Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
KSchG
Kündigungsschutzgesetz
§ 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen (Regelung seit 01.01.2004)
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1. in Betrieben des privaten Rechts

a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,

b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann

und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,

2. in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts

a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,

b) der Arbeiternehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann

und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.

Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Franz-Anton Plitt
 (Internet entrepreneur)
 Chisinau
 (Moldova)


Stand: 10.02.2011
Co-Kommentatoren
Düsseldorf
:
Christoph Burgmer
 (Rechtsanwalt)

München
:
Pierre Rosenberger
 (Rechtsanwalt)

Kurzüberblick zum Thema
(Reine Übersicht - Alle Details sind also bitte an anderer Stelle zu recherchieren - sonst wird’s hier gleich zu lang und unübersichtlich, „man sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr“. Deshalb sind weiter unten auch Links zu anderen Kommentaren für Teilbereiche eingebaut!


I. Allgemeines + Anwendbarkeit, Abs. 1

1. Position im Normgefüge

Arbeitsverhältnisse sind eine Teilmenge der Dienstverhältnisse. Die Dienstverhältnisse sind zunächst in den §§ 611 – 630 des BGB und den zugrunde liegenden Normen des Allg. Teils und des Allg. Schuldrechts des BGB, den §§ 1 – 432 BGB, geregelt.

Gem. §§ 611 ff., insb. §§ 621 + 622 BGB kann eine ordentliche, fristgemäße Kündigung eines Dienst- und auch eines Arbeitsverhältnisses eigentlich durch beide Seiten grundlos erfolgen. Dies hat gem. § 623 BGB allerdings im Falle eines Arbeitsverhältnisses schriftlich zu erfolgen. Die Schriftform wiederum ist in § 126 BGB geregelt.

§ 1 KschG stellt nun Sonderregelungen für bestimmte Arbeitsverhältnisse hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an eine Kündigungslage auf.


2. Anwendbarkeitsvoraussetzungen

Während das KschG insgesamt mittlerweile zumindest in Teilen für nahezu alle Betriebe und Arbeitsverhältnisse gilt (siehe z.B. § 4 KschG), ist § 1 KschG definitiv nur anwendbar

- gem. § 23 KschG für Betriebe mit mehr als 10 (bzw. bei älteren Betrieben und Belegschaften evtl. auch bereits bei mehr als 5) Mitarbeitern (siehe hierzu bei § 23 KschG)

- und dann auch nur für die Mitarbeiter, die nicht in einem sonstigen Dienstverhältnis sondern einem Arbeitsverhältnis sowie mehr als 6 Monate dabei sind.

Weiterhin darf es sich nicht um eine Beschäftigung im Rahmen eines (wirksam) befristeten Vertrages handeln.


3. Andere Beendigungs- und Nichtigkeitsgründe

Unberührt von § 1 KschG und meinen Ausführungen sind natürlich die diversen anderen Möglichkeiten der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, wie z.B. Anfechtung gem. § 142 BGB, Aufhebungsvertrag, etc.


II. Unwirksamkeitsgründe für Kündigungen, Abs. 2 + Abs. 3


In den Absätzen 2 + 3 werden sodann eine Reihe von Unwirksamkeitsgründen aufgezählt.


1. Während das Gesetz sich negativ ausdrückt sind hier positiv die einzigen zulässigen Kündigungsmöglichkeiten aufgezählt:


1.1 Personenbedingte Kündigungsmöglichkeit

Eine Kündigung ist demnach zulässig, wenn in der Person des zu kündigenden ArbN Gründe vorliegen, die es als sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen, daß er zukünftig sinnvoll arbeiten kann.

Dies ist z.B. nach einem Verkehrsunfall mit anschließender Behinderung oft der Fall – je nachdem, ob diese Behinderung der bisherigen Tätigkeit im Wege steht.

Ein Profi-Fußballspieler nach unfallbedingtem Beinverlust ist hier ein Extrembeispiel.

