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Text des Urteils
2 U 113/09;
Verkündet am: 
 23.06.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
11 O 616/09
Landgericht
Magdeburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Anspruch auf Abschlagszahlung kann nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden, wenn bei Klageerhebung bereits Schlussrechnungsreife eingetreten war
Leitsatz des Gerichts:
1. Ein Anspruch auf Abschlagszahlung kann nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden, wenn bei Klageerhebung bereits Schlussrechnungsreife eingetreten war.

2. Zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vergütung von Bereitschaftszeiten des Bauunternehmers bei einem gerichtlich angeordneten Baustopp gegenüber dem Auftraggeber.

2.1 Als Anordnung des Auftraggebers i. S. von § 2 Nr. 5 VOB/B ist auch die Mitteilung über einen gerichtlich angeordneten Baustopp anzusehen, wenn sie mit der Aufforderung verbunden wird, dieser Anordnung Folge zu leisten.

2.2 Die Anordnung eines vorläufigen Baustopps ohne gleichzeitige Anordnung der Räumung der Baustelle kann in einem Vertragsverhältnis, in dem es dem Bauunternehmer grundsätzlich obliegt, die Ausführung der Vertragsleistungen organisatorisch und insbesondere zeitlich selbst zu koordinieren, zu einer erheblichen Störung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses zwischen Preis und Leistung führen.

2.3 Für die Vergütungspflicht kommt es nicht darauf an, ob die Anordnung des Auftraggebers i. S. von § 2 Nr. 5 VOB/B vertraglich erlaubt bzw. vorgesehen war oder vom Auftragnehmer lediglich widerspruchslos im Rahmen seiner Kooperationspflicht akzeptiert und umgesetzt wurde.

3. Zur Ermittlung des neuen Vertragspreises für Bereitschaftszeiten des Auftragnehmers und eines Nachauftragsnehmers.
In dem Rechtsstreit
…

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Manshausen und den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann im schriftlichen Verfahren mit dem Schlusstermin vom 06. Juni 2011 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06. Oktober 2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 67.380,12 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 24. November 2008 bis zum 20. Januar 2009 und ab dem 05. Juli 2010 sowie weitere 1.580,00 € zu zahlen.

Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.



Gründe


A.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten weitere Vergütung in Form sogenannter Stillstandskosten wegen eines Baustopps.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 25. Mai 2007 mit Sanierungsarbeiten an Hochwasserschutzeinrichtungen an der Elbe bei W. , und zwar an neunzehn Buhnen im Abschnitt des rechten Elbufers im Bereich der Flusskilometer 240 bis 270 sowie im Abschnitt des linken Elbufers im Bereich der Flusskilometer 250 bis 270. Die Auftragserteilung erfolgte im Rahmen eines Vergabeverfahrens auf der Grundlage des Angebots der Klägerin vom 07. Mai 2007. Die VOB Teil B 2006 war in den Vertrag einbezogen.

Nach der von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Baubeschreibung war die Auftraggeberin für die Abstimmung der Maßnahmen mit den Umweltbehörden verantwortlich (vgl. Ziffer 2.9 ABB, GA Bd. I Bl. 12 Rs.). Als Ausführungsfristen waren lediglich der Beginn und der Fertigstellungstermin bestimmt (vgl. Ziffer 7 der Besonderen Vertragsbedingungen – BVB –, GA Bd. I Bl. 16 Rs.); hieraus ergab sich eine Bauzeit von 27 Wochen. Die zeitliche Ausführungsplanung im Übrigen oblag dem Auftragnehmer (vgl. Ziffer 3.2.1 und 3.2.2 ABB, GA Bd. I Bl. 13 und 13 Rs.). Der Auftragnehmer hatte dabei auch das Risiko ungeeigneter Wasserstände u.ä. zeitlich und preislich in seiner Kalkulation zu berücksichtigen. In Ziffer 8 BVB enthielt der Vertrag eine Regelung zur Behinderung und Unterbrechung der Ausführung der Arbeiten „in Ergänzung von § 6 VOB/B“; darin hieß es:

„Die Bauausführung ist in ihrer Durchführung von den Wasserständen der Elbe und von Witterungseinflüssen (Frost, Schnee, Regen) abhängig. Darauf hat sich der Bieter bei seiner Kalkulation einzustellen.

Dem Auftraggeber werden Kosten, die ihm durch die Unterbrechung der Bauarbeiten infolge hoher Wasserstände (z. Bsp. auch Hochwasserschäden) und andere vom Auftraggeber nicht verschuldete Unterbrechungen (z. Bsp. Schiffshavarien) entstehen, nicht vergütet.

Bei witterungs- und wasserstandsbedingten Unterbrechungen kann die Ausführungsfrist gemäß § 6 Nr. 2 (1c) und (2) VOB/B entsprechend verlängert werden.

...

Der Auftraggeber ist rechtzeitig über die Notwendigkeit von Unterbrechungen zu informieren.“
(GA Bd. I Bl. 17).

Die Bauausführung begann erheblich verspätet erst nach Ablauf des ursprünglich vorgesehenen Fertigstellungstermins im Juni 2008.

Während der Ausführung der Leistungen durch die Klägerin übersandte die Beklagte ihr am 10. September 2008 ein Telefax mit dem Betreff „Baubehinderung durch Baustopp – Beschluss OVG v. 09.09.08 – Klage B. “, mit dem es nach der Anrede hieß:

„Der B. (B. ) hat gegen die o.a. Unterhaltungsmaßnahme beim OVG Sachsen-Anhalt geklagt. Das OVG hat einen vorläufigen Baustopp für die Maßnahmen bis zum abschließenden Urteil erlassen.

Aus diesem Grund ist die Bauausführung, im Bereich Elbe-km 248,6 bis 249,5 an beiden Ufern, bis 10.09.2008, 11:00 Uhr, einzustellen.“
(GA Bd. I Bl. 32).

Die Klägerin und die von ihr eingesetzte Nachunternehmerin stellten die Bauarbeiten im genannten Bereich ein, jedoch ohne die Geräte und Arbeitskräfte von der Baustelle abzuziehen. Die Klägerin selbst führte ihre Arbeiten in anderen Bauabschnitten bis zu deren Fertigstellung bis zum 18. September 2008 fort. Mit Schreiben vom 11. September 2008 informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass ihre Nachunternehmerin wegen der Bauunterbrechung Mehrkosten angemeldet habe, die sie – die Klägerin – an die Beklagte weiterreichen werde (GA Bd. I Bl. 33). Mit weiterem Schreiben vom 18. September 2008 teilte die Klägerin der Beklagten unter dem Betreff „Unterbrechung der Ausführung (Anordnung AG), VOB/B, § 2 und § 6“ mit, dass inzwischen die Arbeiten in den Bauabschnitten II und III abgeschlossen worden seien und dass die Restarbeiten am Bauabschnitt I wegen des angeordneten Baustopps nicht ausgeführt werden könnten. Der Abschluss der Arbeiten im Bauabschnitt I sei dringend erforderlich, auch zur Sicherung der bisherigen Arbeiten. Sie zeigte den Anfall von Mehrkosten wegen der Baubehinderung an (GA Bd. I Bl. 34). Die Bauleistungen der Klägerin in den Bauabschnitten II und III wurden von der Beklagten am 17. bzw. 24. September 2008 abgenommen (GA Bd. I Bl. 213 f., Bl. 215 f.).

