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Pressemitteilung
C-659/13, C-34/14;
Verkündet am: 
 04.02.2016
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Die Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Lederschuhe mit Ursprung in China und Vietnam in die Union ist teilweise ungültig
Leitsatz des Gerichts:
Der Rat und die Kommission haben beim Erlass der Verordnung bestimmte Verfahrensregeln nicht beachtet
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Am 5. Oktober 2006 erließ der Rat der Europäischen Union eine Verordnung1 zur Einführung eines Antidumpingzolls auf bestimmte aus China und Vietnam in die Europäische Union eingeführte Lederschuhe. Der Antidumpingzoll wurde für die von in China niedergelassenen Unternehmen hergestellten Schuhe auf 16,5 % festgesetzt (mit Ausnahme des Unternehmens Golden Step, für das der Antidumpingzoll auf 9,7 % festgesetzt wurde) und für die von in Vietnam niedergelassenen Unternehmen hergestellten Schuhe auf 10 %.

In den Jahren 2010 und 2012 beantragte Clark, ein britischer Schuhhersteller und –einzelhändler, bei der Steuer- und Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs die Erstattung des von ihm auf die Einfuhr von Schuhen in die Union im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis 31. August 2010 entrichteten Antidumpingzolls. Der Betrag, um den es ging, belief sich auf etwa 60 Millionen Euro. Das Unternehmen begründete seinen Antrag damit, dass die Verordnung, mit der der Antidumpingzoll eingeführt worden sei, ungültig sei. Nachdem dieser Antrag abgelehnt worden war, erhob Clark Klage beim First-tier Tribunal (Tax Chamber) (erstinstanzliches Gericht, Abteilung Steuersachen).

In den Jahren 2011 und 2012 beantragte Puma, ein deutsches Sportartikelunternehmen, beim Hauptzollamt Nürnberg (Deutschland) die Erstattung des Antidumpingzolls auf die Einfuhr der gleichen Waren und machte ebenfalls die Ungültigkeit der Verordnung geltend. Der Betrag, um den es ging, belief sich auf etwa 5,1 Millionen Euro. Nachdem sein Antrag abgelehnt worden war, erhob das Unternehmen Klage bei Finanzgericht München.

Die beiden Gerichte haben Zweifel an der Gültigkeit der Verordnung und haben daher beschlossen, sich an den Gerichtshof zu wenden.

In seinem Urteil vom heutigen Tag stellt der Gerichtshof fest, dass die Verordnung zur Einführung eines Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Ursprung in China und Vietnam teilweise ungültig ist.

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass in Fällen, in denen die Anzahl der von einer Antidumpinguntersuchung betroffenen Unternehmen sehr groß ist, die Kommission beschließen kann, diese Untersuchung durch Stichproben ausführender Hersteller, die nach den normalen statistischen Verfahren gebildet werden, auf eine vertretbare Anzahl von Parteien zu beschränken.

Des Weiteren ist im Unionsrecht die Grundregel festgelegt, wonach die Ermittlung des Normalwerts einer Ware, die eine der wesentlichen Etappen zur Feststellung eines Dumpings darstellt, grundsätzlich auf die Preise zu stützen ist, die unabhängige Abnehmer in den Ausfuhrländern im normalen Handelsverkehr zu zahlen haben.

Im Fall von Einfuhren u. a. aus China, Vietnam und aus Ländern ohne Marktwirtschaft, die zum Zeitpunkt der Einleitung der Untersuchung Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) sind, wird der Normalwert nach der Grundregel ermittelt, sofern sich nach Prüfung der ordnungsgemäß begründeten Anträge eines oder mehrerer in diesen Ländern niedergelassener Hersteller, die von der Untersuchung betroffen sind, erweist, dass für diesen oder diese Hersteller marktwirtschaftliche Bedingungen herrschen. Dadurch sollen marktwirtschaftlichen Bedingungen unterliegende Hersteller, die in den betreffenden Ländern entstanden sind, einen Status beanspruchen können, der ihrer individuellen Situation und nicht der Situation in dem Land, in dem sie niedergelassen sind, insgesamt entspricht.

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Rat und die Kommission stets verpflichtet sind, über den Antrag auf Marktwirtschaftsbehandlung eines Herstellers zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn eine Stichprobe gebildet wird.

Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung der nicht in die Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden haben, und erklärt diese Verordnung daher insoweit für ungültig.

Zudem weist er darauf hin, dass der Rat und die Kommission grundsätzlich verpflichtet sind, in einer Verordnung, mit der Antidumpingzölle verhängt werden, den Zoll für jeden einzelnen betroffenen ausführenden Hersteller festzusetzen, es sei denn, diese individuelle Behandlung ist nicht praktikabel. Für Länder ohne Marktwirtschaft beschränkt sich eine solche Verordnung jedoch darauf, die Höhe des erhobenen Antidumpingzolls auf der Ebene des Lieferlandes festzusetzen. Hingegen müssen die Organe für ausführende Hersteller, die in einem Land ohne Marktwirtschaft niedergelassen sind, einen individuellen Antidumpingzoll festsetzen, wenn diese Hersteller anhand ordnungsgemäß begründeter Anträge nachweisen, dass sie die Kriterien, die eine individuelle Behandlung rechtfertigen, erfüllen.

Insoweit sind der Rat und die Kommission grundsätzlich verpflichtet, die bei ihnen gestellten Anträge auf individuelle Behandlung zu prüfen und über sie zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn eine Stichprobe gebildet wird.

Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf individuelle Behandlung der nicht in Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden haben, und erklärt die Verordnung daher auch insoweit für ungültig.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates vom 5. Oktober 2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam (ABl. L 275, S. 1).
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