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VVG (Außerkraft: 01.01.2008)
Versicherungsvertragsgesetz
Gesetz über den Versicherungsvertrag
§ 6 (Regelung seit 01.01.2002)
(1) Ist im Vertrag bestimmt, daß bei Verletzung einer Obliegenheit, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei sein soll, so tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung als eine unverschuldete anzusehen ist. Der Versicherer kann den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, es sei denn, daß die Verletzung als eine unverschuldete anzusehen ist. Kündigt der Versicherer innerhalb eines Monats nicht, so kann er sich auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen.

(2) Ist eine Obliegenheit verletzt, die von dem Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Gefahrerhöhung dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so kann sich der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der ihm obliegenden Leistung gehabt hat.

(3) Ist die Leistungsfreiheit für den Fall vereinbart, daß eine Obliegenheit verletzt wird, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grobfahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat.

(4) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt sein soll, ist unwirksam.

(5) (weggefallen)
Vergleich § 6 VVG (alt) - § 28 VVG2007
Red. Salomonia: Etwaige Ergänzungen zum Originaltext erscheinen blau!

Lesezeichen (Klick um am gewünschten Teil zu gehen):

Drucksache 707/06 - 13.10.2006 - Gesetzentwurf der Bundesregierung

Drucksache 707/1/06 - 13.11.2006 - Empfehlungen der Ausschüsse

Drucksache 707/2/06 - 21.11.2006 - Antrag des Landes Hessen

Drucksache 16/3945 - 20. 12. 2006-Stellungnahme/Gegenäußerung

Drucksache 16/5862 - 28. 06. 2007 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

Drucksache 16/5940 - 04. 07. 2007- Änderungsantrag

Drucksache 583/07 - Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages, 31.08.2007

Drucksache 583/07 (Beschluss) - 21.09.2007 - Beschluss des Bundesrate



A. Bundesrat Drucksache 707/06 - 13.10.06 - Gesetzentwurf der Bundesregierung


Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts


A. Problem und Ziel
Das geltende Versicherungsvertragsgesetz (VVG) stammt im Wesentlichen aus dem Jahre 1908. Den Bedürfnissen eines modernen Verbraucherschutzes wird das Gesetz nicht mehr vollständig gerecht. Um das Versicherungsvertragsrecht mit der rechtspolitischen und -tatsächlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte wieder in Einklang zu bringen, reichen punktuelle Änderungen oder Ergänzungen nicht aus. Es ist daher eine Gesamtreform erforderlich. Das Versicherungsvertragsrecht ist in seinen allgemeinen Bestimmungen, wie auch bei den einzelnen Versicherungszweigen unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung und der Vertragspraxis zeitgemäß und übersichtlich zu gestalten.


B. Lösung
Auf der Grundlage der Vorschläge der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, die am 7. Juni 2000 vom Bundesministerium der Justiz eingesetzt wurde und ihren Abschlussbericht am 19. April 2004 übergeben hat, sowie der Stellungnahmen der Ressorts, Länder und Verbände wurde der Gesetzentwurf erstellt. Die Stellung des Versicherungsnehmers wird gegenüber dem Versicherer deutlich gestärkt, die Transparenz wird verbessert. Der Entwurf regelt die Beratungs-, Aufklärungs- und Informationspflichten der Versicherer. Ergänzend sollen die einzelnen Informationen in einer Rechtsverordnung zusammenfassend normiert werden. Der Gesetzentwurf sieht neue Regelungen zur Laufzeit von Verträgen und zu Widerrufs-, Rücktritts- und Kündigungsrechten, zur vorläufigen Deckung und zur Pflichtversicherung vor. Für einzelne Versicherungszweige, z. B. für die Berufsunfähigkeitsversicherung, werden gesetzliche Mindeststandards bestimmt. Insbesondere wird das Recht der Lebensversicherung modernisiert. Der Entwurf berücksichtigt insoweit auch jüngste Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 2005, insbesondere zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung, und des Bundesgerichtshofs, der sich in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2005 u. a. zur Berechnung von Mindestrückkaufswerten geäußert hat. Der Anspruch auf Überschussbeteiligung wird im Gesetz als Regelfall verankert. Erstmals erhält der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven/Bewertungsreserven. Dem Versicherungsnehmer muss eine Modellrechnung über die möglichen Leistungen übergeben werden und er muss jährlich über die tatsächliche Entwicklung unterrichtet werden; ferner sind ihm in Zukunft die Höhe der Abschluss- und Vertriebskosten mitzuteilen.


C. Alternativen
Keine.


D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Die öffentliche Verwaltung ist durch diese Reform nicht betroffen. Insbesondere ist nicht damit zu rechnen, dass sich durch das Gesetz für die Aufsichtsbehörden zusätzliche Überwachungsaufgaben ergeben werden.


E. Sonstige Kosten
Versicherungsprodukte können sich u. a. dadurch verteuern, dass der Versicherungswirtschaft aufgrund des Aufwands für eine verbesserte Beratung und Information sowie einer Verbesserung der Rechte der Versicherungsnehmer insgesamt höhere Kosten entstehen. Ob und in welchem Umfang sich Auswirkungen auf Einzelpreise und insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau ergeben, lässt sich nicht vorhersagen.


Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG)


(...)


§ 28
Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit


(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er nur leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.


Artikel 10
Inkrafttreten, Außerkrafttreten


(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.


(2) Gleichzeitig treten außer Kraft:


1. Das Gesetz über den Versicherungsvertrag in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3102);


2. (...)


Begründung


A. Allgemeiner Teil


I. Einleitung


Das geltende Versicherungsvertragsgesetz (VVG) stammt aus dem Jahre 1908. Es beruht auf dem damaligen Denken und Rechtsgefühl. Den Bedürfnissen eines modernen Verbraucherschutzes wird das Gesetz nicht mehr vollständig gerecht. Punktuelle Änderungen oder Ergänzungen reichen nicht mehr aus, um das Gesetz zu reformieren; eine Gesamtreform ist erforderlich. Wichtige Bereiche dieser Reform sind die Beratungs-, Aufklärungs- und Informationspflichten der Versicherer, die Schaffung gesetzlicher Mindeststandards für einzelne Versicherungszweige, z. B. für die Rechtsschutzversicherung, für die Berufsunfähigkeitsversicherung und für die Pflichtversicherung, neue Regelungen zur Laufzeit von Verträgen und zu Widerrufs-, Rücktritts- und Kündigungsrechten, z. B. im Zusammenhang mit einer unvollständigen Information durch den Versicherer oder mit Obliegenheitsverletzungen durch den Versicherungsnehmer. Sowohl im Recht der Lebensversicherung als auch im Recht der Krankenversicherung stellen sich weitere Probleme. Diese nicht abschließende Aufzählung verdeutlicht den umfassenden Reformbedarf.


Zur Vorbereitung der Reform hat das Bundesministerium der Justiz am 7. Juni 2000 die Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (VVG-Kommission) eingesetzt, die am 19. April 2004 ihren Abschlussbericht übergeben hat (Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004; VersR-Schriftenreihe, Heft 25). Dieser Bericht lag den Ressorts, den Ländern und den interessierten Verbänden zur Stellungnahme vor. Auf der Grundlage des Abschlussberichtes und der zum Referentenentwurf vom 13. März 2006 eingegangenen Stellungnahmen wurde der Gesetzentwurf erstellt.


Der Entwurf (VVG-E) übernimmt dabei zunächst die grundsätzlichen Überlegungen der VVG-Kommission. Keine Neuregelung einzelner Punkte ist erforderlich, wenn sich die bisherige Regelung insgesamt bewährt hat und Vorteile einer anderen Regelung nicht ersichtlich sind. Die Zahl der vorzuschlagenden Neuregelungen ist gleichwohl recht groß. Ihre Einarbeitung in das geltende VVG wäre sehr schwierig geworden und hätte eine erhebliche Unübersichtlichkeit des reformierten Gesetzes zur Folge gehabt. Deshalb wird eine Neufassung des Gesetzes vorgeschlagen, die allerdings in vielen Punkten bewährte Regelungen teils wörtlich, teils inhaltlich unverändert übernimmt.


Ein wichtiges Ziel einer Neuregelung ist es, das Versicherungsvertragsrecht mit der rechtspolitischen und -tatsächlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte wieder in Einklang zu bringen. Abweichungen vom allgemeinen, in wesentlichen Punkten durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz seit 1. Januar 2002 reformierten Schuldrecht sollen auf diejenigen Punkte beschränkt bleiben, bei denen sachliche Unterschiede dies rechtfertigen. Berücksichtigt werden muss aber auch die Reduzierung der Regulierung aller Versicherungszweige, insbesondere durch die dritte Generation der Versicherungsrichtlinien der Europäischen Union, unter Betonung der Entscheidungsfreiheit der Versicherungsnehmer, deren notwendige Information bei Vertragsschluss allerdings sicherzustellen ist. Ein so modernisiertes deutsches Versicherungsvertragsrecht kann möglicherweise auch eher bei einer – allerdings in absehbarer Zeit nicht anstehenden – europäischen Harmonisierung als Ansatzpunkt dienen, als ein jetzt schon fast 100 Jahre altes Gesetz, das durch die Rechtsprechung vielfach über den Wortlaut hinaus interpretiert und ergänzt worden ist.


Mit der Neufassung des Gesetzes ist eine Neugliederung verbunden. Auf nicht mehr zeitgemäße Sonderregelungen z. B. bei der Tier- und Hagelversicherung wird verzichtet.


Im Folgenden wird zunächst auf einige zentrale Punkte des Entwurfes eingegangen; Einzelheiten ergeben sich aus dem Besonderen Teil der Begründung. Eine überaus ausführliche Darstellung des Reformbedarfs findet sich im Abschlussbericht der VVG-Kommission (S. 6 bis 194), auf die ausdrücklich hingewiesen wird.


II. Zentrale Punkte der Reform


1. Information und Beratung des Versicherungsnehmers


Ein funktionsfähiger Wettbewerb zwischen Versicherern setzt voraus, dass die Versicherungsnehmer ihre Entscheidung auf der Grundlage einer rationalen Auswahl aus den unterschiedlichen Versicherungsangeboten treffen können. Dazu benötigen sie Informationen über das jeweils angebotene Versicherungsprodukt. Deshalb hat der Gesetzgeber bereits mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630, 1667) § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in das Aufsichtsrecht eingefügt und die Versicherer verpflichtet, die Versicherungsnehmer über die dort näher festgelegten Umstände zu unterrichten.


§ 10a VAG als Grundlage für die Verbraucherinformation ist durch seine Stellung im Aufsichtsrecht als öffentlich-rechtliche Vorschrift und damit als öffentlich-rechtliche Pflicht des Versicherers gegenüber der Aufsichtsbehörde gekennzeichnet. Da die Verbraucherinformation aber bezweckt, den Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags und während dessen Laufzeit über das Versicherungsprodukt zu informieren, war es von Anfang an umstritten, ob nicht auch eine entsprechende zivilrechtliche Pflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer vorgesehen werden soll. Die erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens eingefügte Vorschrift des § 5a VVG bestätigt bereits ausdrücklich die vertragsrechtliche Relevanz der Vorschriften über die Verbraucherinformation.


Der Entwurf regelt nunmehr in § 7 VVG-E die Informationspflicht des Versicherers gegenüber allen Versicherungsnehmern insgesamt und unmittelbar im Vertragsrecht. Damit wird nicht nur § 10a VAG abgelöst, sondern zugleich werden die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts erfüllt, soweit sie sich auf alle Versicherungszweige erstrecken. Dabei handelt es sich zum einen um die sehr beschränkten Vorgaben nach Art. 31 der Richtlinie 92/49/EWG (3. Schadensrichtlinie). Zum anderen handelt es sich um die umfangreichen Informationspflichten, die den Versicherern nach den Artikeln 3 und 5 der Richtlinie 2002/65/EG (Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen – Fernabsatzrichtlinie II) obliegen. Diese Verpflichtungen gelten zwar nur für Fernabsatzverträge. Der überwiegende Teil dieser Informationen ist aber für die Versicherungsnehmer unabhängig von der Vertriebsform von Bedeutung. Im Hinblick auf die den deutschen Gesetzgeber bindende Umsetzungsfrist in der genannten Richtlinie wurden die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen schon vor dieser Reform in das VVG (§ 48b und Anlage) übernommen (vgl. Artikel 6 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 – BGBl. I S. 3102, 3106).


