Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
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InsO (Stand 31.12.2012)
Insolvenzordnung
§ 82 Leistungen an den Schuldner (Regelung seit 01.01.1999)
Ist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet worden, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, so wird der Leistende befreit, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung geleistet, so wird vermutet, daß er die Eröffnung nicht kannte.
Franz-Anton Plitt
 (Internet entrepreneur)
 Chisinau
 (Moldova)


Stand: 31.03.2004
Co-Kommentatoren
Halle/Saale
:
Rechtsanwalt Steffen Mälzer
 (Rechtsanwalt)

1. Soweit ersichtlich gehen alle Kommentatoren und die Rechtsprechung davon aus, dass diese Norm inhaltlich dem früheren § 8 KonkO entspricht. Damit liegt inhaltlich eine deutliche Abweichung von § 7 GesO vor.
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass nach dem Wortlaut der GesO jede Leistung an den Schuldner nach Veröffentllchung der GesO-Eröffnung nicht mehr leistungsbefreiend wirkte. Von diesem allgemein als zu streng empfundenen Prinzip wurden im Bereich der GesO Ausnahmen nur gem. § 242 - Treu und Glauben - als zulässig angesehen. Ein einheitlicher Meinungsstand für den Bereich der GesO wurde offenbar nicht erreicht; er ist nunmehr wohl auch nicht mehr zu erwarten.

2. Der Gesetzgeber hat sich letztlich mit der inhaltlichen Übernahme des § 8 KonkO der moderateren Auffassung angeschlossen, auf dessen Kommentierung also weiter aufgebaut werden kann.

3. Andererseits hat der Gesetzgeber keinen Zweifel daran gelassen, dass die Veröffentlichung der Verfahrenseröffnung nicht zum Spaß erfolgt sondern ernste Konsequenzen hat.

3.1 So kann der Leistende vor der Veröffentlichung (meist im Bundesanzeiger) behaupten, von der Verfahrenseröffnung nichts gewusst zu haben. Es obliegt sodann dem Insolvenzverwalter, dass Gegenteil, also die Kenntnis des Leistenden im Leistungszeitpunkt von der Insolvenzeröffnung nachzuweisen. Es ist positive Kenntnis erforderlich.

Dieser Bereich dürfte in der Praxis wenig Schwierigkeiten machen.

3.2 Fraglich ist, wie das Thema der Kenntnis des Leistenden nach Veröffentlichung zu behandeln ist.

a.) Der Umkehrschluß zu S.2 des § 82 InsO gebietet anzunehmen, dass nach Eröffnung der Leistende darzutun und zu beweisen hat, warum er keine Kenntnis gehabt haben will (das scheint allg. Meinung zu sein).

Dieser Vortrag kann naturgemäß normalerweise kein lückenloser und etwaige Beweisangebote kein Vollbeweis sein, da ja eine Unkenntnis wie auch jedes Nichthandeln kaum vollständig dargelegt und bewiesen werden kann.

b.) Die Entscheidung, dass nur die positive Kenntnis dem Leistenden schadet, ist erstaunlich.

aa. Sie wird als wenig sachgerecht anzusehen sein, denn man kann sich auch aktiv jeder Kenntnisnahme verweigern.

So wird es (wohl mehrheitlich) in Literatur und Rechtsprechung als unbefriedigend angesehen, wenn ein Unternehmen den Bundesanzeiger bezieht, aber nicht liest.

Es kann auch nicht befriedigen, wenn ein mittleres oder großes Unternehmen den Bundesanzeiger erst gar nicht abonniert, um gar nicht in die Gefahr der unwirksamen Leistung zu kommen.

Andererseits ist der Wortlaut des § 82 eindeutig.

Dennoch werden z.B. im Bereich des § 407 BGB, der sich einer ebenso deutlichen Wortwahl bedient, Aufweichungen dadurch erreicht, dass in bestimmten Fällen die Berufung auf Unkenntnis (dort: der Abtretung) als rechtsmißbräuchlich angesehen wird.

Staud.-Jan Busche, (13. Aufl. Rn. 38, 39, mwN) nimmt dies insbesondere an, wenn der Betrieb so organisiert ist, "daß zuständige Mitarbeiter die für die Kenntniserlangung wesentlichen Informationen nicht erhalten" bzw. trotz Zugangs einer Mitteilung deren Inhalt nicht zur Kenntnis genommen wurde.

Angesichts des Wortlautes müssen diese Ausnahmen jedoch beschränkt bleiben, ohne dass dies die oben genannten Bedenken ausräumt.

bb. Soweit erkennbar werden daher sehr weitreichende Anforderungen an die Darlegung und den Beweis der Unkenntnis gestellt (Siehe z.B. LG Dortmund, ZIP, 97,206 zu § 8 KonkO; Hess, Weiss, Wienberg, Komm. InsO, § 82, Rn. 20 ff).

