zu den Vorlagen durch. In seiner 30. Sitzung am 11. September 2003 beschloss er, am 22. September 2003 als 31. Sitzung eine weitere Öffentliche Anhörung zu einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 15(9)610 durchzuführen, der Änderungen des Arbeitszeitgesetzes aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes enthält. Der Ausschuss schloss seine Beratungen in seiner 32. Sitzung am 24. September 2003 ab.

Drucksachen 15/1204 und 15/1509

Im Ergebnis der Beratungen wurde der Gesetzentwurf in der Fassung der von den Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 15(9)637 eingebrachten Änderungsanträge mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP angenommen.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Ausschuss-drucksache 15(9)637, der verschiedene Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs und Änderungen des Seemannsgesetzes sowie des Arbeitszeitgesetzes enthielt sowie ein von den Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 15(9)638 eingebrachter Entschließungsantrag wurden dabei mit demselben Abstimmungsergebnis angenommen. Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Ausschussdrucksache 15(9)642 wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Drucksache 15/1182

Der Gesetzentwurf wurde mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD, BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.

Drucksache 15/1225

Der Gesetzentwurf wurde mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Drucksache 15/430

Der Antrag wurde mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.

Drucksache 15/590

Der Antrag wurde mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem überwiegenden Teil der Mitglieder der Fraktion der CDU/ CSU gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung zweier Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.

Drucksache 15/739

Der Antrag wurde mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD und BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

Entschließung

Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Entschließungsantrag auf Ausschussdrucksache 15(9)638 wurde mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP angenommen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Drucksache 15/1204

Der Gesetzentwurf sieht Änderungen des Kündigungsschutzes und Erleichterungen beim Abschluss befristeter Arbeitsverträge vor. So soll in kleinen Unternehmen die Anwendungsschwelle des Kündigungsschutzgesetzes flexibel gestaltet werden. Neu eingestellte Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag sollen auf den Schwellenwert von fünf Arbeitnehmern nicht angerechnet werden. Im Interesse höherer Rechtssicherheit soll bei betriebsbedingten Kündigungen die Sozialauswahl auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers beschränkt werden. Die Regelung über Ausnahmen von der Sozialauswahl zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Betriebes soll präzisiert werden. Aus Gründen der Flexibilität und Praxisnähe werden die kündigungsrechtlichen Regelungen bei betriebsbedingter Kündigung durch einen gesetzlichen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers ergänzt. Ferner wird eine einheitliche Frist von drei Wochen für die gerichtliche Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung eingeführt. Für Existenzgründer wird die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern erleichtert. Außerdem soll durch die Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld grundsätzlich auf zwölf Monate begrenzt werden. Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, können Arbeitslosengeld bis zu einer Dauer von höchstens 18 Monaten beanspruchen.

Drucksache 15/1509

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 15/1204 gleichlautend. Die Drucksache 15/1509 enthält zusätzlich die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung.

Drucksache 15/1182

Mit dem Gesetzentwurf werden Überreglementierungen in verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechts beseitigt und Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung ermöglicht:

So werden beschäftigungsorientierte Abweichungen von Tarifverträgen unter Beachtung der Tarifautonomie zugelassen und betriebliche Bündnisse für Arbeit und beschäftigungssichernde Betriebsvereinbarungen gesetzlich abgesichert. Im Tarifvertragsgesetz wird klargestellt, dass es den Unternehmen möglich ist, Arbeitslose während der Probezeit unter Tarif zu beschäftigen. Die gerade für mittelständische Betriebe kostentreibenden Teile des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001 werden zurückgenommen. Das Kündigungsschutzgesetz soll nicht mehr für Neueinstellungen bei Unternehmen, die weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, gelten. Außerdem soll Arbeitnehmern durch eine Öffnungsklausel die Option eingeräumt werden, gegen die vorherige Vereinbarung einer Abfindung auf Kündigungsschutzklage zu verzichten. Für Existenzgründer soll während der ersten vier Jahre ihrer Existenz der Kündigungsschutz für ihre Arbeitnehmer entfallen. Zu weit gehende Regelungen im Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 werden auf das notwendige und sinnvolle Maß beschränkt.

Drucksache 15/1225

Die betrieblichen Bündnisse für Arbeit sollen durch die Beseitigung der kollektivrechtlichen Sperrwirkung im Tarifvertragsgesetz gesetzlich abgesichert werden. Durch eine Ergänzung des Günstigkeitsprinzips in § 4 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes um die Arbeitsplatzgarantie als Komponente des Günstigkeitsvergleichs soll den Arbeitnehmern eine Option eröffnet werden, eine Änderung ihrer Arbeits bedingungen gegen eine Beschäftigungsgarantie zu vereinbaren.

Drucksache 15/430

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem das Kündigungsschutzgesetz neu ausgestaltet wird. So soll u. a. der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erst nach Ablauf von zwei Jahren seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses einsetzen und sich der Geltungsbereich des KSchG nur auf Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern erstrecken. Die Sozialauswahl in § 1 Abs. 3 KSchG soll durch die abschließende Aufzählung der sozialen Kriterien „Dauer der Betriebszugehörigkeit“, „Lebensalter“ und „Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers“ konkretisiert werden.

Drucksache 15/590

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf zur Reform des Arbeitsmarkts und Arbeitsrechts unter Maßgabe von zwölf Eckpunkten vorzulegen. So sollen u. a. die Leistungen bei Arbeitslosigkeit so ausgerichtet werden, dass deutlichere ökonomische Anreize für die Rückkehr in das Erwerbsleben und für die Eigenverantwortung gesetzt werden. Die Vermittlung und Beratung müssten effektiver gestaltet werden. Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sollen dringend auf Umfang, Wirksamkeit und Effizienz überprüft werden.