Auf Anforderung der Beklagten erstellte die Klägerin unter dem 01. Oktober 2008 ein Nachtragsangebot N1 über Stillstandskosten, welches in Pos. 1 Stillstandskosten für Gerät und Personal der Hauptauftragnehmerin in Höhe von 3.320,00 € pro Tag (netto) und in Pos. 2 solche der Nachunternehmerin in Höhe von 1.209,00 € pro Tag (netto) auswies (GA Bd. I Bl. 35). Diesem Nachtrag war eine Forderungsaufstellung der Nachunternehmerin vom 18. September 2008 sowie ein Kalkulationsblatt der Klägerin für den Baustopp beigefügt (GA Bd. I Bl. 36 f.). Darauf hin ordnete die Beklagte die Räumung der Baustelle an. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 07. Oktober 2008 mit, dass ihre Nachunternehmerin und sie die Baustelle an diesem Tage räumen und Geräte und Personal ab dem 08. Oktober 2008 auf einer anderen Baustelle einsetzen würden. Im Hinblick hierauf sowie auf eine künftige Wiederaufnahme der Arbeiten nach Aufhebung des Baustopps werde eine zusätzliche Vergütung der Baustellenräumung und der Baustelleneinrichtung anfallen. Deren Höhe war im Schreiben nicht beziffert; beide Positionen waren jedoch im Leistungsverzeichnis des Angebots der Klägerin vom 07. Mai 2007 enthalten.

Mit ihrer 7. Abschlagsrechnung vom 13. Oktober 2008 rechnete die Klägerin u.a. auch die Stillstandskosten nach Positionen N1.1 und N1.2 in Höhe von insgesamt 60.393,00 € netto (= 71.867,67 € brutto) ab (GA Bd. I Bl. 39 f.). Die Beklagte verweigerte die Zahlung dieses Betrages im Hinblick auf notwendige interne Prüfungen (GA Bd. I Bl. 43). Dem widersprach die Klägerin und setzte der Beklagten mit Schreiben vom 12. November 2008 eine Nachfrist von fünf Tagen, die ergebnislos verstrich.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt die gegen die Rechtmäßigkeit der Baumaßnahmen gerichtete Klage abgewiesen hatte, hob die Beklagte mit Schreiben vom 03. November 2008 den Baustopp auf (GA Bd. I Bl. 41). Die Klägerin erbrachte die ausstehenden Restleistungen. Am 17. / 19. Dezember 2008 wurden diese Arbeiten förmlich abgenommen (GA Bd. I Bl. 211 f.).

Im April 2009 hat die Klägerin ihre Klage auf ausstehende Vergütung erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass ihr eine zusätzliche Vergütung wegen des vorübergehenden Baustopps in Höhe der Klageforderung nach § 2 Nr. 5 VOB/B bzw. nach § 642 BGB zustehe. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens zur Höhe der Vergütung wird auf den Inhalt der Klageschrift (S. 5 f. = GA Bd. I Bl. 5 f.) und der Anlage K 6 (GA Bd. I Bl. 35 bis 37) Bezug genommen.

Die Beklagte hat den Anspruch schon dem Grunde nach bestritten und insbesondere ausgeführt, dass im Telefax vom 10. September 2008 keine Anordnung i.S. von §§ 1 und 2 VOB/B zu sehen sei. Es fehle nach dem Vertrag an einem entsprechenden Anordnungsrecht und an einem entsprechenden Anordnungswillen der Beklagten. Zudem seien Mehrvergütungsansprüche wegen Baubehinderungen durch § 8 BVB ausgeschlossen. Hilfsweise hat sich die Beklagte gegen die Höhe der begehrten Vergütung gewandt und beanstandet, dass die Abrechnung ersparte Aufwendungen nicht berücksichtigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B nicht bestehe, weil die Beklagte angesichts der gerichtlichen Anordnung des vorläufigen Baustopps über keinerlei Handlungsspielraum verfügt habe. Zudem sei der Baustopp nicht dem Risikobereich der Beklagten zuzurechnen. Ein Schadenersatzanspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B scheitere an einem fehlenden Verschulden der Beklagten.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 12. Oktober 2009 zugestellte Urteil mit einem am 11. November 2009 beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung am 11. Dezember 2009 auch begründet.

Sie ist der Auffassung, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 2 Nr. 5 VOB/B zu Unrecht als nicht vorliegend angesehen habe. Mit dem Telefax vom 10. September 2008 sei ihr – der Klägerin – durch die Beklagte eine Anordnung zum Baustopp erteilt worden, die zu einer Bauzeitenänderung und damit zu einer Leistungsänderung geführt habe. Im Übrigen rügt die Klägerin, dass sich das Landgericht mit § 642 BGB als Anspruchsgrundlage nicht auseinandergesetzt habe.

Auf den Hinweis des Senats im Termin der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2010 stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 04. Mai 2010 eine Schlussrechnung (GA Bd. II Bl. 57 f.), die sie ihr persönlich am selben Tage übergab. Die Schlussrechnung enthält wiederum die Positionen N1.1 und N1.2, die Gegenstand der Klageforderung sind, und wurden von der Beklagten weiterhin nicht anerkannt. Im Rahmen ihrer Schlusszahlung vergütete die Beklagte jedoch die zusätzliche Baustellenräumung und Baustelleneinrichtung jeweils pauschal.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 71.867,67 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. November 2008 sowie weitere 1.580,00 € zu zahlen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 71.867,67 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 24. November 2008 bis zum 03. Mai 2010 sowie ab dem 05. Juli 2010 sowie weitere 1.580,00 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und insbesondere die darin geäußerte Rechtsauffassung, dass es für einen Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B an einer entsprechenden Anordnung des Auftraggebers fehle.

Der Senat hat am 17. März 2010 und am 15. Dezember 2010 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt beider Sitzungsprotokolle des Senats (vgl. GA Bd. I Bl. 169 f. und Bd. II Bl. 129) sowie auf den Auflagenbeschluss des Senats vom 25. März 2010 – welcher auf den im Termin vom 17. März 2010 gegebenen Hinweisen des Senats beruht (vgl. GA Bd. I Bl. 176 ff.) – Bezug genommen. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens haben beide Parteien streitig zur ursprünglichen Kalkulation der Klägerin vorgetragen. Mit Beschluss vom 19. Mai 2011 hat der Senat mit Zustimmung beider Prozessparteien die weitere Verhandlung und Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet und den 06. Juni 2011 zum Termin bestimmt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.


B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

Sie hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der Stillstandskosten nach § 2 Nr. 5 VOB/B – in der hier geltenden Fassung von 2006 – i.V.m. dem Bauvertrag vom 25. Mai 2007. Die Klageforderung ist der Höhe nach überwiegend begründet. Hinsichtlich der Stillstandsvergütung für die Klägerin selbst sind jedoch nur elf statt zehn Werktage zu berücksichtigen; bei der Still-standsvergütung für die Nachunternehmerin kommt die Berücksichtigung der Kosten des Arbeitsbootes nicht in Betracht.

I. Der Hauptantrag der Berufung ist unbegründet.

Die Entscheidung ergeht auf der Grundlage des zulässigen Hilfsantrags der Berufung.

1. Zwar sind die Hauptforderung des Hauptantrags und diejenige des Hilfsantrags betragsmäßig identisch, beide Anträge unterscheiden sich jedoch im Klagegrund.

Während der Hauptantrag mit einem Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 16 Nr. 1 VOB/B aus der 7. Abschlagsrechnung der Klägerin vom 13. Oktober 2008 begründet wird, stützt sich der Hilfsantrag auf einen Anspruch auf Schlusszahlung nach § 16 Nr. 3 VOB/B aus der Schlussrechnung vom 04. Mai 2010.

