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Text des Urteils
10 Sa 183/11;
Verkündet am: 
 03.08.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
37 Ca 6586/09
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Ein Schadensersatzanspruch wegen Unterlassung der Vereinbarung von Zielen für einen „Incentive-Bonus” ist wie dieser selbst Arbeitsentgelt und daher einfache Insolvenzforderung, wenn er den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung betrifft
Leitsatz des Gerichts:
InsO: §§ 55 Abs. 1 Nr. 2, 105, 108, 133, 134; BGB: §§ 611, Abs. 1, 241 Abs. 1 Satz 2, 363, 280, 283, 252

1. Ein Schadensersatzanspruch wegen Unterlassung der Vereinbarung von Zielen für einen „Incentive-Bonus” ist wie dieser selbst Arbeitsentgelt und daher einfache Insolvenzforderung, wenn er den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung betrifft (a.A. LAG München vom 30.06.2011 - 3 Sa 85/11).

2. Ein Anspruch auf Zahlung einer „Rentention-Prämie” besteht nicht, wenn der Arbeitnehmer vor den festgelegten Auszahlungszeitpunkten sein Arbeitsverhältnis kündigt. Dies gilt auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet war und der Insolvenzverwalter selbst das Arbeitsverhältnis - allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt - gekündigt hatte.
In dem Rechtsstreit
Dr. E.
E-Straße, E-Stadt
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte F.
F-Straße, E-Stadt

gegen
Dr. G.
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. AG
G-Straße, E-Stadt
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte G.
H-Straße, E-Stadt

1. A.
A-Straße, A-Stadt
2. C.
C-Straße, C-Stadt
Prozessbevollmächtigte:
zu 1-2:
Rechtsanwälte B.
B-Straße, B-Stadt

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2011 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Moeller und die ehrenamtlichen Richter Stöter und Werle für Recht erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 08.12.2010 (Az.: 37 Ca 6586/09) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Bezahlung eines Betrages von zuletzt € 70.700,00, den der Kläger in Höhe von € 55.300,00 als sog. „Retention-Bonus“ und in Höhe von € 15.400,00 als „Incentive-Bonus“ gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter als Masseschuld geltend macht.

Der 1971 geborene Kläger war seit 01.07.2007 bei der später in Insolvenz gefallenen Firma D. AG als „Head of Marketing for Product Line Server“ beschäftigt. Rechtsgrundlage dafür war ein zwischen den Parteien geschlossener Arbeitsvertrag vom 13.04. / 13.06.2007 (Bl. 7 – 11 und Bl. 14 d. A.), in dem es unter anderem wie folgt heißt:

2. Stellung im Unternehmen

Der Mitarbeiter ist leitender Angestellter von D. Er ist im Rahmen der jeweils geltenden Regelungen (z. B. Budget, Unterschriftenregelung) zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern berechtigt, die ihm in seiner Stellung als Führungskraft direkt zugeordnet sind.



5. Vergütung

Das Jahreszieleinkommen des Mitarbeiters beträgt

€ 111.400,00 brutto.

Es setzt sich zusammen aus

a) einem festen Jahresgehalt in Höhe von

€ 86.400,00 brutto,

das in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsende ausgezahlt wird,

und

b) einem jährlichen Bonus bei Erreichen festgelegter Ziele.

Der individuelle Zielbetrag für den Bonus beträgt für ein volles Geschäftsjahr (01.10. bis 30.09.) bei 100 % Zielerreichung

€ 25.000,00 brutto.



12. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Der Vertrag kann beiderseits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden, es sei denn, dass gesetzliche Bestimmungen eine andere Kündigungsfrist unabdingbar vorschreiben.

Für die Berechnung der Kündigungsfristen werden die vom Mitarbeiter bei der Infineon Technologies AG verbrachten bzw. anerkannten Dienstzeiten berücksichtigt.



Die Beträge gemäß Ziffer 5 des Vertrages wurden im Jahr 2008 auf € 118.400,00 (erster Absatz), € 87.600,00 (Ziffer a)) und € 30.800,00 (Ziffer b)) erhöht. Zudem erhielt der Kläger einen monatlichen Wohnungszuschuss von € 613,55.