Drucksache 15/739

In Anbetracht der äußerst schwierigen Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt kommt es gerade jetzt darauf an, die Betriebe von unnötigen Kosten zu entlasten, um so deren Ausbildungsbereitschaft zu stärken. Der Deutsche Bundestag soll daher die Bundesregierung auffordern, die Anhebung der Geringverdienergrenze wieder rückgängig zu machen und dazu einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Drucksachen verwiesen.

III. Öffentliche Anhörungen von Sachverständigen

1. Zu den Drucksachen 15/1204, 15/1182, 15/1225, 15/430 und 15/590

Zu der Öffentlichen Anhörung, die am 8. September 2003 als 29. Sitzung stattfand, haben die Anhörungsteilnehmer schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache 15(9)560 zusammengefasst wurden.

Themenkatalog der Öffentliche Anhörung:

Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und andere Änderungen im SGB III;

Zeitarbeit;
Individuelles Arbeitsrecht, Kündigungsschutz, Teilzeitanspruch und Befristungen;
Kollektives Arbeitsrecht, Tarifautonomie, Betriebsverfassung.

Folgende Verbände und Institute sowie Einzelsachverständige haben an der Anhörung teilgenommen:

Tarifvertragsparteien und Institute

Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Bundesanstalt für Arbeit
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.

Einzelsachverständige

Prof. Dr. Thomas Dieterich, ehem. Präsident des BAG
Erich Klemm, KBR-Vorsitzender DaimlerChrysler, Sindelfingen
Werner Ziemann, Vorsitzender Richter am LAG Hamm
Prof. Dr. Helberger, TU Berlin
Prof. Dr. Martin Henssler, Universität Köln
Prof. Dr. Dres. h. c. Peter Hanau, Universität Köln
Prof. Dr. Volker Rieble, Universität Mannheim
Dr. jur. Heinrich Klosterkemper, Rechtsanwalt
Hartmut Bäumer, Geschäftsführer/Richter am Arbeitsgericht a. D.
Jürgen Gneiting, Richter am Arbeitsgericht Stuttgart
Prof. Dr. Herbert Buchner, Universität Augsburg
Michael Eckert, Rechtsanwalt

Nachstehend werden die wesentlichen Aussagen der Verbände, Institute und Sachverständigen komprimiert dargestellt.

Tarifvertragsparteien und Institute

Der Deutsche Gewerkschaftsbund erklärte, der vorliegende Gesetzentwurf beschränke sich darauf, Arbeitnehmer- und Versichertenrechte abzubauen, und zwar in einer Weise, die tiefe Einschnitte in die sozialen Rechte mit sich brächten, ohne dass dadurch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu erwarten seien. Nach der OECD-Studie von 1991 bestehe kein Zusammenhang zwischen einem starken Kündigungsschutz und der Höhe der Arbeitslosigkeit. Auch das Beschäftigungsniveau werde kaum berührt. Dies lasse sich auch nicht mit den Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung eindeutig widerlegen. Die vorgeschlagenen Regelungen würden daher abgelehnt. Es sei im Bereich des Arbeitsrechts vielmehr notwendig, konsequent eine umfassende Politik der Beschäftigungssicherung und der Arbeitszeitumverteilung zu betreiben. Für den Kündigungsschutz bedeute dies, dass die Notwendigkeit des Nachweises von beschäftigungssichernden Maßnahmen im Vorfeld einer Kündigung (wie beispielsweise Arbeitsumverteilung und Qualifizierung) im KSchG verankert werden sollte. Die geplante Kürzung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld für Ältere werde für die Betroffenen wie für die Konjunktur zusätzliche Belastungen mit sich bringen. Der Aussteuerungsprozess aus der Arbeitslosenversicherung werde sich stark beschleunigen, insbesondere in den neuen Ländern.

Nach Auffassung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wird mit dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen das Signal gesetzt, dass die negativen Folgeentscheidungen einer überregulierten Arbeitsmarktverfassung und falscher sozialrechtlicher Anreize erkannt und zumindest im Ansatz angegangen werden sollen. Er biete in der vorliegenden Form einen möglichen Ausgangspunkt für dringend notwendige weiterreichende Reformen im Arbeitsrecht und im Recht der Arbeitslosenversicherung. Die Begrenzung des Arbeitslosengeldanspruchs auf 12 bzw. höchstens 18 Monate für Ältere sei ein erster Schritt dahin, die Arbeitslosenversicherung wieder stärker auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren – die kurzfristige Überbrückung zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen. Zielführender und konsequenter wäre es jedoch, die Dauer auf maximal 12 Monate zu begrenzen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Flexibilisierung des Kündigungsschutzes gehe in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus. Um das Einstellungshindernis Kündigungsschutz zu beseitigen oder doch zumindest deutlich zu verringern, seien durchgreifendere Reformen erforderlich. Die Vorschläge des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU/CSU zum Individualarbeitsrecht seien zu begrüßen, gingen jedoch teilweise nicht weit genug. Insbesondere die von der Fraktion der CDU/CSU vorgeschlagenen Änderungen im Kündigungsschutzgesetz böten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein erheblich höheres Maß an Rechtssicherheit als der Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Bundesanstalt für Arbeit und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung betonten, grundsätzlich könnten großzügige Transferleistungen, zu denen auch eine lange Bezugsdauer beitrage, sowohl negative als auch positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Höhe und die Struktur der Arbeitslosigkeit haben. Einerseits sei auf der Makroebene zu erwarten, dass die „Großzügigkeit“ die Anpassungsgeschwindigkeit der Arbeitslosenrate an ein neues Gleichgewicht nach externen Schocks negativ beeinflusse. Auf der Mikroebene wurde argumentiert, dass hohe Lohnersatzleistungen und eine lange Bezugsdauer zu fehlenden Anreizen bei der Arbeitssuche und Arbeitsaufnahme führten. Die Folge sei ein höheres Niveau und eine längere Dauer der Arbeitslosigkeit. Andererseits stünden den negativenWirkungen großzügiger sozialer Absicherung auch positive gegenüber. Empirische Untersuchungen zeigten, dass der Einfluss von Höhe und Dauer von Transferleistungen auf die Arbeitslosigkeit nicht überschätzt werden sollte. Im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (Drucksache 15/1204) werde vorgeschlagen, durch eine Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes befristete Arbeitsverträge bis zu vier Jahren für neu gegründete Unternehmen in den ersten vier Jahren zuzulassen. Sofern eine Entlastung von Existenzgründungen von Auflagen des KSchG für notwendig erachtet werde, erscheine eine entsprechende Ausnahme für Neugründungen im KSchG sinnvoller zu sein.