So genügt für den Unkenntnisnachweis bei einer Versicherung nicht, dass die zuständigen Sachbearbeiter von dem Insolvenzverfahren nichts wussten (LG Dortmund, aaO). Es muß, im Ergebnis, bewiesen werden, dass kein zuständiger oder noch irgendwie indirekt damit befasster Mitarbeiter und auch keiner deren Vorgesetzten von der Insolvenzeröffnung wussten.

Hierzu führt das LG Dortmund (aaO) aus:
"Insofern ist es der Beklagten praktisch kaum möglich, den Beweis ihrer Unkenntnis zu führen. Der Gesetzgeber hat aber in Kauf genommen, dass dieser Beweis nur in seltenen Ausnahmefällen erbracht werden kann, da ansonsten die Zustellungsfiktion der öffentlichen Bekanntmachung bedeutungslos wäre."

Diese Ausführungen genügen vielleicht den eingangs genannten Bedenken bei großen Unternehmen, da dort dieser Beweis eben nicht erbracht werden kann. Dann aber hätte man auch gleich die GesO-Vorschrift übernehmen können.

Bei kleineren Unternehmen hingegen ist damit der Beweis noch recht leicht zu führen. Man braucht nur vorzutragen, dass keiner der Mitarbeiter und Vorgesetzten Bescheid gewusst hätten und bietet deren aller Zeugnis als Beweis an.

Auch wenn dieser Weg realistisch nur kleineren Unternehmen offen steht (siehe oben LG Dortmund), kann dies nicht wirklich befriedigen.

Angebracht scheint daher, dass vorsätzliches Verhindern der Kenntniserlangung, also z.B. das Nicht-Bestellen des Bundesanzeigers bei mittleren und größeren Firmen wie auch das Nicht-Lesen desselben, wie positive Kenntnis behandelt werden sollten (siehe überhaupt zum Begriff der "Kenntnis": Staudinger-Jan Busche, 13. Aufl. § 407 BGB, Rn. 30 ff).

4. Darüber hinaus muß an den Schuldner geleistet werden/worden sein.

Das mag sich im Einzelfall als schwierig darstellen, wenn z.B. an einen Dritten geleistet wurde.

Interessant ist der Fall, dass aufgerechnet wurde.

Normalerweise dürften hier keine Besonderheiten gelten.

Unzulässig kann es im Einzelfall sein, eine Aufrechnungslage erst zu schaffen, mit dem Ergebnis, dass die spätere Aufrechnung angefochten werden kann (§§ 129 ff).

Unsinn ist es aber, wenn manche Gerichte meinen, dass im Rahmen eines langfristigen Mietvertrages über z.B. ein Kfz ein Berater ab der Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten mit nach Fälligkeit des Mietzinses begründeten Forderungen für unbestritten sinnvolle Leistungen (Prozeßführung) nicht unanfechtbar aufrechnen könne (so aber LG Halle, 4 O 449/02 in einem Verfahren, wo der Insolvenzverwalter diese Mieten der letzten 7 Monate einklagte; das OLG Naumburg, 5.Zs., riet in der Berufung eindringlich, die Berufung des Beklagten zurückzunehmen, was angesichts der Unterschreitung der Revisionssumme geschah. Wozu die Parteien bei diesem Termin erscheinen sollten, anstatt die Berufung durch Beschluß zurückzuweisen wird wohl das Geheimnis des 5.Zs. bleiben).

5. Muß sich der InsO-Verw. zuerst an den Schuldner halten, wenn unzulässig an den Schuldner geleistet wurde?

Diese Ansicht wird verschiedentlich vertreten (z.B. Nerlich-Römermann-Wittkowski, InsO, § 82 Rn. 4) .

Im Gesetz findet sie keine Stütze.

Wo dies unproblematisch erfolgen kann wird der InsO-Verw. das tun. Eine Verpflichtung hierzu besteht meiner Ansicht nach nicht. Auch ein rechtliches Bedürfnis ist nicht erkennbar, da der Leistende einen Rückforderungsanspruch nach § 812 I S.2 1. Alt. BGB gegenüber dem Schuldner hat.

Es ist auch kein Grund erkennbar, dass der nach § 82 InsO in seinem guten Glauben ja schon sehr weitreichend privilegierte Leistende dann, wenn er eben in Kenntnis der Verfahrenseröffnung doch noch an den Schuldner leistete, von den Mühen der Rechtsverfolgung zu Lasten des Insolvenzverwalters befreit werden sollte.
Urteile nach 31.03.2004, also nach Abschluss dieser Kommentierung
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