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GG
Grundgesetz
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art. 2 (Regelung seit 23.05.1949)
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Abgelehnte Änderung zu Art. 2 GG (1987)

Gang der Gesetzgebung:


Bundestag - Gesetzentwurf Fraktion DIE GRÜNEN 04.08.1987 Drucksache 11/663

1. Beratung

Bundestag - Plenarprotokoll 11/27 17.09.1987 S. 1814C-1818D

Beschluß: S. 1818D - Überweisung: RechtsA (federführend), InnenA, WirtschA, AfELuF, AfUmwelt, HaushA gemäß § 96 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

Bundestag - Bericht RechtsA 13.04.1988 Drucksache 11/2106

Bericht gem. § 62 Abs. 2 GeschO Bundestag

Bundestag - Plenarprotokoll 11/71 14.04.1988 S. 4852A-4856A

Bundestag - Beschlußempfehlung und Bericht RechtsA 18.09.1990 Drucksache 11/7905

Bundestag - Bericht HaushA gemäß § 96 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages 19.09.1990 Drucksache 11/7939

Bundestag - Plenarprotokoll 11/227 21.09.1990 S. 17961D, 17962A-17973C, 17974A

Beschluß: S. 17974A - Ablehnung Drucksache 11/663



A. Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN, Drucksache 11/663, 04.08.1987, Sachgebiet 100


A. Problem
Die Veränderungen in der Produktions- und Lebensweise und im Prozeß der menschlichen Zivilisation allgemein haben Natur und Umwelt in einer Weise beeinträchtigt, die zu kaum mehr wiedergutzumachenden Schäden führt und ihren dauerhaften Bestand gefährdet. Im Interesse der Natur selbst und der Menschen, die von und in ihr leben, sind verbesserte rechtliche und politische Möglichkeiten unerläßlich, die die Möglichkeit geben, die eingetretene Entwicklung zu stoppen und zu verändern.

B. Lösung
Es soll der Umweltschutz als Grundrecht und als Staatsziel in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden.

C. Alternativen
keine

D. Kosten
Kosten in nicht quantifizierbarer Höhe können lediglich durch die vermehrte Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichte bei Verletzung des vorgesehenen Grundrechts auf Umweltschutz entstehen.

Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht und als Staatsziel

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:


1. Vorschlag


Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht und als Staatsziel

Artikel 1

Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBI. S. 1), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1481), wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 2 Abs. 2 wird an den bisherigen Satz 1 folgender Halbsatz angefügt:

, die Erhaltung seiner natürlichen Lebensgrundlagen und den Schutz vor erheblichen Beeinträchtigungen seiner natürlichen Umwelt.


2. Artikel 14 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 Satz 2 erhält folgende Fassung:

"Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen dienen."

b) Absatz 3 Satz 1 erhält folgende Fassung:

"Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit und zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zulässig."

3. In Artikel 20 Abs. 1 werden folgende Sätze angefügt:

"Die natürliche Umwelt steht als Lebensgrundlage des Menschen und um ihrer selbst willen unter dem besonderen Schutz des Staates. Bei Konflikten zwischen ökologischer Belastbarkeit und ökonomischen Erfordernissen ist den ökologischen Belangen der Vorrang einzuräumen, wenn andernfalls eine erhebliche Beeinträchtigung der natürlichen Umwelt droht."

4. Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung:

"Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes und der Verantwortung des Staates für die natürliche Umwelt entsprechen."

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.