Für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wird die vorgesehene Reduktion der Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld auf allgemein 12 Monate und auf 18 Monate für über 55jährige Arbeitslose mittelfristig zu einer merklichen Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland führen, falls die übrigen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes richtig gesetzt würden. Die Verkürzung der Anspruchsdauer werde auch den Zugang in die Arbeitslosigkeit, insbesondere bei älteren Arbeitslosen, reduzieren und damit der Zweckentfremdung des Arbeitslosengeldes zur Finanzierung des vorgezogenen Vorruhestands entgegen wirken. Die geplante bzw. geforderte Änderung beim Kündigungsschutz, die vorsehe, dass Neueinstellungen in Kleinstunternehmen nicht auf den Schwellenwert von fünf Beschäftigten angerechnet werden sollen, ab dem der Kündigungsschutzgesetz gelte, sei unter beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten positiv zu bewerten. Da die Änderung bezüglich des Schwellenwerts nur Kleinstunternehmen betreffe, würden die Beschäftigungseffekte dieser Reform relativ gering ausfallen.

Einzelsachverständige

Für Prof. Dr. Thomas Dieterich war es nicht dringend erforderlich, die Besonderheiten der „Bündnisse für Arbeit“ gesetzlich zu regeln, es erscheine aber sinnvoll. Der Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU zu § 88a BetrVG sei bei entsprechender Auslegung verfassungskonform und trotz erheblicher Ungereimtheiten ein diskussionswürdiger Ansatz. Hingegen träfen alle Vorschläge zu § 4 TVG die grundlegenden Funktionsbedingungen der Tarifautonomie. Sie verletzten Artikel 9 Abs. 3 GG und seien verfassungswidrig. § 4 Abs. 3 TVG begrenze die zwingende Wirkung von Tarifverträgen entsprechend dem begrenzten Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer. Wo diese mit eigener Vertragsstärke bessere Bedingungen aushandeln könnten als ihre kollektive Interessenvertretung, habe ihr Vertrag Vorrang. Das entspreche dem Schutzkonzept der Tarifautonomie. Diese Grenze wollten die Änderungsvorschläge der Fraktionen der CDU/CSU und FDP verschieben, und zwar zu Lasten der zwingenden Wirkung tariflicher Regelungen.

Erich Klemm, KBR-Vorsitzender DaimlerChrysler, Sindelfingen, lehnte eine Verschlechterung des Betriebsverfassungsgesetzes ab, weil die Anforderungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht an Betriebsräte in den letzten Jahren so stark gestiegen seien, dass schon die momentanen Rechte nach dem Betriebsverfassungsrecht nicht ausreichten. Das von der Fraktion der FDP geforderte Quorum von 50 % der wahlberechtigten Arbeitnehmer für die Wahl des Betriebsrats verstoße gegen jegliches Demokratieverständnis. Es sei nicht einzusehen, weshalb gerade bei der Betriebsratswahl ein solches Quorum erforderlich sein soll, wenn nicht einmal bei der Bundestagswahl eine solche Schranke bestehe. Die Veränderungen bezüglich der „betrieblichen Bündnisse für Arbeit“ durch eine Änderung des TVG bzw. BetrVG seien ebenfalls abzulehnen, weil sie nicht erforderlich seien. Die Sachverhaltsdarstellungen der Fraktionen in diesen Gesetzentwürfen deckten sich nicht mit dem betrieblichen Alltag. Zum einen sei es aufgrund der jetzt bestehenden Systematik schon möglich, beschäftigungssichernde Regelungen auf betrieblicher Ebene zu gestalten. Zum anderen gingen die Begründungen der genannten Gesetzentwürfe fehl in der Annahme, die Beschäftigten würden einen Mechanismus, „lieber weniger Geld, Hauptsache einen Job“, begrüßen. Der „erpresserischen Überzeugung“ würde damit Tür und Tor geöffnet.

Für Werner Ziemann, Vorsitzender Richter am LAG Hamm, stand außer Zweifel, dass die Arbeitsmarktsituation unverzügliches und innovatives politisches Handeln verlange. Klare Regelungen seien für das Funktionieren einer arbeitsteiligen Wirtschaft und einer komplexen öffentlichen Verwaltung unentbehrlich. Der Entwurf eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt werde die benannten Ziele einer gesteigerten Transparenz und Rechtssicherheit und der Beschäftigungsförderung nach diesseitiger Einschätzung nicht erreichen. Das Arbeitsrecht bedürfe der Runderneuerung. Hierzu sei der Gesetzgeber verpflichtet. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit habe immerhin Verfassungsrang. Das Schwanken des Gesetzgebers lasse keine Konzeption aus einem Guss erkennen, führe nicht zu klaren und rechtssicheren Regelungen und bewirke erhebliche Transaktionskosten schon allein deswegen, weil die Akteure des Arbeitsmarktes immer neue arbeitsrechtliche Regeln erfassen müssen. Für eine Agenda 2010, die ihrem Anspruch gerecht werde und nicht nur weitgehend Regelungen des Jahres 1996 einführe, böten sich im Arbeitsrecht mutige Änderungen an, für die ausgearbeitete Vorschläge vorlägen.

