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GG
Grundgesetz
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art. 2 (Regelung seit 23.05.1949)
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Abgelehnter Entwurf eines neuen Art. 2a (1994)
(Etwaige Ergänzungen zum Originaltext sind blau!)


Inhalt:
Einfügung eines Art. 2a Grundgesetz: Aufforderung zu Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn.
Begriff der "Brüderlichkeit" der französischen Revolution als dritte Dimension neuzeitlicher Grundwerte.
Es entstehen keine Kosten.


Gang der Gesetzgebung:

Bundestag - Gesetzentwurf Dr. Konrad Elmer, SPD; Susanne Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU; Dr. Christoph Schnittler, u.a.

1. Beratung

Bundestag - Plenarprotokoll 12/209 04.02.1994 S. 18087C-18147B, 18150A-D/Anl
Beschluß: S. 18147B - Überweisung: RechtsA (federführend), InnenA, AfFamSen, AfFrJug, AfUmwelt, RaumA, AfBW

Bundestag - Plenarprotokoll 12/210 24.02.1994 S. 18259D-18260B/Anl

Bundestag - Beschlußempfehlung und Bericht RechtsA 28.06.1994 Drucksache 12/8165

Bundestag - Änderungsantrag Dr. Konrad Elmer, SPD; Susanne Rahardt-Vahldieck, CDU/CSU; Dr. Christoph Schnittler, F.D.P. u.a. 29.06.1994 Drucksache 12/8171

2. Beratung

Bundestag - Plenarprotokoll 12/238 30.06.1994 S. 20948D-21028D, 21031C, 21034B-21038B, 21041C-21051D/A
Beschluß: S. 21038B - Annahme Drucksache 12/6708; Annahme in namentlicher Abstimmung Drucksache 12/8171 (337:269:23)
3. Beratung

Bundestag - Plenarprotokoll 12/238 30.06.1994 S. 21038B-C, 21039C-D, 21097A-21099D/Anl
Beschluß: S. 21039D - Ablehnung in namentlicher Abstimmung Drucksache 12/6708 (344:261:22)


A. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Abgeordneter (...), Drucksache 12/6708, 31.01.1994


A. Problem
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" sind seit der Französischen Revolution die Grundprinzipien allen aufgeklärten Verfassungsdenkens. Im Zentrum westeuropäisch-nordamerikanischer Verfassungstradition steht der Schutz des einzelnen vor staatlicher Gewalt durch die Garantie individueller Freiheitsrechte, wie sie vornehmlich in Artikel 2 ff. des Grundgesetzes verankert sind. Diese liberale Tradition hat große Fortschritte gebracht, die zu bewahren sind. Dennoch stehen wir heute vor Problemen, die aus einem rücksichtslosen Gebrauch der Freiheitsrechte resultieren. So sind in unserer Zivilisation ein Übermaß an Egoismus, fortschreitende Entsolidarisierung, Atomisierung des gesellschaftlichen Gefüges sowie ein Rückzug ins Private zu beklagen. Alleinerziehende geraten ins Abseits. Viele ältere Menschen vereinsamen, manche sterben unbemerkt. Überall wird das Fehlen menschlicher Wärme beklagt. Zunehmend werden Behinderte ausgegrenzt und Opfer von Gewalttätigkeiten. Gewalt als Mittel zur Durchsetzung persönlicher Belange und ideologischer Ansichten wird immer häufiger teilnahmslos hingenommen. Die dem Kräftespiel des freien Marktes ausgesetzten Medien greifen beim Kampf um Einschaltquoten zu gewaltverherrlichenden Filmen und werden dafür von den Zuschauern mit höheren Einschaltquoten belohnt. Das unser Wirtschaftsleben bestimmende Konkurrenzverhalten durchdringt inzwischen alle Bereiche des gesellschaftlichen und privaten Lebens. Die Zerstörung natürlicher Ressourcen schreitet voran. Auf der anderen Seite gibt es immer weniger Menschen, die sich für soziale und gemeinwohlorientierte Belange einsetzen, und immer mehr, die solches Engagement belächeln. Der Vorrang des freiheitlichen Individuums, so erweist es sich, führt nicht zwingend zu Gerechtigkeit und Verantwortungsfähigkeit des einzelnen in einer humanen Gesellschaft. Insbesondere zeigt sich, daß die innere Einheit Deutschlands im Rahmen eines egoistischen Gebrauchs der Freiheitsrechte nicht gelingen kann.