2. Begründung


A. Allgemeiner Tell

Bei der Erarbeitung des Grundgesetzes bis hin zu seiner Verkündung im Jahr 1949 wurde dem Gedanken des Schutzes, der Pflege und der Erhaltung der Umwelt nicht der Stellenwert beigemessen, der ihm heute beizumessen ist.
Verständlich wird dies bei der Betrachtung der Entstehungsbedingungen des Grundgesetzes. Im damaligen gesellschaftlichen und zeitlichen Zusammenhang wurden Schwerpunkte gesetzt, bei denen die Belange der Umwelt allenfalls am Rande Berücksichtigung fanden. Die vorrangige Aufgabe sah der Gesetzgeber im Aufbau eines demokratischen Staatswesens und in der Schaffung von Garantien für die persönlichen Rechte der einzelnen Bürgerinnen und Bürger.
Die politischen Vorstellungen waren davon geprägt, daß durch menschliche Arbeit und technischen Fortschritt die auftretenden sozialen und ökologischen Probleme lösbar und zu bewältigen seien.
Die Nachkriegsgeneration sah sich noch nicht vor die Aufgabe gestellt, mit der sie umgebenden Natur ein Arrangement zu treffen und haushälterisch sowie pfleglich mit ihr und allen ihren Bestandteilen umzugehen. Die Nachkriegszeit war geprägt durch Wiederaufbau, Integration von Flüchtlingen und Ankurbelung der Wirtschaft. Für eine angemessene Berücksichtigung des Schutzes von Natur- und Umweltgütern fehlten damals noch weitgehend Problembewußtsein und Kenntnis um die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen.
Beherrschung und Unterwerfung der beleBundesraten und unbeleBundesraten Umwelt unter die Bedürfnisse der Menschen wurden für unbegrenzt möglich und alle daraus entspringenden Probleme für wirtschaftlich lösbar erklärt. Alles schien machbar zu sein. Heute ist die Natur in hohem Maß in ihrer Existenz bedroht und damit auch die auf sie angewiesenen Menschen: Gewässer werden zu Kloaken, Wälder sterben, Trinkwasser und Nahrungsmittel sind durch Schadstoffe vergiftet, radioaktive Strahlung gefährdet den Fortbestand allen Lebens. Viele Tier- und Pflanzenarten sind akut gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Die Schönheit und Harmonie traditionsreicher Landschaflen werden zerstört durch Kahlschlag, Monokulturen, großflächige Flurbereinigung und den Lebensraum verbrauchende Verkehrsprojekte. Städte und Siedlungen werden zunehmend unwirtlich, kinderfeindlich und unbewohnbar.
Ein pflegerischer Umgang mit der Natur ist immer mehr ihrer rücksichtslosen Ausbeutung, Vergiftung und Zerstörung gewichen.
Heute muß der Mensch begreüen, daß auch er keine Zukunft mehr haben wird, wenn er die ihn umgebende Natur, von und in der er leBundesrat, weiter zerstört.
Aber die Natur muß auch um ihrer selbst willen geschützt werden. Sie darf nicht länger nur Objekt der Ausbeutung durch den Menschen sein. Staatlicher und privater Umweltschutz darf nicht länger einseitig die Interessen der Wirtschaft und eines materiellen Egoismus berücksichtigen. Die gemeinsamen Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen sind unbedingt zu schützen und zu bewahren. Natur ist ein Ganzes, das nicht in eine Unzahl scheinbar voneinander unabhängiger Teilbereiche zerlegt werden kann.
Die Komplexität dieses Gesamtzusammenhanges wird nicht hinreichend erfaßt, würde das einzelne nur materiell in seinem Eigenwert und nicht in seinem Gesamtzusammenhang gesehen.
Die Eingebundenheit des Menschen in die Natur und seine Verantwortung für ihre Entwicklung und ihren Fortbestand verlangt eine umfassende Neubestimmung dieser Beziehung durch eine veränderte Bewertung der Natur selbst.
Diese Neubestimmung muß ihren Niederschlag auch in der Verfassung finden, wenn diese weiterhin als umfassende Zielbestimmung und rechtliche Grundlage staatlichen Handelns Wirksamkeit entfalten soll.
In diesem Sinn soll das Grundgesetz durch eine engere Anbindung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums an ökologische Erfordernisse ergänzt werden.

B. Zu den einzelnen BestImmungen

Zu 1. (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes)

Artikel 2 des Grundgesetzes beschreiBundesrat als elementares Grundrecht das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Dieses Recht verliert seine Bedeutung, wenn nicht zugleich, an gleicher Stelle und mit demselben Gewicht das Recht jedes Menschen auf die Erhaltung seiner natürlichen Lebensgrundlagen und den Schutz vor erheblichen Beeinträchtigungen seiner natürlichen Lebensgrundlagen festgeschrieben wird. Heute begreüen wir die Natur als den erweiterten Leib des Menschen. Dieser kann sich schließlich aus nichts anderem als den in der ihn umgebenden Natur vorgefundenen Stoffen, dem Wasser, das ich trinke, der Luft, die ich atme usw., aufbauen. Die Eltern der Verfassung haben neben dem Schutz des Eigentums und des Lebens die Notwendigkeit eines Schutzes der natürlichen Umwelt noch nicht gesehen. Heute aber ist letzterer zum entscheidenden Kriterium für ein Weiterleben des Menschen in Freiheit und Würde geworden. Daher verlangt der Artikel 2 GG eine entsprechende Ergänzung. Diese stellt - im Unterschied zu einem bloßen Staatsziel - den Menschen eine Möglichkeit zur Verfügung, ihr persönliches Recht auf die Erhaltung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen usw. auch wirksam zu machen und einzuklagen.