Prof. Dr. Helberger, TU Berlin, hielt generell in Deutschland die Anreize, von eigener Erwerbstätigkeit zu leben, für zu gering und die Anreize, von Sozialtransfers zu leben, für zu groß. Ferner seien die Möglichkeiten von Arbeitslosen – so sie es wollen –, eine Stelle zu finden (d. h., sich in den Arbeitsmarkt „hineinzudrängeln“) zu ungünstig. Die Verkürzung der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld auf grundsätzlich ein Jahr, wie es die Entwürfe aller Fraktionen vorsähen, sei sinnvoll. Die Anreize, Erwerbstätigkeit zu finden und insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden, würden dadurch gestärkt. Die Erfahrung habe gezeigt, dass eine Veränderung der Zumutbarkeitskriterien allein unwirksam wäre, da sie im praktischen Vollzug nicht ausreichend durchsetzbar wäre.

Prof. Dr. Martin Henssler, Universität Köln, erklärte, in der Arbeitsrechtswissenschaft bestehe ein breiter Konsens darüber, dass die derzeitige Rechtslage auf dem Gebiet des Kündigungsrechts unbefriedigend sei. Die Reformentwürfe gingen den richtigen Weg, als sie eine unverzichtbare Präzisierung der sozialen Auswahl vorschlügen (s. die übereinstimmenden Entwürfe zur Neufassung des § 1 Abs. 3 und 4 KSchG). Eine weitergehende Einschränkung des Kündigungsschutzes sei jedoch unverzichtbar. Die übereinstimmend vorgeschlagene Änderung der §§ 4, 7 KSchG verdiene uneingeschränkte Unterstützung. Sie beseitige eine Schwäche des geltenden Rechts, die Verwirrung, Rechtsunsicherheit und Ungleichbehandlungen nach sich gezogen habe. Sowohl der Entwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch derjenige der Fraktion der CDU/CSU enthielten Vorschriften zur Förderung von Existenzgründungen. Dieses Regelungsanliegen sei uneingeschränkt zu unterstützen.

Prof. Dr. Dres. h. c. Peter Hanau, Universität Köln, stellte zwischen den verschiedenen Gesetzesentwürfen eine weitgehende Einigkeit in der Diagnose fest, dass der Kündigungsschutz und der Befristungsschutz gelockert werden müssten, um die Arbeitslosigkeit, diese große Volksseuche, wirksam zu bekämpfen. Die verschriebenen Therapien gingen in dieselbe Richtung, aber verschieden weit und nicht konsequent genug auf den Heilungsprozess ausgerichtet. Soweit die vorgesehenen Regelungen den Kündigungsschutz bereits bestehender Arbeitsverhältnisse lockerten, z. B. durch Präzisierung der Sozialauswahl, sei das zwar eine wirksame, aber auch eine toxische Medizin. Denn dadurch würden nicht nur Neueinstellungen, sondern auch die Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse erleichtert. Direkt auf Neueinstellungen zielten die Regelungen über befristete Arbeitsverhältnisse in § 23 Abs. 1 KSchG und § 14 Abs. 2a TzBfG des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen. Es fehle aber jede Regelung, die unmittelbar auf unbefristete Neueinstellungen gerichtet sei.

Prof. Dr. Volker Rieble, Universität Mannheim, führte aus, wer die Leiharbeit als Beschäftigungsmotor wolle, müsse die Restriktionen lockern und nicht die Regulierungsschraube anziehen. Gerade das Scheitern der PSA zeige, dass der Staat keinen Markt simulieren könne. Die Abfindungslösung des Regierungsentwurfs sei halbherzig. Das gewollte Ergebnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten sich auf einen Verzicht auf das Kündigungsschutzverfahren einigen, also einen Vertrag schließen, komme im geplanten § 1a KSchG nicht zum Ausdruck. Die Vorschrift lasse vielmehr auf einen gesetzlichen Abfindungsanspruch schließen, der von einem „Hinweis“ des Arbeitgebers abhänge. Zur Rechtssicherheit gehöre, dass die Sozialauswahl vorhersehbar werde. Der Regierungsentwurf und der Oppositionsentwurf wollten parallel die Kontrolle der Sozialauswahl mildern – indem einer tariflichen oder betrieblichen Sozialauswahlrichtlinie („Punkteschema“) insofern Richtigkeitsgewähr zukomme, als eine auf ihr beruhende Sozialauswahl nunmehr auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft werde. Das sei richtig – aber zu wenig.

Rechtsanwalt Dr. jur. Heinrich Klosterkemper vertrat die Auffassung, in Deutschland würden nicht nur „atmende Fabriken“; sondern ein „atmender Arbeitsmarkt“ gebraucht. Bedingungslos anzulegender Maßstab für alle vorgelegten Initiativen sollte sein: Nur die gesetzliche Neuregelung verdiene Unterstützung, die den handelnden Akteuren auf dem Arbeitsmarkt transparente und rechtssichere Bedingungen schaffe. Die geplante Verkürzung des Arbeitslosengeldbezugs für Ältere im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sei im Grundsatz richtig. Dies geschehe jedoch nicht so konsequent, wie es wünschenswert wäre. Die jetzige Fassung des Kündigungsschutzgesetzes und erst recht die seit Jahren die Rechtssicherheit reduzierende Rechtsprechung erwiesen sich als wesentliches Einstellungshindernis. Die Vorschläge des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen gingen dabei zwar in die richtige Richtung, aber definitiv nicht weit genug.