Am 16.10.2008 (berichtigt gemäß Berichtigungsbeschluss vom 03. Januar 2012 durch Salomonia) richtete die D. AG ein Schreiben an den Kläger (Bl. 13 und Bl. 15 d. A.), in dem es wie folgt heißt:

Wir freuen uns, dass wir ihnen zum 31.01.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

€ 27.600,00 brutto

und zum 31.05.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

€ 27.600,00 brutto

sowie zum 30.09.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

€ 27.700,00 brutto

zusagen können. Die Auszahlung des jeweiligen Betrages setzt voraus, dass Sie
(berichtigt gemäß Berichtigungsbeschluss vom 03. Januar 2012 durch Salomonia) zu dem jeweiligen Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis mit der D. AG nicht von sich aus gekündigt haben. Die Auszahlung erfolgt mit der jeweils nächsten Gehaltsabrechnung.

Wir bestätigen Ihnen, dass die zugesagten Retention-Zahlungen zu 100 % auch im Falle einer einseitigen Kündigung durch Ihren Arbeitgeber oder durch eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung Ihres Arbeitsvertrages ausbezahlt werden. Die Auszahlung findet in diesem Fall mit Wirksamwerden der Kündigung bzw. des Auflösungsvertrages statt. Regelungsabsprachen für einen Auflösungsvertrag bleiben davon unberührt.

An dieser Stelle möchten wir uns für die bisher erbrachte Leistung sehr herzlich bei Ihnen bedanken!

Wir setzen auch in Zukunft auf Ihre Unterstützung und Ihr Engagement, um unser Ziel zu erreichen, D. dauerhaft am Markt zu etablieren.



Mit Beschluss des Amtsgerichts E-Stadt – Insolvenzgericht – vom 23.01.2009 (Bl. 61 – 61 a d. A.) wurde für die D. AG eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Es wurde gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

Mit Beschluss vom 01.04.2009 (Bl. 62 – 64 d. A.) wurde ab diesem Tag 09:00 Uhr das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am gleichen Tag kam zwischen dem Beklagten und dem bei der Schuldnerin eingerichteten Betriebsrat ein Interessenausgleich mit Namensliste zustande. Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.07.2009 und stellte den Kläger von der Arbeitsleistung frei.

