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Sondertitel zu
§
839
BGB BĂŒrgerliches Gesetzbuch:
Deutsches Amtshaftungsrecht ist auf bewaffnete AuslandseinsÀtze der Bundeswehr nicht anwendbar (\"Fall Kunduz\")
Autor:
Orsolya Ianko, Klausenburg - Gartenbau-Ingenieur
Pressemitteilung
III ZR 140/15;
VerkĂŒndet am: 
 06.10.2016
BGH Bundesgerichtshof
 

Vorinstanzen:
7 U 4/14
Oberlandesgericht
Köln;
RechtskrÀftig: unbekannt!
Deutsches Amtshaftungsrecht ist auf bewaffnete AuslandseinsÀtze der Bundeswehr nicht anwendbar ("Fall Kunduz")
Zum Volltext

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob das deutsche Amtshaftungsrecht auf SchadensfĂ€lle Anwendung findet, die bei dem bewaffneten Auslandseinsatz deutscher StreitkrĂ€fte auslĂ€ndischen BĂŒrgern zugefĂŒgt werden.

Sachverhalt:

Die KlĂ€ger, afghanische Staatsangehörige, nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland mit der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch, nahe Angehörige seien bei einem MilitĂ€reinsatz getötet worden. Der Klage liegt ein Luftangriff auf zwei von Taliban-KĂ€mpfern entfĂŒhrte, in der NĂ€he von Kunduz (Afghanistan) auf einer Sandbank liegengebliebene TanklastzĂŒge zugrunde. Diese wurden auf Befehl des Kommandeurs des Provincial Reconstruction Teams (PRT) im Feldlager Kunduz, eines Offiziers der Bundeswehr, am 4. September 2009 im Rahmen des NATO-gefĂŒhrten ISAF-Einsatzes durch zwei US-amerikanische Kampfflugzeuge zerstört. Dabei kamen auch Zivilisten ums Leben.

Prozessverlauf:

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die KlÀger ihr Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der u.a. fĂŒr das Staatshaftungsrecht zustĂ€ndige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in BestĂ€tigung und FortfĂŒhrung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass den KlĂ€gern kein unmittelbarer völkerrechtlicher Schadensersatzanspruch zusteht und sie auch keinen Schadensersatzanspruch nach nationalem (deutschen) Recht haben, da das Amtshaftungsrecht (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG) auf militĂ€rische Handlungen der Bundeswehr im Rahmen von AuslandseinsĂ€tzen nicht anwendbar ist.

Es gibt nach wie vor keine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der dem Einzelnen bei VerstĂ¶ĂŸen gegen das humanitĂ€re Völkerrecht ein Anspruch auf Schadensersatz oder EntschĂ€digung zusteht. SchadensersatzansprĂŒche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenĂŒber fremden Staatsangehörigen stehen grundsĂ€tzlich nur dem Heimatstaat zu, der seinen Staatsangehörigen diplomatischen Schutz gewĂ€hrt.

Bei Schaffung des zusammen mit dem gesamten BĂŒrgerlichen Gesetzbuch am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen § 839 BGB dachte der Gesetzgeber nicht daran, dass hierdurch auch SchĂ€den durch militĂ€rische Kampfhandlungen im Ausland ersatzfĂ€hig sein sollten. Dementsprechend stand nach dem traditionellen VerstĂ€ndnis des Amtshaftungs- und Völkerrechts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs rechtlich außer Frage, dass militĂ€rische (Kriegs-)Handlungen im Ausland vom damaligen Amtshaftungstatbestand (§ 839 BGB i.V.m. Art. 131 der Weimarer Reichsverfassung) ausgenommen waren. Bei Erarbeitung der Vorschrift des Art. 34 GG und bei Inkrafttreten des Grundgesetzes hatte der historische Gesetzgeber weder die Aufstellung deutscher StreitkrĂ€fte noch deren Beteiligung an Kampfhandlungen im Ausland im Blick. Auch in der Folgezeit ist keine gesetzgeberische Entscheidung dahingehend erfolgt, den Anwendungsbereich der Amtshaftung auf militĂ€rische KampfeinsĂ€tze im Ausland auszudehnen. Der Wortlaut der maßgebenden Bestimmungen des Amtshaftungsrechts ist bis heute unverĂ€ndert geblieben. Wie der allgemeine Aufopferungsanspruch, der KriegsschĂ€den nicht erfasst, ist die Vorschrift des § 839 BGB auf den "normalen Amtsbetrieb" zugeschnitten. Die Entscheidungssituation eines verwaltungsmĂ€ĂŸig handelnden Beamten kann nicht mit der Gefechtssituation eines im Kampfeinsatz befindlichen Soldaten gleichgesetzt werden.