2. Der Hauptantrag der Berufung ist unbegründet.

Schon bei Klageerhebung konnte ein Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 16 Nr. 1 VOB/B nicht (mehr) durchgesetzt werden, weil Schlussrechnungsreife eingetreten war. Die Gesamtbauleistung der Klägerin war von der Beklagten bereits abgenommen worden. Am 19. Dezember 2008 erfolgte die förmliche Abnahme des Bauabschnitts I und aller offenen Mangelbeseitigungsarbeiten. Diese Abnahme kam angesichts der zeitlich vorangegangenen Abnahmen der beiden anderen Bauabschnitte einer Schlussabnahme gleich. Die Klägerin hatte zwar vor Klageerhebung noch keine Schlussrechnung gestellt, die Frist des § 14 Nr. 3 VOB/B war jedoch verstrichen. Damit war die als Abschlagsforderung verlangte Vergütung der Stillstandszeiten zum Zeitpunkt der Klageerhebung nur noch ein unselbständiger Rechnungsposten der Schlussrechnung und konnte nicht mehr selbständig geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil v. 20.08.2009, VII ZR 205/07 – BGHZ 182, 158 – hier zitiert nach juris, Tz. 42 ff. m.w.N.).

3. Der Hilfsantrag der Berufung ist zulässig.

Die Begründung der Klageforderung mit einem Anspruch aus der im Verlaufe des Rechtsstreits erteilten Schlussrechnung vom 04. Mai 2010 stellt eine Modifizierung der Klage i.S. von § 264 Nr. 3 ZPO dar, die generell (so BGH, Urteil v. 11.11.2004, VII ZR 128/03 – BauR 2005, 400 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung – zitiert nach juris, Tz. 47), zulässig ist. Auch wenn die Klägerin mit einer in dieser Weise modifizierten Klage in der Berufungsinstanz nicht mehr die Beschwer des angefochtenen Urteils verfolgt, ist dieses Vorgehen auch unter Berücksichtigung der Voraussetzungen nach § 533 ZPO zulässig, denn sowohl der Anspruch aus der Abschlagsrechnung als auch der betragsmäßig gleiche Anspruch aus der Schlussrechnung sind ihrem Kern nach Erscheinungsformen eines einheitlichen Werklohnanspruchs; die Prüfung und Bewertung seiner Begründetheit im laufenden Rechtsstreit ist sachdienlich (vgl. BGH, ebenda).

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Vergütung ihrer eigenen Stillstandszeiten und derjenigen ihrer Nachunternehmerin aus dem Bauvertrag vom 25. Mai 2007 zwischen den Parteien des Rechtsstreits.

1. Allerdings ist im Bauvertrag vom 25. Mai 2007 eine Vergütung für Stillstandszeiten nicht ausdrücklich geregelt.

In dem von der Beklagten vorgegebenen Hauptleistungsverzeichnis sind Positionen, die eine Vorhaltung von Personal oder Geräten ohne deren Einsatz, also lediglich in Einsatzbereitschaft, vorsehen, nicht enthalten. Insbesondere enthält auch der Titel 5 des Leistungsverzeichnisses über sog. „Bedarfspositionen“ keine einschlägigen Leistungspositionen.

2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf § 6 Nr. 6 VOB/B stützen.

Eine schuldhafte Verletzung von Mitwirkungspflichten der Beklagten als Auftraggeberin hat die Klägerin schon nicht schlüssig behauptet. Die Beklagte war nach dem unstreitigen Prozess-Stoff z.Zt. des Vertragsschlusses mit der Klägerin im Besitz der notwendigen, von ihr zu besorgenden Genehmigungen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sorgfaltswidrig verhalten und hierdurch die Anordnung des Baustopps durch das Oberverwaltungsgericht (mit-)verursacht hat.

3. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Stillstands- bzw. - genauer - Bereitschaftszeiten ist jedoch nach § 2 Nr. 5 VOB/B begründet.

Danach ist eine Anpassung der vertraglich vereinbarten Vergütung für den Fall geschuldet, dass das ursprüngliche Äquivalent zwischen dem Vertragspreis und der Vertragsleistung durch eine einseitige nachträgliche Änderung der Leistung durch den Auftraggeber gestört wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Die Anwendbarkeit des § 2 Nr. 5 VOB/B auf Stillstands- bzw. bloße Bereitschaftszeiten ist nicht ausgeschlossen durch Ziffer 8 der Besonderen Vertragsbedingungen des Vertrages.

aa) Dabei kann hier offen bleiben, inwieweit diese Vertragsklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB u.U. unwirksam sein könnte.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung, wie hier Ziffer 8 BVB, als eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zu bewerten ist, wenn sie zur Vereitelung von sonst berechtigten Mehrvergütungsansprüchen führt (vgl. nur Jansen in: Ganten/Jagenburg/Motzke, Beck´scher Komm. z. VOB/B, 2. Aufl. 2008, § 2 Nr. 5 Rn. 89; Kuffer in: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkomm. z. VOB Teile A und B und VgV, 11. Aufl. 2008, § 2 Rn. 47, jeweils m.w.N.). Inwieweit dies auf die Regelung in Ziffer 8 BVB zutrifft, hängt u.a. von der Auslegung der Klausel ab.

bb) Jedenfalls ist die Klausel in Ziffer 8 BVB nach § 305c Abs. 2 BGB wegen ihrer Mehrdeutigkeit zu Lasten der Beklagten als Verwenderin auszulegen und mithin in einem Sinne, der sich hier zugunsten der Klägerin auswirkt.

(1) Die Vertragsklausel enthält eine ausdrückliche Regelung, dass der spätere Auftrag-nehmer Unterbrechungen der Bauarbeiten jedenfalls dann nicht vergütet bekommt, wenn diese Unterbrechungen auf hohe Wasserstände oder Schiffshavarien zurückzuführen sind. Diese ausdrücklich aufgeführten Unterbrechungsgründe liegen hier nicht vor.

(2) Im Übrigen enthält die Vertragsklausel einen unbestimmten Rechtsbegriff („andere vom Auftraggeber nicht verschuldete Unterbrechungen“), der mit einem Beispiel konkretisiert ist. Dieser Begriff ist mehrdeutig.

Er kann so verstanden werden, wie es die Beklagte geltend macht, dass jegliche Unter-brechungen der Bauarbeiten, die letztlich nicht von der Beklagten zu vertreten sind, hinsichtlich der Leistungszeit und der Vergütung in die Risikosphäre des Auftragnehmers fallen, wobei Satz 3 der Vertragsklausel hinsichtlich der Leistungszeit eine einseitige Verlängerungsbefugnis der Auftraggeberin vorsieht.

Die Klausel kann jedoch – insbesondere bei Berücksichtigung der beidseitigen Interessen und Risikosphären – auch so ausgelegt werden, dass lediglich solche tatsächlichen Baubehinderungen in die Risikosphäre der Auftragnehmerin fallen, mit denen branchentypisch zu rechnen ist und die deshalb für den Auftragnehmer kalkulierbar sind, also Hoch- und Niedrigwasser, widrige Witterungsbedingungen, Beeinträchtigungen durch die Benutzung der Wasserstraße oder der Uferzonen, nicht jedoch Risiken, die im weitesten Sinne mit der vom Auftraggeber zu gewährleistenden Baufreiheit zusammenhängen und letztlich vom Auftraggeber jedenfalls besser und zuverlässiger einzuschätzen sind als für den Auftragnehmer, so fehlende Genehmigungen oder – wie hier – Drittwidersprüche gegen bereits erteilte Genehmigungen.

(3) Im Falle der Mehrdeutigkeit schreibt § 305c Abs. 2 BGB vor, dass der Vertragspartner der Verwenderin sich auf diejenige mögliche Auslegung der Klausel erfolgreich berufen kann, die für ihn günstiger ist. In der vorliegenden Konstellation ist dies für die Klägerin die letzt genannte Auslegungsmöglichkeit, welche das Risiko einer Baubehinderung durch einen Drittwiderspruch gegen eine bereits erteilte Genehmigung der Beklagten zuweist.

b) Der Anfall der Stillstands- bzw. Bereitschaftszeiten geht auf eine Anordnung des Auftraggebers, hier der Beklagten, zurück.

aa) Als Anordnung des Auftraggebers i.S. von § 2 Nr. 5 VOB/B ist jede eigene Erklärung der Beklagten bzw. jede ihr zurechenbare fremde Erklärung anzusehen, die eine Anweisung zu den Modalitäten der Auftragsausführung enthält und aus der objektiv erkennbar ist, dass die Beklagte die Befolgung dieser Anweisung erreichen will.