B. Lösung
Ziel ist es, der dritten Dimension neuzeitlicher Grundwerte, der "Brüderlichkeit", als der positiven Qualifikation der Menschenwürde, stärkere Geltung zu verschaffen. Dies geschieht in geeigneter Weise durch die verfassungsrechtliche Verankerung des Grundsatzes: Jeder ist zu Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn aufgerufen.

C. Alternativen
Statt als Artikel 2 a könnte der gleiche Satz auch als Artikel 2a, 3 a oder als Absatz 3 in Artikel 2 eingefügt werden.

D. Kosten
Keine


1. Vorschlag


Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 2 a)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. III. Gliederungsnummer 100-1. zuletzt geändert durch ... ), wird wie folgt geändert:

Nach Artikel 2 wird folgender neuer Artikel 2a eingefügt:

Artikel2a
Jeder ist zu Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn aufgerufen.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt amTage nach der Verkündung in Kraft.


2. Begründung


Die Väter und Mütter des Grundgesetzes stellten angesichts der Erfahrungen im menschenverachtenden NS-Regime, der Freiheit die Würde des Menschen voran und der freien Entfaltung der Persönlichkeit die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sillengesetz begrenzend zur Seite. Weil sich dennoch schrankenloser Egoismus und soziale Verwahrlosung ausbreiten, wächst die Überzeugung, daß eine Ergänzung des Grundgesetzes im Sinne der "Brüderlichkeit" , das heißt, einer Freiheit, die auch positiv die Freiheit und Würde des anderen zu bedenken hat, dringend notwendig wird.

Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz bisher vor allem negativ als unantastbar geschützt. Während der freien Entfaltung eigener Persönlichkeit große Aufmerksamkeit gilt, kommt der Mitmensch nur insofern in den Blick, als dabei dessen Rechte nicht verletzt werden dürfen. Die Frage, inwieweit bei der eigenen Persönlichkeitsentfaltung auch positiv die Entwicklungsmöglichkeiten anderer, das Wohl des Nächsten und der zukünftigen Generationen mitzubedenken und mitzuverantworten sind, ist bisher verfassungsrechtlich kaum thematisiert worden. Zwar besitzt jeder Mensch von Geburt an die unveräußerliche Menschenwürde, das dementsprechende Bewußtsein eigener Würde aber muß erst entwickelt werden und sich immer wieder neu gestalten. Diesen Prozeß kann niemand einem anderen abnehmen. Wir können dieses Wachstum aber durch eigenes Verhalten fördern oder behindern.

So wie Freiheit nur unter grundsätzlich Gleichgestellten möglich ist, entwickelt sich auch das Bewußtsein eigener Würde aus wechselseitiger Kommunikation zwischen Menschen, die einander als Gleiche in ihrer Würde anerkennen. Wer durch Besinnung seine eigene Entwicklung gefühlsbewußt wahrnimmt und reflektiert, wird auch anderen einfühlsam begegnen und ihnen das Bewußtsein eigener Würde vermitteln. Durch das Sozialstaatsgebot in Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes werden die grundlegenden äußeren Bedingungen zur Entwicklung eigenen Würdebewußtseins verfassungsrechtlich geschützt. Nun soll auch die innere Entwicklung desselben, die auf die Erfahrung von Mitmenschlichkeit angewiesen ist, ihren ausdrücklichen Rückhalt in der Verfassung finden. Ohne Mitmenschlichkeit gibt es kein Bewußtsein des einzelnen von der eigenen Würde und ohne Gemeinsinn keine diesen individuellen Wachstumsprozeß fördernde und schützende Gesellschaft. Sie hat darüber hinaus die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben zukünftiger Generationen zu bewahren.

Eine Ergänzung der Verfassung um die beiden Begriffe Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn soll das Freiheitsversprechen der Abwehrrechte des Grundgesetzes durch die Hervorhebung von Elementen des älteren republikanischen Demokratieverständnisses vor seinen selbstzerstörerischen Momenten bewahren. Zur Freiheit und Gleichheit muß in verstärktem Maße die "Brüderlichkeit" treten. Sie ist in Gestalt von Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn als Grundnonn für ein gelingendes Zusammenleben unverzichtbar und zugleich die unerläßliche ethische Orientierung auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands.

