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KSchG
Kündigungsschutzgesetz
§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen (Regelung seit 01.01.2004)
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1. in Betrieben des privaten Rechts

a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,

b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann

und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,

2. in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts

a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,

b) der Arbeiternehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann

und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.

Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Franz-Anton Plitt
 (Internet entrepreneur)
 Chisinau
 (Moldova)


Stand: 01.02.2011
Co-Kommentatoren
Düsseldorf
:
Christoph Burgmer
 (Rechtsanwalt)

München
:
Pierre Rosenberger
 (Rechtsanwalt)

Betriebsbedingte Kündigung - Gründe aus betrieblichen Ursachen, ohne Mängel des ArbN
Die betriebsbedingte Kündigung, § 1 II S.1, 3. Alt. KSchG

I. Allgemeines

1. Auslöser des Entscheidungsprozesses, der in der Kündigung endet

Bei einer betriebsbedingten Kündigung beruhen die Gründe nicht auf einer persönlichen Unfähigkeit und auch nicht auf einem Fehlverhalten des ArbN. Der ArbN hat im Zweifel völlig korrekt seine Pflichten erfüllt.

Grund ist vielmehr ein Wegfall der Stelle an sich aus betrieblichen Gründen.

2. Es ergibt sich eine Entscheidungskette für den Unternehmer

Hierbei ist zwischen 3 Entscheidungen zu unterscheiden:

2.1 Entscheidung 1: Ich sehe dringende betriebliche Erfordernisse und deshalb ändere etwas ganz bestimmtes in meinem Betrieb (1. Entscheidung).

Die dringenden betrieblichen Erfordernisse müssen auf Grund vor allem wirtschaftlicher Faktoren (Auftragsmangel, Umstrukturierung des Unternehmens) zu unternehmerischen Entscheidungen (1. Entscheidung) führen, welche z.B. durch

- schlichten Kapazitätsabbau,
- Stilllegung von Betrieben,
- Rationalisierung von Abläufen bei Kapazitätserhalt,
- etc.

die betriebsbedingten Gründe aufgreifen und durch ihre Umsetzung einen Personalüberhang begründen.

2.2 Entscheidung 2: Sodann muß diese 1. Entscheidung kausal für die 2. Entscheidung sein:

Der entstandene Personalüberhang wird durch Kündigungen beseitigt.

Alternativ hätte man ja auch entscheiden können: Ich behalte den Überhang als Reserve oder mache mit demselben einen neuen Geschäftsbereich auf, etc.

2.3 Gerichtliche Überprüfbarkeit?

Bei diesen Entscheidungen zu 1. + 2. ist der Unternehmer nach heute ziemlich allgemeiner Auffassung weitgehend frei.

Eine gerichtliche Überprüfung ist nur sehr eingeschränkt darauf zulässig, ob die Entscheidungen unsachlich, also willkürlich, etc. sind BAG, 2 AZR 385/03 – Urt.v. 22.04.2004).

Allerdings ist gerichtlich zu prüfen, ob die Entscheidung getroffen wurde und die Umsetzung zumindest begonnen hat bzw. zu erwarten ist sowie, ob daraus wirklich ein Personalüberhang entsteht/entstanden ist. Deshalb kann sich die schriftliche Protokollierung eines solchen Beschlusses selbst beim Einzelunternehmen empfehlen!

2.4 Entscheidung 3: Wem kündige ich?

Lediglich diese 3. Entscheidungsstufe ist, bei Anwendbarkeit von § 1 KSchG, weitgehender gerichtlicher Kontrolle unterzogen, nämlich: Wen aus der Gruppe der Mitarbeiter, in der der Personalüberhang besteht, kündige ich?

Hierzu weiter unten!


II. Interessenabwägung ?

Eine Interessenabwägung hat zwar theoretisch in allen Fällen des § 1 KSchG immer noch zusätzlich zu erfolgen.

Bei der betriebsbedintgten Kündigung ist aber hierfür neben der Sozialauswahl praktisch kein Platz mehr.