Eine solche Anordnung ist im Telefax vom 10. September 2008 enthalten.

(1) Allerdings enthält das genannte Fax-Schreiben in seinem ersten Teil nur eine Mitteilung darüber, dass die Beklagte Beteiligte an einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit um die umweltrechtliche Zulässigkeit der Baumaßnahme ist, mit deren Durchführung die Klägerin beauftragt worden ist. Weiter wird – nur – mitgeteilt, dass das Oberverwaltungsgericht eine gegen die Beklagte gerichtete einstweilige Anordnung erlassen hat, nämlich einen Baustopp bis zum Abschluss der Instanz vorzunehmen. Die Information über die gerichtliche Entscheidung ist noch keine Anordnung i.S. von §§ 1 Nr. 3, 2 Nr. 5 VOB/B. Damit endet das Schreiben der Beklagten jedoch nicht.

(2) Im nächsten Teil des Fax-Schreibens erklärt die Beklagte, welche Schlussfolgerung sie aus der gegen sie gerichteten einstweiligen Anordnung gezogen hat. Sie gibt zu erkennen, dass sie der gerichtlichen Anordnung Folge leisten will, und sie selbst fordert die Klägerin auf, ihre Arbeiten am betroffenen Bauabschnitt bis zu einem bestimmten Termin einzustellen. Das Schreiben enthält gerade nicht nur eine bloße Mitteilung der Beklagten, sondern eine auf die Änderung des Verhaltens der Klägerin gerichtete Anweisung (vgl. zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines Erklärungswillens OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2009, I-23 U 47/08 – hier zitiert nach juris, dort Tz. 28).

(3) Soweit das Landgericht seine abweichende Bewertung vor allem darauf gestützt hat, dass die Beklagte hinsichtlich der Anordnung der vorübergehenden Einstellung der Arbeiten am betroffenen Bauabschnitt keinen Handlungsspielraum gehabt habe, hält dies einer Überprüfung nicht stand. Zwar kann die Frage des zur Verfügung stehenden Handlungsspielraums eines Vertragspartners für die Ermittlung des objektiven Erklärungswerts seines Verhaltens maßgeblich sein. Auch ein fehlender Handlungsspielraum schließt jedoch das Vorliegen einer Anordnung nicht aus (vgl. Jansen, a.a.O., § 2 Nr. 5 Rn. 26; Keldungs in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 17. Aufl. 2010 zur VOB 2009, § 2 VOB/B Rn. 25, jeweils m.w.N.). Die Berücksichtigung eines fehlenden Handlungsspielraumes könnte hier ggf. auch dahin erfolgen, dass schon bei isolierter Betrachtung der erstgenannten Mitteilung ein gewichtiger Umstand für die Annahme einer Anordnung des Baustopps durch die Beklagte besteht. Jedenfalls folgt hier der Mitteilung ausdrücklich eine eigene Entscheidung der Beklagten, d. h. es liegt gerade kein Fall der Passivität der Beklagten vor. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass hier die Annahme eines vollständig fehlenden Handlungsspielraums der Beklagten zweifelhaft erscheint. Im vorliegenden Falle wäre angesichts der behaupteten offensichtlichen Unzulässigkeit des Drittwiderspruchs u.U. eine Gegenvorstellung zu der einstweiligen Anordnung oder jedenfalls ein Abwarten der Einleitung einer möglichen Zwangsvollstreckung in Betracht gekommen.

c) Die festgestellte Anordnung der Beklagten vom 10. September 2008 war auf eine Änderung der vertraglichen Leistung gerichtet und führte hier zu einer Störung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses des Vertrages.

aa) Nach dem Inhalt und der Struktur des Vertrages hatte die Beklagte als Auftraggeberin lediglich den Beginn und den endgültigen Fertigstellungstermin bestimmt (vgl. Ziffern 3.2.1 und 3.2.2 der Allgemeinen Baubeschreibung, GA Bd. I Bl. 13 und 13 Rs., sowie Ziffer 7 BVB, GA Bd. I Bl. 16 Rs. unten); im Übrigen war es Sache der Klägerin als Auftragnehmerin, die einzelnen Arbeitsschritte zeitlich und organisatorisch festzulegen und entweder Stillstandszeiten ganz zu vermeiden oder aber während einer – z. Bsp. durch Hochwasser bedingten – vorübergehenden Baubehinderung für einen anderweitigen Einsatz von Personal und Geräten Sorge zu tragen.

Durch die Anordnung des Baustopps ohne gleichzeitige Anordnung der Räumung der Baustelle griff die Beklagte in diese Dispositionsbefugnis der Klägerin ein. Die Klägerin war nunmehr verpflichtet, Personal und Geräte auf der Baustelle in Bereitschaft zu halten, ohne jedoch Vertragsleistungen erbringen zu dürfen. Ab dem Zeitpunkt, in dem nur noch Leistungen auf dem vom Baustopp betroffenen Bauabschnitt zu erbringen waren, führte diese Anordnung zu einem für die Klägerin mit Aufwendungen für die Einsatzbereitschaft verbundenen Stillstand der Arbeiten. Ein solcher Stillstand war im Vertrag nicht vorgesehen.

bb) Es ist evident, dass die von der Beklagten angeordnete Einsatzbereitschaft trotz des Baustopps zeitabhängig nicht unerhebliche Mehrkosten der Klägerin verursachte, die – falls sie bereits bei Vertragsschluss bekannt gewesen wären – kalkulationsrelevant gewesen wären und nunmehr zu einer erheblichen Störung des Preis-Leistungs-Verhältnisses in denjenigen Leistungspositionen führten, in denen eine Vergütung quantitativ nach dem Ergebnis der Arbeiten – also z. Bsp. laufenden Metern Pfahlreihen und Geotextilien, erbrachten Quadratmetern Pflasterung bzw. Kubikmetern Bodenaustausch oder umgeschlagenen Tonnen Steinschüttung – vereinbart war.

d) Der Anwendbarkeit des § 2 Nr. 5 VOB/B steht auch nicht eine etwa fehlende Berechtigung der Beklagten zur Anordnung der Leistungsänderung entgegen.

aa) Eine einseitige Leistungsänderung kann entweder in einer nach § 1 Nr. 3 VOB/B erlaubten Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des „Bauentwurfs“ liegen, wobei z.T. umstritten ist, ob Änderungen der Bauzeiten, wie hier, neben technischen Änderungen ebenfalls von dieser Alternative erfasst sind bzw. zumindest dann erfasst werden, wenn die Änderungen wegen der Kooperationspflicht des Auftragnehmers von diesem umgesetzt werden (so Jansen, a.a.O., § 2 Nr. 5 Rn. 19), oder in einer „sonstigen Anordnung“, die jedenfalls auch zeitliche Aspekte betreffen kann (vgl. nur Kapellmann in: Messerschmidt/Kapellmann, Komm. z. VOB/B, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 181, 185).

Für den vorliegenden Rechtsstreit kann die Zuordnung zu einer dieser beiden Alternativen offen bleiben.

bb) Die Klägerin hat der ausdrücklichen Anordnung der Beklagten widerspruchslos Folge geleistet, ihre Bauarbeiten am betroffenen Bauabschnitt eingestellt und gleichwohl Personal und Geräte für die Erbringung der Vertragsleistungen in ständiger Einsatzbereitschaft für die Beklagte gehalten.