Mitmenschlichkeit ist die Entsprechung zum religiös gebundenen Begriff der Nächstenliebe. Sie gehört zur kommunikativen, sozialen Natur des Menschen, der nicht allein existieren kann, sondern auf seinesgleichen angewiesen ist. Wer Mensch sagt, muß immer auch die menschliche Gemeinschaft mitdenken. Daraus ergibt sich die Forderung an den einzelnen, nicht nur für sich selbst, sondern zugleich für seine Mitmenschen und das Gemeinwohl verantwortlich zu sein und zu handeln (vgl. Hans Jonas Prinzip Verantwortung und Willy Brandts Begriff compassion, Mitleidensfähigkeit, Mitgefühl). Der Begriff der Mitmenschlichkeit richtet den Blick auf den konkreten, individuellen Umgang einzelner Menschen miteinander.

Gemeinsinn meint die Beziehung zum und im Gemeinwesen, die Verantwortung für das gesellschaftliche Ganze, auch und insbesondere in seinen institutionellen Ausfonnungen. Zur Mitmenschlichkeit wird ermutigt, um Gemeinsinn zu erwirken. Der Begriff des Gemeinsinns hebt den Begriff der Mitmenschlichkeit auf die überindividuelle Ebene. Gemeinsinn bedeutet die Verantwortung eines jeden für die Kommune, den Staat, für Europa, aber auch für die eine Welt und ihre Lebensgrundlagen. Teilhabeund verantwortungsbereite Bürgerinnen und Bürger sind für das Gelingen einer menschlichen Gesellschaft notwendig. Statt der primären Orientierung auf egoistische Nutzenmaximierung sind die eigenen Interessen ethischen Kriterien unterzuordnen. Dies kann nur in Form eines Appells geschehen. Denn eine solche Haltung ist nur möglich als Ausdruck einer Individualität, die sich dazu in freiem Willensentschluß bekennt. Der Staat kann seine Bürgerinnen und Bürger darauf nicht verfassungsunmittelbar konkret rechtlich verpflichten. Er kann jedoch und sollte sehr wohl dazu aufrufen, ein für den einzelnen und die Gesellschaft überlebensnotwendiges Verhalten in Freiheit zu wählen und zu leben. Es gilt, von der Zivilisation des Habens zu einer Kultur des Mit-Seins, der Ko-Individualität zu gelangen.

In der Gesellschaft verankerte Normen und Recht beeinflussen sich wechselseitig. Der Einwand geht daher fehl, derartige ethische Grundsätze seien der Verfassung fremd und könnten überdies wegen mangelnder Justiziabilität dort keinen Platz beanspruchen. Das Grundgesetz ist wie jede Verfassung Spiegel auch des geselJschafllichen Wertehorizonts. Es ist die konsensuelle Begründung der auf ihm allererst aufbauenden Legalität, das Ergebnis einer Verständigung der Bürgerinnen und Bürger über die Grundlagen ihres Zusammenlebens. Demgemäß war das Grundgesetz von Anfang an zwar weltanschauungsneutral, nie aber werteneutral konzipiert. Bereits die Präambel spricht vom Handeln des "Deutsche(n) Volk(es)" als "von dem Willen beseelt, ,.. dem Frieden zu dienen", Die grundlegende Verpflichtung der staatlichen Gewalt auf die Menschenwürde hat zugleich einen ethischen Grund und Inhalt. Soiche VerfassWlgssätze wurden und werden im Laufe der Zeit durch ständiges Bemühen des Bundesverfassungsgerichts in ihren justiziablen, aber eben auch sozialphilosophischen und sozialpolitischen Bezügen entfaltet.