Mit Schreiben vom 20.04.2009 (Bl. 669 d. A.) kündigte der Kläger selbst das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2009. Der Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 22.04.2009 (Bl. 667 – 668 d. A.), dass aufgrund der Kündigung vom 20.04. auf Wunsch des Klägers im gegenseitigen Einvernehmen das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2009 ende.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe ein Anspruch auf den ihm zugesagten Retention-Bonus zu. Er habe die Voraussetzungen dafür erfüllt. Die Zahlung sei nicht davon abhängig gewesen, dass die Schuldnerin ihren Geschäftsbetrieb fortführe und kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werde. Die Zusage sei unabhängig von einer möglicherweise eintretenden Insolvenz allein für die Treue des Klägers erteilt worden. Der Bonus sei auch für den Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder einer durch den Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Arbeitsvertrages zugesagt worden. Dieser Umstand sei dahingehend auszulegen, dass die Schuldnerin bewusst das Risiko erforderlicher Unternehmensentscheidungen auf sich genommen habe. Mit dem Treubonus habe man versucht, die Leistungsträger zu halten und diese an einer Abwanderung zu hindern. Ohne diese Leistungsträger wären eine Sanierung bzw. ein Aufschwung und eine Etablierung am Markt nicht möglich gewesen. Bei der Zahlung handele es sich auch um eine Masseverbindlichkeit. Handele es sich um einen Anspruch auf eine Sonderleistung, der an besondere Anlässe geknüpft ist und sich einzelnen Monaten oder Zeitabschnitten daher nicht zuordnen lasse, so entstehe dieser Anspruch erst mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen. Laut Vereinbarung vom 16.10.2008 sei der Bonus damit zum 31.05. und 30.09.2009 entstanden, da der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin nicht von sich aus gekündigt habe. Es handele sich damit um eine Stichtagsregelung, wobei der jeweilige Stichtag nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liege. Dass das Arbeitsverhältnis dann einvernehmlich zum 30.04. geendet habe, ändere daran nichts, nachdem der Bonus auch im Fall einer arbeitgeberseitigen Auflösung auszuzahlen sei. Der Retention-Bonus sei mit Ablauf des 30.04.2009 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und fällig geworden. Bis 30.04.2009 hätte daher eine Wertschöpfung zugunsten der Masse erzielt werden können. Dass dies aufgrund der Freistellung des Klägers praktisch nicht möglich gewesen sei, gehe nicht zu Lasten des Klägers. Damit stehe dem Kläger ein Anspruch in Höhe von € 55.300,00 als Masseschuld zu. Die Zusage der Zahlung sei auch nicht anfechtbar. Eine objektive Gläubigerbenachteiligung liege nicht vor, weil die Gegenleistung für den Bonus in der Treue des Klägers gelegen habe. Die Zusage sei weder durch die Schuldnerin mit dem Vorsatz erfolgt, Gläubiger zu benachteiligen noch sei dem Kläger überhaupt bekannt gewesen, dass zum Zeitpunkt der Zusage der Schuldnerin deren Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. Bei der Zusage habe es sich auch nicht um eine unentgeltliche Leistung gehandelt, weil sich der Kläger verpflichtet habe, durch seine Treue einen Gegenwert zu erbringen. Dem Kläger stehe außerdem für die Zeit vom Oktober 2008 bis März 2009 ein anteiliger Incentive-Bonus in Höhe von € 15.400,00 zu. Denn spätestens vor Oktober 2008 hätte eine Zielvereinbarung für die Zeit ab 01.10.2008 getroffen werden müssen. Deren Unterlassung habe die Schuldnerin zu vertreten. Dem Kläger stehe daher ein Schadensersatzanspruch zu, der sich aus der anteiligen Höhe des Jahresbonus ergebe. Dieser Anspruch sei zum 30.04.2009 entstanden und fällig geworden. Damit stelle auch dieser Anspruch eine Masseverbindlichkeit dar.

Der Kläger hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 70.700,00 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, ein Retention-Bonus stehe dem Kläger nicht zu. Dem Kläger sei als leitenden Angestellten und Führungskraft nahezu ein ganzes festes Jahresgehalt ohne irgendeine Gegenleistung zugesagt worden, obwohl sämtlichen Beteiligten klar gewesen sei, dass eine Insolvenz nur durch ein Wunder abgewendet werden könne. Damit sei klar gewesen, dass der Bonus nur bezahlt werden könne, wenn Sanierungsbemühungen der Schuldnerin erfolgreich verlaufen wären. Bei der Schuldnerin seien bei Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens etwa 1.289 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Ca. 200 von diesen sei eine derartige Zahlung mit bis zu einem Jahresgehalt zugesagt worden. Dabei habe es sich um eine Bleibeprämie gehandelt, für die das Fortbestehen der Schuldnerin Geschäftsgrundlage gewesen sei. Denn bereits ab September 2008 sei eine Insolvenz absehbar gewesen. Jedenfalls handele es sich bei der Prämie um keine Masseverbindlichkeit. Bei der Retention-Zusage handele es sich um eine besondere Form einer Abfindung bzw. Vertragsstrafe zu Lasten der Schuldnerin. Derartige Gehaltsbestandteile könnten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht als Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden. Jedenfalls stehe einer Forderung die Einrede der Anfechtbarkeit entgegen.