Das geltende VVG enthält keine Vorschriften über die Beratung des Versicherungsnehmers vor Abschluss eines Versicherungsvertrags. Der Versicherer und die in seinen Vertrieb eingeschalteten Vermittler schulden dem Versicherungsnehmer nicht schon deswegen, weil sie ihm einen Versicherungsvertrag anbieten, einen umfassenden, sachkundigen und bedarfsorientierten Rat. Allerdings wird sich ein Verbraucher vielfach an einen Versicherungsvermittler mit der Bitte um eine fachkundige Beratung wenden; dann wird es schon bisher zu einer vertraglichen Beratungspflicht kommen, für deren Erfüllung derjenige Versicherer haftet, der den Vermittler mit der Vermittlung betraut hat.


Mit dem Erlass der Richtlinie 2002/92/EG über Versicherungsvermittlung (Vermittlerrichtlinie) ist insoweit eine neue rechtliche Situation entstanden. Die Vermittlerrichtlinie und ihre Umsetzung führen vertragsrechtliche Pflichten des Versicherungsvertreters und des Versicherungsmaklers sowie des Versicherungsberaters gegenüber dem Versicherungsnehmer ein, obwohl der Vermittler nicht Vertragspartei des vermittelten Versicherungsvertrags ist. Der Entwurf regelt darüber hinaus die vertraglichen Beziehungen zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern insgesamt und ohne Rücksicht darauf, wie der einzelne Versicherer seinen Vertrieb gestaltet hat.


Die Einführung der Pflichten des Vermittlers ist im Wesentlichen durch die Richtlinie ohne Spielraum für den nationalen Gesetzgeber vorgegeben. Um sachlich nicht vertretbare Unterschiede, die nur zu Unklarheiten führen können, zu vermeiden, werden auch die entsprechenden Pflichten des Versicherers weitgehend an der Richtlinie orientiert.


Da die Umsetzungsfrist für diese Richtlinie bereits abgelaufen ist, sollen die Beratungspflichten der Versicherungsvermittler und Versicherungsberater vor dieser Reform durch das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechtes in das VVG übernommen werden (vgl. BT-Drucksache16/1935 – Artikel 2 des Gesetzentwurfes).


2. Abschluss von Versicherungsverträgen


Für den Abschluss von Versicherungsverträgen gelten die §§ 116 ff. BGB über die Willenserklärung und die §§ 145 ff. BGB über den Vertrag. Gründe für eine abweichende Regelung bestehen nicht. Demnach kann der Versicherungsvertrag in der Weise geschlossen werden, dass der Versicherungsnehmer einen Antrag im Sinn des § 145 BGB erklärt, den der Versicherer anschließend innerhalb der regelmäßig nach § 148 BGB bestimmten Frist annimmt oder ablehnt. Diese Vorgehensweise wird von den deutschen Versicherern insbesondere bei Standardverträgen weitgehend praktiziert. Wenn in dem Antrag des Versicherungsnehmers alle für die Annahmeentscheidung des Versicherers notwendigen Angaben enthalten sind und der Versicherungsnehmer vorher bereits alle vorgeschriebenen Informationen erhalten hat, kommt der Vertrag auf diese Weise relativ einfach und möglicherweise auch schnell zu Stande; üblicherweise wird dies als Vertragsschluss nach dem „Antragsmodell“ bezeichnet.


Allerdings erhält der Versicherungsnehmer für ihn wichtige Informationen und Versicherungsbedingungen in der Praxis meist erst mit der Annahmeerklärung des Versicherers, d. h. regelmäßig mit dem Versicherungsschein; unter dieser Voraussetzung wird das als Vertragsschluss nach dem „Policenmodell“ bezeichnet.


Der Entwurf sieht ausdrückliche Pflichten des Versicherers zur Aufklärung und Beratung (§ 6 VVG-E) vor, außerdem Pflichten zur Information (§ 7 Abs. 1 VVG-E), die zu erfüllen sind, bevor der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung, an die er nach § 145 BGB gebunden ist, abgibt (abweichend vom Vorschlag der VVG-Kommission, die auf die Bindung an die Vertragserklärung abgestellt hat). Dies geschieht zur Verbesserung des Verbraucherschutzes; dem Verbraucher wird Gelegenheit gegeben, sich vor Abgabe einer Vertragserklärung mit den Einzelheiten des Vertrags vertraut zu machen. Gleichzeitig wird aber vorgesehen, dass die Vertragsparteien eine abweichende Vereinbarung hinsichtlich des Zeitpunktes der Information treffen können, insbesondere dann, wenn der Versicherungsnehmer sofortigen Versicherungsschutz benötigt oder den Vertrag auf der Grundlage ihm bereits vorliegender Informationen schließen möchte.


Der Gesetzentwurf geht insoweit davon aus, dass der „mündige Verbraucher“ in der Lage ist, zu entscheiden, ob er die ihm regelmäßig vor seiner Vertragserklärung zu überlassenden Informationen zunächst durchsehen möchte, um danach zu entscheiden, welchen Versicherungsvertrag er schließen möchte, oder ob er sofortigen Versicherungsschutz haben möchte und die Details des Vertrags erst nach seiner Vertragserklärung erhalten und zur Kenntnis nehmen will. Dabei wird nicht verkannt, dass viele Verbraucher die ihnen überlassenen Informationen aus unterschiedlichen Gründen nicht vollständig zur Kenntnis nehmen. Diese Entscheidung muss jedoch jedem Verbraucher überlassen bleiben. Eine gesetzliche Regelung, nach der ein Verbraucher einen Vertrag erst schließen darf, wenn eine bestimmte Frist zwischen Informationserteilung und Vertragserklärung verstrichen ist, kommt nicht in Betracht; dies würde – um den Begriff des „mündigen Verbrauchers“ erneut aufzugreifen – eine Entmündigung des Verbrauchers bedeuten und dem Ziel, den Verbraucher in seiner Eigenverantwortung zu stärken, widersprechen.


3. Festlaufzeit


Es bleibt grundsätzlich der freien Entscheidung der Vertragsparteien überlassen, für welchen Zeitraum sie einen Versicherungsvertrag schließen wollen. Im Interesse der Versicherungsnehmer sieht der Entwurf jedoch ein zwingendes Sonderkündigungsrecht zum Ende des dritten und jedes folgenden Versicherungsjahres vor. Damit wird zwar die tatsächliche Laufzeit eines derartigen Vertrags nicht beschränkt; er läuft so lange, bis der Versicherungsnehmer oder der Versicherer von dem vereinbarten ordentlichen Kündigungsrecht, von anderen Kündigungsrechten oder von diesem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht. Die Vertragsparteien können aber den Vertrag nicht mehr für länger als drei Jahre unkündbar schließen, da der Versicherungsnehmer nach drei Jahren immer zum Ende eines Versicherungsjahres ein Sonderkündigungsrecht hat; der Versicherer kann sich ein entsprechendes Kündigungsrecht in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) vorbehalten. Damit setzt der Entwurf die Festlaufzeit im Sinn der Regelung des § 8 Abs. 3 VVG von fünf auf drei Jahre herab. Mit diesem Vorschlag geht der Entwurf einen Mittelweg zwischen der Forderung nach einem Kündigungsrecht schon nach dem ersten Versicherungsjahr und der geltenden Regelung, die nach mehreren vorangegangenen Regelungen das Kündigungsrecht erst nach fünf Jahren sichert; damit werden die Interessen der Beteiligten angemessen berücksichtigt.


4. Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips


Das geltende VVG sanktioniert die Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Obliegenheiten und des Verbots der Gefahrerhöhung (§§ 6, 23 ff., 61 f. und 71 VVG) sowie von Anzeigepflichten (§§ 16 ff. VVG) durch den Versicherungsnehmer regelmäßig in der Weise, dass der Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen von der Leistungspflicht frei ist; damit verliert der Versicherungsnehmer wegen eines ihm angelasteten Verstoßes insoweit den Versicherungsschutz. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit sind zum Teil sachlich nicht gerechtfertigt und für den Versicherungsnehmer auch nicht durchschaubar. Vor allem hat sich in der Praxis als unbefriedigend erwiesen, dass alle Regelungen auf dem Alles-oder-Nichts-Prinzip basieren: Entweder erhält der Versicherungsnehmer die volle vertragliche Versicherungsleistung oder der Versicherer ist insgesamt leistungsfrei.


Dies ist zwar eine relativ einfache Regelung, weil die Leistungsfreiheit nach Feststellung einer Vertragsverletzung und eines hinreichenden Verschuldens des Versicherungsnehmers ohne weiteres und insgesamt eintritt; sie erfordert aber eine exakte Feststellung des Verschuldens, weil die Grenze z. B. zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit oder zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit über die Versicherungsleistung entscheidet. Vor allem befriedigt aber die bisherige Regelung deswegen nicht, weil bei nur geringem Unterschied des Verschuldens – die Grenze zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit ist gerade überschritten – gegensätzliche Rechtsfolgen eintreten, nämlich in dem einen Fall voller Versicherungsschutz und in dem anderen, fast identischen Fall völlige Leistungsfreiheit. Dies wäre allenfalls weiterhin vertretbar, wenn das Verschulden des Versicherungsnehmers wie ein Datum oder ein Betrag rechnerisch feststellbar wäre; tatsächlich kann Verschulden aber nur aufgrund einer Bewertung festgestellt werden, die nie frei von subjektiven Einschätzungen desjenigen ist, der sie vornimmt. Der Entwurf beschränkt sich nicht auf Korrekturen bei den einzelnen Vorschriften, sondern sieht für sämtliche Verletzungen vertraglicher Pflichten und Obliegenheiten des Versicherungsnehmers (Anzeige von Gefahrumständen, Verbot der Gefahrerhöhung) ein weitgehend einheitliches Regime von Rechtsfolgen vor. Ziel ist ein allgemeines System, das für alle Beteiligten verständlich ist und ihre Interessen angemessen berücksichtigt.


Die Grundsätze dieses Systems sind:


- Auf die Leistungsfreiheit als Rechtsfolge wird nicht verzichtet; in manchen Fällen erscheint es aber ausreichend, wenn der Versicherer kündigen oder eine höhere Prämie verlangen kann.


- Zur Leistungsfreiheit können grundsätzlich nur solche Verstöße führen, die kausal für den Versicherungsfall oder den Umfang der Leistung des Versicherers sind. Nur betrügerisches Verhalten des Versicherungsnehmers vor und nach dem Versicherungsfall führt ausnahmsweise, auch wenn es nicht kausal geworden ist, zur Leistungsfreiheit.


- Einfach fahrlässig verursachte Verstöße bleiben folgenlos.


- Vorsätzliche Verstöße führen - vorbehaltlich des zweiten Grundsatzes - zur Leistungsfreiheit.


- Bei grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten kann der Versicherer seine Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens kürzen.


- Der Versicherungsnehmer soll nicht von der Leistungsfreiheit überrascht werden: Es werden Belehrungspflichten des Versicherers vorgesehen, die den Versicherungsnehmer warnen und ihn zu richtigem Verhalten anhalten sollen.


- Die Beweislast wird klar und einheitlich geregelt: Bei objektiver Tatbestandsverwirklichung wird von grober Fahrlässigkeit ausgegangen, d. h. die Beweislast für Vorsatz trägt der Versicherer, von grober Fahrlässigkeit muss sich der Versicherungsnehmer entlasten. Die Beweislast für Kausalität soll dagegen unverändert bleiben; Obliegenheitsverletzungen bleiben folgenlos, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass sein Verhalten nicht kausal war.