Ein Verschulden des ArbN ist natürlich nicht nötig.

Eine Abmahnung ist hier überflüssig, denn durch die Abmahnung wächst das verlorene Bein keinesfalles wieder nach!

Hier klicken zum Spezialkommentar zur personenbedingten Kündigung.


1.2 Verhaltensbedingte Kündigungsmöglichkeiten

Kann der ArbN die Anforderungen seines Arbeitsplatzes erfüllen und tut dies schlicht nicht, ist eine verhaltensbedingte Kündigung möglich.

Ein Fußballprofi, der wegen Alkoholgenusses immer am Tage vor dem Spiele beim Spiele nicht laufen kann ist hier ein Extrembeispiel.

Diese setzt Verschulden voraus (sonst ist es ja eine personenbedingte Minderleistung).

Hier ist in aller Regel der ArbN erst einmal aufzufordern, zukünftig sich mehr zu bemühen (Abmahnung).

Es gibt natürlich Grenzen der Zumutbarkeit für den ArbG. Kann das Risiko einer Wiederholung nicht hingenommen werden, ist eine Abmahnung und anschließende Weiterbeschäftigung natürlich nicht zumutbar und es kann sofort gekündigt werden. Zugunsten des ArbN sind hier aber sehr enge Maßstäbe anzulegen!

Hier klicken zum Spezialkommentar zur verhaltensbedingten Kündigung.


1.3 Betriebsbedingte Kündigungsmöglichkeit.

Hierzu sind dringende betriebliche Erfordernisse der Anlaß. Das kann insbesondere eine Reduktion der Mitarbeiterzahl in dem betroffenen Bereich sein.

Den Anstoß geben in diesem Falle also keine Gründe beim ArbN sondern im Betriebe des ArbG!

Hier klicken zum Spezialkommentar zur betriebsbedingten Kündigung.


2. Selbst wenn eine oder mehrere der oben genannten positiven Kündigungsszenarien vorliegt, kann die Kündigung unwirksam sein, wenn sie gegen mindestens einen der nachfolgend dargestellten Negativaspekte verstößt:


2.1 Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen Richtlinien, die mit der Mitarbeitervertretung ausgemacht wurden, und zwar:

a.) In privaten Unternehmen gegen solche nach § 95 BetrVG,

b.) In Betrieben + Verwaltungen des öffentlichen Rechtes gegen solche mit der Personalvertretung ausgehandelte.

In beiden Fällen muß die Mitarbeitervertretung (also im privaten der Betriebsrat und im öffentlichen die Personalvertretung) hiergegen ordnungsgemäß vorgegangen sein, um die Kündigung wirklich unwirksam zu machen.


2.2 Unwirksamkeit der Kündigung, weil der Mitarbeiter im Unternehmen bzw. dem Verwaltungszweig weiterbeschäftigt werden kann.

Auch hier ist ein ordnungsgemäßes und rechtzeitiges Vorgehen der Mitarbeitervertretung nötig.

Hierunter fällt auch, wenn eine Weiterbeschäftigung nur zu veränderten Bedingungen und evtl. nach Fortbildung möglich ist und der ArbN sich hiermit einverstanden erklärte (Abs. 2, Satz 2).


2.3 Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlender Sozialauswahl - Dieser Unwirksamkeitsgrund gilt nur für die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen!

Hier sollen aus einer zu bildenden Gruppe potentiell zu entlassender Mitarbeiter (z.B. Alle Schlosser im Werke der Stadt S, alle Näherinnen im Werke der Ortschaft O) diejenigen ausgewählt werden, die darunter am wenigsten leiden bzw. die eine Weiterbeschäftigung am wenigsten verdienen.

Die Aspekte sind Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung.

Besonders qualifizierte und benötigte Personen kann der ArbG aus dieser Gruppe vorweg herausnehmen.

Die Aspekte widersprechen sich oft, und meist kann man nicht alle Kriterien gleichrangig beachten.