Gegen die Anwendbarkeit des allgemeinen Amtshaftungstatbestands bei Kampfhandlungen deutscher StreitkrĂ€fte im Ausland sprechen auch systematische ErwĂ€gungen in Bezug auf das völkerrechtliche Haftungsregime, das als eine das nationale Recht ĂŒberlagernde, speziellere Regelung anzusehen ist.

Die Werteordnung des Grundgesetzes zwingt nicht zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Amtshaftungsnormen. WĂŒrde man das anders sehen, könnte es in mehrfacher Hinsicht zu BeeintrĂ€chtigungen der von Verfassungs wegen geforderten BĂŒndnisfĂ€higkeit Deutschlands und des außenpolitischen Gestaltungsspielraums kommen (z.B. Zurechnung völkerrechtswidriger Handlungen eines anderen BĂŒndnispartners, kaum eingrenzbare – gesamtschuldnerische - Haftungsrisiken). Unter dem Gesichtspunkt der HaushaltsprĂ€rogative des Parlaments ist die Entscheidung ĂŒber die Zubilligung von EntschĂ€digungs- und AusgleichsansprĂŒchen im Zusammenhang mit bewaffneten AuslandseinsĂ€tzen deutscher StreitkrĂ€fte dem Gesetzgeber vorbehalten und kann nicht Gegenstand richterlicher Rechtsfortbildung sein.

UnabhĂ€ngig von der Frage der Anwendbarkeit des deutschen Amtshaftungsrechts scheitert ein hierauf gestĂŒtzter Schadensersatzanspruch der KlĂ€ger im Streitfall jedenfalls daran, dass im Zusammenhang mit dem Luftangriff auf die beiden entfĂŒhrten Tanklastwagen keine Amtspflichtverletzungen deutscher Soldaten oder Dienststellen im Sinne konkreter schuldhafter VerstĂ¶ĂŸe gegen Regeln des humanitĂ€ren (Kriegs-)Völkerrecht zum Schutze der Zivilbevölkerung festgestellt sind. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass fĂŒr den PRT-Kommandeur nach Ausschöpfung aller zur VerfĂŒgung stehenden AufklĂ€rungsmöglichkeiten die Anwesenheit von Zivilpersonen im Zielbereich des Luftangriffs objektiv nicht erkennbar war. Die getroffene militĂ€rische Entscheidung war daher völkerrechtlich zulĂ€ssig.

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§ 839 BGB lautet:

(1) Verletzt ein Beamter vorsĂ€tzlich oder fahrlĂ€ssig die ihm einem Dritten gegenĂŒber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. FĂ€llt dem Beamten nur FahrlĂ€ssigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er fĂŒr den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der AusĂŒbung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsÀtzlich oder fahrlÀssig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Art. 34 GG lautet:

Verletzt jemand in AusĂŒbung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenĂŒber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsĂ€tzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober FahrlĂ€ssigkeit bleibt der RĂŒckgriff vorbehalten. FĂŒr den Anspruch auf Schadensersatz und fĂŒr den RĂŒckgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Art. 131 der Weimarer Reichsverfassung lautete:

(1) Verletzt ein Beamter in AusĂŒbung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm einem Dritten gegenĂŒber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortung grundsĂ€tzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Der RĂŒckgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden.

(2) Die nÀhere Regelung liegt der zustÀndigen Gesetzgebung ob.
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