Eine vollständige Vereinheitlichung der Sanktionen bei Obliegenheitsverletzungen wäre zwar wünschenswert, entspräche aber nicht der Interessenlage der Vertragsparteien, da diese vor Abschluss einer Versicherung anders zu beurteilen ist als bei einem bereits bestehenden Versicherungsverhältnis. Der Versicherer übernimmt in aller Regel ein konkretes Risiko, dessen Einschätzung ihm nur auf der Grundlage von zutreffenden Angaben des Versicherungsnehmers möglich ist. Deshalb sind Anzeigepflichten ebenso erforderlich wie unter Umständen weit reichende Rechtsfolgen für den Fall unzutreffender Angaben des Versicherungsnehmers. Daran hält der Entwurf – mit Änderung in einzelnen Fällen – fest.


Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers ist dann irrelevant, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte. In diesem Zusammenhang hat die VVG-Kommission vorgeschlagen, dass ein Versicherer sich in Ausnahmefällen das Wissen eines anderen Versicherers zurechnen lassen muss, nämlich dann, wenn der Versicherungsnehmer auf Unterlagen anderer Versicherer hingewiesen hat, die der Versicherer abrufen kann (§ 32 des Kommissionsentwurfes). Diesen Vorschlag übernimmt der Gesetzentwurf nicht; er wirft erhebliche datenschutzrechtliche Probleme auf, soweit er über die bisherige Rechtsprechung hinausgeht. Die Entscheidung darüber, in welchen Fällen sich der Versicherer dieses Wissen zurechnen lassen muss, kann weiterhin der Rechtsprechung überlassen werden.


5. Vorläufige Deckung


Die vorläufige Deckung hat in einigen Versicherungszweigen erhebliche wirtschaftliche Bedeutung - sowohl für die Versicherer als auch für die Versicherungsnehmer. Vielfach besteht ein erhebliches Interesse, Versicherungsschutz bereits vor Abschluss eines beabsichtigten Versicherungsvertrags zu erhalten. Damit wird die Zeit überbrückt, die für Verhandlungen über einen endgültigen Vertrag, für die Beibringung der notwendigen Unterlagen durch den Versicherungsnehmer, für die Prüfung des Antrags durch den Versicherer einschließlich der Risikoprüfung und Tarifierung sowie für gesetzlich vorgeschriebene Informationen benötigt wird. Die vorläufige Deckung kann auch ein Wettbewerbsmittel des Versicherers sein, um einen vertraglich noch nicht gebundenen Interessenten zu bevorzugten Vertragsverhandlungen mit dem betreffenden Versicherer zu veranlassen. Das geltende VVG erwähnt die vorläufige Deckung nicht. Lediglich die Bestimmungen über die Kfz-Pflichtversicherung treffen einige notwendige Regelungen für die vorläufige Deckung, da der Versicherungsschutz einerseits Voraussetzung für die Zulassung ist, andererseits aber der endgültige Vertrag erst nach der Zulassung geschlossen werden kann. Dies ist angesichts der Verbreitung und Bedeutung der vorläufigen Deckung nicht sachgerecht. Der Entwurf sieht deshalb grundlegende Bestimmungen für die vorläufige Deckung vor (§§ 49 bis 52 VVG-E).


6. Laufende Versicherung


§ 187 Abs. 2 VVG enthielt ursprünglich die ausdrückliche Regelung, dass Beschränkungen der Vertragsfreiheit für eine Schadensversicherung nicht gelten, wenn sie als laufende Versicherung genommen ist. Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1. Juli 1990 durch die Ausnahmeregelung des § 187 VVG geltender Fassung abgelöst worden, die jetzt auf die in Artikel 10 Abs. 1 EGVVG genannten Großrisiken Bezug nimmt, auf die Beschränkungen der Vertragsfreiheit nicht anwendbar sein sollen. Damit enthält das geltende Recht keinerlei Regelungen mehr für die laufende Versicherung.


Dies ist nicht sachgerecht. Die laufende Versicherung ist dadurch gekennzeichnet, dass das versicherte Interesse bei Vertragsschluss nur der Gattung nach bezeichnet und erst später, nach seinem Entstehen, dem Versicherer mit den Einzelrisiken aufgegeben wird. Diese Vertragsgestaltung erfordert erhebliche Abweichungen von den Bestimmungen des Allgemeinen Teils der §§ 1 ff. des Entwurfes; sie sollen zumindest in ihren Grundzügen im Gesetz selbst festgelegt werden (vgl. §§ 53 bis 58 VVG-E). Es bleibt allerdings dabei, dass alle Vorschriften für die laufende Versicherung dispositiv sind. Dies betrifft insbesondere die Rechtsfolgen bei einer Verletzung der Anmeldepflicht oder sonstiger Obliegenheiten


7. Neuregelungen für die Pflichtversicherung


Eine Versicherungspflicht wird immer zumindest auch im Interesse der Geschädigten angeordnet, um ihnen - allerdings nur im Rahmen der Mindestversicherungssummen - einen verhandlungs- und zahlungsbereiten, weitgehend insolvenzsicheren Schuldner zu sichern. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich tritt der jeweilige Versicherer weitgehend an die Stelle des versicherten Schädigers, und dies - nach den jeweiligen Vorschriften - in manchen Fällen selbst dann, wenn der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz verloren haben sollte.


Dies hat den Gesetzgeber bereits veranlasst, dem Geschädigten in § 3 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) für die Kfz-Haftpflichtversicherung einen Direktanspruch gegen den Versicherer einzuräumen. Diese Regelung hat sich bewährt. Der Entwurf überträgt sie allgemein auf Pflichtversicherungen. Dadurch soll dem Geschädigten über die Unfälle im Straßenverkehr hinaus die Realisierung von Ersatzansprüchen erleichtert werden.


Die rechtlichen Auswirkungen des Direktanspruchs sind begrenzt. So kann der Versicherer bei einer Pflichtversicherung schon bisher nicht gegenüber dem Geschädigten einwenden, er sei auf der Grundlage des Versicherungsvertrags gegenüber dem Versicherungsnehmer leistungsfrei (§ 158c Abs. 1 VVG, jetzt § 117 Abs. 1 VVG-E); er ist insoweit auf den Rückgriff bei seinem Vertragspartner angewiesen und trägt dabei das Insolvenzrisiko. Eine Risikoverlagerung gibt es allerdings bei der Vereinbarung eines Selbstbehaltes (vgl. § 114 Abs. 2 VVG-E).. Bisher ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber zur Freistellung nur unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes verpflichtet; das Insolvenzrisiko für den Selbstbehaltbetrag trägt also der Geschädigte. In Zukunft macht dieser den Direktanspruch in voller Höhe gegen den Versicherer geltend, so dass der Versicherer auf den Rückgriff in der Höhe des wirksam vereinbarten Selbstbehaltes bei dem Versicherungsnehmer angewiesen ist.


8. Neuregelungen im Bereich der Lebensversicherung


Besondere wirtschaftliche Bedeutung der Lebensversicherung


Die Lebensversicherung hat in dreifacher Hinsicht besondere wirtschaftliche Bedeutung. Dem einzelnen Versicherungsnehmer dient sie zur Absicherung seiner Familie im Fall des vorzeitigen Todes oder zur eigenen Altersversorgung. Damit ist sie existentieller Teil seiner Vorsorge insbesondere dann, wenn andere Sicherungsinstrumente wie die Sozialversicherung nicht oder nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Die von dem Versicherungsnehmer dafür aufgewandten Prämien sind häufig im Verhältnis zum laufenden Einkommen des Versicherungsnehmers erheblich, da die private Altersversorgung nur durch die Ansammlung eines hohen Sparkapitals gesichert werden kann.


Für die Versicherungswirtschaft stellt die Lebensversicherung – an welcher Kennzahl (Prämieneinnahmen, Erträge, Ergebnis, Kapitalanlagen usw.) auch immer gemessen – einen der wichtigsten Geschäftsbereiche dar. Auf sie entfällt fast die Hälfte der Prämieneinnahmen der deutschen Versicherungsunternehmen im Inlandsgeschäft.


Die besondere gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Lebensversicherung schließlich folgt daraus, dass sie eine herausragende Kapitalsammelfunktion hat. Dies beruht insbesondere auf dem Teilbereich der kapitalbildenden Lebensversicherung, die vor allem dem Aufbau einer Altersvorsorge der Versicherungsnehmer dient. Die deutschen Lebensversicherungsunternehmen sind mit ihren Kapitalanlagen von 625,4 Mrd. Euro (Quelle: GDV, Statistisches Taschenbuch 2005, Tabelle 28; Betrag für 2004) ein wesentlicher Faktor des deutschen Kapitalmarktes.


Gerade an der kapitalbildenden Lebensversicherung wird aber auch erhebliche Kritik geübt. Die Abschlusskosten seien häufig sehr hoch. Sie würden dem Versicherungsnehmer zum großen Teil zu Beginn des Vertrags angelastet, so dass eine vorzeitige Lösung von dem Vertrag für ihn mit wirtschaftlichen Einbußen verbunden sei; er könne deshalb sein jederzeitiges gesetzliches Kündigungsrecht nur unter Inkaufnahme finanzieller Nachteile ausüben.


Es sei auch fraglich, ob der Verbraucher im Allgemeinen vor dem Vertragsschluss einen hinreichenden Überblick über seinen Absicherungsbedarf im Alter und für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Beruf habe und über andere Anlage- und Absicherungsmöglichkeiten ausreichend informiert sei. Weitere Gesichtspunkte sind die Unübersichtlichkeit der Berechnung der Überschussbeteiligung und der Rückkaufswerte.


Unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes ist daher der vertragsrechtlichen Seite der Lebensversicherung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Allerdings muss den Unternehmen die Freiheit der Gestaltung ihres Lebensversicherungsgeschäftes und ihrer Produkte ebenso erhalten bleiben wie dem Versicherungsnehmer die Auswahlfreiheit. Eine wohlmeinend unter Verbraucherschutzgesichtspunkten verordnete Reglementierung würde letztlich zu einer Verteuerung der Versicherungsprodukte führen, ohne dem Versicherungsnehmer entscheidende Vorteile zu bringen. Auch bei der Lebensversicherung bestätigt sich der Erfahrungssatz, dass die Kosten gesetzlicher Vorschriften von dem Endnachfrager, hier dem Versicherungsnehmer, auch dann getragen werden, wenn der Produzent, hier der Versicherer, Adressat der Vorschriften ist.


Verbindliche Vorschriften über eine Trennung von Versicherungsschutz und Sparvorgang werden nicht vorgeschlagen. Bei der kapitalbildenden Lebensversicherung handelt es sich um ein nicht nur in Deutschland seit langer Zeit eingeführtes und weit verbreitetes Versicherungsprodukt. Nur ganz schwerwiegende Gründe könnten es rechtfertigen, dieses Produkt in seiner jetzigen Form zukünftig nicht mehr zuzulassen. Ein wesentliches Ziel der Aufteilung soll im Übrigen die Verbesserung der Transparenz sein. Dieses Ziel wird anders erreicht, zum Teil, indem den besonderen vertragsrechtlichen Regelungen des Altersvermögensgesetzes gefolgt wird. In einer Verordnung auf der Grundlage des § 7 VVG-E soll außerdem geregelt werden, dass über die Höhe von Abschluss- und Vertriebskosten informiert werden muss; auch dies verbessert die Transparenz deutlich. Hinsichtlich des Angebots der in Deutschland zulässigerweise tätigen ausländischen Unternehmen gingen verbindliche Vorschriften über eine Trennung von Versicherungsschutz und Sparvorgang ohnedies ins Leere.


Leitbilder


Unter den Oberbegriff der Lebensversicherung fallen so unterschiedliche Versicherungen wie die


- Risikolebensversicherung
- Rentenversicherung
- Kapitalbildende Lebensversicherung
- Fondsgebundene Lebensversicherung.