Für die Vergütungspflicht dieser zusätzlichen Leistungen der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Anordnung der Beklagten vertraglich erlaubt bzw. vorgesehen war oder vom Auftragnehmer lediglich ohne Streit im Rahmen seiner Kooperationspflicht akzeptiert wurde. Es widerspricht schon dem Zweck der VOB/B, wenn ein Streit über die Berechtigung des Auftraggebers zur Erteilung einer bestimmten Bauanweisung während der Bauausführung abschließend zu führen wäre mit der Folge von u.U. erheblichen Verzögerungen in der Bauausführung. Zudem wäre es aber auch aus Sicht der Beklagten selbst widersprüchlich und ist jedenfalls von der Rechtsordnung nicht zu billigen, wenn die Beklagte von der Klägerin ein bestimmtes Verhalten verlangen und sich wegen der Verantwortlichkeit für die Folgen dieses Verhaltens erfolgreich darauf berufen könnte, dass ihr die getroffene und von der Klägerin erwartungsgemäß befolgte Anordnung nicht erlaubt gewesen sei. Das Risiko der Anordnungsberechtigung muss auch in dieser Konstellation von der Auftraggeberin, hier also der Beklagten, getragen werden. Ob ausnahmsweise etwas Anderes gelten kann, wenn es der Auftragnehmerin zumutbar gewesen wäre, einen Kosten auslösenden und rechtswidrigen Eingriff des Auftraggebers in den Vertrag zurückzuweisen, kann hier offen bleiben, weil ein solcher Sachverhalt nicht gegeben war.

cc) Der erkennende Senat sieht sich in seiner Auffassung bestätigt durch die Recht-sprechung des VII. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes zu Mehrvergütungsansprüchen des Auftragnehmers wegen verzögerter Auftragserteilung in einem Vergabeverfahren und hierdurch verursachter Änderungen der Leistungen, insbesondere hinsichtlich der Leistungszeit.

(1) Seit seiner Grundsatzentscheidung im Jahre 2009 (Urteil v. 11.05.2009, VII ZR 11/08 – BGHZ 181, 47) geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es mit den Fällen des § 2 Nr. 5 VOB/B und insbesondere mit den Fällen einer vom Auftraggeber veranlassten Änderung des Bauentwurfes vergleichbar sei, wenn eine Verschiebung der Leistungszeit (durch Verzögerung des Vertragsschlusses und – hierdurch bedingt – des Beginns der Auftragsausführung) zu einer Störung des vertraglichen Äquivalents von Preis und Leistung führt. Sowohl in den von § 2 Nr. 5 VOB/B primär erfassten Fällen der technischen Änderung des Bauentwurfes als auch in den Fällen der Äquivalenzstörung durch Änderung der Bauzeiten bestehe nach Treu und Glauben keine Veranlassung, dem Auftragnehmer die Risiken zuzuweisen, die eindeutig dem Bereich des Auftraggebers zuzuordnen seien. Dieser Grundgedanke des § 2 Nr. 5 VOB/B sei auch dann entsprechend anzuwenden, wenn die „Anordnung“ der Bauzeitverschiebung zeitlich vor dem Zustandekommen des Vertragesliege und konkludent durch die Verzögerung des Vertragsschlusses erfolge.

(2) Wendet man den vorgenannten, vom Bundesgerichtshof verdeutlichten Kerngedanken des § 2 Nr. 5 VOB/B auf die vorliegende Konstellation an, so besteht auch hier keine Veranlassung, der Klägerin als Auftragnehmerin das Preis- und Kostenrisiko der von ihr verlangten Bereitschaftszeiten aufzuerlegen. Wie vorausgeführt, fällt das Risiko der Geltendmachung von (Dritt-)Rechtsschutz gegen die nach dem Vertragsinhalt von der Beklagten als Auftraggeberin einzuholende Genehmigung in deren Verantwortungsbereich. Soweit der hierdurch verursachte Baustopp zu erheblichen Äquivalenzstörungen zwischen Preis und Leistung im Vertragsverhältnis der Parteien führt, wie hier festgestellt, hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine Vergütungsanpassung.

(3) Die von der Beklagten gegen die Vergleichbarkeit der vorliegenden Konstellation mit den Fällen der verzögerten Zuschlagserteilung vorgebrachten Argumente überzeugen demgegenüber nicht.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass in den vom BGH bislang entschiedenen Fällen die Verzögerung des Vertragsschlusses stets durch das prozessuale Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB im Vergabenachprüfungsverfahren verursacht worden sei und die Herbeiführung eines prozessualen Zuschlagsverbots jeweils voraussetze, dass die Vergabestelle eine rechtswidrige Maßnahme umgesetzt habe, treffen beide Voraussetzungen nicht zu.

Inzwischen ist die Rechtsprechung zum Mehrvergütungsanspruch bei verzögerter Auftragsvergabe vom BGH auch auf einen Fall angewandt worden, in dem die Verzögerung des Vertragsschlusses ihre Ursache in einem verzögerten Abschluss des Planfeststellungsverfahrens hatte, ohne dass in der Entscheidung danach differenziert worden wäre, ob diese Verzögerung von der Vergabestelle schuldhaft herbeigeführt worden ist (vgl. Urteil v. 25.11.2010, VII ZR 201/08 – BauR 2011, 503). Dieses Ergebnis ist Folge der Regelung des § 2 Nr. 5 VOB/B; die Vorschrift knüpft an die objektiv vorliegende Äquivalenzstörung und die – verschuldensunabhängige – Veranlassung der Äquivalenzstörung durch den Auftraggeber an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt das prozessuale Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB objektiv keinen Vergaberechtsverstoß des öffentlichen Auftraggebers voraus. Insoweit ergeht keine ausdrückliche Entscheidung der Vergabekammer in einem förmlichen Eilrechtsschutzverfahren. Nach § 115 Abs. 1 GWB n.F. genügt bereits die bloße Zusendung des Nachprüfungsantrags in Textform. Dem gegenüber sah § 115 Abs. 1 GWB a.F. zwar zumindest eine Zustellung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer an die Vergabestelle vor. Für die Anordnung der Zustellung war es jedoch ausreichend, dass die anfängliche Darstellung eines Vergabeverstoßes durch den Antragsteller nicht offenkundig unbegründet erschien.

III. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Mehrvergütung für die Stillstandszeiten ist in Höhe von 67.380,12 € begründet; hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages von 4.487,55 € – also der Differenz zwischen der Klageforderung und dem zuerkannten Betrag (71.867,67 € - 67.360,12 €) – ist die Klage abzuweisen.

1. Die in § 2 Nr. 5 VOB/B vorgesehene Rechtsfolge ist, dass ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren ist. Kommt eine solche Vereinbarung, wie hier, nicht zustande, kann der Auftragnehmer den sich aus der Vorschrift ergebenden Vergütungsanspruch unmittelbar im Wege der Zahlungsklage geltend machen (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.2008, VII ZR 201/06 – BGHZ 179, 213; Urteil v. 21.03.1968, VII ZR 84/67 – BGHZ 50, 25). So ist die Klägerin hier vorgegangen.

2. Bei der Berechnung eines neuen Vertragspreises sind die bisherigen Preisermittlungsgrundlagen zu berücksichtigen.

Es ist nicht zulässig, neue Preisermittlungen anzustellen. Da hier die Vorhaltung von Arbeitskräften und Geräten Bestandteil der Leistungspositionen des ursprünglichen Auftrages war, sind für die Ermittlung des Vertragspreises der Stillstands- bzw. Bereitschaftszeiten die Preisermittlungsgrundlagen der entsprechenden Leistungspositionen für diesen Bauaubschnitt unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen, insbesondere für das Material, heranzuziehen. Diese Preisermittlungsmethode hat die Klägerin angewandt.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Vergütungsanspruch für die Stillstands- bzw. Bereitschaftszeiten ihrer eigenen Arbeitskräfte und Geräte in Höhe von 36.528,80 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

a) Die Grundlagen der ursprünglichen, d. h. die Vertragspreise bestimmenden Kalkulation der Klägerin hinsichtlich ihres eigenen Personals und der zur Durchführung der Vertragsleistungen eingesetzten Geräte ergeben sich aus den Angebotsunterlagen der Klägerin.

aa) Personal

Unstreitig bestand ein Schubverband der Klägerin aus drei Mitarbeitern – einem Vorarbeiter, einem Matrosen und einem Baggerführer. Der Stundenlohn für das Personal des gesamten Schubverbandes war mit 98,88 € kalkuliert.