Will man effektiven Umweltschutz verfassungsrechtlich gewährleisten, dari man sich nicht auf Staatszielbestimmungen beschränken. Sie sind nicht einklagbar, wenn ihnen der Gesetzgeber nicht entspricht, es sei denn, es käme hierbei zu Grundrechtsverstößen, die bei gesetzgeberischem Unterlassen jedoch nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ohne ein Umweltgrundrecht aber können diese nur im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit oder des Eigentums geltend gemacht werden. Auch Verwaltung und Rechtsprechung können zur Beachtung verfassungsrechtlicher Abwägungsdirektiven nur gezwungen werden, wenn ihre Mißachtung im Zusammenhang mit der Verletzung subjektiver Rechte steht. Hieran fehlt es, wenn durch behördliches Handeln oder Unterlassen nicht eine nachweisbare Gesundheitsbeeinträchtigung erfolgt oder enteignend wirkende Eingriffe - z. B. Wertverlust durch unzumutbaren Lärm - drohen.

Sind keine Grundrechte im Spiel, bedari es sogenannter drittschützender Nonnen, um eine umweltrelevante Behördenentscheidung vor Gericht zu bringen. Daran fehlt es beispielsweise im gesamten Naturschutzrecht, im Chemikaliemecht und in weiten Teilen des Planungsrechts. Die Folge davon ist das vielbeklagte "Vollzugsdefizit" , die direkte Mißachtung oder die nachlässige Anwendung umweltrechtlicher Vorschriften durch die Behörden. Dies ist nicht nur ein Ärgernis für die jeweils betroffenen, aber machtlosen Bürger, sondern führt in der Addition der vielen Einzelfälle zu einem schweren Schaden für die Gesamtheit und bildet eine der Hauptursachen dafür, daß sich unsere Umweltsituation trotz der Bemühungen des Gesetzgebers bislang nicht wesentlich verbessert hat.

Diesem Mißstand ist durch ein Umweltgrundrecht in der hier vorgesehenen Form abzuhelfen. Es schafft einen Rechtsanspruch unabhängig von der jeweiligen gesetzgeberischen Entscheidung über die Einräumung oder Verneinung subjektiver Rechte, indem es im Fall "erheblicher Beeinträchtigungen" der "natürlichen Umwelt" einen Schutzanspruch gewährt, der sich nach der heute herrschenden Grundrechtsdogmatik insbesondere als Abwehranspruch .Drittbetrotfener" gegenüber staatlichen Genehmigungen umweltbelastender Maßnahmen auswirken wird. Bewußt wurde eine Formulierung gewählt, die einerseits ein wirklich handhabbares, konkretes Grundrecht errichtet, andererseits aber auch nicht pauschal jegliche weitere Veränderung der natürlichen Umwelt einfach blockiert. Menschliches Leben und Handeln sind ohne entsprechende Änderung der natürlichen Umwelt dauerhaft gar nicht denkbar. Entscheidend aber ist hierbei, daß die natürlichen Lebensgrundlagen in ihrer Substanz erhalten bleiben und daß die Bürger einen Schutzanspruch zumindest vor erheblichen Beeinträchtigungen ihrer natürlichen Umwelt geltend machen können.

Die mit dieser Veränderung einhergehende Erweiterung der Klagebelugnis, die ja nurunehr auch insoweit gilt, als es sich nicht um die Verletzung "drittschützender" Vorschriften handelt, ist im Interesse eines wirksamen Umweltschutzes dringend geboten. Soweit sie zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt, muß und wird die Rechtsprechung damit fertig werden, die ähnliche Probleme bei der Entwicklung der öffentlichrechtlichen Nachbarschaftsklage erfolgreich gelöst hat.

Zu 2. (Artikel 14 des Grundgesetzes)

Die Eiqenturnsqewährleistunq des Artikels 14 des Grundgesetzes ist dadurch charakterisiert, daß einerseits der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen kann, andererseits eine Sozialpflichtigkeit festgelegt wird. Sozialpflichtigkeit im Sinn der Bestimmung wird von der Rechtsprechung verstanden als Abwägungsgebot zwischen privaten Interessen und Interessen der Allgemeinheit. Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich problematisch, da die Prärogative des Gesetzgebers leerzulaufen droht. Die Neufassung des Artikels 14 des Grundgesetzes soll klarstellen, daß - sofern eine Abwägung vorzunehmen ist - Belange der Natur zu berücksichtigen sind.