Die vorgeschlagene Formulienmg ist eine Verfassungserwartung. Sie setzt keine zusätzliche Grundrechtsschranke, rührt nicht an das grundrechtlich gewährleistete Niveau der Freiheitsrechte, ist aber dennoch mehr als ein rechtlich unverbindlicher Appell. Sie äußert die ethische Erwartung an jeden Menschen, die Grundrechte verantwortlich auszuüben. Die Verfassung der Freiheit setzt ein in Freiheit zu wählendes Ethos voraus, das der Staat um der Freiheit willen nicht erzwingen kann, das aber sehr wohl von den Bürgerinnen und Bürgern erwartet werden muß, und dies vor allem in einer geschichtlichen Situation, in der ein Teil des Selbstverständlichen, die Solidargemeinschaft, durch die Belastungen des Einigungsprozesses in besonderem Maße gefordert ist. Diese Verfassungserwartung setzt zugleich ein Zeichen für die politisch Verantwortlichen, mit all ihrem Tun Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn anzuregen und deren Entfaltungsmöglichkeiten zu begünstigen, zum Beispiel in dieser Hinsicht bewußtseinsbildend zu wirken und in Zeilen knappen Geldes entsprechende Prioritäten zur Förderung gemeinnützigen - staatlichen wie gesellschaftlichen - Handelns zu setzen.

Der unverzichtbare abwehrrechtliche Gehalt der Freiheitsrechte des Grundgesetzes setzt ein Gemeinwesen voraus, ohne es zu konstituieren, Von Anfang an war und ist der Staat darauf angewiesen, daß die BÜfgerinnen und Bürger von ihren Rechten einen dem Nächsten und dem Gemeinwohl gegenüber verantwortlichen Gebrauch machen. Wir votieren für die Aufnahme eines staatsethischen Grundsatzes, der implizit schon immer Bestandteil der Verfassung war. Mit negativen Grundrechten allein ist kein Staat zu machen, und schon gar nicht ein humaner.

Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn sind Voraussetzungen unserer Gnmdrechtsdemokratie. Sie reflektieren die Struktur des Menschen als eines Wesens, das nicht nur für sich selbst, sondern zugleich für die gesellschaftliche Wirklichkeit verantwortlich ist. Demgemäß sah sich bereits 1954 das Bundesverfassungsgericht genötigt, im Sinne der jetzt explizit einzubeziehenden Wertbegriffe zu konkretisieren:
"Das Menschenbild des Grundgesetzes ist nicht das eines isolierten, souveränen Individuums. Das Grundgesetz hat vielmehr die Spannung lndividuum Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsverbundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten."
[BVerfGE 4, 52J. Dieser Auslegung des Bundesverfassungsgerichts folgend ist zur Herstellung einer gleichgewichtigen Kodifizierung der Grundprinzipien "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" die verfassungsmäßige Verankerung von Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn notwendig.



B. Deutscher Bundestag, Beschlußempfehlung und Bericht Rechtsausschusses, Bundestag-Drucksache 12/8165, 28.06.1994


Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

a) bis j) (andere Rechtsvorschriften)

k) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Konrad Eimer, Susanne Rahardt-Vahldieck, Dr. Christoph Schnittier und weiteren Abgeordneten
- Drucksache 12/6708 -
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 2a)

A. Problem
Artikel 5 des Einigungsvertrages bestimmt, daß sich die gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einheit aufgeworfenen Fragen zur Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes befassen. Aufgrund dieses Auftrages wurde die Gemeinsame Verfassungskommission von Deutschem Bundestag und Bundesrat eingesetzt, die am 28. Oktober 1993 einen Bericht mit Empfehlungen für Grundgesetzänderungen vorgelegt hat.

B. Lösung
Die Empfehlungen der Gemeinsamen Verfassungskommission sind in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden.

Der Rechtsausschuß hat einstimmig beschlossen. die Annahme des interfaktionellen Gesetzentwurfs - Drucksache 12/6633 zu empfehlen unter Abtrennung einzelner Teile als selbständige Gesetzentwürfe. die mehrheitlich jeweils ebenfalls zur Annahme empfohlen wurden.

Den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 12/6323 - hat er mehrheillich empfohlen abzulehnen. ebenfalls unter Abtrennung elnzetner Teile als setbständige Gesetzentwürfe, die mehrheitlich zur Annahme empfohlen wurden.