Entgegen einiger Instanzgerichte hält das BAG derzeit noch an diesem Prüfungspunkte fest (hat ihn jedenfalles bislang nicht aufgegeben). Tatsächlich ist dieser Punkt hier jedoch nicht mehr relevant.


III. Fälle einer Betriebsbedingtheit einer Kündigung

1. Voraussetzungen

Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung sind dringende betriebliche Erfordernisse, die fehlende Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung im Unternehmen und die ordnungsgemäße Sozialauswahl.

Hierbei wird begrifflich zwischen außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Gründen unterschieden.

1.1 Außerbetriebliche Gründe

Außerbetriebliche Gründe sind z.B. Lieferanten-, Kunden- und Konkurrentenveränderungen.

Infrage kommen daher höhere Beschaffungskosten, Absatzschwierigkeiten wegen geringerer Nachfrage oder wegen verbesserter Konkurrenzangebote.

Wenn z.B. in einem gastronomischen Unternehmen mit 200 Plätzen bislang 5 Bedienungen je 40 Plätze abdeckten, die zu 80% ausgebucht sind kann es ohne Veränderungen im Betriebe geschehen, daß die Ausbuchungsquote von 80 auf 50% fällt, weil ein Konkurrent eröffnet hat.

Der Arbeitgeber darf solch eine gesunkenes Beschäftigungsvolumen nicht einfach behaupten, er muß es vielmehr mit greifbaren Anhaltspunkten vortragen (BAG, 2 AZR 412/05 - PM v. 18.05.2006)

Rein aus außerbetrieblichen Gründen ist damit ein Arbeitskräfteüberhang (von 2 Bedienungen) entstanden.

Hieraus kann der ArbG dann die unternehmerische Entscheidung ableiten: Ich entlasse diese 2 Personen. An den Betriebsabläufen, etc. ändere ich nichts.

Dies wäre der (eher seltene) Fall einer alleine außerbetrieblichen Begründung.

Relevanter sind die außerbetrieblichen Gründe als Auslöser für echte Restrukturierungsmaßnahmen, also Veränderungen der Betriebsabläufe - was dann innerbetriebliche Gründe sind.

1.2 Innerbetriebliche Gründe

Innerbetriebliche Gründe sind Umstrukturierungspläne, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen.

Derlei Umstrukturierungsmaßnahmen sind zwar oft, aber keineswegs immer durch außerbetriebliche Gründe angestoßen. Auch ein gewinnträchtiges Unternehmen kann und darf seine Rentabilität durch Betriebsoptimierungen weiter verbessern - einfach nur zur Gewinnmaximierung.

Auch eine Betriebsstillegung berechtigt zur Kündigung (BAG, 8 AZR 273/08 - Urt.v. 28.05.2009).

1.3 Die betrieblichen Gründe müssen "dringlich" sein

Anders als bei Anknüpfung an Verhalten und Person des ArbN, bei denen nur "Gründe" gefordert sind, benutzt der Gesetzgeber bei den betriebsbedingten Gründen zusätzlich das Adjektiv "dringlich".

Dringend ist ein solches Erfordernis lediglich, wenn der Unternehmer nur durch das Entstehen-Lassen des Personalüberhanges in Form von Beschäftigungsverhältnissen seine 1. Entscheidung umsetzen kann (ultima-ratio- oder Verhältnismäßigkeits-Prinzip).

Alternativen können sein:

Alle arbeiten weniger Stunden, z.B. nach Überstundenabbau.

Zur Einführung von Kurzarbeit ist der Unternehmer nicht verpflichtet. Dies kann aber anders sein, wenn bei Kündigung wegen Auftragsmangel erkennbar ist, dass dieser nur kurzfristig besteht.

Eine Beendigung des Einsatzes von Leih-Arbeitnehmern (Personalleasing) kann hierduch angeraten sein - wenn nicht qualitative Gründe hiergegen sprechen.

Es bleibt eine gewisse Unschärfe und Beliebigkeit bei diesem Merkmale. Tatsächlich erscheint es etwas überflüssig, meine ich. Das Weiterbeschäftigungsgebot sowie das Mißbrauchsverbot iVm. dem "Ultima-Ratio-" bzw. "Verhältnismäßigkeits- Prinzip" konsumieren die hierzu denkbaren Fallgruppen, meine ich.