Hartmut Bäumer, Geschäftsführer/Richter am Arbeitsgericht a. D., wies darauf hin, dass der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen und der der Fraktion der CDU/CSU sich hinsichtlich der Kürzung der Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht wesentlich unterschieden. Beide Entwürfe gingen davon aus, dass die bisherige Höchstdauer von 32 Monaten auf höchstens 18 Monate begrenzt werden müsse. Der Entwurf der Regierungsfraktionen sehe eine Regelleistungsdauer von 12 Monaten nach zwei Jahren Versicherungspflichtverhältnissen und eine Erhöhung auf 15 bzw. 18 Monate nach 30 bzw. 36 Monaten Versicherungspflichtverhältnis und gleichzeitiger Vollendung des 55. Lebensjahres vor. Die vorgesehene Kürzung der Dauer des Leistungsbezugs entspreche den Vorstellungen fast aller wissenschaftlichen Institute und denen des Sachverständigenrates. Die Vorschläge seien zu begrüßen, weil sie direkt zur Senkung von Sozialausgaben führten und negative Leistungsanreize durch zu lange Gewährung von Arbeitslosengeld aufhöben. Das von allen Fraktionen benannte Ziel der Senkung der Lohnnebenkosten könne nur durch Einschränkungen auf der Ausgabenseite erreicht werden. Die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes sei ein Schritt in diese Richtung.

Jürgen Gneiting, Richter am Arbeitsgericht Stuttgart, schlug vor, bei der Begrenzung der Kriterien der Sozialauswahl in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG als viertes Kriterium die Schwerbehinderung aufzunehmen. Die von der Regierungskoalition vorgeschlagene Regelung des § 1a KSchG erleichtere Abfindungsregelungen bei betriebsbedingten Kündigungen und führe zur Vermeidung von Kündigungsschutzprozessen, gehe aber nicht weit genug. Erforderlich wäre ein echtes Wahlrecht, nach dem sich der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zwischen der Klage auf Weiterbeschäftigung und einer gesetzlich definierten Abfindung entscheiden könnten. Die von der Fraktion der CDU/CSU vorgeschlagene Option der Vereinbarung eines Verzichts des Arbeitnehmers auf die Geltendmachung des Kündigungsschutzes ermögliche dem Arbeitgeber bei Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Vertragsgestaltung durchzusetzen, die seinem alleinigen Vorteil diene. Die beabsichtigte Einführung einer allgemeinen Klagefrist sei zu begrüßen. Die Berufung auf die Form-Unwirksamkeit einer Kündigung sollte jedoch hiervon ausgenommen werden, da sonst die positive, befriedendeWirkung des Schriftformerfordernisses für Kündigungen verloren ginge und eine Vielzahl überflüssiger Prozesse provoziert würde.

Für Prof. Dr. Herbert Buchner, Universität Augsburg, verfolgten alle fünf Vorlagen das Bestreben, durch Korrektur der geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen Hindernisse für Neueinstellungen aufzuheben. Hintergrund dafür sei die nunmehr in allen Bundestagsfraktionen gewonnene Erkenntnis, dass die in den zurückliegenden Jahrzehnten zunehmend verdichteten arbeitsrechtlichen Regelungen – nicht zuletzt durch ihre richterrechtliche Fortentwicklung – beschäftigungshemmend wirkten. Es sei zu begrüßen, dass sich nunmehr alle Fraktionen in dieser Frage im Grundsatz einig seien. Die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes sei bei gleichzeitiger Stärkung des Versicherungsprinzips in der Arbeitslosenversicherung und entsprechender Beitragssenkung (unter Umständen auch: zur Vermeidung anderweitig notwendiger Beitragserhöhungen) zu befürworten. Die Zeitarbeit sei von den noch bestehenden rechtlichen Restriktionen freizustellen, vor allem von dem Gebot der Lohngleichheit. Im Kündigungsschutzrecht sei die von allen Fraktionen vorgesehene Erleichterung bei der sozialen Auswahl umzusetzen.

Michael Eckert, Rechtsanwalt, begrüßte das Anliegen, im Arbeitsrecht mehr Rechtssicherheit zu schaffen, klarere Regelungen einzuführen und das Kündigungsrecht sowie das Befristungsrecht zu entschlacken. Der im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthaltene Ansatz sei richtig, greife aber teilweise zu kurz und sei nicht ausreichend auf die Praxis zugeschnitten, so dass erhebliche Unsicherheiten verblieben. Diese Unsicherheiten würden dazu führen, dass mit der jetzt vorgesehenen Regelung gerade im Kündigungsbereich kaum ein beschäftigungspolitischer Effekt zu erreichen sein werde. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit erhalten, ohne Begründung im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens einen Auflösungsantrag zu stellen. Das Gericht beende dann, wenn der Arbeitgeber keine wirksamen Kündigungsgründe habe, das Arbeitsverhältnis durch Gerichtsentscheid und setze eine dem Sachverhalt angemessene Abfindung fest. Die im Entwurf der Regierungskoalition vorgesehene Abfindungsregelung entspreche der bisherigen Handhabung und bringe keine Vorteile, weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer noch für die Beschäftigungssituation.

2. Zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache 15(9)610

Zu der Öffentlichen Anhörung, die am 22. September 2003 als 31. Sitzung stattfand, haben die Anhörungsteilnehmer schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache 15(9)622 zusammengefasst wurden.

Thema der Anhörung:

Die Neuregelung der Arbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst infolge des EuGH-Urteils zum Bereitschaftsdienst.

Folgende Verbände haben an der Anhörung teilgenommen:

Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
Marburger Bund
Deutsche Krankenhausgesellschaft
Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen
Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände e. V.
Bundesärztekammer (vertreten durch Marburger Bund).

Nachstehend werden die wesentlichen Aussagen der Verbände komprimiert dargestellt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund erklärte, nach der Rechtsprechung des EuGH vom 9. September 2003 sei Bereitschaftsdienst Arbeitszeit im Sinne der europäischen Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG vom 23. November 1993, die durch das deutsche Arbeitszeitgesetz umzusetzen sei. Arbeitszeiten einschließlich Bereitschaftszeiten dürften deshalb die Höchstgrenzen der Richtlinie und des Gesetzes nicht überschreiten. Darüber hinaus seien Zeiten des Bereitschaftsdienstes keine Ruhezeiten. Maßgeblich für diese richterliche Auslegung seien neben dem Wortlaut auch Sinn und Zweck der Richtlinie, nämlich einen wirksamen Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gewährleisten. Die von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungen des Arbeitszeitgesetzes genügten diesen zwingenden europäischen Vorgaben nur teilweise. Die Europarechtswidrigkeit des Arbeitszeitgesetzes würde nicht insgesamt beseitigt, da außer dem Bereitschaftsdienst keine weiteren Bereiche geregelt werden sollen. Damit seien weitere Gerichtsprozesse zu erwarten, die die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof mit Sicherheit verlieren würde.

Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist es von elementarer Bedeutung, die im Zuge der aktuellen und noch zu erwartenden EuGH-Entscheidungen notwendig gewordenen Änderungen des ArbZG für die Wirtschaft so schonend wie möglich zu gestalten. Um die Unternehmen durch kurzfristig anfallende Mehrkosten nicht in ihrer Existenz zu bedrohen und ausreichend Zeit zum Abschluss neuer Tarifverträge auf der Basis des neuen Rechts zu gewährleisten, müssten in jedem Fall angemessene Übergangsvorschriften von mindestens zwei Jahren vorgesehen werden. Zudem dürfe die bestehende Übergangsvorschrift des § 25 ArbZG keinesfalls sofort aufgehoben werden. Eine Mindestauslauffrist von zwei Jahren sei unverzichtbar. Neben einer Definition der verschiedenen Arbeitsformen im Gesetz oder der Gesetzesbegründung müsse klargestellt werden, dass die Rufbereitschaft, anders als Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft, auch zukünftig nicht als Arbeitszeit bewertet werde.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisierte, der Entwurf habe letztlich das Ziel, möglichst alles beim Alten zu belassen und allein die Tarifvertragsparteien für die Einhaltung der absoluten Grenzen des Arbeitszeitschutzes verantwortlich zu machen. Wie schon im SIMAP-Urteil habe der EuGH am 9. September 2003 erneut festgestellt, dass Bereitschaftsdienst (und damit erst recht Arbeitsbereitschaft) Arbeitszeit sei. Der Gesetzentwurf gehe aber grundsätzlich bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst von besonderen ,Dienstformen‘ aus, die gegenüber der Vollarbeit eine geringere gesundheitliche Belastung mit sich bringen würden. Das widerspreche dem Grundgedanken der Rechtsprechung seit 3. Oktober 2000 zur Anerkennung als Arbeitszeit. Verpackt in das ‚abgestufte‘ Modell einer Arbeitszeitflexibilisierung sehe der Gesetzentwurf zum ersten Mal die Möglichkeit vor, für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst die 48-Stunden-Grenze abzuschaffen und über die werktäglich zulässige Grenze hinaus eine unbegrenzte Arbeitszeit zuzulassen (§ 7 Abs. 2a).

Der Marburger Bund und die Bundesärztekammer betonten, durch die Definition des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit solle der Arbeitsschutz der Beschäftigten verbessert werden. Arbeitsschutz bedeute eine präventive Maßnahme, um die Gesundheit des Beschäftigten nicht zu beeinträchtigen und um eventuelle Fehler mit Nachteilen für dritte Personen (Patienten) zu vermeiden. Der vorliegende Änderungsantrag erfülle diese Zielsetzung nicht. Aufgabe des Gesetzgebers müsse es sein, Rahmenbedingungen festzulegen, die garantierten, dass bei der Festsetzung der täglichen Arbeitszeit die von Europa vorgegebenen strengen Arbeitsschutzregelungen berücksichtigt werden. Um eine generelle Verbesserung des Arbeitsschutzes für die Beschäftigten zu erreichen, werde der Gesetzgeber aufgefordert, in der ersten Stufe des Modells eine eindeutige tatsächliche tägliche Höchstarbeitszeit festzulegen, die von den Tarifvertragsparteien nicht überschritten werden kann.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft lehnte den vorliegenden Änderungsantrag als bei weitem nicht ausreichend ab. Mit der jetzt vorgelegten Fassung einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes werde ohne jede Not die Chance vertan, flexible Arbeitszeitregelungen aus der EG-Richtlinie 93/104 in das deutsche Recht zu übernehmen. Darüber hinaus enthalte der Änderungsantrag sogar Verschärfungen gegenüber dem Status quo, deren Begründung nicht nachvollziehbar sei. Die EG-Richtlinie 93/104 eröffne weitere Abweichungsmöglichkeiten, von der der deutsche Gesetzgeber dringend Gebrauch machen müsse. Es bestünden Abweichungsmöglichkeiten bei der Ruhezeit, der Ruhepause, der wöchentlichen Ruhezeit, der Nachtarbeit und den Bezugszeiträumen. Insbesondere sei eine Verkürzung der Ruhezeit und eine Regelung, die bei einer Aufteilung der Ruhepausen kürzere Zeitabschnitte für bestimmte Bereiche vorsieht, herbeizuführen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen begrüßte die für das ArbZG vorgesehenen Änderungen, da damit die rechtliche Grundlage in Deutschland, auch zu Gunsten der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern, den europäischen Anforderungen angepasst werde. Die Flexibilisierung der Möglichkeiten für die Tarifvertragsparteien schaffe Freiraum für die Krankenhäuser, EuGH-konforme Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Hinsichtlich der Forderung nach mehr Flexibilität sei es angezeigt, im Arbeitszeitgesetz nicht von einer täglichen, sondern einer wöchentlichen Arbeitszeit auszugehen. Für die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege sind zurzeit aufgrund des Klageverfahrens mehr die Berufsgruppen im Fokus der Betrachtungen, die Bereitschaftsdienste als Ärzte in Krankenhäusern – öffentlich-rechtlichen oder frei-gemeinnützigen – leisteten. Das dürfe jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass im Feld der Wohlfahrtspflege solche Dienste in erheblicher Zahl geleistet werden müssten. Mit der Umsetzung des Urteils des EuGH in deutsches Recht würden sich diese Arbeitssektoren deutlich verändern müssen. Das könne aufgrund der in der Pflege und der Eingliederungshilfe vorherrschenden bekannten Personalengpässe nicht kostenneutral geschehen, sondern führe zu deutlichen, zurzeit noch nicht zu quantifizierenden Personalmehrbedarfen.