Diese Begriffe bezeichnen keine in sich geschlossenen Kategorien. Sie unterscheiden sich u. U. nur in einem einzigen grundlegenden Element. Kapitalbildend ist z. B. auch die Rentenversicherung; sie kann auch auf einer Fondsgrundlage betrieben werden. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung wird im Unterschied zu anderen Versicherungen ein unmittelbarer Bezug zwischen der Kapitalanlage und der Höhe der Versicherungsleistung hergestellt. Der größte Unterschied besteht zwischen diesen drei Formen der Lebensversicherung einerseits und einer Risikolebensversicherung andererseits, bei der ein Versicherungsnehmer grundsätzlich keine Leistung erhält, wenn er den vereinbarten Vertragsablauf erlebt.


Der Entwurf verzichtet generell darauf, für die einzelnen Versicherungszweige gesetzliche „Leitbilder“ oder „Standardverträge“ festzulegen. Für die vorstehenden vier Grundformen der Lebensversicherung ist dies in besonderer Weise geboten, weil in der Praxis Mischformen die Regel sind, die Elemente mehrerer Grundformen aufweisen. So enthalten die Verträge oft ein Wahlrecht, bei Vertragsablauf anstelle der vereinbarten einmaligen Leistung eine Rentenzahlung zu verlangen. Rentenversicherungsverträge sehen oft eine einmalige Kapitalleistung an die Hinterbliebenen vor, wenn die versicherte Person noch vor Beginn der Rentenzahlung oder nach wenigen Rentenjahren stirbt. Kapitalbildende Lebensversicherungen für die Altersvorsorge des Versicherungsnehmers selbst sehen immer auch die für die Risikolebensversicherung prägende Todesfallleistung zur Sicherung der hinterbliebenen Familienangehörigen vor.


Deshalb wird auch davon abgesehen, die wichtigsten unterschiedlichen Grundformen der Lebensversicherung auch nur ansatzweise zu umschreiben, wie dies bei anderen Versicherungen vorgeschlagen wird, um dort den Anwendungsbereich der Vorschriften für bestimmte Versicherungszweige wenigstens ganz allgemein zu umschreiben. Von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen gelten die Vorschriften über die Lebensversicherung für alle Formen von Lebensversicherungen. Die betriebliche Alterversorgung fällt zwar unter die Regelung des Versicherungsvertragsrechts, soweit dabei Lebensversicherungsverträge geschlossen werden; um ihren Besonderheiten Rechnung zu tragen, muss sie aber von einer Reihe von Vorschriften des VVG-E ausgenommen werden. (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1, § 211 VVG-E).


Überschussbeteiligung


Lebensversicherungen haben meist eine sehr lange Vertragsdauer; bei der Kapitallebensversicherung sind es durchschnittlich 26 Jahre. Unter dieser Voraussetzung ist die tatsächliche Entwicklung bis zum Vertragsende nicht annähernd sicher abzuschätzen. Dies muss den Versicherer schon aus kaufmännischen Gründen veranlassen, die verbindlich versprochene Leistung und die vereinbarte Prämie sehr vorsichtig zu kalkulieren, d. h. bei Vertragsschluss weniger vertraglich zuzusagen, als er bei Vertragsablauf unter unveränderten Umständen tatsächlich leisten könnte. Umgekehrt ausgedrückt, der Versicherer verlangt als Prämie einen deutlich höheren Betrag, als er ihn bei einer Nachkalkulation am Ende der Vertragslaufzeit verlangen würde. Diese Vorsicht wird dem Versicherer – aus guten Gründen – aufsichtsrechtlich sogar zur Pflicht gemacht (§ 11 VAG).


Unter diesen Umständen gliedern die Versicherer ihre im Vertrag vorgesehenen Leistungen regelmäßig auf. Sie verpflichten sich nur zu den vorsichtig kalkulierten Basisleistungen (z. B. zur Zahlung der vereinbarten Versicherungssumme), stellen aber darüber hinaus Zusatzleistungen oder Prämienreduzierungen in Aussicht. Die rechtliche Qualität solcher Aussagen kann zwar sehr unterschiedlich sein; in keinem Fall ist aber die Höhe der Zusatzleistung bzw. Prämienreduzierung schon bei Vertragsschluss verbindlich beziffert.


Um einerseits vorsichtig kalkulieren zu können, andererseits aber unakzeptable Nachteile für die Versicherungsnehmer zu vermeiden, haben die Versicherer in der Lebensversicherung die Überschussbeteiligung als zusätzliche Leistung über die fest vereinbarte „garantierte“ Versicherungsleistung hinaus eingeführt; das Aufsichtsrecht hat sie in § 81c VAG teilweise geregelt. Die Überschussbeteiligung spielt für den Versicherungsnehmer eine außerordentlich große Rolle. Bei den langfristigen Verträgen der Kapitallebensversicherung kann die Summe aller derartigen Zuschreibungen einschließlich der darauf entfallenden Zinsen die fest vereinbarte Versicherungssumme übersteigen; bei Rentenversicherungen mit langer Ansparphase und einer langen Auszahlungsphase kann die aus den Zuschreibungen finanzierte zusätzliche Rente höher sein als die bei Vertragsschluss vereinbarte „garantierte“ Rente.


Im geltenden VVG wird die Überschussbeteiligung nicht geregelt. Auch das Aufsichtsrecht enthält keine Regelungen, nach denen ein Versicherer unmittelbar verpflichtet wäre, allgemein oder für bestimmte Verträge eine Überschussbeteiligung einzuräumen. Deshalb beruhen alle entsprechenden Zusagen zunächst auf der autonomen Entscheidung des jeweiligen Versicherers, in seinen Verträgen – regelmäßig durch AVB – eine solche Regelung vorzusehen. Allerdings wird der Wettbewerb jeden Versicherer in weiten Teilbereichen zwingen, seinen Versicherungsnehmern eine Überschussbeteiligung einzuräumen. Für Verträge, in denen der Versicherer eine Überschussbeteiligung eingeräumt hat, gelten bestimmte aufsichtsrechtliche Regeln.


Bei der Berechnung von neu zu schaffenden vertragsrechtlichen Ansprüchen des Versicherungsnehmers ist auch weiterhin von den geltenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen auszugehen. Wird eine Überschussbeteiligung zugesagt, soll der Versicherer verpflichtet werden, die jährliche Verteilung (Deklaration) aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung auf die Gesamtheit der berechtigten Versicherungsnehmer nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen. Für die Ermittlung des Überschusses eines Versicherungsunternehmens bleiben die entsprechenden handelsrechtlichen Vorschriften maßgebend. Der Versicherer wird durch die gesetzliche Vorgabe im Übrigen nicht gehindert, Verträge ohne Überschussbeteiligung zu schließen.


Modellrechnung


Bei Verträgen mit Überschussbeteiligung hat der Versicherungsnehmer regelmäßig ein großes Interesse daran, schon bei der Vertragsvorbereitung zu erfahren, welche Leistungen er von dem Versicherer über die garantierten Leistungen hinaus zu erwarten hat. Auch der Versicherer und ein eingeschalteter Vermittler haben ein Interesse an einer derartigen Information, da sie damit die Leistungsfähigkeit ihres Angebots gegenüber anderen Versicherern und im Vergleich zu anderen Finanzdienstleistungen herausstellen werden. Deshalb geben die Versicherer den Interessenten in vielen Fällen eine Beispielrechnung, die bisher ohne gesetzliche Regelung ist.


Solche Beispielrechnungen sind in einem besonderen Maße missbrauchsanfällig. Auch wenn der Versicherungsnehmer deutlich über deren Unverbindlichkeit aufgeklärt wird, kann er sie als eine sachverständige Prognose ansehen, die sie aber in Wirklichkeit nicht sind. Es gibt keine verlässlichen Prognosen über die Kapitalmarktentwicklung für einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Der Entwurf sieht vor, dass die einem Versicherungsnehmer übergebene Modellrechnung zukünftig bestimmten Vorgaben entsprechen muss. Dabei soll die mögliche Ablaufleistung des Vertrags unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen dargestellt werden. Auch dann ist zwar eine Fehlinformation des Versicherungsnehmers durch zusätzliche unternehmensindividuelle Beispielrechnungen und Prognoseangaben nicht ausgeschlossen, aber er hat wenigstens eine vertretbare Berechnung der möglichen Entwicklung der Ablaufleistung, der wichtigsten Versicherungsleistung; dabei wird diese Berechnung von allen Versicherern auf einheitlichen und vertretbaren Zinsgrundlagen zu erstellen sein. Mit einer Modellrechnung müssen bestimmte Erläuterungen verbunden werden.


Rückkaufswert


Lebensversicherungsverträge werden in aller Regel für eine sehr lange Laufzeit abgeschlossen. Der Versicherungsnehmer kann seine wirtschaftlichen Verhältnisse für eine derart lange Zeit nicht voraussehen; ihm kann auch unabhängig davon eine feste Verpflichtung zu einer Prämienzahlung über Jahrzehnte hinweg nicht zugemutet werden. Das Versicherungsvertragsrecht sichert ihm deshalb seit jeher ein ordentliches Kündigungsrecht und einen Anspruch auf Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung durch die zwingenden Regelungen der §§ 165 und 174 VVG.


Diese Vorschriften sollen beibehalten werden. Zu ihrer Funktionsfähigkeit gehören aber auch weitergehende gesetzliche Regelungen für den Fall, dass der Versicherungsnehmer von seinem Recht auf Kündigung oder Umwandlung Gebrauch macht. Der Versicherer darf das nicht abdingbare Recht des Versicherungsnehmers nicht dadurch in Frage stellen, dass er im Vertrag besondere Nachteile für den Fall der Kündigung oder Umwandlung vorsieht, die der Versicherungsnehmer möglicherweise bei Abschluss des Vertrags nicht erkennen und bewerten kann.


Die Höhe des vom Versicherer bei einer Kündigung zu zahlenden Rückkaufswertes ist derzeit durch § 176 Abs. 3 Satz 1 VVG bestimmt. Diese durch das Dritte Durchführungsgesetz/ EWG im Jahre 1994 eingeführte Regelung hat keine ausreichende Transparenz gebracht. An die Stelle des Zeitwertes soll eine nachvollziehbare Berechnung des Rückkaufswertes treten, die einerseits dem Versicherungsnehmer bei der Inanspruchnahme des Kündigungsrechts den durch die bisherigen Prämien angesparten Wert des Vertrags erhält, andererseits den Versicherer weder über seine bereits entstandenen Verpflichtungen hinaus belastet, noch ihm gestattet, Vorteile aus der Tatsache der Kündigung zu ziehen. Dies wird erreicht, indem die Auszahlung des Deckungskapitals vorgeschrieben wird. Nur bei der fondsgebundenen


Lebensversicherung, bei der die Versicherungsnehmer unmittelbar die Chancen und Risiken der Anlage am Kapitalmarkt tragen, bleibt es bei der Zeitwertberechnung. Lebensversicherungsverträge, die durch Zahlung der Erstprämie zunächst einmal eingelöst worden sind, werden zu einem nicht unerheblichen Teil bereits in den ersten Jahren nach Vertragsschluss vom Versicherungsnehmer gekündigt. Die Gründe für die frühzeitige Kündigung sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Die übliche Praxis der Versicherer, die ersten Prämien zur Deckung der Abschlusskosten zu verwenden (zillmern), führt dazu, dass bei einer Kündigung in den ersten Jahren kein Rückkaufswert gezahlt wird. Der Entwurf schlägt nach dem Vorbild des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1322), geändert durch Artikel 7 des Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 (BGBl. I S. 1427, 1443) in § 169 Abs. 3 VVG-E vor, dass bei der Berechnung des Rückkaufswertes die Abschlusskosten auf einen Zeitraum von fünf Jahren verteilt werden müssen; außerdem soll durch Verordnung nach § 7 Abs. 2 VVG-E geregelt werden, dass bei der Lebensversicherung über die Höhe der Abschluss- und Vertriebskosten informiert werden muss, soweit eine Verrechnung mit den Prämien erfolgt, weil sich die Verrechnung auf die Rückkaufswerte auswirkt. Die Regelung schließt nicht aus, dass eine gesonderte Vereinbarung über die Zahlung der Abschlusskosten getroffen und nicht gezillmert (hier: Verrechnung der Abschlusskosten mit Prämienzahlungen) wird. Wird eine gesonderte Vereinbarung getroffen und nicht verrechnet, ist allein schon dadurch volle Transparenz hinsichtlich der Höhe der Abschlusskosten hergestellt.


Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 2005


Das Bundesverfassungsgericht hat in drei Verfahren (Urteile vom 26. Juli 2005, 1 BvR 80/95; 1 BvR 782/94; 1 BvR 957/96) entschieden, dass einige Regelungen, die für das Recht der Lebensversicherung Bedeutung haben, nicht mit Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar sind.


Zu den Verfahren 1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96:


In beiden Verfahren ging es um Bestandsübertragungen, im Verfahren 1 BvR 782/94 um eine Bestandsübertragung von einem Versicherungsunternehmen auf eine zu diesem Zweck gegründete Tochtergesellschaft, im Verfahren 1 BvR 957/96 um die Übertragung von einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf ein anderes Unternehmen. Die Bestandsübertragung ist in den §§ 14, 8 VAG geregelt. Die Aufsichtsbehörde (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - BaFin) genehmigt die Bestandsübertragung dann nicht, wenn die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt sind (§ 14 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VAG). Zugleich sind die Mitwirkungsrechte der Versicherungsnehmer beschränkt; insbesondere ist § 415 BGB – Genehmigung des Schuldnerwechsels – nicht anzuwenden (§ 14 Abs. 1 Satz 4 VAG). Das Bundesverfassungsgericht hat § 14 Abs. 1 i.V.m. § 8 VAG insoweit für mit Artikel 2 Abs. 1, Artikel 14 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt. Wenn einerseits als Einschränkung der Privatautonomie (Artikel 2 GG) die Mitwirkungsrechte – hier aus guten Gründen (Massenverfahren) – ausgeschlossen seien, müsse andererseits sichergestellt werden, dass die Rechte und Rechtspositionen der betroffenen Versicherungsnehmer, die auch durch Artikel 14 GG geschützt seien, gleichwohl voll zur Geltung kämen; dies gelte insbesondere für die Überschussbeteiligung. Der vom Gesetzgeber gewählte Maßstab („nicht ausreichend gewahrt“) sei zu niedrig; bei einer Bestandsübertragung müssten die Belange der Versicherungsnehmer vielmehr ungeschmälert berücksichtigt werden. Es müsse gewährleistet werden, dass das Vermögen, das Grundlage der Überschussbeteiligung sei, vollständig übertragen werde; anderenfalls werde die Überschussbeteiligung unzulässig vermindert.


Mit der Bestandsübertragung von einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf ein anderes Unternehmen verlören die Vereinsmitglieder ihre Mitgliedschaft; dafür müsse ein Entgelt in angemessener Höhe festgesetzt werden. Auch insoweit fänden die §§ 14, 8 VAG Anwendung. Der dort vorgesehene Maßstab sei nicht mit den Artikeln 2 und 14 GG vereinbar. Der insoweit vorgesehene Rechtsschutz stelle eine angemessene Berücksichtigung der Belange der Vereinsmitglieder nicht sicher; im Verwaltungsrechtsweg (Überprüfung der Genehmigung der Bestandsübertragung) werde der vom VAG vorgegebene Maßstab angelegt; im Zivilrechtsweg (Überprüfung der Entgelthöhe) könne die Angemessenheit des Entgeltes nicht umfassend geprüft werden, wenn das zuständige Gericht gehindert sei, die Rechtmäßigkeit anderer Faktoren, etwa den Einbehalt von Aktiva, zu prüfen. Im Übrigen könne auch nicht erwartet werden, dass ein einzelner Versicherungsnehmer ein solches Verfahren tatsächlich durchführe, da das Entgelt nicht sehr hoch sei.


Die Entscheidung berührt in erster Linie das Versicherungsaufsichtsrecht. Änderungen im VVG oder im Bilanzrecht erscheinen nicht erforderlich.


Im Verfahren 1 BvR 80/95 ging es um Folgendes:


Der Kläger – die Beschwerdeführer sind seine Erben – hat geltend gemacht, der an ihn ausgeschüttete Gewinnanteil sei zu niedrig gewesen; insbesondere müsse sich die Überschussbeteiligung auch auf die stillen Reserven erstrecken. In diesem Umfang bestehe ein Zahlungsanspruch. Der beklagte Versicherer sei im Übrigen verpflichtet, Auskunft zu den Überschüssen und Erträgen einschließlich daraus gebildeter stiller Reserven zu geben. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Gesetzgeber für den Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung Vorkehrungen dafür treffen muss, dass bei der Ermittlung des bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden. Gemeint sind sog. stille Reserven, die dadurch entstehen, dass Vermögenswerte u. U. unter dem aktuellen Zeitwert bilanziert werden (z. B. durch Nichtberücksichtigung von Wertsteigerungen bei Immobilien oder Aktien). Erforderlich seien Vorgaben dafür, ob und wie weit stille Reserven bei der Berechnung des Rohüberschusses zu berücksichtigen seien und Querverrechnungen (Verrechnung der durch Prämienkalkulation nicht gedeckten Kosten mit Überschüssen) den Schlussüberschuss verringern dürften.


Ein Versicherungsnehmer habe insoweit eine durch Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition. Der Gesetzgeber sei auch deswegen gefordert (besondere Schutzpflicht), weil der einzelne Versicherungsnehmer keine Möglichkeit der Klärung habe (Defizit privatautonomer Interessendurchsetzung), ob die ihm zugewiesenen Schlussüberschussanteile zu gering festgesetzt worden seien. Nach der Rechtsprechung des BGH habe ein Versicherungsnehmer lediglich Anspruch auf den Rohüberschuss, der sich aus den Rechnungsabschlüssen ergebe. Das Zivilrecht regle nicht die Feststellung des Überschusses selbst. Auch das Aufsichtsrecht helfe nicht, da es lediglich generalklauselartig die Missstandsaufsicht ermögliche, der dabei anzulegende Maßstab aber nicht das einzelne Versicherungsvertragsverhältnis sei. Vielmehr berücksichtige die Aufsicht in erster Linie die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Versicherungswesens. Rechtlich schutzwürdige Belange des einzelnen Versicherten könnten dagegen unberücksichtigt bleiben. Die Effektivität des Grundrechtsschutzes erfordere dagegen Maßstäbe und Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung daraufhin, ob die maßgebenden Vermögenswerte bei der Berechnung des Schlussüberschusses angemessen berücksichtigt worden seien.


Allerdings sei der Gesetzgeber gehindert, die Feststellung des Schlussüberschusses ausschließlich am Interesse eines einzelnen Versicherten oder gar an dem Interesse eines ausscheidenden Versicherungsnehmers an einer Optimierung der an ihn auszukehrenden Leistung auszurichten. Dies widerspräche dem für das Versicherungsrecht typischen Grundgedanken der Risikogemeinschaft.


Das Bundesverfassungsgericht zeigt Möglichkeiten auf (Rdnr. 96 und 97 des Urteils), wie der Gesetzgeber das bisher bestehende Schutzdefizit beheben kann. Das Gericht weist zunächst auf das Aufsichts- und Vertragsrecht hin. Weitere Wege stünden offen. Insbesonderekämen in Betracht:


- Sicherung größerer Transparenz hinsichtlich der Entwicklung von Überschussquellen und der Auskehrung von Überschüssen,


- Verbesserung des Informationszugangs für die Betroffenen,


- neue verfahrensmäßige Wege zum Schutz der betroffenen Belange,


- Verbesserung der Funktionsweise des Wettbewerbs durch ergänzende Information, etwa über Abschluss- und Verwaltungskosten, Möglichkeiten der Querverrechnung und sonstige Konditionen der weiteren Abwicklung des Vertrags,


- erleichterte Möglichkeiten zum Wechsel unter weitgehendem Erhalt schon angesparter Rechtspositionen, in Anlehnung an §§ 7, 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Altersvorsorgeverträge- Zertifizierungsgesetz,


- Regelungen über eine versicherungsspezifische Bilanzierung der Vermögenswerte unter detaillierter Offenlegung von Bewertungsreserven (stille Reserven), die eine teilweise Berücksichtigung bei der Überschussbeteiligung ermöglichen, ohne dass stille Reserven realisiert werden müssten.


Die Neuregelungen müssten bis zum 31. Dezember 2007 erfolgen; es sei zu prüfen, ob laufende Verträge in den Genuss der Neuregelung kommen könnten.


Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Änderungen vorgenommen, soweit das Versicherungsvertragsrecht und das Bilanzrecht betroffen sind. Zu verweisen ist auf § 7 Abs. 1 und 2 VVG-E, mit dem die Möglichkeit geschaffen wird, im Verordnungsweg Bestimmungen über die Information des Versicherungsnehmers vor Abgabe von dessen Vertragserklärung zu treffen. Insbesondere werden Regelungen zur Lebensversicherung zu treffen sein, die die Transparenz deutlich verbessern. Auf die Begründung zu § 7 VVG-E wird verwiesen.


Der Gesetzentwurf sieht ferner eine Regelung zur Überschussbeteilung vor. Insoweit wird auf § 153 VVG-E und die dazugehörige Begründung verwiesen. Eine Übergangsregelung für so genannte Altverträge findet sich in Artikel 2 des Gesetzentwurfes (Änderung des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über den Versicherungsvertrag; neuer Artikel 4 Abs. 1 und 2).


In Artikel 6 des Gesetzentwurfes werden die erforderlichen bilanzrechtlichen Änderungen vorgenommen.


Änderungen des VAG zu diesem Problemkreis werden gesondert vorzunehmen sein.


9. Berufsunfähigkeitsversicherung

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für Versicherungsverträge, die das Risiko einer Beeinträchtigung der Fähigkeit, einen bestimmten Beruf auszuüben, abdecken sollen, besteht bisher nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1988, 1233 und VersR 1991, 289), der auch die Literatur folgt (vgl. z. B. Prölss/Martin/ Voit, Teil III, J III Rn. 3), ist die Berufsunfähigkeitsversicherung sowohl in Form der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die zusammen mit einer Lebensversicherung abgeschlossen wird und ohne diese nicht fortgesetzt werden kann, als auch in Form der selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung der Lebensversicherung zuzurechnen.


Wenn rechtliche Regelungen an den Begriff der Lebensversicherung anknüpfen, gelten sie auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung, soweit die Regeln des betreffenden Rechtsgebiets das zulassen und die Besonderheiten der Berufsunfähigkeitsversicherung dem nicht entgegenstehen. Es findet also keine schematische Übertragung statt (BGH VersR 1991, 289). Im Übrigen wird die Berufsunfähigkeitsversicherung heute nur durch AVB geregelt. Dies wird weder der Bedeutung noch den praktischen Problemen dieser Versicherungssparte gerecht. Der Entwurf schlägt deswegen in den §§ 172 bis 177 VVG-E Regelungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung und ähnlichen Versicherungen vor. U. a. wird der Begriff „Berufsunfähigkeit“ definiert; entsprechend der bisherigen Vertragspraxis und Rechtsprechung wird vorausgesetzt, dass der Beruf voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausgeübt werden kann.