Zum Einen liege eine Gläubigerbenachteiligung vor, zumal die Schuldnerin gewusst habe, dass sie nicht alle Gläubiger in angemessener Zeit befriedigen könne. Der Schuldnerin sei ihre drohende Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen wie sich aus deren Liquiditätsplanungen ergebe. Auch habe es sich bei der Prämienzusage um eine inkongruente Rechtshandlung gehandelt. Dass die Schuldnerin in einer schweren Liquiditätskrise gestanden habe, sei auch dem Kläger bekannt gewesen, was schon aus der breiten Medienberichterstattung folge. Ebenso folge eine Anfechtbarkeit auch aus der Unentgeltlichkeit der Leistung. Der Wortlaut der Zusage sehe vor, dass der Anspruch auch bestehe, wenn der Kläger keine Gegenleistung mehr erbringe. Auch ein anteiliger Incentive-Bonus stehe dem Kläger nicht zu. Zwar sei richtig, dass für die Zeit ab 01.10.2008 keine Zielvereinbarung getroffen wurde. Dies sei jedoch nicht ohne sachlichen Grund geschehen. Infolge des am 23.01.2009 gestellten Insolvenzantrags, der anschließenden Insolvenzeröffnung am 01.04.2009 und der notwendig gewordenen Liquidation und Stilllegung der Schuldnerin sei den Parteien klar erkennbar geworden, dass nicht die Fortführung, sondern die Liquidation der Schuldnerin der weitere Zweck der Tätigkeiten sein werde und für eine Vereinbarung bzw. Erreichung individueller Ziele kein Raum mehr sein werde. Zudem handele es sich bei einem Anspruch des Klägers allenfalls um eine einfache Insolvenzforderung und nicht um eine Masseverbindlichkeit. Der Anspruch betreffe Arbeitsentgelt im engeren Sinn, das anteilig durch die Arbeitsleistung verdient werde. Dies folge auch aus den Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung zur variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der Qimonda AG vom 16.11.2006 (Bl. 262 – 269 d. A.). Würde der Bonusanspruch erst zum Ende des Geschäftsjahres entstehen, wäre nicht erklärbar, weshalb ein Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden vor Beendigung des Geschäftsjahres einen zeitanteiligen Bonusanspruch erwerben könnte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Ein Anspruch auf Zahlung der Retention-Prämie bestehe nicht, da die Zusage nach § 134 InsO anfechtbar sei. Bei der Retention-Prämie handele es sich um eine unentgeltliche Leistung. Als Gegenleistung sei keine Arbeitsleistung geschuldet. Auch bei der Qualifikation als Treueprämie sei diese völlig überhöht und stünde damit zu zwei Drittel der Zusage keine Gegenleistung gegenüber. Die Abfindungszusage im vorletzten Satz des Schreibens vom 16.10.2008 sei schließlich völlig unentgeltlich. Jedenfalls zum 30.04.2009 habe eine Unentgeltlichkeit vorgelegen. Durch die Zusage der Retention-Prämie sei eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten.

Zudem handele es sich um keine Masseverbindlichkeit, da die Prämie als Abfindung bereits vor Insolvenzeröffnung zugesagt worden sei. Auch ein Anspruch auf Zahlung eines Incentive-Bonus bestehe nicht. Auch ein derartiger Anspruch sei keine Masseverbindlichkeit.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 27.01.2011 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 17.02.2011 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und sein Rechtsmittel durch einen am 24.03.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Zusage des Retention-Bonusses nicht anfechtbar. Der Retention-Bonus stelle keine unentgeltliche Leistung dar. Denn diesem habe die zukünftige Betriebstreue des Klägers und somit im Ergebnis die rechtliche Verpflichtung des Klägers, seine Arbeitsleistung und insbesondere sein Know-how bis zum Stichtag der Schuldnerin zur Verfügung zu stellen und das Arbeitsverhältnis nicht von sich aus zu kündigen und damit eine angemessene Gegenleistung gegenübergestanden. Der Kläger habe sich durch die Zusage zum Bleiben verpflichtet gefühlt und sei davon abgehalten worden, andere Anstellungsangebote anzunehmen. In der Sache liege der Fall einer Auslobung vor. Im Übrigen fehle es an einer Gläubigerbenachteiligung. Zum Zeitpunkt der Zusage habe der Kläger keine Kenntnis von einer drohenden Insolvenz gehabt. Die Schuldnerin habe noch bis Dezember 2008 ernsthaft und mit tauglichen Mitteln eine Sanierung angestrebt. Daher sollte eine Gläubigerbenachteiligung gerade vermieden werden. Die Teilbeträge von € 27.600,00 und € 27.700,00 seien mit Ablauf des 31.05.2009 und des 30.09.2009 entstanden, da der Kläger sein Arbeitsverhältnis nicht von sich aus gekündigt habe. Beide Zeitpunkte würden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen. Alle Anspruchsvoraussetzungen hätten zu diesem Zeitpunkt vorgelegen. Nachdem der Anspruch erst hier entstanden sei, handle es sich um eine Masseverbindlichkeit. Auch ein Anspruch auf einen variablen Gehaltsbonus stehe dem Kläger zu. Bei diesem handle es sich um eine Masseverbindlichkeit. Denn der Bonus lasse sich nicht einzelnen Monaten sondern nur dem Geschäftsjahr zuordnen. Er habe daher erst zum 31.07.2009 festgestanden. Dass der Bonus zeitanteilig zu gewähren sei, folge auch nicht aus der Betriebsvereinbarung zur variablen Zahlung.