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände e. V. begrüßte, dass nunmehr unverzüglich Rechtssicherheit geschaffen werden soll und unterbreitete verschiedene Änderungsvorschläge. So sollte § 3 ArbZG dahin gehend geändert werden, dass die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer im Durchschnitt 48 Stunden nicht überschreiten darf. Leider würden die Gestaltungsmöglichkeiten in Artikel 17 Abs. 2 der Richtlinie nicht berücksichtigt. Dort sei die Möglichkeit gegeben, Ausnahmen von den Regelungen in der Richtlinie zur täglichen Ruhezeit, zu den Ruhepausen, zur wöchentlichen Arbeitszeit, zur Dauer der Nachtarbeit und zu den Bezugszeiträumen (z. B. für Beschäftigte in den Krankenhäusern und für Hausmeister) zuzulassen. Es sollten alle nach der EU-Richtlinie gebotenen Möglichkeiten gnutzt werden, um die Belastungen, die aus der EuGHEntscheidung vom 9. September 2003 resultierten, weitgehend abzumildern.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von den Verbänden abgegebenen Stellungnahmen auf Ausschussdrucksache 15(9)622 und dasWortprotokoll der Öffentlichen Anhörung verwiesen.

IV. Ausschussberatungen

Einig war sich der Ausschuss über die Notwendigkeit, zur Senkung der hohen Arbeitslosigkeit Reformen am Arbeitsmarkt vorzunehmen. Die Auseinandersetzungen im Ausschuss drehten sich dabei um die Frage, wie weit diese Reformen reichen sollten.

Die Mitglieder der Fraktion der SPD erläuterten, die vorgesehenen Gesetzesänderungen sollen zum Abbau von Beschäftigungshemmnissen besonders in kleineren Unternehmen dienen und deutliche Wachstumsimpulse für mehr Beschäftigung geben, ohne jedoch den Schutz der beschäftigten Arbeitnehmer in der Substanz einzuschränken. Die Transparenz und die Rechtssicherheit im Kündigungsschutzrecht solle verbessert werden, ohne den Kündigungsschutz auszuhöhlen. Gerade in Kleinbetrieben bestehe ein hohes Beschäftigungspotenzial, das durch die Entschärfung der „Schwellenproblematik“ im Kündigungsschutzgesetz wirksam erschlossen werden könne. Deshalb sollten bis zu fünf neu eingestellte Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag auf den Schwellenwert nicht angerechnet werden.
Die kündigungsrechtlichen Regelungen bei betriebsbedingten Kündigungen sollten durch einen gesetzlichen Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers ergänzt werden. Die Praxis der Förderung der Frühverrentung könne nicht länger fortgesetzt werden. Es sei daher erforderlich, die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer von derzeit bis zu 32 Monaten auf 12 bzw. 18 Monate zurückzuführen. Im Sinne des auch verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes trete diese Regelung erst nach einer Übergangsfrist von 25 Monaten in Kraft. Der Gesetzentwurf verbinde die notwendige Flexibilität mit Rechtssicherheit. Die Vorschläge der Opposition zu den betrieblichen Bündnissen für Arbeit gingen in die falsche Richtung, weil die geltenden rechtlichen Regelungen für solche Bündnisse bereits vorhanden seien. Dem Flächentarifvertrag dürfe nicht der Boden entzogen werden und die Gewichte nicht weiter zu Lasten der Gewerkschaften verschoben werden. Die Änderungen des Seemannsgesetzes seien richtig und notwendig und würden von den Beteiligten getragen. Ebenso sei es unumgänglich, die neueste Rechtsprechung des EuGH umzusetzen und dazu den Rahmen des deutschen Arbeitszeitrechts für die besonderen Dienstformen Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst neu zu ordnen.

Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU betonten die Notwendigkeit, die Einstellung von Arbeitnehmern in Deutschland zu erleichtern. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ihrer Fraktion sollen daher Überreglementierungen in verschiedenen Bereichen des Arbeitsrechts beseitigt und Einsparungen in der Arbeitslosenversicherung ermöglicht werden. So sollten beschäftigungsorientierte Abweichungen von Tarifverträgen unter Beachtung der Tarifautonomie zugelassen und betriebliche Bündnisse für Arbeit und beschäftigungssichernde Betriebsvereinbarungen gesetzlich abgesichert werden. Ein Tarifmonopol dürfe es in dieser Frage auch unter Berücksichtigung der negativen Koalitionsfreiheit nicht geben. Im Tarifvertragsgesetz solle die Möglichkeit für die Unternehmen geschaffen werden, Arbeitslose während der Probezeit unter Tarif zu beschäftigen. Die gerade für mittelständische Betriebe kostentreibenden Teile des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes sollen zurückgenommen werden. Die Größe der Betriebsräte, wie sie vor 1998 rechtlich vorgeschrieben worden sei, habe sich bewährt und sollte wieder eingeführt werden. Das Kündigungsschutzgesetz sollte nicht für Neueinstellungen bei Unternehmen mit weniger als 20 Arbeitnehmern gelten. Zu weitgehende Regelungen im Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 sollten auf das notwendige und sinnvolle Maß beschränkt werden.
Im Hinblick auf die Umsetzung des Urteils des EuGH verfolge die Union mit ihrem Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 15(9)642 eine andere Konzeption als die Koalitionsfraktionen. So werde entsprechend den Notwendigkeiten der Praxis nicht mehr an die tägliche, sondern die wöchentliche Arbeitszeit angeknüpft.