Die "Allgemeinwohl-Klausel" des Absatzes 2 bedarf daher der Ergänzung durch die Bestimmung, daß der Gebrauch des Eigentums zugleich der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen dienen muß. Die Voraussetzungen der Enteignung in Artikel 14 Abs. 3 des Grundgesetzes sind im gleichen Sinn neu zu regeln. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, ohne den Umweg über das .Allgemeinwohl", Eingriffe in das Eigentum auch aufgrund ökologischer Erfordernisse vornehmen zu können.

Zu 3. (Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes)

Staatsziele sind Handlungsaufträge an den Gesetzgeber, Abwägungsdirektiven für die Behörden und Interpretationshilfen für die Gerichte. Es ist deshalb keineswegs gleichgültig, ob zu einem so zentralen Thema wie dem Umweltschutz Programmatisches in der Verfassung steht oder nicht. Bisher sind die drei staatlichen Gewalten auf der Suche nach verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen für umweltrelevantes Handeln auf den Lebensschutz in Artikel 2 des Grundgesetzes oder gar den Umweg über Artikel 14 des Grundgesetzes verwiesen. Dies ist ein inzwischen unerträglicher Zustand. Die Verankerung des Umweltschutzes in der Verfassung ist deshalb eine unabweisbare Forderung.

Staatszielbestimmungen können nur in sehr allgemeiner Form fixiert werden, wenn sie ihrer weitgespannten Funktion gerecht werden sollen. Das dari und muß jedoch nicht dazu führen, daß sie zu unverbindlichen Gemeinplätzen verkümmern und bloße Leerformeln enthalten, die nichts entscheiden und nach jeder Richtung hin konkretisierbar sind.

Dieser Gefahr wäre eine Formulierung ausgesetzt, die sich daranf beschränkt, den Staat lediglich zum Schutz der Umwelt zu v.erpflichten. Daß Umweltschutz eine vordringliche Staatsaufgabe ist, ist seit Deutscher Bundestag - 11.Wahlperiode Drucksache 11/663 Jahren unstreitig und hat dennoch nicht dazu geführt, daß der vielfältigen Zerstörung von Natur und Landschaft und dem Aussterben von Tier- und Pflanzenarten Einhalt geboten wurde. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß in der Gesetzgebung und bei Planungsentscheidungen der Exekutive, vor allem bei Großprojekten des Verkehrs und der Industrie, der jeweilige Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie einem offenen Abwägungsprozeß überlassen ist, der meist dazu führt, daß am Ende den Belangen der Wirtschaft und des Verkehrs gegenüber den Belangen von Natur und Umwelt der Vorzug gegeben wird. Der Grundkonllikt zwischen Natur und Technik, zwischen Lebensqualität und untemehmerischer Freiheit, zwischen der Bewahrung unserer Lebensgrundlagen und wirtschaftlichem Wachstum, der sich erst im Fall der nachhaltigen Einführung umweltfreundlicher Technologien entschärfen wird, kann also nicht länger der einschränkungslosen Freiheit politischer Kompromisse des Gesetzgebers und dem offenen Abwägungsermessen der Verwaltungsbehörden überlassen bleiben. Solange und soweit Unvereinbarkeit dieser Art und Bedeutung bestehen, bedarf die Konlliktlösung in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung einer grundlegenden Entscheidung in der Verfassung selbst. Mit der Festschreibung des Umweltschutzes als Staatsziel muß deshalb eine Abwägungsdirektive verbunden werden, und zwar im Sinn eines Vorrangs der Ökologie. Selbst wer die Natur nur als Ressource seines Wirtschaftens betrachtet, müßte dem zustimmen, wenn er wirklich ökonomisch denkt, denn im Falle einer weiteren Zerstörung dieser Ressourcen entscheidet die Natur den Konllikt ohne unser Zutun selbst und mit unnachgiebiger Härte zu Lasten von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und damit auch zu Lasten weiteren Wirtschaftswachstums. Darüber hinaus ist mit diesem Staatsziel die Umwelt nicht nur als Lebensgrundlage des Menschen zu schützen, sondern Natur und Landschaft, Tiere und Pflanzen verdienen auch um ihrer selbst willen unseren Schutz. Auch dies muß in der Formulierung der Staatszielbestimmung ihren Niederschlag finden, um in die Wertordnung staatlichen Handelns einzugehen.

