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Text des Urteils
2 Sa 765/10;
Verkündet am: 
 05.10.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

Nürnberg
Vorinstanzen:
15 Ca 1130/10
Arbeitsgericht
Nürnberg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Betriebsübergang, nachträglicher Widerspruch, Kündigungsschutzklage, fehlende Schlüssigkeit einer gegen den Betriebserwerber gerichteten Klage
Leitsatz des Gerichts:
§§ 1 KSchG, 242, 613a BGB

Behauptet der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess, dass ein Betriebsübergang vor Zugang der vom Erwerber ausgesprochenen Kündigung stattgefunden und er dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB rechtzeitig widersprochen habe, so ist die gegen den Erwerber erhobene Kündigungsschutzklage mangels Schlüssigkeit abzuweisen. Denn damit behauptet der Arbeitnehmer gleichzeitig, dass ein Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit dem Erwerber nicht bestanden habe. Wegen der Rückwirkung des Widerspruchs gilt dies auch, wenn der behauptete Widerspruch erst nach Rechtshängigkeit des Kündigungsprozesses erfolgt sein soll.
In dem Rechtsstreit
H… H…

- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
D… Rechtsschutz GmbH

gegen
Firma B… F… & N… Service GmbH
vertreten durch den Geschäftsführer A…-P... B…
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt P… K…

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Steindl und die ehrenamtlichen Richter Bräuninger und Böhmländer für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 26.08.2010 - 15 Ca 1130/10 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Die am 20.02.1959 geborene Klägerin ist seit 01.09.2009 bei der im Sommer 2009 neu gegründeten Beklagten als Reinigungskraft zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.771,00 EUR bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 07.09.2009 (Bl. 32 ff d.A.) gilt das Arbeitsverhältnis kündigungsrechtlich seit dem 17.09.1990 als bestehend.

Seit diesem Zeitpunkt bis zu ihrem Wechsel zur Beklagten war die Klägerin bei der R… B… W… Hotelbetriebsgesellschaft mbH ebenfalls als Reinigungskraft beschäftigt. Tätigkeit und Ort der zu erbringenden Arbeitsleistung änderte sich mit dem Wechsel nicht.

Zuletzt beschäftigte die Beklagte weniger als zehn Mitarbeiter.

Mit Schreiben vom 25.01.2010, das der Klägerin am 29.01.2010 zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.07.2010 (Bl. 5 d. A.).

Mit ihrer Klage vom 19.02.2010, die am selben Tag beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen ist, wandte sich die Klägerin gegen diese Kündigung.

Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie der Antragstellung wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG).

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.08.2010 abgewiesen.

Das Arbeitsgericht hat sein Urteil damit begründet, dass das Kündigungsschutzgesetz auf die streitgegenständliche Kündigung nicht anwendbar sei, da die Beklagte nicht mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigt habe. Ebenso habe die Erörterung im Kammertermin ergeben, dass zum Zeitpunkt der Kündigung auch nicht mehr als fünf „Altarbeitnehmer“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG bei der Beklagten beschäftigt worden seien.

Die Kündigung sei auch nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Nach dem zuletzt unbestrittenen Vortrag der Beklagten sei bei ihr ein Betriebsrat nicht gebildet gewesen. Ebenso habe die Klägerin nicht bestritten, dass die Beklagte alle Arbeitnehmer gekündigt habe, sodass auch eine Sozialauswahl entsprechend der Rechtsprechung des BAG zur „Sozialauswahl“ im Kleinbetrieb nicht durchzuführen gewesen sei.

Die Kündigung sei auch nicht deshalb treuwidrig gewesen, weil die Klägerin erst im Sommer von der R… B… W… Hotelbetriebsgesellschaft mbH, in der sie Kündigungsschutz hatte, in die Beklagte übergewechselt sei. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin bei Abschluss des Arbeitsvertrages mitzuteilen, ob auf sie das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde. Sollte die Klägerin vor Übertritt in die Beklagte nicht ausreichend informiert worden sein, mache dies nicht die Kündigung treuwidrig. Sollte ein Betriebsübergang vorgelegen haben, wäre die Klägerin nicht schutzlos gestellt, da sie, falls tatsächlich eine fehlerhafte Information vorgelegen haben sollte, dem Betriebsübergang noch immer hätte widersprechen können. Ein solcher Widerspruch sei bislang jedoch nicht ausgeübt worden.

Gegen das der Klägerin am 01.10.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg legte sie mit Schriftsatz vom 27.10.2010, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 28.10.2010 eingegangen, Berufung ein und begründete sie mit Schriftsatz vom 26.11.2010, der beim Landesarbeitsgericht am selben Tage eingegangen ist.