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 08.12.2011 (Az.: 37 Ca 6586/09) wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. € 70.700,00 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt den Ausführungen des Arbeitsgerichts bei und trägt vor, das Arbeitsgericht sei zutreffend von einer Anfechtbarkeit der Zusage der Retention-Prämie aufgrund einer unentgeltlichen Leistung ausgegangen. Objektiv liege keine Gegenleistung des Klägers vor. Die bloße Erwartung einer Leistung genüge nicht. Jedenfalls fehle es an einer ausgleichenden Gegenleistung des Klägers. Denn als Bleibeprämie sei sie vollkommen überhöht und unangemessen. Die notwendige Gläubigerbenachteiligung sei gegeben, da durch die Rechtshandlung vom 16.10.2008 eine Verbindlichkeit zu Lasten der Insolvenzmasse begründet und dadurch die Passivseite vermehrt worden sei. Dem Kläger seien bei Abschluss der Prämienabrede auch ausreichend Umstände bekannt gewesen, die bei zutreffender Bewertung die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin begründet hätten. Für eine Überwindung der Krise der Schuldnerin habe es keinerlei konkrete Anhaltspunkte gegeben. Im Gegenteil sei spätestens ab 13.10.2008 schon durch einen offenen Brief des Betriebsrats wie durch Presseveröffentlichungen völlig klar gewesen, dass der Untergang nicht mehr abzuwenden gewesen sie. Schließlich fehle es auch an einer Masseverbindlichkeit. Auch ein Anspruch auf Incentive-Bonus bestehe nicht. Dies folge schon aus der eigenen Auffassung des Klägers. Wenn nämlich der Bonus erstgegen Ende des Geschäftsjahres entstanden wäre, entfiele dieser schon deshalb weil das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Jedenfalls handle es sich bei dem Bonus um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung, die durch die monatliche Arbeitsleistung erworben werde. Der anteilige Bonus sei damit vor Insolvenzeröffnung verdient worden und damit keine Masseforderung.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 24.03.2011 (Bl. 432 bis 460 d. A.) und 20.07.2011 (Bl. 655 bis 661 d. A.), des Beklagten vom 28.04.2011 (Bl. 498 bis 532 d. A.) und 09.06.2011 (Bl. 642 bis 645 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 27.07.2011 (Bl. 664 bis 666 d. A.) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.


II.

Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Zahlungsanspruch zu. Dies folgt schon daraus, dass es sich bei dem von dem Kläger verfolgten Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes wegen unterlassener Zielfestsetzung für einen Incentive-Bonus um keine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO handelt, die mit einer Zahlungsklage trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzverwalter gerichtlich geltend gemacht werden könnte. Vielmehr hat das Arbeitsgericht richtig und mit zutreffender Begründung entschieden, dass der Anspruch auf Schadensersatz eine Insolvenzforderung darstellt, die der Kläger gem. § 108 Abs. 2 InsO nur als Insolvenzforderung gem. § 174 InsO durch Anmeldung zur Insolvenztabelle verfolgen kann, so dass schon deshalb die Klage unbegründet ist. Auch hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass einem Anspruch des Klägers auf Zahlung der Retention-Prämie der Einwand der Anfechtbarkeit durch den Beklagten entgegensteht, da es sich hier um eine unentgeltliche Leistung handelt. Insoweit folgt die Kammer der Entscheidung der Arbeitsgerichts und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Unabhängig davon besteht aber der Anspruch bereits deshalb nicht, weil dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht – allerdings ohne nähere Begründung – angenommen, dass die Klage zulässig ist.