Zu 4. (Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes)

Der Gesetzentwurf übernimmt die von der Mehrheit der Sachverständigenkommission "Staatszielbestimmungen (Gesetzgebungsaufträge) " im Jahr 1983 vorgeschlagene und im Gesetzesantrag Hessens (BRDrucksache 247/84) übernommene Änderung des Artikels 28 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Durch diese Neufassung wird erreicht, daß die "Staatszielbestimmung Umweltschutz" auch für die Länder verbindlich festgeschrieben wird. Als grundlegendes Staatsziel darf der Umweltschutz keinesfalls gegenüber den in Artikel 28 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerten Staatszielen herabgestult werden.



B. Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung, Drucksache 11/2106, 13.04.1988, Sachgebiet 100


a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 - Entwurf eines Sechsunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

b) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663 - Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht und als Staatsziel

A. Problem
Die Fraktion der SPD hält die langfristig Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen für eines der wichtigsten Ziele staatlicher Politik. Im Hinblick auf die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Umweltzerstörung will sie daher mit ihrem Gesetzentwurf im Grundgesetz klar estellt haben, daß der Staat für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu sorgen hat.
Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN geht davon aus, daß die Veränderungen in der Produktions- und Lebensweise und im Prozeß der menschlichen Zivilisation allgemein Natur und Umwelt in einer Weise beeinträchtigt haben, die zum kaum mehr wiedergutzumachenden Schäden führt und ihren auerhaften Bestand gefährdet. Im Interesse der Natur selbst un der Menschen, die von und in ihr leben, sind verbesserte rechtliche und politische Instrumente unerläßlich, die die Möglichkeit eben, die eingetretene Entwicklung zu stoppen und zu verändern

B. Lösung
Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD will den Umweltschutz als Staatszielbestimmung im Grundgesetz verankert wissen. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN sieht vor, den Umweltschutz als Grundrecht und als Staatsziel in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen.

C. Alternativen
Dem Rechtsausschuß ist zur Beratung ebenfalls überwiesen der auf eine grundgesetzliehe Verankerung des Umweltschutzes als Staatsziel gerichtete Gesetzentwurf des Bundesrates (Drucksache 11/885).

D. Kosten
Kosten in nicht quanlifizierbarer Höhe können lediglich durch die vermehrte Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichte bei Verletzung des vorgesehenen Grundrechts auf Umweltschutz entstehen.


I.


Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 12. April 1988 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung beantragt, einen Zwischenbericht des Rechtsausschusses über den Stand der Beratungen des Gesetzentwurfes der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 - auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages in der Sitzungswoche vom 13. bis 15. April 1988 zu setzen.

Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 11. März 1988 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages ebenfalls gemäß § 62 Abs. 2 Geschäftsordnung beantragt, einen Zwischenbericht des Rechtsausschusses auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages in dieser Sitzungswoche zu setzen, und zwar über den Stand der Beratungen des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663. Die Voraussetzungen für die Berichterstattung sind gegeben.

II.


Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD ist vom Deutschen Bundestag in seiner 8. Sitzung vo 2. April 1987 in erster Lesung beraten und an den Rechtsausschuß federführend sowie an den Innenausschhuß, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft Forsten und den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mitberatend überwiesen werden. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNE ist vom Deutschen Bundestag in seiner 27. Sitzung vom 17. September 1987 in erster Lesung beraten und an den Rechtsausschuß federführend sowie den Innenausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Raktorsicherheit mitberatend und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen worden.

Die mitberatenden Ausschüsse haben bisher noch keine Stellungnahmen abgegeben.

Der Rechtsausschuß hat den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD in seiner 4. und 5. Sitzung vom 3. Juni und 24. Juni 1987 beraten. Sowohl der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 - als auch der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663 - und der Gesetzentwurf des Bundesrates - Drucksache 11/885 - waren außerdem Gegenstand der 14., 19. und 20. Rechtsausschußsitzung vom 13. Januar, 2. und 9. März 1988. In seiner 8. Sitzung vom 14. Oktober 1987 hat der Rechtsausschuß eine öffentliche Anhörung zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Sechsunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes - Drucksache 11/10 - durchgeführt. Bei dieser Anhörung sind ausdrücklich auch die anderen beiden Gesetzentwürfe berücksichtigt worden.