10. Neuregelungen im Bereich der Krankenversicherung


Aus dem Bereich der Regelungen über die private Krankenversicherung (PKV) sind zwei Komplexe hervorzuheben:


Managed Care


In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind durch das gesetzliche Sachleistungsprinzip direkte Vertragsbeziehungen zwischen den Risikoträgern (Krankenkassen) und den medizinischen Leistungserbringern (insbesondere Kassenärztliche Vereinigungen mit ihren Bundesverbänden) vorgeschrieben, durch die auch die Qualität der medizinischen Versorgung und die Vergütungen geregelt werden. Die PKV wird dagegen bisher von einem dualen Vertragsmodell beherrscht: Der Einzelne schließt als Patient einen Behandlungsvertrag mit dem Leistungserbringer und davon unabhängig als Versicherter einen Versicherungsvertrag zur Erstattung der Behandlungskosten.


Der Versicherer hat keine direkten Vertragsbeziehungen mit dem Leistungserbringer und kann demnach auf Qualität oder Menge der medizinischen Leistungen keinen Einfluss nehmen; auch die mengenorientierten Vergütungsstrukturen kann er durch Verträge mit den Leistungserbringern nicht ändern, weil die entsprechenden Gebührenordnungen (GOÄ, GOZ, BPflV) unabdingbar sind. Im Gegensatz zur GKV steht der PKV damit gesetzlich kein Instrumentarium zur Verfügung, um auf die Kostensteigerungen Einfluss zu nehmen.


Weil die Ausgabenentwicklung die Hauptursache für steigende Beiträge darstellt, hat die Unabhängige Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privaten Krankenversicherten im Alter empfohlen, der PKV rechtliche Möglichkeiten an die Hand zu geben, um die Kostenentwicklung wirksamer steuern zu können. Insbesondere hat die Expertenkommission in ihrem Gutachten empfohlen, die Aufnahme vertraglicher Beziehungen zwischen Krankenversicherern und Leistungserbringern zum Zweck ihrer Verknüpfung mit entsprechenden Tarifangeboten zu ermöglichen.


Unter „Managed Care“ wird häufig eine Vielzahl unterschiedlichster Arten von Maßnahmen zur Kostensteuerung subsumiert. Sachlich sind folgende Hauptgruppen zu unterscheiden:


- Leistungsmanagement:


Unter Leistungsmanagement werden alle Maßnahmen des Versicherers verstanden, die mit der Erbringung der von ihm tariflich geschuldeten Leistungen gegenüber dem Versicherungsnehmer zusammenhängen. Dazu gehören u. a. die Feststellung der medizinischen Notwendigkeit der erbrachten Behandlungsleistungen nach Grund und Umfang sowie der korrekten Anwendung der zugrunde liegenden Gebührenordnungen.


- Managed Care im engeren Sinn:


Unter Managed Care im engeren Sinn werden Instrumente zur Kosten- und Qualitätssteuerung zusammengefasst, die vor oder unmittelbar bei der Erbringung der medizinischen Leistung wirken. Eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze ist bekannt, wie z. B.: Disease Management (Behandlung schwerer chronischer Erkrankungen anhand von evidenzbasierten medizinischen Leitlinien), Case Management (umfassende Betreuung und Therapie schwerer Einzelfallerkrankungen), Drug Utilisation Review (System zur Identifikation von Kontraindikationen von Arzneimitteln), IT-basierte Kartensysteme, Versorgungsstrukturen (Health Maintenance Organisations, Prefered Provider Organisations), Pharmaceutical Benefit Management (Einkaufs- und Verteilungsmanagement von Arzneimitteln), Klinikketten in Trägerschaft von Versicherungsunternehmen.


Das Leitbild der PKV kann zukünftig nicht nur auf die reine Kostenerstattung begrenzt werden, sondern muss den Rahmen für neue Formen und Methoden zur wirksamen Kostensteuerung bei gleichzeitigem Erhalt bzw. Steigerung der medizinischen Behandlungsqualität öffnen. Dies berücksichtigt der Entwurf, indem er die praktisch bedeutsamsten Dienstleistungen als mögliche Zusatzleistung des Versicherers benennt.


Alterungsrückstellungen


Das Kalkulationsprinzip der PKV hat zur Folge, dass der Wechsel zu einem anderen Krankenversicherungsunternehmen mit längerer Vertragsdauer sowie steigendem Alter zunehmend erschwert oder praktisch unmöglich wird: Da die aus den Beiträgen gebildete Alterungsrückstellung im Versichertenkollektiv des bisherigen Versicherers verbleibt, muss der wechselwillige Kunde beim neuen Versicherer wegen des höheren Eintrittsalters einen in der Regel höheren Beitrag zahlen; außerdem unterliegt der wechselnde Kunde beim neuen Versicherer einer neuen Gesundheitsprüfung, was bei inzwischen eingetretener Gesundheitsverschlechterung zu Risikozuschlägen, Leistungsausschlüssen oder gänzlicher Unversicherbarkeit führen kann. Diese Situation ist unbefriedigend; es ist wünschenswert, dass dem Versicherten die Alterungsrückstellung mitgegeben wird, damit er ohne finanzielle Nachteile seinen Krankenversicherer wechseln kann.


Alle bisher diskutierten Übertragungsmodelle (vgl. dazu Abschlussbericht der VVGKommission; S. 147 ff.) konnten die bestehenden Fragen und Probleme allerdings nicht abschließend lösen. Der Gesetzentwurf verzichtet darauf, einen vertraglichen Anspruch zur Übertragung der Alterungsrückstellungen vorzusehen. Lösungen sollen im Rahmen der laufenden Beratungen über eine Gesamtreform des Gesundheitswesens und der Versicherungssysteme gefunden werden. Auf der Grundlage der Eckpunkte der Bundesregierung zur Gesundheitsreform soll das Verhältnis von gesetzlicher und privater Krankenversicherung insgesamt neu geordnet werden.


III. Kosten- und Preiswirkungen


Versicherungsprodukte können sich dadurch verteuern, dass den Versicherungsunternehmen höhere Kosten aufgrund einer verbesserten Beratung und Information entstehen, außerdem dadurch, dass den Unternehmen mit der Aufgabe des Alles-oder-Nichts-Prinzips und einer Verbesserung der Situation der Versicherungsnehmer bei einer frühzeitigen Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags höhere Kosten entstehen. Ob und in welchem Umfang sich Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere Verbraucherpreisniveau, ergeben, lässt sich nicht vorhersagen.


IV. Gesetzgebungskompetenz


Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 und 11 GG (bürgerliches Recht, Recht der Wirtschaft). Die Einheitlichkeit des Versicherungsvertragsrechts, das Teil des Schuldrechts ist, ist die Grundlage der rechtlichen Gestaltung des Wirtschaftslebens im Bereich des Versicherungswesens und daher für den Wirtschaftsstandort Deutschland unverzichtbar. Eine einheitliche Regelung dieser seit fast 100 Jahren einheitlich geregelten und in sich geschlossenen Rechtsmaterie auf Grund des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 11 GG durch den Bund ist deshalb zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zwingend erforderlich (Artikel 72 Abs. 2 GG).


B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 – Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG 2006)


Zu § 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit


In den Versicherungsverträgen sind vielfach Obliegenheiten geregelt, die der Versicherungsnehmer während der gesamten Vertragszeit - dann in der Regel zur Verminderung der Gefahr oder zur Verhinderung einer Gefahrerhöhung - oder nach Eintritt eines Versicherungsfalles - dann in der Regel zur Minderung des Schadens oder zur Erleichterung der Feststellung der Leistungspflicht des Versicherers - zu erfüllen hat. § 6 VVG beschränkt schon bisher die bei einer Verletzung dieser vertraglichen Obliegenheiten zulässigen Sanktionen. § 28 VVG-E schränkt sie teilweise weiter ein, gleicht sie an die allgemeinen Grundsätze für Vertragsverletzungen an und weicht damit erheblich von der bisherigen Regelung ab. Auf eine Definition des Begriffes der Obliegenheit wird dabei weiterhin verzichtet, weil sonst dessen Weiterentwicklung durch die Rechtsprechung erschwert würde; im Übrigen könnte das schwierige Abgrenzungsproblem der sog. verdeckten Obliegenheiten damit nicht gelöst werden.


Absatz 1


Die Vorschrift regelt das Kündigungsrecht des Versicherers, wenn der Versicherungsnehmer eine vertragliche Obliegenheit verletzt, die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen ist. Abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG besteht dieses Recht künftig nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung. Einen Verzicht auf Sanktionen für einfache Fahrlässigkeit sehen bereits jetzt die Bedingungswerke vieler Versicherer vor. Die Beweislast für das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit liegt wie bisher beim Versicherungsnehmer.


Die Ausübung des Kündigungsrechts ist – anders als nach geltendem Recht und abweichend von § 26 Abs. 3 VVG-E – keine Voraussetzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers, da eine Kündigung nicht immer im Interesse des Versicherungsnehmers liegt.


Absatz 2


Die Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit des Versicherers, die im Vertrag bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit vorgesehen ist, werden in Absatz 2 einheitlich geregelt; die bisherige Unterscheidung von Verletzungen vor oder nach dem Versicherungsfall (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 VVG) ist sachlich nicht geboten und führt zu einer unnötigen Komplizierung.


Entsprechend der Kündigungsregelung nach Absatz 1 tritt bei nur einfacher Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers keine Leistungsfreiheit des Versicherers ein. Während bei einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung der Versicherer – vorbehaltlich des Kausalitätserfordernisses nach Absatz 3 – stets vollständig leistungsfrei ist, soll bei grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzungen das Alles-oder-Nichts-Prinzip durch eine Quotelung ersetzt werden, da das starre Prinzip des geltenden Rechts häufig zu ungerechten Ergebnissen führt. Der Umfang der Leistungspflicht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers soll sich künftig nach dem Verschuldensmaß bestimmen: Der Versicherer ist danach berechtigt, seine Leistung in einem Verhältnis zu kürzen, das dem Grad der groben Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers entspricht. Entscheidend ist, ob die grobe Fahrlässigkeit im konkreten Fall nahe beim bedingten Vorsatz oder aber eher im Grenzbereich zur einfachen Fahrlässigkeit liegt. Die Quotelung wird zwar zunächst mit nicht unerheblichen Problemen in der praktischen Umsetzung verbunden sein; sie dürften im Ergebnis aber nicht größer sein als die bei der Entscheidung, ob im Einzelfall grobe oder nur einfache Fahrlässigkeit vorliegt. Nach den Erfahrungen im Ausland mit diesem Prinzip kann davon ausgegangen werden, dass sich in der Praxis Kriterien herausbilden werden, die zu sachgerechten und überschaubaren Ergebnissen führen. Vereinbarungen über eine pauschalierte Quotelung sind insoweit zulässig, als sie nicht mit einer Benachteiligung des Versicherungsnehmers verbunden sind (§ 32 VVG-E).


Für die Beweislast gilt Folgendes: Die Beweislast für Vorsatz trägt der Versicherer, wenn er Leistungen insgesamt vermeiden will. Von grober Fahrlässigkeit muss sich dagegen der Versicherungsnehmer entlasten, wenn er - trotz der objektiven Obliegenheitsverletzung - die volle Leistung des Versicherers erhalten will. Für das Verschuldensmaß, nach dem sich im Fall grober Fahrlässigkeit der Umfang der Leistungspflicht bestimmt, ist der Versicherer beweispflichtig.


Absatz 3


In Anlehnung an die sog. Relevanzrechtsprechung des BGH legt Absatz 3 Satz 1 für die Leistungsfreiheit nach Absatz 2 ein Kausalitätserfordernis fest. Der Versicherer ist nicht leistungsfrei, wenn und soweit die Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Dies erscheint sachlich gerechtfertigt, da der Versicherer keinen Nachteil erleidet, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass seine Obliegenheitsverletzung irrelevant ist. Daher soll auch die bisherige Beschränkung des Kausalitätserfordernisses nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG auf grob fahrlässige Verletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalles entfallen. Etwas anderes gilt aus Gründen der Generalprävention nur bei Arglist des Versicherungsnehmers (Absatz 3 Satz 2).