Die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN widersprachen der Auffassung der Opposition, das Tempo der Veränderungen sei zu langsam: Bei allen Gesetzesänderungen müsse die soziale Balance gewahrt werden und den Menschen sowie den Firmen Zeit zur Einstellung auf die neuen Vorschriften gewährt werden. Die seit Einführung durch die alte Koalition laufende Frühverrentungspraxis müsse durch eine Kultur der Altersarbeit ersetzt werden.
Dazu müsse die Einstellungspraxis der Betriebe so verändert werden, dass diese auch ältere Arbeitnehmer einstellten. Dazu würden die entsprechenden Anreize geschaffen. Im Hinblick auf Frauen sei eine höhere Erwerbsquote nötig. Bündnisse für Arbeit seien absolut nötig, dürften sich aber nicht von den Tarifvertragsparteien lösen.
Die Mitglieder der Fraktion der FDP hielten es für notwendig, die betrieblichen Bündnisse für Arbeit gesetzlich abzusichern. Dazu sollte die kollektivrechtliche Sperrwirkung im Tarifvertragsgesetz beseitigt werden. Mit der Entmündigung der Arbeitnehmer in den Betrieben, die sich betriebliche Vereinbarungen erst von den Tarifparteien „absegnen“ lassen müssten, müsse Schluss sein. Die von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Änderungen im Kündigungsschutz reichten nicht aus. Mit ihrem Antrag auf Bundestagsdrucksache 15/430 wolle die Fraktion der FDP daher eine Reform des Kündigungsschutzgesetzes zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen anstoßen. Der Antrag auf Bundestagsdrucksache 15/590 enthalte ein umfassendes Konzept für einen funktionsfähigen Arbeitsmarkt. Die von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsanträge verbesserten den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen kaum. Neue Arbeitsplätze schaffe der Gesetzentwurf nicht.
Während der Beratungen wurden von Abgeordneten Fragen gestellt, die die Bundesregierung wie folgt beantwortete:
Kann der in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnete Arbeitnehmer die Sozialauswahl mit Aussicht auf Erfolg anfechten, obwohl sie gerichtlich nur am Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit überprüfbar ist?
Der Arbeitnehmer kann die Namensliste mit Aussicht auf Erfolg vor Gericht anfechten. Er muss darlegen und ggf. beweisen, dass bei der Gewichtung der sozialen Gesichtspunkte einzelne der vier Sozialdaten nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden. Um dies prüfen zu können, hat der Arbeitgeber auch bei der Aufstellung einer Namensliste dem Arbeitnehmer auf Verlangen die Gründe für die getroffene Sozialauswahl anzugeben. Dieser Auskunftsan spruch ergibt sich aus § 1 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz des Kündigungsschutzgesetzes, der hier entsprechend gilt.
Kann der Arbeitgeber die Sozialauswahl durch die Herausnahme von Leistungsträgern manipulieren?
Nein. Das Kriterium „berechtigte betriebliche Interessen“ gewährleistet, dass der Arbeitgeber die Sozialauswahl nicht willkürlich, etwa mit dem Ziel „olympiareifer Belegschaften“, umgehen kann. Notwendig sind vielmehr nachvollziehbare Gründe, die aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers einen nicht unerheblichen Vorteil für die Leistungsfähigkeit des Betriebes bringen. Außerdem muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitgeber das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers aus der Sozialauswahl abwägen. Die Abwägung stellt sicher, dass das gesetzlich vorgesehene Verhältnis von Regel und Ausnahme nicht praktisch in sein Gegenteil verkehrt werden kann.
Ist es erforderlich, durch eine ergänzende gesetzliche Regelung klarzustellen, dass die Inanspruchnahme einer Abfindung nach § 1 a KSchG keine Sperrzeit auslöst?
Eine gesetzliche Klarstellung ist nicht erforderlich. Eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe tritt nur ein, wenn der Arbeitslose die Arbeitslosigkeit aktiv verursacht hat. Die bloße Hinnahme einer betriebsbedingten Kündigung, wie z. B. nach § 1a KSchG, reicht nicht aus. Eine Sperrzeit tritt nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts selbst dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer sich gegen eine offensichtlich rechtswidrige Kündigung nicht wehrt.

B. Besonderer Teil

Zur Begründung der einzelnen Vorschriften wird – soweit sie im Verlauf der Ausschussberatungen nicht geändert oder ergänzt wurden – auf den Gesetzentwurf verwiesen. Hinsichtlich der vom Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit geänderten oder neu eingefügten Vorschriften ist Folgendes zu bemerken:

Zu Artikel 1 Nr. 6

Die Änderung der Überschrift in Nummer 1 ergibt sich aus dem geänderten Inhalt der Vorschrift.

Die Regelung in Nummer 2 ist eine Folgeänderung der Regelung in Artikel 1 Nr. 3 über die Vereinheitlichung der Klagefristen. An der Vorschrift des geltenden § 13 Abs. 3, der bei aus sonstigen Gründen unwirksamen Kündigungen, z. B. wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz, die Anwendung der Vorschriften des Ersten Abschnitts des Gesetzes ausschließt, wird im Grundsatz festgehalten. Eine Ausnahme wird nur hinsichtlich der Vereinheitlichung der Klagefrist zugelassen. Ansonsten soll es dabei bleiben, dass für die aus sonstigen Gründen unwirksamen Kündigungen die Vorschriften der §§ 1 bis 14 nicht gelten. Das betrifft insbesondere die Bestimmungen über die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 und über die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach den §§ 9 und 10.


E. Weiterer Fortgang des Gesetzes

Dieser Vorschlag wurde mit der notwendigen Mehrheit im Bundesrat angenommen und am am 30.12.2003 im BGBL Teil I, Heft 67, Seite 3001 veröffentlicht.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 09.02.2010, also nach Abschluss dieser Kommentierung
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