Diese Anhörung hat zu einer Vielzahl von Aspekten einer Verfassungsänderung Informationen geliefert, die mit ausreichender Beratungszeit auszuwerten sind. Ausreichender Beratungszeit bedarf nach Auffassung der Koalitionsfraktionen aber insbesondere das Bemühen, in den unterschiedlichen Positionen zu einem Konsens zu kommen, um letztlich die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zwei-Drittel Mehrheit zu gewinnen. Derzeit befaßt sich der Rechtsausschuß vornehmlich mit den Fragen, ob ein Staatsziel Umweltschutz anthropozentrisch ausgestaltet und ob es von einem Gesetzesvorbehalt und einer Abwägungsklausel begleitet werden soll. Der Rechtsausschuß ist bei Verfassungsänderungen unabhängig von der Ressortverteilung innerhalb der Bundesregierung federführend.

Unterschrift
Stlegler
Stellvertretender Vorsitzender



C. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß), Drucksache 11/7905, 18. 09. 1990


a) und c) andere Rechtsvorschriften

[a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 - Entwurf eines Sechsunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
c) zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates - Drucksache 11/885 - Entwurf eines Sechsunddreißigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Einfügung eines Artikels 20a)]


b) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663 - Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes als Grundrecht und als Staatsziel

A. Problem
Die Entwicklung in der modernen Industriegesellschaft hat zu wachsenden Umweltbelastungen geführt und die Knappheit der natürlichen Ressourcen deutlich gemacht. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist zu einer der vordringlichsten Aufgaben geworden.

B. Lösung
Durch eine Einfügung eines neuen Artikels 20 a in das Grundgesetz soll eine Staatszielbestimmung zum Schutz der Umwelt in das Grundgesetz aufgenommen werden.
Der Rechtsausschuß hat mehrheitlich beschlossen, dte Annahme des Gesetzentwurfs - Drucksache 11/10 - In der geänderten Fassung und die Ablehnung des Gesetzentwurfs - Drucksache 11/663 - zu empfehlen, und einstimmig empfohlen, die Drucksache 11/885 für erledigt zu erklären

C. Alternativen
Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663 - sieht die Aufnahme des Umweltschutzes als Grundrecht und als Staatsziel in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vor.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates - Drucksache 11/885 - geht ebenfalls von der Aufnahme einer "Staatszielbestimmung" Umweltschutz in das Grundgesetz aus, schlägt jedoch weiter eine besondere Abwägungsklausel vor.

D. Kosten
Es entstehen keine Kosten


Der Bundestag wolle beschließen,
[a) und c) den Gesetzentwurf - Drucksache 11/885 - für erledigt zu erklären, den Gesetzentwurf - Drucksache 11/10 - in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen,]

b) den Gesetzentwurf - Drucksache 11/663 - abzulehnen,

Bericht der Abgeordneten Bachmaier, Eylmann, Häfner und Kleinert (Hannover)

Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz lagen dem Rechtsausschuß drei Gesetzentwürfe vor:

[a) und c) (...)]

b) Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 111663 - wurde vom Deutschen Bundestag in seiner 27. Sitzung vom 17. September 1987 in erster Lesung beraten und an die gleichen Ausschüsse sowie den Ausschuß für Wirtschaft überwiesen.

Der Innenausschuß hat in seiner Sitzung vom 12. September 1990 beschlossen, hinsichtlich der Vorlagen Drucksache 11/10 und Drucksache 11/885 dem federführenden Ausschuß bei grundsätzlicher Zustimmung hinsichtlich der Aufnahme eines Staatsziels Umweltschutz in das Grundgesetz die Formulierung im einzelnen zu überlassen. Zu dem Gesetzentwurf - Drucksache 11/663 - hat er einstimmig Ablehnung des Gesetzentwurfs beschlossen.

Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in seiner Stellungnahme vom 12. September 1990 mehrheitlich beschlossen, auf eine Mitberatung der Vorlagen zu verzichten. Im übrigen macht der Ausschuß von § 63 Abs. 2 Satz 2 der GO-BT Gebrauch.

Der Rechtsausschuß hat in seiner 8. Sitzung am 14. Oktober 1987 eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen zur Frage durchgeführt, wie das Staatsziel Umweltschutz in das Grundgesetz verankert werden kann oder welche Lösungsmöglichkeiten sich sonst bieten. Zu den Ausführungen wird auf das Stenographische Protokoll der Anhörung Bezug genommen.