Als durchschnittlicher Stundenlohn eines Mitarbeiters war ein Betrag von 32,96 € angegeben (vgl. Formblatt 364-B, Ziffer 1 – GA Bd. I Bl. 27 linke Spalte; identisch mit Anlage HWH 7, GA Bd. II Bl. 112). Hiermit korrespondiert die gerundete Angabe in der LV-Position 5.1.30 – Bedarfsposition Stundenlohn Arbeitskraft Baufacharbeiter – (vgl. GA Bd. I Bl. 23, linke Spalte), die Anlage zum Nachtragsangebot N1 (Anlage K 6, GA Bd. I Bl. 37), in der die Spalte „Lohn“ mit diesem Preis ausgefüllt ist, und vor allem die Angaben der Klägerin zu den Preisermittlungsgrundlagen der LV-Position 2.1.10 (Anlage K 13, GA Bd. II Bl. 20, dort Tabellenkopf in Spalte 6).

bb) Geräte

Unstreitig war Grundlage der Kalkulation die Berücksichtigung eines Schubbootes, d.h. eines Schleppers und eines Pontons. Hierfür hat die Klägerin bei ihren Angebotspreisen einen Betrag von 220,00 € / h zugrunde gelegt.

Zwar sind die zugehörigen ursprünglichen Preisermittlungsgrundlagen entgegen der anfänglichen Behauptung der Klägerin nicht der LV-Position 5.2.40 – Bedarfsposition Schubboot – zu entnehmen, weil dort kein Einheitspreis eingetragen worden war (vgl. GA Bd. I Bl. 24 linke Spalte). Sie ergeben sich auch nicht ohne Weiteres aus der LV-Position 2.1.10, weil dort ein aus Personal-, Geräte- und Betriebskosten zusammengesetzter Einheitspreis in Abhängigkeit von der Tonnage der aufgeschütteten Steine aufgeführt ist (vgl. GA Bd. I Bl. 18 Rs. rechte Spalte). Auch die Aufgliederung dieses Einheitspreises im Formblatt 365-B, die für Geräte einen Teileinheitspreis von 8,22 € / t ausweist, erlaubt keinen sicheren Rückschluss (vgl. GA Bd. I Bl. 27 Rs. linke Spalte).

Der kalkulierte Preis von 220,00 € / h erschließt sich jedoch unter Einbeziehung der Anlage K 13 (vgl. GA Bd. II Bl. 20), die zur Leistungsposition 2.1.10 die Preisermittlungsgrundlagen offen legt. In Spalte 4 findet sich dort die Angabe „G 120 h x 200,-/“, der in Spalte 7 „Geräte“ ein Preisbestandteil zugeordnet ist zuzüglich eines 10 %-igen Aufschlags; dieser Betrag ist letztlich in den Einheitspreis der Position 2.1.10, wie er sich auch aus dem von der Klägerin ausgefüllten Leistungsverzeichnis ergibt, eingeflossen. Damit in Übereinstimmung steht die Anlage zum Nachtrag N1 der Klägerin, in der die Gerätekosten als Ponton für 125,-/h und Schleppboot für 75,-/h = 200,-/h aufgeführt sind (vgl. GA Bd. I Bl. 37). Auch dort ist weiter ein Zuschlag von 10 % berücksichtigt und berechnet.

cc) Betriebsstoffe

Die Klägerin hat ausweislich ihrer Angaben zu den Preisermittlungsgrundlagen des Angebots in LV-Position 2.1.10 auch Kosten für Betriebsstoffe, und zwar für Dieselkraftstoff, berücksichtigt. Für die Erbringung von Arbeitsleistungen hat sie dabei mit einem Betrag von 88,00 € / h kalkuliert. Das ergibt sich aus Spalte 4 „DK 120 h x 80 l/h x 1,-“, wonach also mit einem stündlichen Verbrauch von 80 Litern á 1,00 € kalkuliert worden ist, und aus Spalte 7, wonach für Betriebsstoffe ebenfalls ein Aufschlag von 10 % berechnet worden ist (vgl. GA Bd. II Bl. 20). Der Zuschlag von 10 % findet sich auch in den Eintragungen der Klägerin im Formblatt 364-B, dort unter Ziffer 2 (vgl. Anlage HWH 7, GA Bd. II Bl. 112).

b) Die Berechnung der geforderten Mehrvergütung hat die Klägerin auf dieselben Preisermittlungsgrundlagen gestützt.

aa) Hinsichtlich der Bestandteile Personal und Geräte hat sie für die Bereitschaftszeiten die ursprünglichen Ansätze in voller Höhe übernommen.

Dies ist nicht zu beanstanden, weil insoweit ersparte Aufwendungen nicht ersichtlich sind und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht werden.

bb) Hinsichtlich der Betriebsstoffe hat die Klägerin den erheblich geringeren Verbrauch bei bloßen Bereitschaftszeiten gegenüber einer Leistungserbringung dadurch berücksichtigt, dass sie die Betriebskosten lediglich zu 15 % angesetzt hat (vgl. Anlage zu N1, GA Bd. I Bl. 37), also in Höhe von 13,20 € / h.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Ansatz nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat eingeräumt, dass ein Ansatz von 15 % für die Aufrechterhaltung der Batteriespannung und den Betrieb der Heizung den durchschnittlichen Aufwendungen entspricht. Soweit sie meint, für die Berechnung der Mehrvergütung sei jedoch auf den individuellen Verbrauch des konkret eingesetzten Schubbootes abzustellen, folgt ihr der Senat nicht. Es ist weder zugunsten noch zu Lasten der Auftraggeberin von den tatsächlichen Verbrauchswerten auszugehen, sondern stets von den ursprünglich kalkulierten Beträgen. Durch den Anspruch auf Vergütungsanpassung nach § 2 Nr. 5 VOB/B soll nicht ein etwa bestehender Mangel der ursprünglichen Kalkulation beseitigt werden können, sondern lediglich eine angemessene Reaktion auf eine nachträglich durch den Auftraggeber veranlasste Störung der im bestehenden Vertrag ursprünglich hergestellten Relation von Preis und Leistung erfolgen. Aus dem gleichen Grund ist die Einwendung unerheblich, dass die tatsächlichen Kosten für Dieselkraftstoff erheblich unter 1,00 € / l, und zwar allenfalls bei 0,65 € / l gelegen hätten. Nur ergänzend verweist der Senat darauf, dass nach den Dieselpreis-Informationen des Statistischen Bundesamtes die Dieselpreise bei Abgabe an Großverbraucher im Mai 2007 – dem Zeitpunkt der Kalkulation des ursprünglichen Angebotes der Klägerin – 90,7 € / 100 l mit ansteigender Tendenz, und im September 2008 – dem Zeitpunkt der Erstellung des Nachtrags durch die Klägerin – 109,24 € / 100 l betrugen, so dass die Kalkulation der Klägerin selbst für den Fall der Prüfung ihrer Angemessenheit keinen Bedenken begegnete.

c) Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen ihrer eigenen Bereitschaftszeiten beträgt netto 36.528,80 €.

aa) Der Berechnung sind die ursprünglichen Preisermittlungsumstände zugrunde zu legen.