Es ist daher oft ausgesprochen schwierig, alle oben genannten Unwirksamkeitsgründe zu umschiffen. So können durchaus mehreren Mitarbeitern gute Argumente zur Seite stehen. Der eine ist vielleicht lange im Betriebe, der andere wiederum älter, der 3. ist unterhaltspflichtig und der 4. evtl. behindert.

Egal, welchen man entläßt, der Arbeitsrichter kann entscheiden, daß im jeweiligen Falle ein anderer Aspekt wichtiger gewesen wäre.

Dies ist fast der Regelfall und führt in der Praxis dazu, daß bei betriebsbedingten Kündigungen sehr viele Mitarbeiter beim Arbeitsgericht eine Abfindung erreichen – durch den vom Richter dann vorgeschlagenen Vergleich.


III.Erleichterungsgründe für den Arbeitgeber

Bei dieser Problematik der immer gegebenen Angreifbarkeit der wirklich getroffenen Entscheidung setzen die Absätze 4 + 5 des § 1 KschG an:

Arbeitet der Arbeitgeber bei der Kündigungsvorbereitung mit Arbeitnehmervertretungen zusammen, wird ihm die Vermeidung eines der oben genannten Unwirksamkeitsgründe etwas erleichtert.

1.Dies kann durch einen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder einer Richtlinie nach dem Betriebsverfassungsgesetz ziemlich abstrakt erfolgt sein, siehe Absatz 4.

2.Dies kann aber auch sehr konkret durch einen Interessenausgleich zwischen dem ArbG und dem Betriebsrat erfolgt sein, siehe Absatz 5.

Letzterer Weg ist allerdings nur im Rahmen einer sogenannten Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG möglich.

----------------
Diese Ausführungen dienen zur Erlangung eines Verständnisses der Systematik des § 1 KschG und dürften kaum die Lösung eines Einzelfalles ermöglichen. Hierzu sind ausführlichere Darlegungen zu den einzelnen Themen durchzuarbeiten oder ein Mitglied der rechtsberatenden Berufe zu konsultieren!
In dieser Kommentarsreihe werden insbesondere folgende Abkürzungen und Quellen verwendet:
a.A. = Anderer Ansicht
AG = Arbeitgeber (evtl. auch einmal "Aktiengesellschaft")
AGBs, AGB´s = Allgemeine Geschäftsbedingungen
AN = Arbeitnehmer
AG = Arbeitgeber
ArbG = Arbeitsgericht (gelegentlich auch für Arbeitgeber!)
ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz
ArbN = Arbeitnehmer
ArbZG = Arbeitszeitgesetz
AT = Austria, Österreich
BAG = Bundesarbeitsgericht (BRD)
BGB = Bürgerliches Gesetzbuch (BRD)
BGH = Bundesgerichtshof (BRD)
BRD = Bundesrepublik Deutschland
BVerwG = Bundesverwaltungsgericht
CH = Schweiz
Dornb./W.- ... Dornbusch/Wolff-(Bearbeiter), KSchG, arbeitsrechtliche Kurzkommentare, Luchterhand-Verlag
EuGH = Europäischer Gerichtshof
EU = Europäische Union
h.M. = Herrschende Meinung
KSchG = Kündigungsschutzgesetz
LAG = Landesarbeitsgericht
OGH = Oberster Gerichtshof (Österreich)
OLG = Oberlandesgericht (BRD)
OVG = Oberverwaltungsgericht (BRD)
Pal.- ... = Palandt-(Bearbeitername), Kurzkommentar zum BGB, C.H. Beck-Verlag
PM = Pressemitteilung
m.M. = Mindermeinung
Staudinger-... = Staudinger-(Bearbeiter, Kommentar zum BGB
str. = strittig, streitig
u.a. = unter anderem
u.U. = Unter Umständen
ZPO = Zivilprozeßordnung
Urteile nach 10.02.2011, also nach Abschluss dieser Kommentierung
       URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS BER UNS IMPRESSUM