Der Rechtsausschuß hat den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 - in seiner 4. Sitzung vom 3. Juni 1987 und 5. Sitzung vom 24. Juni 1987 und zusammen mit den Gesetzentwürfen der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663 - und des Bundesrates - Drucksache 11/885 - in seiner
14. Sitzung vom 13. Januar 1988,
19. Sitzung vom 2. März 1988,
20. Sitzung vom 9. März 1988,
21. Sitzung vom 13. April 1988,
22. Sitzung vom 20. April 1988,
28. Sitzung vom 22. Juni 1988,
44. Sitzung vom 8. März 1989,
47. Sitzung vom 26. April 1989 und
93. Sitzung vom 12. September 1990 beraten.

Die Koalitionsfraktionen haben zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 einen Änderungsantrag eingebracht, wonach Artikel 20 a Grundgesetz ohne besondere Überschrift folgende Fassung haben soll:

"Artikel 20 a

(1) Die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen stehen unter dem Schutz des Staates.

(2) Das Nähere regeln die Gesetze."

Die in der Vorlage der Fraktion der SPD vorgesehene Überschrift zu Artikel 20 a soll entfallen. Zugleich haben sie beantragt, die in der Vorlage der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 - vorgeschlagene Einfügung eines Satzes 2 in Artikel 28 Abs. 1 zu streichen.

Der Rechtsausschuß empfiehlt mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 11/10 - in der Fassung des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen anzunehmen und den Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN Drucksache 11/663 - abzulehnen. Einstimmig empfiehit der Rechtsausschuß, den Gesetzentwurf des Bundesrates

1. Der Gesetzentwurf sieht in der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung die Einfügung einer Staatszielbestimmung vor, wonach durch einen neuen Artikel 20 a die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen unter dem Schutz des Staates stehen sollen und das Nähere durch Gesetz geregelt werden soll.

2. Einigkeit bestand im Ausschuß darüber, daß die Zunahme des Wohlstands, die durch den Verbrauch von immer mehr Gütern durch immer mehr Menschen geprägt sei, auch die Knappheit der natürlichen Ressourcen sichtbar gemacht habe. Die Belastungen von Luft, Wasser und Boden durch Schadstoffe hätten nach der Ansicht des Ausschusses den Menschen vor Augen geführt, daß die Natur ein kostbares Gut sei, das nicht unbegrenzt genutzt oder ausgebeutet werden dürfe, sondern im eigenen Interesse und im Interesse künftiger Generationen geschützt und erhalten werden müsse. Die Fraktionen waren weiter darin einig, daß der Schutz und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen Aufgabe aller, insbesondere aber des Staates, sei. Deshalb müßten nach ihrer Ansicht Umweltschutzgesetze erlassen und zahlreiche Einzelmaßnahmen getroffen werden. Der Rechtsausschuß betonte, daß es allgemeiner Überzeugung entspreche, daß der Staat zum Schutz der Umwelt verpflichtet und dieser Schutz nicht etwa nur in sein Belieben gestellt sei. Der Umweltschutz sei eine Staatsaufgabe ersten Ranges.

3. Unterschiedliche Ansichten bestanden im Rechtsausschuß darüber, in welcher Weise der Umweltschutz im Grundgesetz verankert werden solle. Die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der SPD waren der Ansicht, daß der Umweltschutz als Staatsziel und nicht auch als Grundrecht, wie es der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663 - vorschlägt, in das Grundgesetz eingehen solle.

Differenzen bestanden darüber, wie dieses Steetsziel ausgestaltet werden solle.

a) Die Koalitionsfraktionen vertraten die Ansicht, daß im neuen Artikel 20 a Abs. 1 festgelegt werden müsse, daß die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen unter dem Schutz des Staates stehen. Sie waren nicht der Ansicht, daß der "besondere" Schutz hervorgehoben werden müßte. Sie begründeten die Bezugnahme auf die natürlichen Lebensgrundlagen "des Mensehen" (sog. anthropozentrischer Ansatz) damit, daß sie der Wertordnung des Grundgesetzes entspreche, in dessen Mittelpunkt der Mensch stehe. Damit werde der Eigenwert von Tieren und Pflanzen nicht in Frage gestellt. Die Verfassung könne die Umwelt aber nicht um ihrer selbst willen schützen, weil Mensch, Tier und Pflanze nicht auf einer Stufe ständen. In der Praxis laufe der anthropozentrische Ansatz nicht auf eine Einschränkung des Umweltschutzes hinaus, weil die Grundlagen des menschlichen Lebens nicht zu bewahren seien, wenn anderes Leben unzulänglich geschützt werde. Demgegenüber waren die Oppositionsfraktionen der Ansicht, daß die Bezugnahme auf die Lebensgrundlage "des Menschen" als Einschränkung aufgefaßt werden könnte. Die Natur sei ein Ganzes, das nicht in eine Unzahl scheinbar voneinander unabhängiger Teilbereiche zerlegt werden könne.