Das sind nach dem Vorausgeführten je Arbeitsstunde 98,88 € für das Personal, 220,00 € für die Geräte und 13,20 € für Betriebsstoffe, mithin insgesamt ein Betrag von 332,08 € / h.

bb) Entgegen der Behauptung der Klägerin sind jedoch nur elf Arbeitstage á 10 Arbeitsstunden, mithin 110 Arbeitsstunden, in Ansatz zu bringen.

Die Klägerin hat sich auf zwölf Werktage in der Zeit vom 19. September bis zum 07. Oktober 2008 (einschließlich) berufen, in denen sie keine Arbeiten mehr an anderen Bauabschnitten zu erledigen hatte. Ausweislich des Bautagebuches erledigten die Arbeitskräfte der Klägerin jedoch am 19. September 2008 bis 12:00 Uhr noch Bauarbeiten am km 255 und beräumten danach die – dortige – Baustelle (vgl. GA Bd. II Bl. 109). Dies korrespondiert mit der Schlussrechnung der Klägerin, in der sie für den 19. September 2008 noch die Erbringung von Arbeitsleistungen in einer Zeit von 9,8 h abgerechnet hat (vgl. GA Bd. II Bl. 64).

4. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf Vergütung der Bereitschaftszeiten ihrer Nachunternehmerin in Höhe von 20.093,15 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

a) Allerdings waren die Preisermittlungsgrundlagen der Klägerin für die Nachunternehmerleistungen in den Angebotsunterlagen nur z.T. enthalten.

Die Angebotsunterlagen weisen die einzelnen Preisbestandteile der Nachunternehmerleistungen nicht aus. Aus dem Formblatt 364-B (Anlage HWH 7, GA Bd. II Bl. 112) ergibt sich lediglich, dass die Klägerin auf diese Preise einen Zuschlag von 10 % kalkuliert hat. Die Angaben in den Preisermittlungsgrundlagen nach LV-Positionen (Anlage K 13, GA Bd. II Bl. 20) lassen in den Positionen 2.2.20, 2.2.60, 2.2.70, 2.2.90, 2.2.100, 2.2.110 und 2.2.130 zwar einen Preisbestandteil „gem. Sub“ und den 10 %-igen Zuschlag erkennen; für die Aufgliederung der Nachunternehmervergütung in Stundenlohn, Gerätekosten und Betriebskosten fehlen jedoch hinreichende Anhaltspunkte.

b) Die Klägerin hat im Rechtsstreit die angeblichen Preisermittlungsgrundlagen ihrer Nachunternehmerin vorgelegt (vgl. Anlage zu N1, GA Bd. I Bl. 36, sowie Anlage K 15, GA Bd. II Bl. 21 f.).

Der Senat bewertet diese Kalkulationsangaben als authentisch für das abgerechnete Bauvorhaben.

Soweit der Senat ursprünglich darauf hingewiesen hat, dass gegen die Authentizität der Anlage K 15 die Faxzeile sprechen könnte, die ein Absendedatum „11.02.2006“ zeigt, welches erheblich vor dem Zeitpunkt der Angebotserstellung der Klägerin und vor dem Beginn des Vergabeverfahrens der Beklagten liegt, hat die Klägerin diesen Umstand mit einer falschen Einstellung am Faxgerät erklärt. Dies ist zumindest nicht zu widerlegen.

Die Überzeugung des Senats von der Zugehörigkeit dieser Kalkulation zum streitgegenständlichen Bauvorhaben resultiert jedoch aus der vollständigen inhaltlichen Übereinstimmung der Angaben in Anlage K 15 mit den Angaben in der unter dem 18. September 2008 erstellten und der Beklagten von der Klägerin am 01. Oktober 2008 übermittelten Erläuterung des Nachtragsangebots N1 (vgl. GA Bd. I Bl. 35 f.) und aus der ganz überwiegenden inhaltlichen Übereinstimmung dieser Angaben mit der Kalkulation der Klägerin, die der Beklagten bereits mit dem Angebot übergeben worden war und in den o.g. LV-Positionen jeweils dieselben Einheitspreise als Ergebnis ausweist, wie sie im Leistungsverzeichnis von der Klägerin angegeben worden waren (vgl. Anlage K 13, GA Bd. I Bl. 20).

Beim Vergleich der Anlagen K 13 und K 15 ist festzustellen, dass lediglich die Pos. 2.2.70 in Anlage K 15 fehlt, alle anderen von der Klägerin als Nachunternehmerleistungen aufgeführten Leistungspositionen - und nur diese - sind auch Gegenstand der Anlage K 15. In vier von fünf LV-Positionen stimmen die Beträge der von der Nachunternehmerin und der von der Klägerin jeweils angeführten Preisbestandteile überein, lediglich in Pos. 2.2.110 hat sich die Nachunternehmerin zu ihren Gunsten verrechnet (4,64 € statt 4,49 €), was die Klägerin zu korrigieren versucht hat (Ansatz von 4,55 €).

c) Unter Berücksichtigung der voraufgeführten Unterlagen ergeben sich folgende ursprüngliche Preisermittlungsgrundlagen der Nachunternehmerin:

aa) Personal

Die Nachunternehmerin hat gegenüber der Klägerin für ihren Personaleinsatz mit einem – hier maßgeblichen – Betrag in Höhe von 92,25 € / h kalkuliert.

(1) Die Nachunternehmerin hat als sog. Pflastergruppe einen Personalbestand von drei Pflasterfacharbeitern sowie von einem Vorarbeiter, jedoch nur für 50 % der jeweiligen Arbeitszeit der Pflasterfacharbeiter, zugrunde gelegt.

(2) Für Pflasterfacharbeiter hat sie einen Stundenlohn von 26,00 € und für den Vorarbeiter einen solchen von 28,50 € berechnet, so dass sich für die Pflastergruppe insgesamt ein Netto-Stundenlohn von 92,25 € (3 x 26,00 € + 1 x 0,5 x 28,50 €) errechnet.

(3) Zwar hat die Nachunternehmerin selbst auf ihre Lohnkosten ursprünglich kalkulatorisch einen Aufschlag von 8 % erhoben, wie in der Kopfzeile von Anlage K 15, sowie aus den Berechnungen in den einzelnen LV-Positionen (Spalte 6) erkennbar ist. Dieser Aufschlag ist jedoch bei der weiteren Berechnung nicht zu berücksichtigen, weil sowohl die Nachunternehmerin in ihrem Nachtragsangebot an die Klägerin vom 18. September 2008 als auch die Klägerin selbst in ihrer Schlussrechnung gegenüber der Beklagten diesen Aufschlag nicht mehr geltend gemacht haben.

bb) Geräte

(1) Die Nachunternehmerin hat mit dem Einsatz eines Baggers kalkuliert, für den eine Vergütung in Höhe von 9,38 € / h angesetzt war, sowie mit dem Einsatz eines Transporters, für den 4,20 € / h berechnet worden sind. Soweit die Beklagte bestritten hat, dass die Nachunternehmerin während ihrer Leistungserbringung den von ihr kalkulierten Transporter tatsächlich benutzt hat bzw. benutzen konnte, ist dies hier unerheblich. Denn die Vergütung für den Transporter ist kalkulatorisch ein – für die Beklagte nicht erkennbarer – Bestandteil des vereinbarten Vertragspreises, von dem auch bei der Preisanpassung nach § 2 Nr. 5 VOB/B auszugehen ist.