2. Kausalität für Kündigungen an sich

Die 1. Entscheidung "Ich setze einen konkreten Plan um" muß für die 2. Entscheidung "der entstandene Personalüberhang wird durch Kündigung beseitigt" kausal sein.


3. Einzelfälle

Arbeitsmangel kann zu einem dringenden betrieblichen Interesse führen, wenn dies zu einem Personalüberhang führt. Allerdings muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, ob z.B. durch den Abbau von Überstunden ein Personalabbau vermieden werden kann.

Des Weiteren berechtigt Verkleinerung, Stilllegung, Konkurs des Betriebes, Rationalisierungsmaßnahmen und Witterungsgründe (vor allem im Baugewerbe und der Landwirtschaft) zur Kündigung.

Der Betriebsübergang führt nach § 613 a BGB zur Fortführung des Arbeitsverhältnisses durch den neuen Eigentümer (oder, im Falle des Widerspruches des ArbN, beim alten ArbG, der aber den Betrieb/-steil nun nicht mehr führt!). Kündigungen, die allein aus dem Grund des Betriebsüberganges erfolgen, sind unwirksam. Es muß der ArbG dringende betriebliche Erfordernisse darlegen.


IV. Sonstige Argumente gegen eine etwaige Kündigung

Natürlich sind hier, wie bei allen anderen Varianten des § 1 KSchG auch, zusätzlich zur Prüfung des Kündigungsgrundes an sich die Kriterien des Abs. 2, S. 2 + 3 KSchG zu beachten.

Demnach ist jeweils zu prüfen, ob die Mitarbeitervertretungen (Betriebs- bzw. Personalrat) zu beteiligen sind/waren und ob eine anderweitige Fortbeschäftigungsmöglichkeit besteht/bestand.

Bei der Betriebsbedingten Kündigung ist die Sozialauswahl nach Abs. 3 ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Thema.

Hierzu:

1. Anhörung der Mitarbeitervertretung

Neben den in § 1 KSchG aufgeführten Voraussetzungen kann die Anhörung des Betriebsrats noch eine weitere Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung sein (§ 102 BetrVG).


2. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an anderer Stelle

Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem vergleichbaren Arbeitsplatz darf innerhalb des Betriebes oder einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht gegeben sein.

Dabei hat der AG auch freie Arbeitsplätze zu berücksichtigen, die in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit frei werden.

Allerdings ist der Arbeitgeber bei der Schließung eines Betriebsteiles nicht verpflichtet einen Arbeitsplatz freizukündigen, wenn ein freier Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung vorhanden ist, auch wenn dieser u.U. beim Arbeitsweg etwas ungünstiger ist (BAG, Urt. v. 28.10.1999-2 AZR 437/98).

Die Weiterbeschäftigung im Konzern muss dagegen vom ArbGG nicht geprüft werden.

Ein vergleichbarer Arbeitsplatz ist dann gegeben, wenn er dem ArbN auf Grund dessen Ausbildung und dessen Tätigkeit zumutbar ist.


3. Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG


3.1 Betrieb als Basis

a.) Die Sozialauswahl ist im Rahmen des "Betriebes" durchzuführen.

Es geht also nicht um den Konzern und nicht einmal um das (Gesamt-)Unternehmen.

Was alles zu dem Betriebe gehört ist oft nicht so klar.

b.) Einbeziehung weiterer Personen, Elemente, etc.

Bei beabsichtigter Teilbetriebsstilllegung und Teilbetriebsübergang ist eine auf den gesamten Betrieb, einschließlich des später übergehenden Betriebsteils, bezogene Sozialauswahl durchzuführen (BAG, 8 AZR 391/03 – Urt.v. 28.10.2004).


3.2 Gruppe und Auswahl daraus im Normalfall

3.2.1 Maßgebliche Kriterien zur Bildung der Auswahl-Gruppe

Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung zu bilden. Arbeitnehmer, denen gegenüber eine ordentliche Kündigung in diesem Zeitpunkt auf Grund von Vorschriften des Sonderkündigungsschutzes ausgeschlossen ist, sind in diesen Personenkreis nicht einzubeziehen.„ - auch nicht, wenn Sonderkündigungsschutz wahrscheinlich sehr bald ausläuft (BAG, 2 AZR 241/04 – Urt.v. 21.04.2005).