Absatz 4


Ebenfalls auf die Rechtsprechung geht die Regelung in Absatz 4 über die Belehrungspflichten des Versicherers bei Verletzung einer vertraglich bestimmten Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Versicherungsfalles (vgl. § 31 VVG-E) zurück. Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 tritt nur dann ein, wenn der Versicherungsnehmer durch eine gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Folgen einer Obliegenheitsverletzung hingewiesen worden ist. Dies gilt allerdings nicht für die Anzeigeobliegenheiten nach den §§ 30 und 104 VVG-E oder für Obliegenheiten, die nach Eintritt des Versicherungsfalles auf Grund des konkreten Ablaufs entstehen und auf die der Versicherer daher nicht im voraus hinweisen kann. Im Falle der Arglist des Versicherungsnehmers bedarf es keiner Belehrung nach Absatz 4.


Absatz 5


Die Vorschrift übernimmt § 6 Abs. 4 VVG sachlich unverändert.


Zu Artikel 10 – Inkrafttreten, Außerkrafttreten


Absatz 1


Zwischen Verkündung und Inkrafttreten des VVG 2006 muss eine ausreichend lange Übergangszeit liegen, da für die Anpassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein längerer Vorlauf erforderlich ist. Es wird davon ausgegangen, dass das Gesetz Mitte des Jahres 2007 verabschiedet werden kann. Ferner soll das Gesetz zum Jahresbeginn in Kraft treten, um den Übergang zu dem neuen Recht für die Praxis zu vereinfachen. Der Entwurf sieht daher den 1. Januar 2008 als Inkrafttretenszeitpunkt vor.


Absatz 2


Da das geltende Gesetz über den Versicherungsvertrag durch das VVG 2006 abgelöst werden soll, muss das Gesetz über den Versicherungsvertrag gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes außer Kraft treten.



B. Bundesrat Drucksache 707/1/06 - 13.11.06 - Empfehlungen der Ausschüsse zu Punkt ... der 828. Sitzung des Bundesrates am 24. November 2006

Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts


Der federführende Rechtsausschuss (R), der Agrarausschuss (A), der Gesundheitsausschuss (G) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:


1. Zum Gesetzentwurf insgesamt


Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob der in dem Entwurf mehrfach verwendete, dogmatisch verfehlte Begriff der "Vertragserklärung" (vgl. z.B. § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG-E) durch die Wörter "auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung" ersetzt werden kann.


Begründung:


Die Bezeichnung "Vertragserklärung" ist missverständlich. Es wird nicht klar, welche Art von Erklärungen darunter zu verstehen sein sollen. Sie ist auch dogmatisch falsch, richtig ist die Formulierung "auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung". Diese knüpft an die §§ 130, 133 und 145 BGB an.


Der Begriff der "Vertragserklärung" findet sich bereits in § 312c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 312d Abs. 6, § 492 Abs. 1 Satz 5, Abs. 3, § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 1 Abs. 3 Satz 2 BGB-InfoV, § 48b Abs. 3 Satz 2 und § 48c Abs. 1 Satz 1 VVG. Um die Zivilrechtsdogmatik nicht weiter in Widersprüche zu verstricken, wird angeregt, auch die genannten Vorschriften entsprechend zu ändern.


1. Zu § 28


- Keine Änderungen o. Bemerkungen

C. Bundesrat Drucksache 707/2/06 - 21.11.06 - Antrag des Landes Hessen


Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts


Zu § 28


- Keine Änderungen o. Bemerkungen



D. Bundestag Drucksache 16/3945 - 16. Wahlperiode - 20. 12. 2006


Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts


A. Stellungnahme des Bundesrates


Der Bundesrat hat in seiner 828. Sitzung am 24. November 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:


1. Zum Gesetzentwurf insgesamt


Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob der in dem Entwurf mehrfach verwendete, dogmatisch verfehlte Begriff „Vertragserklärung“ (vgl. z. B. Artikel 1 § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1 VVG-E) durch die Wörter „auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung“ ersetzt werden kann.


Begründung


Die Bezeichnung „Vertragserklärung“ ist missverständlich. Es wird nicht klar, welche Art von Erklärungen darunter zu verstehen sein sollen. Sie ist auch dogmatisch falsch; richtig ist die Formulierung „auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung“. Diese knüpft an die §§ 130, 133 und 145 BGB an.


Der Begriff „Vertragserklärung“ findet sich bereits in § 312c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 312d Abs. 6, § 492 Abs. 1 Satz 5, Abs. 3, § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 1 Abs. 3 Satz 2 BGB-InfoV, § 48b Abs. 3 Satz 2 und § 48c Abs. 1 Satz 1 VVG. Um die Zivilrechtsdogmatik nicht weiter in Widersprüche zu verstricken, wird angeregt, auch die genannten Vorschriften entsprechend zu ändern.


2. Zu § 28


- Keine Änderungen o. Bemerkungen

B. Gegenäußerung der Bundesregierung


Zu Nummer 1 (Zum Gesetzentwurf insgesamt)


Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob der Begriff „Vertragserklärung“ durch die Wörter „auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung“ ersetzt werden kann. Die Bundesregierung teilt die zur Begründung dieser Prüfbitte vorgetragenen dogmatischen Bedenken nicht. Der Begriff „Vertragserklärung“ wird bereits im Zivilrecht verwendet; der Bundesrat weist selbst auf die einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des (geltenden) Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) hin. Fehlvorstellungen über die Bedeutung des Begriffs bestehen nicht und sind auch nicht zu erwarten; die Kommentierung ist eindeutig (vgl. Palandt/Putzo, 65. Auflage 2006, § 502 BGB Rn. 4: Mit dem Begriff „Vertragserklärung“ ist die auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers gemeint.).


2. Zu § 28


>- Keine Änderungen o. Bemerkungen

E. Bundestag - Drucksache 16/5862 - 28. 06. 2007 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/3945 –


Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts


Beschlussempfehlung
Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3945 in der aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen.
Berlin, den 20. Juni 2007


Zusammenstellung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts – Drucksache 16/3945 – mit den Beschlüssen des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)


EntwurfBeschlüsse des Rechtsausschusses
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit§ 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit
(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.(1) unverändert
(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er nur leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt derVersicherungsnehmer.(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.
(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.(3) unverändert
(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.(4) unverändert
(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam. (5) unverändert

Bericht der Abgeordneten Marco Wanderwitz, Dirk Manzewski, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Mechthild Dyckmans, Sevim Dag?delen und Jerzy Montag


I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3945 in seiner 79. Sitzung am 1. Februar 2007 beraten und zur federführenden Beratung dem Rechtsausschuss und zur Mitberatung dem Finanzausschuss, dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie dem Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.


II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Finanzausschuss (64. Sitzung) und der Ausschuss für Arbeit und Soziales (53. Sitzung) haben die Vorlage am 20. Juni 2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Annahme der Vorlage in der Fassung der Beschlussempfehlung zu empfehlen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (40. Sitzung) und der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (50. Sitzung) haben die Vorlage am 20. Juni 2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die Annahme der Vorlage in der Fassung der Beschlussempfehlung empfohlen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat ferner mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Änderungsantrags der Fraktion DIE LINKE. empfohlen. Mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. hat er ferner die Ablehnung des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen.


III. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 46. Sitzung am 28. Februar 2007 beraten und beschlossen, eine öffentliche Anhörung hierzu durchzuführen, die am 28. März 2007 (56. Sitzung) stattfand. An der Anhörung haben folgende Sachverständige teilgenommen:
Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der 56. Sitzung vom 28. März 2007 verwiesen.
Bei seinen Beratungen lag dem Rechtsausschuss eine Petition vor.
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 69. Sitzung am 20. Juni 2007 abschließend beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Annahme zu empfehlen.
Die Fraktion der SPD erläuterte, wieso eine Gesamtreform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) notwendig gewesen sei, und betonte, der Rechtsausschuss habe bei seiner Arbeit auf einen sehr guten Gesetzentwurf der Bundesregierung zurückgreifen können. Dies habe sich auch in der Anhörung gezeigt. In den Gesprächen mit den Berichterstattern seien nur noch Marginalien geändert worden.
Eine wesentliche Änderung zum geltenden Recht sei die Abschaffung des Policenmodells, so dass der Versicherte nun bereits vor Vertragsabschluss umfassende Informationen und Beratungen erhalte. Dies erleichtere auch die Beweisführung im Streitfalle. In bestimmten Fällen – unbekannter Aufenthaltsort oder Insolvenz des Schädigers – erhalte der Geschädigte nun auch einen Direktanspruch gegen die Versicherung. Dieser Direktanspruch werde unter anderem auf Ausnahmefälle begrenzt, um einen Anstieg der Beitragssätze zu vermeiden. Der Wegfall des sog. Alles-oder-Nichts-Prinzips, das Leistungen der Versicherungen auch bei grober Fahrlässigkeit vorsehe, stärke den Verbraucher, auch wenn die Umsetzung für die gerichtliche Praxis Mehrarbeit verursachen werde. Der Versicherte werde nunmehr angemessen an den stillen Reserven der Versicherungen beteiligt; durch die Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Versicherungsjahre erhöhe sich der anfängliche Rückkaufswert.
Eine Kritik an dem Verfahren zur Einführung des Artikels 11 wies sie als unbegründet zurück. Die Änderungen seien den Berichterstattern rechtzeitig zugegangen. Im Übrigen handele es sich nur um die Implementierung geltenden Rechts.


Lilo Blunck - Bund der Versicherten e. V., Henstedt-Ulzburg
Friedrich Bohl - Bundesminister a. D., Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater e. V., Frankfurt am Main
Norbert Heinen - Vorsitzender des Vorstandes Deutsche Aktuarvereinigung e. V., Köln
Prof. Dr. Roland Rixecker - Präsident des Saarländischen Oberlandesgerichts, Saarbrücken
Prof. Wolfgang Römer - Ombudsmann für Versicherungen, Berlin
Sybille Sahmer - Stellvertretende Verbandsdirektorin des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V., Köln
Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski - Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Europarecht, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Axel Wehling, LL.M. - Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Berlin
Manfred Westphal - Leiter Fachbereich Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., Berlin.


Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der 56. Sitzung vom 28. März 2007 verwiesen.


Bei seinen Beratungen lag dem Rechtsausschuss eine Petition vor.


Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 69. Sitzung am 20. Juni 2007 abschließend beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Annahme zu empfehlen.
Die Fraktion der SPD erläuterte, wieso eine Gesamtreform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) notwendig gewesen sei, und betonte, der Rechtsausschuss habe bei seiner Arbeit auf einen sehr guten Gesetzentwurf der Bundesregierung zurückgreifen können. Dies habe sich auch in der Anhörung gezeigt. In den Gesprächen mit den Berichterstattern seien nur noch Marginalien geändert worden.


Eine wesentliche Änderung zum geltenden Recht sei die Abschaffung des Policenmodells, so dass der Versicherte nun bereits vor Vertragsabschluss umfassende Informationen und Beratungen erhalte. Dies erleichtere auch die Beweisführung im Streitfalle. In bestimmten Fällen – unbekannter Aufenthaltsort oder Insolvenz des Schädigers – erhalte der Geschädigte nun auch einen Direktanspruch gegen die Versicherung. Dieser Direktanspruch werde unter anderem auf Ausnahmefälle begrenzt, um einen Anstieg der Beitragssätze zu vermeiden. Der Wegfall des sog. Alles-oder-Nichts-Prinzips, das Leistungen der Versicherungen auch bei grober Fahrlässigkeit vorsehe, stärke den Verbraucher, auch wenn die Umsetzung für die gerichtliche Praxis Mehrarbeit verursachen werde. Der Versicherte werde nunmehr angemessen an den stillen Reserven der Versicherungen beteiligt; durch die Verteilung der Abschlusskosten auf die ersten fünf Versicherungsjahre erhöhe sich der anfängliche Rückkaufswert.