Die Fraktion der SPD bestand weiterhin darauf, daß der Umweltschutz unter dem"besonderen" Schutz des Staates stehen müsse. Mit dieser Heraushebung solle die Hochrangigkeit dieses Staatsziels gesichert werden. Es solle wirkungsstark ausgestaltet werden.

b) Den Zusatz "das Nähere regeln die Gesetze" in Absatz 2 des Artikels 20 a begründeten die Koalitionsfraktionen damit, daß er der Tatsache Rechnung trage, daß das Staatsziel Umweltschutz der weiteren Konkretisierung bedürfe.

Diese Konkretisierung, zu der auch die Zuordnung des Umweltschutzes zu anderen Staatsaufgaben gehöre, solle durch den Gesetzgeber vorgenommen werden. Denn auch beim Umweltschutz sei der Vorrang des Parlaments zu wahren. Außerdem könne nur der Gesetzgeber die hier notwendige Einheitlichkeit des Rechts sicherstellen. Die Koalitionsfraktionen hielten allerdings eine besondere Abwägungsklausel für entbehrlich.

Die Fraktion der SPD und die Fraktion DIE GRÜNEN wandten sich gegen die Einfügung irgendeines Vorbehalts. Sie waren der Ansicht, daß Vorbehalte jeder Art aus dem Umweltschutz ein Staatsziel zweiter Klasse machten. Bei einem Gesetzesvorbehalt schrumpfe das Staatsziel zu einem Gesetzgebungsauftrag zusammen. Es sei nicht zu verantworten, ein Staatsziel durch einen Gesetzgebungsvorbehalt abzuschwächen und seiner unmittelbaren Wirkung auf Verwaltung und Rechtsprechung zu berauben. Sie äußerte die Befürchtung, daß dieses Staatsziel mit einem Gesetzesvorbehalt einen minderen Charakter gegenüber anderen Staatszielen habe.

Die Koalitionsfraktionen waren demgegenüber der Ansicht, daß sich eine Staatszielbestimmung immer primär an den Gesetzgeber richte, sich aber in ihrem Appell nicht auf eine Handlungsanweisung an den Gesetzgeber beschränke, sondern auch notwendigerweise Auswirkungen auf Exekutive und Rechtsprechung habe. Diese Ansicht konnte sich mehrheitlich durchsetzen.

c) Die Fraktion DIE GRÜNEN hielt an ihrer Ansicht fest, daß einer Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz nur dann die notwendige Bedeutung zukomme, wenn es als Staatsziel und als Grundrecht verankert sei. Der Schutz der natürlichen Umwelt sei zum entscheidenden Kriterium für ein WeiterIeben des Menschen in Freiheit und Würde geworden. Daher verlange der Artikel 2 Grundgesetz eine entsprechende Ergänzung. Damit könnten die Menschen ein persönliches Recht auf die Erhaltung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen auch wirksam machen und einklagen. Sie wollten außerdem durch eine Neufassung des Artikels 14 klarstellen, daß - sofern eine Abwägung zwischen privaten Interessen und Interesse der Allgemeinheit im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums vorzunehmen sei - Belange der Natur zu berücksichtigen seien.
Zur Begründung der Ansicht der Fraktion DIE GRÜNEN kann auf den Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/663, Seiten 2ff. verwiesen werden.

Diese Ansicht der Fraktion DIE GRÜNEN konnte im Ausschuß keine Mehrheit finden.

4. Da der Rechtsausschuß mehrheitlich die Annahme des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD

- Drucksache 11/10 - in der Fassung des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen empfohlen hat, wurde damit der Gesetzentwurf des Bundesrates

- Drucksache 11/885 - einstimmig als erledigt angesehen und eine entsprechende Beschlußempfehlung vorgeschlagen.



D. Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung, Drucksache 11/7939, 19.09.1990, Sachgebiet 100


Der federführende Rechtsausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf in Drucksache 11/663 abzulehnen. (...)Für den Fall, daß der Deutsche Bundestag dieser Beschlußempfehlung folgt, entfällt eine Berichterstat tung nach § 96 der Geschäftsordnung.



E. Weiterer Fortgang des Gesetzes


Dieser Vorschlag fand nicht die notwendige Zustimmung. Deshalb wurde er nie Bestandteil des Grundgesetzes.en
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AG = Amtsgericht
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 11.09.2007, also nach Abschluss dieser Kommentierung
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