Es können innerhalb der Gesamtgruppe unter Umständen Teil-Gruppen gebildet werden. Dies wird insbesondere auch gelegentlich nach Altersgruppen getan. Für die Gruppenbildung ist dies wohl nach wie vor unter Umständen zulässig (BAG, 2 AZR 468/08 - Urt.v. 18.03.2010; siehe aber unten Ausführungen zur Einzelauswahl, wo eine Auswahl nach Alter hier von mir abgelehnt wird).

Soll einem Teilzeitarbeiter gekündigt werden, so hat die Sozialauswahl auch im Vergleich mit den Vollbeschäftigten zu erfolgen, wenn durch die Teilbeschäftigung nur die Anzahl der Arbeitsstunden abgebaut werden soll.

Ist der Betrieb dagegen so organisiert, dass die Vollarbeiter und Teilbeschäftigten für bestimmte Tätigkeiten zuständig sind, erfolgt bei der Sozialauswahl kein Vergleich von Teilzeitbeschäftigten und Vollbeschäftigten (BAG, Urt. v. 12.08.1999-2 AZR 12/99).

Bei einer betriebsbedingten Kündigung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Angestellten sind in die Sozialauswahl nach § 1 Abs 3 KSchG grundsätzlich nur Angestellte derselben Vergütungsgruppe einzubeziehen (BAG, 2 AZR 38/04 – Urt.v. 23.11.2004).

Eine Herausnahme bestimmter eigentlich hierzu gehörender Personen aus einer solchen Gruppe kann, zumindest bei flachen Hierarchien, auch aufgrund besonders ausgeprägtem Verantwortungsbewußtsein und Anleitungsfähigkeit gegenüber anderen ArbN gerechtfertigt sein (BAG, 2 AZR 420/09 -Urt. v. 10.06.2010, Rn. 30).


3.2.2 Maßgebliche Kriterien zur Auswahl aus der Gruppe

Bei der sozialen Auswahl der ArbN zur Kündigung ist u.a. auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Arbeitsmarktchancen der AN, Gesundheitszustand, Vermögensverhältnisse und die Unterhaltsverpflichtungen des ArbN Rücksicht zu nehmen.

Auch die Vorschriften des AGG sind hier relevant (BAG 2 AZR 523/07 - Urt. v. 06.11.2008; 2 AZR 676/08 - Urt. v. 05.11.2009, insb. Rn. 24 ff.)

a.) Bei der Auswahl des ArbN aus einer Gruppe von ArbN hat die Dauer der Betriebszugehörigkeit keine Priorität mehr gegenüber den anderen Umständen, die bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen sind (BAG, Urt. v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98).

b.) Der ArbG kann dabei auch das Ziel einer ausgewogenen Personalstruktur in seine Überlegungen mit einbeziehen.

Diese Grundsätze gelten auch für den öffentlichen Dienst (BAG s.o.).

c.) Lebensalter als zulässiges Kriterium?

Zumindest hinsichtlich des Kriteriums des Lebensalters ist allerdings fraglich, ob dies noch europarechtskonform ist!

Das BAG hat noch am 05.11.2009 dieses Kriterium als zulässig angesehen (BAG, 2 AZR 676/08 - Urt. v. 05.11.2009, insb. Rn. 25 ff.)

Hierzu werden auch abweichende Meinungen vertreten und es ist namentlich angesichts einer Umbesetzung des zuständigen BAG-Senates zum Jahreswechsel 2009/2010 durchaus mit einer zumindest Herabstufung dieses Kriteriums zu rechnen (siehe Prof. Dr. Volker Rieble, Kolummne in der FAZ am 01.01.2010).

Auch ich meine, daß dieses Kriterium des Lebensalters bei der Sozialauswahl gegen das EU-Diskriminierungsverbot wegen Alters verstößt!