Den Gesetzentwurf der Gruppe der PDS/Linke Liste - Drucksache 12/6570 - und die Gesetzentwürfe der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksachen 1216686. 12/6105. 12/5695, 12/3826 - sowie den Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 12/6716 - hat der Rechtsausschuß mit großer Mehrheit emplohlen abzulehnen.

Einstimmig hat er vorgeschlagen. den Gesetzentwurf des Bundesrates - Drucksache 12/7109 - für ertedlgt zu erklären und den Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission - Drucksache 12/6000 - zur Kenntnis zu nehmen.

C. Alternativen
Weitergehende Änderungen des Grundgesetzes, wie sie die Gesetzentwürfe der Fraktion der SPD und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorsehen, oder die Erarbeitung einer neUen Verfassung, wie sie der Gesetzentwurf der Gruppe der PDS/Linke Liste vorstellt.

D. Kosten
Keine


1. Beschlußempfehlung

Zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Konrad Eimer, Susanne Rahardt-Vahldieck, Dr. Christoph SchnittIer und weiteren Abgeordneten - Drucksache 12/6708 - gibt der Rechtsausschuß keine Beschlußemplehiung ab.

2. Begründung der Beschlußempfehlung - Zum Beratungsverfahren

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf der - Drucksache 12/6708 - in seiner 209. Sitzung vom 4. Februar 1994 in erster Lesung beraten und diese Gesetzentwürfe sowie den Antrag an den Rechtsausschuß zur federführenden Beratung und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Ausschuß für Familie und Senioren, den Ausschuß für Frauen und Jugend, den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft überwiesen.

Der Innenausschuß hat in seiner Stellungnahme vom 20. April 1994 zu dem Gesetzentwurf - Drucksache 12/6708 - hat der Innenausschuß kein Votum abgegeben.

Der Ausschuß für Familie und Senioren hat in seiner 61. Sitzung vom 13. April 1994 zu dem Gesetzentwurf Drucksache 12/6708 mit 15 gegen 7 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen und Abwesenheit der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, die Annahme des Gesetzentwurfs zu empfehlen.

Der Ausschuß für Frauen und Jugend hat die Vorlagen in seiner 68. und 69. Sitzung vom 13. April 1994 und vom 20. April 1994 beraten. Mit Mehrheit hat der Ausschuß die Annahme des Gesetzentwurfs des Abgeordneten Dr. Konrad Eimer und weiterer Abgeordneter - Drucksache 12/6708 - empfohlen.

Der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat in seinen gleichlautenden Stellungnahmen vom 9. März und vom 20. April 1994 zu dem Gesetzentwurf - - Drucksache 12/6708 auf eine Stellungnahme verzichtet.

Den Gesetzentwurf des Abgeordneten Dr. Konrad Eimer sowie weiterer Abgeordneter - Drucksache 12/6708 - hat der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft mit den Stimmen der Fraktionen der CDUICSU, SPD und FDP bei einer Gegenstimme aus der Fraktion der CDU-CSU sowie bei drei Enthaltungen aus den Reihen der Fraktion der CDU/CSU und F.D.P. und bei Abwesenheit des Vertreters der Gruppe der PDS/Linke Liste zur Annahme empfohlen,

3. Begründung der Beschlußempfehlung - Allgemein zum Gesetzentwurf

Der Gesetzentwurf will das Grundgesetz um einen Artikel 2 a ergänzen, in dem die Begriffe Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn als Verfassungserwartung in das Grundgesetz aufgenommen werden. Sie sollen mehr als ein rechtlich Wlverbindlicher Appell sein und die ethische Erwartung an jeden Menschen richten, die Grundrechte verantwortlich auszuüben, Die Verfassungserwartung setzt zugleich ein Zeichen für die politisch Verantwortlichen, mit all ihrem Tun Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn anzuregen und deren Entfaltungsmöglichkeit zu begünstigen. Da Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn eine Voraussetzung der Gnmdrechtsdemokratie seien, wurde von den Gesetzesinitiatoren ein Änderungsantrag in Aussicht gestellt, beide Begriffe in die Präambel aufzunehmen. Zur weiteren Begründung wird auf den Gesetzentwurf - Drucksache 12/6708 S. 51. - verwiesen.