Eine Kritik an dem Verfahren zur Einführung des Artikels 11 wies sie als unbegründet zurück. Die Änderungen seien den Berichterstattern rechtzeitig zugegangen. Im Übrigen handele es sich nur um die Implementierung geltenden Rechts.


Die Fraktion der FDP zeigte sich verärgert über die Einfügung der Vorschriften zur Umsetzung der Gesundheitsreform in Artikel 11. Dies sei zu kurzfristig mitgeteilt worden, so dass eine Debatte mit Sachverständigen im Rahmen der öffentlichen Anhörung und mit den Fachpolitikern des Gesundheitsausschusses nicht möglich gewesen sei. Die Begründung zu Artikel 11 weise lapidar auf die inhaltsgleiche Übernahme der Regelungen des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenkasse für die private Krankenkasse hin. Dies lasse die parlamentarische Beteiligung leerlaufen. Die Fraktion der FDP habe die inhaltliche Übereinstimmung in der Kürze der Zeit nicht überprüfen können. Daher werde die Fraktion der FDP dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Sie habe sich gewünscht, dass der Gesetzentwurf mit großer Mehrheit hätte angenommen werden können. Sie unterstütze viele Punkte des Gesetzentwurfs, die die Fraktion der SPD bereits erwähnt habe. Mit dem Policenmodell hätten sich zwar praktisch kaum Schwierigkeiten gezeigt. Die Abschaffung des Policenmodells sei jedoch im Hinblick auf das laufende EU-Vertragsverletzungsverfahren und eine drohende Europarechtswidrigkeit nur konsequent. Die Angleichung der Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung vollziehe eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und die Berechnung der Mindestrückkaufswerte eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nach. Positiv sei, dass man sich im Berichterstattergespräch auf die Abschaffung gesetzlich garantierter Rückkaufswerte und auf die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Neuverträge geeinigt habe. Die Fraktion der FDP hätte sich allerdings eine Begrenzung des Direktanspruchs auf die Kfz-Haftpflichtversicherung sowie längere Umsetzungsfristen in Anbetracht der Anzahl bestehender Verträge und der Reichweite der Änderungen gewünscht.


Die Fraktion der CDU/CSU erwiderte, die FDP habe wohl leider nur einen Grund gesucht, um dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen zu müssen. Artikel 11 sei die Übernahme aus einem bereits anderweitig beschlossenen Gesetz.
Sie stimmte der Ausführung der Fraktion der SPD zu, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung auch Dank der Vorarbeiten der Expertenkommission zum VVG bereits eine sehr gute Grundlage gewesen und durch einige Änderungen des Ausschusses noch verbessert worden sei. Auch sie hätte die Fortführung des Policenmodells akzeptiert, die Anpassung an das EG-Recht habe aber dessen Abschaffung erfordert. Die meisten Regelungen träten zum 1. Januar 2008, einige sogar erst zum 1. Januar 2009 in Kraft und griffen nicht in Bestandsverträge ein. Dies sei insbesondere für die Beteiligung an den stillen Reserven relevant. Damit habe die Versicherungswirtschaft ausreichend Zeit, sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen. Im Bereich der stillen Reserven seien zwar im Entwurf keine Änderungen mehr vorgenommen worden; aus der Begründung zu § 153 VVG ergebe sich aber, dass die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven nicht die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen zur dauerhaften Erfüllbarkeit der Verträge berühren. § 169 VVG sei einerseits europarechtskonform, als er ausländische Unternehmen nicht benachteilige; andererseits diskriminiere er aber auch nicht die Inländer. Insgesamt handele es sich um ein sehr großes Gesetzgebungsvorhaben, das sicherlich etliche Jahre überdauern werde.

Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bewertete den Gesetzentwurf insgesamt positiv. Die Modernisierung sei notwendig und die Einbeziehung aller Interessengruppen auch im parlamentarischen Verfahren sei geradezu vorbildhaft gewesen. Daher stimme sie der Reform zu. Die Abschaffung des Policenmodells und des Alles-oder-Nichts-Prinzips schütze den Verbraucher und sei nicht nur der Anpassung an EG-Recht geschuldet. So würden nun die Beratungs- und Informationspflichten vor dem Abschluss von Versicherungsverträgen erweitert. Die Auswirkungen dieser Pflichten auf die Versicherungen und die Versicherten müssten in der Praxis allerdings beobachtet und evaluiert werden.
Sie habe aber auch Kritik zu üben. So sei die von den Fraktionen der Regierungskoalition der CDU/CSU und SPD vorgeschlagene Beschneidung des Direktanspruchs im Bereich der Pflichtversicherungen außerhalb der Kfz-Haftpflicht unverständlich. Ferner schloss sie sich der Kritik der Fraktion der FDP hinsichtlich des Verfahrens zur Einführung des Artikels 11 an. Sie habe keine Möglichkeit zur Überprüfung der dürren Begründung gehabt, da es sich um eine inhaltsgleiche Übernahme beschlossener Regelungen handele. Daher stimme die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch nur unter dem Vorbehalt der eingehenden Prüfung des Artikels 11 dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung zu.
Ihre dennoch eingebrachten Änderungsanträge begründete sie wie folgt. Für die Beratung des Versicherten gebe es zwei Ausstiegsszenarien: So könne der Versicherer selbst entscheiden, ob eine Beratung notwendig sei oder nicht, und könne davon Abstand nehmen. Auch danach könne der Versicherer dem Verbraucher raten, auf die Beratung zu verzichten. Diese gesetzlich eingeräumte Möglichkeit könne das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich der Beratungspflicht umkehren. Der zweite Änderungsantrag betreffe die Beweislastverteilung bei grober Fahrlässigkeit. Nach ihrer Ansicht müsse entsprechend den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO) derjenige den Beweis der groben Fahrlässigkeit antreten, der sich darauf berufe. Daher schlage sie Streichungen in den §§ 26, 28, 82 und 86 VVG vor. Des weiteren schlage sie die Übernahme der jährlichen Berichtspflicht der Lebensversicherer über die Wahrung ethischer, sozialer und ökologischer Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge entsprechend den Regelungen in der sog. Riester-Rente vor. Sie stellte daher folgende Änderungsanträge:


Der Bundestag wolle beschließen:
(...)
4. § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 wird gestrichen.
5. § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 wird gestrichen.
6. § 82 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 wird gestrichen.
(...)


Begründung
Die Beweislastregeln in § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VVG, § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 VVG, § 82 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 VVG und § 86 Absatz 2 Satz 3 Halbsatz 2 VVG sehen vor, dass der Versicherungsnehmer nachweisen muss, dass er nicht grob fahrlässig die ihm jeweils obliegende Pflicht verletzt hat. Bei Verletzung einer Verhaltenspflicht wird das grob fahrlässige Verhalten mithin vermutet.
Eine solche Verlagerung der Beweislast auf den Versicherungsnehmer widerspricht sowohl der im heutigen Versicherungsvertragsgesetz verankerten Rechtslage als auch den Beweislastregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches. Nach diesen Beweislastregeln muss derjenige, der eine ihn selbst begünstigende Tatsache vorträgt, diese auch beweisen.
Die gesetzliche Vermutung, dass der Versicherungsnehmer eine ihm obliegende Pflicht grob fahrlässig verletzt hat, kann dazu führen, dass der Versicherer die Entkräftung durch den Versicherungsnehmer nur dann anerkennt, wenn ein Gericht dieses entschieden hat. Damit ist eine Flut neuer Prozesse, die von den Versicherten geführt werden müssen, vorprogrammiert.


Die Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurden mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. abgelehnt.
Die Fraktion DIE LINKE. begrüßte ebenfalls die Verbesserung der Stellung der Verbraucher durch den vorliegenden Gesetzentwurf. Sie schloss sich der Kritik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Beweislastumkehr hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit an. Sie kritisierte ferner, dass der Beratungsaufwand von der Prämienhöhe abhängig gemacht werde, und hielt die Beschränkung der Prämienrückzahlung im Falle des Widerrufs auf ein Jahr für unangemessen kurz. Sie bedauerte, dass nun die Altverträge nicht mehr in die Neuregelung der Rückkaufswerte einbezogen würden. Daher stellte sie folgende Änderungsanträge:


Der Bundestag wolle beschließen:
(...)
Artikel 1 wird wie folgt geändert:
3. § 28 wird wie folgt geändert:
Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 2 wird gestrichen.


Begründung
Durch die Änderung wird den allgemeinen Beweislastregeln auch für den Fall Geltung verschafft, dass der Versicherer eine grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers behauptet. Es ist nicht ersichtlich, warum die grobe Fahrlässigkeit einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers vermutet werden soll. Hierdurch werden Versicherer geradezu ermutigt, pauschal grobe Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmer zu behaupten.


Die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE. wurden mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Die Bundesregierung unterstrich, dass es sich bei dem neuen Artikel 11 nur um die inhaltsgleiche Übernahme bereits beschlossener Regelungen handele. Sie dankte allen Beteiligten für die guten Beratungen und schloss hierin ausdrücklich die Mitarbeiter des Bundesministeriums der Justiz ein. Immerhin seien etwa 98 Prozent der im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgelegten Regelungen in den Ausschussberatungen bestätigt worden.


IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Im Folgenden werden lediglich die vom Rechtsausschuss beschlossenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs erläutert. Soweit der Ausschuss den Gesetzentwurf unverändert übernommen hat, wird auf die jeweilige Begründung auf Drucksache 16/3945, S. 47 ff. verwiesen. Bezüglich der Stellungnahme des Bundesrates und der darauf beruhenden Änderungen wird ergänzend auf die Ausführungen in derselben Drucksache S. 125 ff. und 130 ff. verwiesen.


Zu § 28 Abs. 2
Der Zusatz des Wortes „nur“ ist überflüssig und soll deshalb gestrichen werden. Dies entspricht auch der Fassung des § 81 Abs. 1, der ebenfalls die Leistungsfreiheit des Versicherers betrifft. In Anbetracht der inhaltlichen Parallelen soll die Formulierung in beiden Bestimmungen weitgehend identisch sein.



F. Bundestag Drucksache 16/5940 - 04. 07. 2007

Änderungsantrag der Abgeordneten Sevim Dag?delen, Petra Pau, Ulla Jelpke, Kersten Naumann, Jan Korte, Wolfgang Neskovic und der Fraktion DIE LINKE.


- zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung – Drucksachen 16/3945, 16/5862 – Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts


Der Bundestag wolle beschließen:
d) In § 28 Abs. 2 Satz 2 wird der zweite Halbsatz gestrichen.


Begründung:


Durch die Änderung wird den allgemeinen Beweislastregeln auch für den Fall Geltung verschafft, dass der Versicherer eine grobe Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers behauptet. Es ist nicht ersichtlich, warum die grobe Fahrlässigkeit einer Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers vermutet werden soll. Hierdurch werden Versicherer geradezu ermutigt, pauschal grobe Fahrlässigkeit der Versicherungsnehmerin oder des Versicherungsnehmers zu behaupten.



G. Bundesrat Drucksache 583/07 - Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages, 31.08.07

Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts


Der Deutsche Bundestag hat in seiner 108. Sitzung am 5. Juli 2007 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses - Drucksache 16/5862 - den von der Bundesregierung eingebrachten


Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts - Drucksache 16/3945 -


in der beigefügten Fassung angenommen.


(...)
§ 28
Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit


(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.


(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.


(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.


(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.


(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.
(...)



H. Bundesrat Drucksache 583/07 (Beschluss) - 21.09.07 - Beschluss des Bundesrates

Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts
Der Bundesrat hat in seiner 836. Sitzung am 21. September 2007 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 5. Juli 2007 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.



Weiterer Fortgang des Gesetzes
Dieser Gesetzesvorschlag fand die notwendige Zustimmung und wurde durch BGBl Nr. 59/2007 (29.11.2007, Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, Artikel 1, Seite 2634) veröffentlicht und damit wirksam.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 06.03.2009, also nach Abschluss dieser Kommentierung
       URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS BER UNS IMPRESSUM