Der Umstand, dass es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Forderungen möglicherweise um Insolvenzforderungen handelt, die nur durch Feststellung zur Insolvenztabelle verfolgt werden können, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Behauptet die Klagepartei vielmehr das Vorliegen einer Masseverbindlichkeit, ist die Klage nicht unzulässig. Liegt in Wahrheit tatsächlich eine Insolvenzforderung vor, führt dies zur Klageabweisung als unbegründet (vgl. BAG vom 27.09.2007 – AP Nr. 5 zu § 38 InsO). Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger seine Ansprüche als Insolvenzforderungen nach § 174 InsO angemeldet und der Beklagte sie bestritten hätte. Die Rechtskraftwirkung zur Tabelle festgestellter Forderungen nach § 178 Abs. 3 InsO beschränkt sich auf Insolvenzforderungen; die vorsorgliche oder irrtümliche Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle steht der Geltendmachung dieser Forderung als Masseforderung deshalb nicht entgegen (vgl. BAG vom 04.12.2002 – AP Nr. 2 zu § 38 InsO).

2. Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Zahlung einer Retention-Prämie i.H.v. € 55.300,00 zu noch kann er Schadensersatz wegen unterlassener Zielvereinbarung für den Incentive-Bonus i.H.v. € 15.400,00 als Masseschuld verlangen.

a) De Forderung des Klägers auf Schadensersatz wegen unterlassener Zielvereinbarung und damit ausgeschlossenen Incentive-Bonus ist keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

aa) Dienstverhältnisse bestehen gemäß § 108 Abs. 1 InsO im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort.

Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der andere Teil nach § 108 Abs. 2 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Wird über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, ist der Arbeitnehmer dementsprechend bezüglich der auf diesen Zeitraum entfallenden Ansprüche grundsätzlich nur einfacher Insolvenzgläubiger und muss diese nach § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Demgegenüber stellen Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss, gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO Masseverbindlichkeiten dar (vgl. BAG vom 19.07.2007 – AP Nr. 14 zu § 55 InsO; BAG vom 19.12.2006 – AP Nr. 19 zu § 3 ATZG).

bb) § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasst Verbindlichkeiten noch nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge.

Die Regelung stellt sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird. Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen sind, beruht die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen muss und daher im Gegenzug seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten soll (vgl. BAG vom 19.07.2007 – a. a. O.; BAG vom 27.04.2006 – AP Nr. 3 zu § 38 InsO). Im Ergebnis soll die Entstehung von Masseverbindlichkeiten begrenzt werden, so dass nicht zu Lasten der anderen Gläubiger Ansprüche ohne eine Gegenleistung begründet werden, durch die sie in ihrem Grundrecht nach Art. 14 GG beeinträchtigt würden (vgl. BAG vom 19.07.2007 – AP Nr. 14 zu § 55 InsO). Vor Verfahrenseröffnung vereinbarte Entschädigungen wie zum Beispiel für die vorzeitige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, die kein Entgelt für nach Verfahrenseröffnung geleistete Dienste darstellen, sind daher nur als einfache Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO zu berichtigen, selbst wenn das Arbeitsverhältnis erst nach Verfahrenseröffnung endet (vgl. BAG vom 27.04.2006 – AP Nr. 3 zu § 38 InsO).

cc) Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO fallen alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung auf den Insolvenzverwalter erwachsen und zwar in der Höhe, die sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag ergibt, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben.

Entscheidend ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist (vgl. BAG vom 21.05.1980 – AP Nr. 9 und Nr. 10 zu § 59 KO; Schelp NZA 2010, 1095). Ist im Arbeitsverhältnis ein regelmäßiges Arbeitsentgelt vereinbart, entstehen diese Entgeltansprüche mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen ist (§ 614 Satz 2 BGB). Fallen diese Zeitabschnitte in die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entstehen die Ansprüche auf die laufende Vergütung erst zu dieser Zeit und sind erst dann zu erfüllen (vgl. BAG vom 19.01.2006 – AP Nr. 13 zu § 55 InsO).

dd) Nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch des Klägers auf Bezahlung eines Incentive-Bonusses und damit auch ein an seine Stelle getretener Schadensersatzanspruch keine Masseverbindlichkeit.