Über den Entwurf wurde im Rechtsausschuß kontrovers diskutiert. Der Ausschuß beschloß mit den Stimmen der Mitglieder der Fraktionen der SPD, F.D.P. und der Gruppe der PDS/Linke Liste in Abwesenheit des Mitgliedes der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie einiger Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU gegen die Stimmen der anderen Mitglieder der Fraktion der CDUICSU, keine Beschlußempfehlung abzugeben.

Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU hoben hervor, der Vorschlag bringe eine außerrechtliche Verfassungserwartung an die Ausübung grundrechtlicher Freiheit zum Ausdruck: das BÜTgerethos einer gemeinwohlgemäßen Ausübung der Grundrechte. Der Vorschlag benenne eine Verfassungsvoraussetzung, aus der die Grundrechtsdemokratie lebe.

Gegen die Einführung der Begriffe Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn in den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes bestünden aber einige wichtige verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Bedenken:

- Das Grundgesetz sei seiner Grundstruktur nach als Rechtsgesetz ausgestaltet. Sein Ziel sei die unmittelbare Anwendbarkeit und Vollziehbarkeit. Es enthalte entsprechend ausformuliert justitiable Grundrechte und durchsetzbare Staatsziele. Damit verbunden sei die Absage an programmatische Vorgaben, an Appelle, auch an Tugend-Gebote des Staates gegenüber seinen Bürgern.

- Durch die Aufnahme des vorgeschlagenen neuen Artikels 2a GG würde die Systematik des Grundgesetzes erstmals durchbrochen. Die Einfilluung von Verfassungserwartungen oder mehr oder weniger verbindlichen Appellen führe letztlich zum Verlust des Charakters des Grundgesetzes als Rechtsgesetz, da in Zukunft mit dem gleichen Recht weitere Appelle je nach tagespolitischem Bedarf nicht mehr abzulehnen wären.

- Auch wenn der Vorschlag als Appell ethisch-moralischer Art verstanden werden solle, der nicht justitiabel sei, so stelle sich doch die Frage, ob eine solche Bestimmung künftig doch normative Bedeutung z. B. als beliebige Schranke der Grundrechte oder als übersteigerte Erwartung an ein staatliches Eingreifen bei fehlendem mitmenschlichen Verhalten zuwachsen könne.

- Die Grundlagen fÜI eine mitmenschliche und gemeinsinn-orientierte Wertordnung seien bereits in der geltenden Verfassung enthalten. Das Grundgesetz geht vom Menschenbild eines gemeinschaftsbezogenen und gemeinschaftsgebundenen Individuums aus. So sei auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgerichtet. Der einzeine müsse Einschränkungen seiner Grundrechte im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Dieser Ansatz werde deutlich etwa in Artikel 2 Abs. 1 oder in Artikel 14 Abs. 2 Satz 2 GG. Zugleich definiere das Grundgesetz die Bundesrepublik Deutschland als Sozialstaat. Das Grundgesetz gebe damit den Rahmen fÜr eine einfach-rechtliche Gesetzgebung, die die Ausübung von Individualrechten zum Schutz des (wirtschaftlich) Schwächeren ausgestalten könne. Von daher bestehe auch kein unmittelbar einsichtiger verfassungsrechtlicher Regelungsbedarf.

- Ein Appell des Staates, der seine BÜIger in ihrer Beziehung untereinander zu einem bestimmten Verhalten aufruft, widerspreche der Systematik der Grundrechte, die in erster Linie zwischen Bürger und Staat, nicht jedoch zwischen Bürger und Bürger Wirkungen entfalte. Von daher ergäben sich verfassungssystematische Bedenken gegen eine Plazierung des Aufrufs zu Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn in Artikel 2 a GG, also im Zentrum des Grundrechtskatalogs.

- Auch der in Aussicht genommene Vorschlag, die Verfassungserwartung "Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn" in die Präambel aufzunehmen, begegne verfassungssystematischen und verfassungspolitischen Bedenken. Die Debatte über die Präambel solle nicht neu eröffnet werden. Verwiesen werde insoweit auf die gegen eine Änderung der Präambel geäußerten grundsätzlichen Einwände. Der Vorschlag würde im übrigen eine Einiadung an andere Richtungen und Gruppierungen bedeuten, auch ihre jeweiligen politischen Anliegen dort unterzubringen. Im übrigen seien die Texte der Präambel in den Fassungen von 1949 und 1990 ausschließlich staatsgerichtet gefaßt. Mit der Aufnahme gesellschaftlicher Forderungen und ethischer Appelle würde diese Struktur aufgelöst.