In anderem Zusammenhang hat sich jüngst der EuGH zu dem Kriterium Lebensalter bei Kündigung von Arbeitsverhältnissen geäußert. Demnach ist dieses Kriterium in § 622 BGB (BRD) bei der Berechnung der Kündigungsfristen EU-rechtswidrig. Allerdings ist die Problemstellung hier eine ganz andere als bei der dem EuGH-Urteil zugrunde liegenden Gestaltung des § 622 BGB (siehe EuGH, C-555/07 - Urt.v. 19.01.2010).

In der Entscheidung vom 19.01.2010 hat der EuGH zusätzlich ziemlich klar gesagt, daß die Gerichte notfalls auch Normen unangewendet lassen können, um zu einem gemeinschaftsrechtskonformen Ergebnis zu kommen - und zwar auch ohne vorherige EuGH-Vorlage! Wenn ich das richtig verstehe, kann demnach auch ein Teil einer Norm ausgelassen werden, soweit dies eine eigenständige Bedeutung hat (was hier hinsichtlich des Lebensalters der Fall ist). Demnach könnten ab sofort einzelne Arbeitsgerichte das Kriterium Lebensalter weglassen oder zumindest nur noch bei fehlendem Ergebnis nach den anderen Kriterien subsidiär anwenden. Warten wir also die weitere Entwicklung hierzu ab - was anderes können wir ja doch nicht tun.


3.3 Ausnahmen

Von der Sozialauswahl sind allerdings gewisse Gruppen ausgenommen, wie z.B. Funktionsträger nach § 15 KSchG; Wehr- und Zivildienstleistende (§§ 2,10 ArbPlSchG; 78 I Nr.1 ZDG), freigestellte AN, befristet beschäftigte ArbN (§ 620 BGB), tariflich unkündbare ArbN, ArbN in Mutterschafts- oder Erziehungsurlaub oder Schwerbehinderte (§ 15 SchwbG).


3.4 Richtlinien durch Betriebsvereinbarung oder Tarifverträge

Sind in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen Richtlinien für die soziale Auswahl getroffen worden, so beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der Fehlerhaftigkeit der Auswahl nur noch auf grobe Fehler (§ 1 IV KschG).


Betriebsstillegung/Betriebsübergang?

Bei einer Betriebsstillegung ist natürlich keine Sozialauswahl nötig (es werden ja alle entlassen) (BAG, 8 AZR 273/08 - Urt.v. 28.05.2009).

Andererseits liegt schon meist gar kein betrieblicher Grund vor, wenn es ein Betriebsübergang ist!

In Grenzfällen eines Betriebsübergangs (oder eben nicht) liegen also zwei sehr entfernte Extreme nahe beieinander (siehe z.B. BAG, 8 AZR 273/08 - Urt.v. 28.05.2009).

Schwierig ist unter Umständen bei einer Trennung mehrerer Gesellschafter die Frage zu beurteilen, ob eine Fortführung selbständiger Teile oder eine Betriebsstillegung vorliegt (bei Trennung einer Anwaltssozietät mit 6 Anwälten in 3 neue Kanzleien pro Betriebsstillegung: LAG München, 9 Sa 926/05 - Urt.v.08.03.2009).


4. Mitglieder von Betriebsräten, Personalvertretungen, Jugend- und Auszubildendenvertretungen, Bordvertretungen, Wahlbeteiligten bei Betriebsratswahlen

Bei diesen Personen ist wegen § 15 KSchG auf die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung besonders zu achten.

Näheres hierzu in den Ausführungen zu § 15 KschG.


V. Prozessuales:

Der AG muss die Gründe für den Arbeitsplatzabbau darlegen und beim substantiierten Bestreiten der Behauptungen durch den AN auch beweisen.

Der AN hat dagegen darzulegen, dass andere Beschäftigungsmöglichkeiten in den Betrieben des Unternehmens vorhanden sind, wobei die Bezeichnung einer bestimmten Abteilung ausreichend ist.
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AN = Arbeitnehmer
AG = Arbeitgeber
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
ArbN = Arbeitnehmer
ArbZG = Arbeitszeitgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 01.02.2011, also nach Abschluss dieser Kommentierung
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