(1) Zwar steht dem Kläger nach Ziffer 5 des Arbeitsvertrages vom 13.04./13.06.2007 unstreitig für ein volles Geschäftsjahr bei 100 % Zielerreichung ein Bonus von € 30.800,00 zu. Auch ist unstreitig, dass für das Geschäftsjahr vom 01.10.2008 bis 30.09.2009 eine neue Zielvereinbarung nicht abgeschlossen wurde und die Insolvenzschuldnerin schon entgegen der Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006 ihrer entsprechenden Verpflichtung nicht nachgekommen ist, so dass diese gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 Satz 1, § 252 BGB verpflichtet wäre, wegen entgangener Vergütung Schadensersatz zu leisten, wenn sie das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hätte. Dabei obliegt es regelmäßig dem Arbeitgeber, die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung zu ergreifen und ein konkretes Angebot vorzulegen. Unterbleibt dies, verletzt der Arbeitgeber die aus der Vereinbarung der variablen zielabhängigen Vergütung resultierende Verhandlungspflicht (vgl. BAG vom 12.05.2010 – 10 AZR 390/09; BAG vom 10.12.2008 – 10 AZR 889/07). Dass dies auch hier der Insolvenzschuldnerin vorzuwerfen ist und sie dies zu vertreten hat, kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden.

(2) Denn ein Schadensersatzanspruch ist keine Masseverbindlichkeit. Bei dem Incentive-Bonus handelt es sich um Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung Monat für Monat verdient und das daher wie sein Festgehalt anteilsmäßig den Zeitabschnitten zuzuordnen ist, für die er seine Arbeitsleistung erbringt. Nachdem der streitgegenständlich anteilige Anspruch den Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 umfasst und dieser vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, handelt es sich um eine einfache Insolvenzforderung gem. § 108 Abs. 3 InsO.

(a) Schon aus dem Arbeitsvertrag folgt, dass sich die „Vergütung“ des Klägers aus dem festen Jahresgehalt und dem jeweiligen Bonus zusammensetzt. Daraus ergibt sich das Jahreseinkommen des Klägers. Damit enthält schon der Arbeitsvertrag eine klare Regelung, dass es sich bei dem Incentive-Bonus um Arbeitsentgelt handelt. Dieses entsteht anteilsmäßig durch die monatliche Arbeitsleistung des Klägers. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass wenn die Auffassung des Klägers zuträfe, der Anspruch entstehe erst mit Ende des Geschäftsjahres, sich für den Kläger überhaupt kein Anspruch ergeben würde, nachdem das Arbeitsverhältnis unzweifelhaft zum Ende des Geschäftsjahres tatsächlich nicht mehr bestand.

(b) Auch aus der Betriebsvereinbarung zur variablen Vergütung vom 16.11.2006 (Bl. 262 bis 269 d. A.) folgt in aller Deutlichkeit, dass es sich um Arbeitsentgelt handelt, das zeitanteilig verdient wird, wenn in Ziffer 11 der Vereinbarung eine ausführliche Regelung für den Fall getroffen wurde, dass ein Arbeitsverhältnis nicht während der gesamten Dauer des Kalenderjahres bestand. Handelt es sich damit bei der Incentive-Prämie um Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.10.2008 bis 31.03.2009, liegt auch für einen Schadensersatzanspruch keine Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor.

b) Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zahlung der Retention-Prämie zu.

aa) Das Arbeitsgericht hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich dieses Anspruchs der Beklagte als Insolvenzverwalter eine unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO anfechten kann und von solcher Leistung hier auszugehen ist.

bb) Zudem fehlt es für das Vorliegen einer Masseverbindlichkeit auch an einer Gegenleistung, die der Kläger für die Zahlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Masse gegenüber zu bewirken hätte.