Die Klägerin hält daran fest, dass die Kündigung treuwidrig gewesen sei. Sie sei erst im Sommer auf Drängen zur Beklagten übergewechselt und komme somit alleine aufgrund der Beschäftigtenanzahl der neuen Firma nicht mehr in den Genuss des Kündigungsschutzgesetzes. Wäre ihr damals mitgeteilt worden, dass sie bei einem Wechsel ihren Kündigungsschutz vollumfänglich verliere, hätte sie den Wechsel zur Beklagten nicht unternommen. Auch die äußeren und zeitlichen Umstände sprächen für eine Treuwidrigkeit. Die Mitarbeiter der R… B… W… Hotelbetriebsgesellschaft mbH, die den Wechsel nicht vollzogen hätten, seien nicht gekündigt worden. Zwischenzeitlich habe die Klägerin dem Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte widersprochen und Weiterbeschäftigung verlangt. Diesbezüglich sei auch ein Verfahren unter dem Aktenzeichen beim Arbeitsgericht Nürnberg 1 Ca 6255/10 gegen die R… B… W… Hotelbetriebsgesellschaft mbH anhängig.

Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 26.11.2010 (Bl. 72 bis 75 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt daher:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 26.08.2010, AZ: 15 Ca 1130/10 wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.01.2010 nicht beendet wird.

3. Im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.) wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Reinigungskraft weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Kündigung verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Man habe der Klägerin auch nicht nahegelegt, in eine neu zu gründende Firma zu wechseln, andernfalls man eine Kündigung in Aussicht stelle. Es werde bestritten, dass die Klägerin allein aus Furcht ihren Arbeitsplatz zu verlieren, mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag abgeschlossen habe. Ein Betriebsübergang auf die Beklagte habe nicht stattgefunden. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben sei nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 09.12.2010 (Bl. 81 bis 83 d. A.) Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.


Entscheidungsgründe:


A.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, 2 c ArbGG. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO.

B.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage ist durch die Ausführungen der Klagepartei in der Berufungsinstanz unschlüssig geworden.

Die Klägerin hatte bereits erstinstanzlich behauptet, dass ein Betriebsübergang von der R… B… W… Hotelbetriebsgesellschaft mbH auf die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Beklagten stattgefunden habe. Diesen Vortrag hat die Klägerin in der Berufungsinstanz ausdrücklich aufrechterhalten und behauptet, dass sie mittlerweile dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte widersprochen habe. Deswegen habe sie auch bereits die R… B… W… Hotelbetriebsgesellschaft mbH auf Weiterbeschäftigung verklagt.

Rechtsfolge des zulässigen nachträglichen Widerspruchs nach § 613 a Abs. 6 BGB ist, dass das Arbeitsverhältnis zu keinem Zeitpunkt auf den neuen Betriebsinhaber übergeht. Die zwischenzeitliche Arbeitsleistung bei dem neuen Betriebsinhaber erbringt der Arbeitnehmer lediglich auf der Grundlage eines faktischen Arbeitsverhältnisses (vgl. HWK 4. Aufl., 2010, § 613 a Rdnr. 355; ErfK/Preis, 11. Aufl. 2011, § 613 a BGB Rz. 105). Durch die Behauptung des wirksamen Widerspruches behauptet die Klägerin daher gleichzeitig, dass mit der Beklagten nie ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage ist jedoch, dass ein im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestehendes Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden ist. Besteht zum Kündigungszeitpunkt, gleich aus welchem Grund, kein Arbeitsverhältnis mehr, ist die Klage daher als unbegründet abzuweisen, ohne dass es auf die Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung noch ankäme (BAG vom 28.05.2009 - NZA 2009, 966; ErfK/Kiel, 11. Aufl., 2011, § 4 KSchG Rdnr. 32).

Auch die Klage hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruchs wurde unschlüssig, da auch der Weiterbeschäftigungsanspruch zumindest die schlüssige Behauptung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt.

Mangels schlüssiger Klagebegründung war die Klage daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

II. Die Klage ist auch deshalb abzuweisen, weil die Kündigung ein gegebenenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestanden habendes Arbeitsverhältnis jedenfalls zum 31.07.2010 beendet hätte.

Das Arbeitsgericht folgt insoweit dem ausführlich begründeten Ersturteil (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Weitere Ausführungen hierzu sind auch im Hinblick auf die Berufungsangriffe nicht veranlasst. Das Erstgericht hat den Sachverhalt erschöpfend und umfassend behandelt. Eine Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB ist nicht erkennbar.


C.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt. Auf § 72 a ArbGG wird verwiesen.

Steindl Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Bräuninger ehrenamtlicher Richter Böhmländer ehrenamtlicher Richter
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