Diesen Bedenken wurde von anderen Mitgliedern der Fraktion der CDU/CSU sowie den Rednern der anderen Fraktionen und Gruppen entgegengehalten:

- Das Grundgesetz sei bereits in seiner heutigen Struktur nicht ausschließlich auf unmittelbare Anwendbarkeit und Vollzug angelegt. Es bringe zugleich eine Verständigung über die allgemeinen ethischen Grundsätze zum Ausdruck, auf denen die Gesellschaft griinde, und greife mit dem Bezug auf das Sittengesetz auf den gesellschaftlichen Werthorizont zurück.

- Die Systematik des Grundgesetzes vertrage die Einführung einer Verfassungserwartung namentlich dann, wenn diese eindeutig als solche gekennzeichnet sei. Der grundlegende Gehalt der Gebote von Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn, die eine Beschreibung staatlicher Seinsgrundlagen enthielten, lasse künftige, tagespolitisch motivierte Forderungen nach weiteren Appellen nicht besorgen.

- In seinem normativen Gehalt bedeutet die Verfassungserwartung keine selbständige, zusätzliche Ennächtigung zum staatlichen Eingriff. Insbesondere würden damit nicht die Bindung der staatlichen Gewalt an die abwehrrechtlich verstandenen Grundrechte aufgelöst oder sonst verfassungsunmittelbare Grundrechtsbeschränkungen eingefügt.

- Die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgearbeitete Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Menschen komme im Verfassungstext nicht hinreichend zum Ausdruck und bedürfe der Hervorhebung im Verfassungstext selbst.

- Der Einwand, daß das Grundgesetz in erster Linie auf das Staat-Bürger-Verhältnis bezogen sei, vernachlässige die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer wieder betonten objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte und ihre Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Rechtsordnung, also auch auf die Beziehungen der Bürgerinnen und Bürger untereinander. Damit Menschlichkeit und Gemeinsinn auf die Handlungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger bezogen seien, ergäben sich auch gegen die Plazienmg als Absatz 2a des Artikels 2 GG keine durchgreifenden systematischen Bedenken.

- Die Einwände, die an die Normativität des Grundrechtsabschnittes und seine Systematik anknüpften, griffen jedenfalls nicht durch gegen die Verankerung der Begriffe als zweiter Nebensatz der Präambel des Grundgesetzes mit den Worten "auf Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn aller vertrauend", wie sie in der zweiten Lesung als Änderungsantrag vorgeschlagen werden werde. Dann nämlich sei klar, daß es nicht um einen vordergründigen moralischen Appell gehe, sondern um die Beschreibung jener außerrechtlichen Voraussetzungen von Recht, ohne die eine Verfassungsordnung auf Dauer keinen Bestand haben könne. Damit werde auch die Funktion als ethischer Impuls für die Gesellschalt deutlicher.



C. Deutscher Bundestag, Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Konrad Eimer, Susanne Rahardt-Vahldieck, Dr. Christoph Schnittler, u.a., Drucksache 12/8171, 29.06.1994


Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 2a)

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Änderungsvorschlag


1. Der Titel wird wie folgt gefaßt:

"Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Präambel des Grundgesetzes" .

1. Artikel I wird wie folgt gefaßt:

"Artikel I
Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBI III, Gliederungsnummer 100-1, zuletzt geändert durch...), wird wie folgt geändert:

In der Präambel wird nach dem Wort "Menschen" folgender neuer Nebensatz eingefügt:

"auf Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn aller vertrauend."


2. Begründung



Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn sind Verfassungserwartungen. Als solche finden sie ihren angemessenen Platz in der Präambel. Sie hat damit in Satz 1 folgenden Wortlaut:

"Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, auf Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn aller vertrauend von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."



D. Weiterer Fortgang des Gesetzes


Dieser Vorschlag fand nicht die notwendige Zustimmung. Deshalb wurde er nie Bestandteil des Grundgesetzes.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 26.02.2008, also nach Abschluss dieser Kommentierung
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