Denn eine Masseverbindlichkeit setzt auf jeden Fall voraus, dass die dafür zu erbringende Gegenleistung der Masse zugute kommt (vgl. BAG vom 15.06.2004 – AP Nr. 4 zu § 209 InsO). Mit dem Begriff „Gegenleistung“ ist nach allgemeinem Sprachverständnis die Leistung gemeint, die ein Schuldner im bestehenden Dauerschuldverhältnis zu erbringen hat. Im Arbeitsverhältnis ist das die vom Arbeitnehmer nach § 611 Abs. 1 BGB zu erbringende Arbeitsleistung. Sie ist aber die Gegenleistung für das vom Arbeitgeber geschuldete Entgelt (vgl. BAG vom 15.06.2004 – a.a.O.). Selbst wenn daher eine Verpflichtung des Klägers bestanden hatte, auch nach dem 01.04. seine Arbeitsleistung gegenüber der Insolvenzmasse zu erbringen, hätte dies die Gegenleistung für das dann als Masseverbindlichkeit geschuldete Arbeitsentgelt dargestellt. Erst recht gilt dies, wenn die Zusage hinsichtlich der drei Zahlungen zu verschiedenen Terminen offenbar eine teilbare Leistung beinhaltet und der Insolvenzverwalter bei teilbaren Leistungen nur die Gegenleistung des Vertragspartners noch zu vergüten hat, die der Masse nach Insolvenzeröffnung noch zufließt (vgl. BAG vom 09.12.2009 – AP Nr. 96 zu § 40 BetrVG 1972 Rn. 31).

cc) Unabhängig davon liegen aber bereits für die Zahlungen zum 31.05.2009 und 30.09.2009 die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.

(1) Nach der Zusage im Schreiben vom 16.10.2008 setzen die Auszahlungen vom 31.05.2009 i.H.v. € 27.600,00 und zum 30.09.2009 i.H.v. € 27.700,00 ausdrücklich voraus, dass der Kläger zu diesen jeweiligen Zeitpunkten sein Arbeitsverhältnis nicht von sich aus gekündigt hat. Der Kläger schuldet damit gem. § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB die Unterlassung der Abgabe einer Kündigungserklärung für die Zeit bis 31.05.2009 für die Zahlung über € 27.600,00 und für die Zeit bis 30.09.2009 für die Zahlung i.H.v. € 27.700,00. Dieser Verpflichtung ist der Kläger nicht nachgekommen. Vielmehr hat er selbst durch sein Schreiben vom 20.04.2009 (Bl. 669 d. A.) sein Arbeitsverhältnis zum 30.04.2009 gekündigt und ist damit seiner Unterlassungsverpflichtung innerhalb der in der Zusage genannten Zeiträumen nicht nachgekommen. Damit hat der Kläger seine ihm obliegende Leistung nicht erbracht und seine Verbindlichkeit gem. § 362 Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Dann steht ihm auch kein Anspruch auf Bezahlung der Retention-Prämie zu.

(2) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in Absatz 2 des Schreibens der Insolvenzschuldnerin vom 16.10.2008 bestätigt wird, dass eine Zahlung zu 100 % auch zu bezahlen ist, wenn der Arbeitgeber einseitig das Arbeitsverhältnis kündigt. Weiter entsteht danach die Zahlung erst mit Wirksamwerden dieser Kündigung. Der Beklagte hat unstreitig das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.07.2009 gekündigt, so dass anstelle des 30.09.2009 zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf die letzte Zahlung der Retention-Prämie entstanden wäre. Diesem Umstand steht aber wie einer Zahlung zum 31.05.2009 entgegen, dass der Kläger selbst sein Arbeitsverhältnis zum 30.04.2009 gekündigt hat. Nachdem der Kläger damit selbst seine Verpflichtung aus der Zusage der Retention- Prämie nicht erbracht hat, steht ihm diese hinsichtlich des Restbetrages von € 55.300,00 ohnehin nicht zu.


III.

Die Berufung des Klägers war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kammer hat für den Kläger die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.

Für den Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände

- für ihre Mitglieder

- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder

oder

von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,

- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt

- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.

Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de

Moeller Stöter Werle
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