Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
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Pressemitteilung
C-238/15;
Verkündet am: 
 14.12.2016
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-238/15
Leitsatz des Gerichts:
(Titel: Luxemburg hat dadurch gegen Unionsrecht verstoßen, dass es die Gewährung einer Studienbeihilfe für Kinder von Grenzgängern an die Bedingung geknüpft hatte, dass der Grenzgänger zur Zeit des Beihilfeantrags mindestens fünf Jahre lang ununterbrochen in Luxemburg gearbeitet hat)
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Nach luxemburgischem Recht konnten Kinder von Grenzgängern, die in Luxemburg unselbständig oder selbständig beruflich tätig sind, eine finanzielle Studienbeihilfe unter der Voraussetzung beantragen, dass der Grenzgänger zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens fünf Jahre lang ununterbrochen in Luxemburg gearbeitet hat. Dieses Erfordernis eines ununterbrochenen Mindestarbeitszeitraums von fünf Jahren wurde im Juli 2013 infolge eines Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Giersch1 eingeführt und im Juli 2014 durch eine flexiblere Regelung ersetzt2.

Herr André Angelo Linares Verruga wohnt mit seinen Eltern, Frau Maria do Céu Bragança Linares Verruga und Herrn Jacinto Manuel Sousa Verruga, in Longwy (Frankreich). Seine Mutter ist seit dem 15. Mai 2004 als Arbeitnehmerin in Luxemburg tätig; diese Berufstätigkeit unterbrach sie nur einmal für weniger als drei Monate, nämlich von Ende 2011 bis Anfang 2012. Sein Vater war von 2004 bis 2011 sowie von 2013 bis 2014 in Luxemburg als Arbeitnehmer tätig. Seit dem 1. Februar 2014 arbeitet er dort als Selbständiger.

Herr Linares Verruga, der an der Universität Lüttich (Belgien) immatrikuliert war, beantragte bei den luxemburgischen Behörden die Gewährung einer Studienbeihilfe für das Wintersemester und das Sommersemester des Studienjahrs 2013/2014. Die luxemburgischen Behörden lehnten diese Anträge ab, da weder seine Mutter noch sein Vater zum jeweiligen Zeitpunkt der Antragstellung fünf Jahre lang ununterbrochen in Luxemburg gearbeitet hatte. Hiergegen erhob Herr Linares Verruga Klage vor dem Tribunal administratif (Verwaltungsgericht) Luxemburg, das daraufhin dem Gerichtshof die Frage vorgelegt hat, ob das Erfordernis der ununterbrochenen Mindestarbeitsdauer von fünf Jahren mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

In seinem Urteil von heute hat der Gerichtshof entschieden, dass das Erfordernis einer ununterbrochenen Mindestarbeitsdauer von fünf Jahren eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellt und somit gegen das Unionsrecht verstößt.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es für Studenten, die im luxemburgischen Hoheitsgebiet wohnen, kein solches Erfordernis gibt. Eine solche Unterscheidung aufgrund des Wohnsitzes kann sich jedoch stärker zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken, da Gebietsfremde meist Ausländer sind. Der Gerichtshof schließt deshalb auf das Vorliegen einer Ungleichbehandung.

Der Gerichtshof prüft anschließend, ob diese Ungleichbehandlung durch das von Luxemburg geltend gemachte Ziel, nämlich eine wesentliche Erhöhung des Bevölkerungsanteils der in Luxemburg ansässigen Hochschulabsolventen zu fördern, gerechtfertigt sein kann. Der Gerichtshof erkennt an, dass Luxemburgs Anliegen berechtigt ist, mit der fraglichen Regelung sicherzustellen, dass der Grenzgänger ein Band der Integration mit der luxemburgischen Gesellschaft aufweist; es darf daher eine hinreichende Verbundenheit mit diesem Mitgliedstaat verlangt werden, um der Gefahr von „Stipendientourismus“ entgegenzutreten. Der Gerichtshof hat deshalb das Erfordernis der Mindestarbeitsdauer des in Luxemburg arbeitenden Elternteils, der Grenzgänger ist, als solches für angemessen erachtet, da es dazu geeignet ist, eine Verbundenheit des Arbeitnehmers mit der luxemburgischen Gesellschaft sowie die angemessene Wahrscheinlichkeit dafür zu belegen, dass der Student später nach Luxemburg zurückkehren wird3.

Dagegen stellt der Gerichtshof fest, dass das Erfordernis einer ununterbrochenen Mindestarbeitsdauer von fünf Jahren über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Dieses Erfordernis erlaubt den zuständigen Behörden nämlich die Gewährung einer Beihilfe nicht, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Eltern, von einigen kurzen Unterbrechungen abgesehen, in der Zeit vor der Antragstellung für eine erhebliche Dauer (vorliegend fast acht Jahre) in Luxemburg gearbeitet haben. Da solche Unterbrechungen die Verbundenheit zwischen Luxemburg und dem Antragsteller der Beihilfe nicht lösen, kommt der Gerichtshof zum Ergebnis, dass das Erfordernis, fünf Jahre lang ununterbrochen in Luxemburg gearbeitet zu haben, eine Beschränkung darstellt, die über das hinausgeht, was zur Erreichung des von Luxemburg verfolgten rechtmäßigen Ziels (nämlich die Zahl der Hochschulabsolventen in der luxemburgischen Bevölkerung zu erhöhen) hinausgeht.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof am morgigen 15. Dezember darüber entscheidet, ob auch das Stiefkind eines Grenzgängers Anspruch auf eine Studienbeihilfe in Luxemburg hat, obwohl es nicht dessen genetisches Kind ist. Zu dieser Rechtssache wird es ebenfalls eine Pressemitteilung geben.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Urteil des Gerichtshofs vom 20. Juni 2013, Giersch (C-20/12, vgl. Pressemitteilung Nr. 74/13).
2Seit dem Inkrafttreten des luxemburgischen Gesetzes vom 24. Juli 2014 reicht es aus, dass der Grenzgänger in einem Zeitraum von sieben Jahren vor der Beantragung der Beihilfe fünf Jahre lang in Luxemburg gearbeitet hat.
3In dem oben genannten Urteil Giersch hatte der Gerichtshof übrigens selbst auf die Möglichkeit hingewiesen, die Gewährung der Beihilfe an die Voraussetzung zu knüpfen, dass der Grenzgänger für eine bestimmte Mindestdauer in Luxemburg gearbeitet hat.
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