(2) Die Nachunternehmerin selbst hat auf ihre Gerätekosten kalkulatorisch einen Aufschlag von 12 % erhoben, wie sich aus der Kopfzeile von Anlage K 15, sowie aus den Berechnungen in den einzelnen LV-Positionen (Spalte 7) ergibt. Diesen Aufschlag hat sie auch bei der Berechnung des Nachtrags geltend gemacht; er ist auch in die Schlussrechnung der Klägerin eingeflossen, so dass als Vergütung für den Bagger ein Betrag in Höhe von 10,50 € und als Vergütung für den Transporter ein Betrag in Höhe von 4,70 € angesetzt waren.

cc) Betriebsstoffe

Die Nachunternehmerin hat zwar in ihrer Kalkulation den Kraftstoffverbrauch des Baggers in seinen Einsatzzeiten kalkulatorisch berücksichtigt. Diese Daten sind jedoch nicht entscheidungserheblich, weil während der Stillstands- bzw. Bereitschaftszeiten derartige Aufwendungen erspart werden konnten.

dd) Die Klägerin hat ausweislich ihrer Angaben im Formblatt 364-B unter Ziffer 2 auf alle Nachunternehmerleistungen einen Aufschlag von 10 % erhoben.

Dies stimmt mit den Angaben in Anlage K 13, dort Spalte 9, überein. Dieser Aufschlag ist auch in der Abrechnung der Stillstandszeiten berücksichtigt worden.

d) Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Bereitschaftszeiten ihrer Nachunternehmerin beträgt netto 20.093,75 €.

aa) Der Berechnung sind zunächst die ursprünglichen Daten der Preisermittlung durch die Nachunternehmerin zugrunde zu legen.

Das sind hier je Arbeitsstunde 92,25 € für das Personal, 10,50 € für den Bagger und 4,70 € für einen Transporter, mithin insgesamt ein Betrag von 107,45 € / h.

bb) Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Bereitschaftszeiten der Nachunternehmerin mit 17 Arbeitstagen á 10 Arbeitsstunden, mithin 170 Arbeitsstunden, besteht zwischen den Parteien des Rechtsstreits Einvernehmen.

cc) Soweit die Klägerin im Rahmen ihrer Schlussrechnung geltend macht, dass die Nachunternehmerin wegen der in der Baubeschreibung enthaltenen Anweisung, die Pflasterarbeiten vom Wasser her auszuführen, zusätzlich ein Arbeitsboot eingesetzt und während der Stillstandszeiten auch einsatzbereit gehalten habe, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an.

Die Klägerin kann eine Preisanpassung nach § 2 Nr. 5 VOB/B nur auf der Grundlage der ursprünglich kalkulierten Preise verlangen. Hat ihre Nachunternehmerin ursprünglich und u.U. fehlerhaft den notwendigen Einsatz eines Arbeitsbootes kalkulatorisch nicht berücksichtigt und hat die Klägerin den ohne Arbeitsboot kalkulierten Preis in ihr Angebot übernommen, so kann die Klägerin den darin liegenden Kalkulationsfehler ihrer Nachunternehmerin nicht nachträglich zu Lasten der Beklagten korrigieren. Eine solche Nachbesserungsmöglichkeit entspricht nicht dem Anliegen der Preisanpassung nach § 2 Nr. 5 VOB/B.

dd) Für ihre Behauptung, dass die Nachunternehmerin der Klägerin während der Stillstandszeiten den – in der Preiskalkulation berücksichtigten – Transporter nicht einsatzbereit gehalten und diese Aufwendungen erspart habe, ist die Beklagte beweisfällig geblieben.

Allein der Umstand, dass die Klägerin den Transporter der Nachunternehmerin nicht in ihrem Gerätekonzept aufgeführt hat, rechtfertigt den Schluss darauf, dass kein Transporter zum Einsatz kam, nicht. Die von der Klägerin behauptete Verwendung des Transporters zur Personenbeförderung und zum Transport von Material und Werkzeug ist plausibel. Die Angaben im Gerätekonzept beziehen sich auf Spezialgeräte und waren dazu bestimmt, der Beklagten im Vergabeverfahren die Beurteilung der technischen Leistungsfähigkeit des Bieters zu ermöglichen. Hierfür war die Aufnahme des Transporters der Nachunternehmerin der Klägerin nicht erforderlich. Der Vernehmung der von der Klägerin angebotenen Zeugen für die Einsatzbereitschaft des Transporters während der Stillstandszeiten bedurfte es daher nicht.

ee) Aus dem Vorausgeführten ergibt sich ein Vergütungsanspruch der Nachunternehmerin der Klägerin dieser gegenüber in Höhe von 18.266,50 €, auf welchen die Klägerin in ihrer Schlussrechnung berechtigt den auch im Übrigen kalkulierten 10 %-igen Aufschlag erhoben hat.

Danach ergibt sich der o.a. Betrag von 20.093,15 € netto.

ff) Schließlich kann es für die Entscheidung in diesem Rechtsstreit offen bleiben, ob die Klägerin ihrer Nachunternehmerin deren Anteil an der Vergütung der Stillstandszeiten bereits ausgezahlt hat oder nicht.

Hierauf kommt es nicht an. Denn die Klägerin macht keinen Anspruch auf Ersatz von Vermögensschäden geltend, die sich grundsätzlich bereits realisiert haben müssen, sondern einen vertraglichen Vergütungsanspruch.

5. Zusammen gefasst ergibt sich ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von weiteren 67.380,12 €.

Dieser Betrag beruht auf dem Einzelbetrag für die Bereitschaft der Klägerin selbst in Höhe von 36.528,80 € und auf demjenigen für die Bereitschaft der Nachunternehmerin der Klägerin in Höhe von 20.093,15 € (= 56.621,95 €) zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer (= 10.758,17 €).

IV. Nebenforderungen

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

Die Pflicht zur Verzinsung beginnt jedoch erst ab dem 05. Juli 2010. Denn der Anspruch auf Zahlung des restlichen Werklohns aus einer Schlussrechnung im VOB-Bauvertrag ist nicht fällig, solange die Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 VOB/B noch läuft (vgl. BGH, Urteil v. 20.08.2009, a.a.O., Tz. 49 m.w.N.). Die Prüfungsfrist lief hier vom 05. Mai 2010, dem Tag nach dem Zugang der Schlussrechnung, bis zum Ablauf von zwei Monaten (§ 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B).

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf Verzugszinsen nach §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 2 BGB im Hinblick auf den Anspruch auf Abschlagszahlung in gleicher Höhe wie die hier zuerkannte Hauptforderung.

Die Abschlagsforderung wurde nach § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B nach 18 Werktagen nach Zugang der 7. Abschlagsrechnung fällig. Die Klägerin hat nach dem Eintritt der Fälligkeit die Zahlung des Betrages angemahnt. Ein Verzug der Beklagten mit dieser Abschlagszahlung ist jedenfalls, wie hier nur geltend gemacht, spätestens am 24. November 2008 eingetreten. Der Anspruch auf Abschlagszahlung bestand als selbständige Forderung bis zum 20. Januar 2009 fort, danach wurde er, wie vorausgeführt, wegen Schlussrechnungsreife zu einem unselbständigen Rechnungsposten. Der Termin 20. Januar 2009 ergibt sich aus § 14 Nr. 3 VOB/B. Danach trat hier die Schlussrechnungsreife 18 Werktage (12 Werktage zzgl. weitere 6 Werktage wegen der Überlänge der Ausführungsfrist) nach der Abnahme vom 19. Dezember 2008 ein. Bei seiner Berechnung hat der Senat nicht nur die bundesweit gültigen Feiertage, sondern auch den im Lande Sachsen-Anhalt als Ort der Ausführung der Bauleistungen geltenden gesetzlichen Feiertag am 06. Januar berücksichtigt.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen des Verzugs mit der Abschlagszahlung aus gleichem Rechtsgrund auch Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Insoweit sind erstattungsfähig eine 1,3-fache Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG für einen Gegenstandswert von 67.927,34 € sowie Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG, wie von der Klägerin zutreffend berechnet und von der Beklagten nicht angegriffen worden ist.


C.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Zuvielforderung der Klägerin hat sich kostenrechtlich nicht ausgewirkt, weil sowohl die ursprüngliche Klageforderung als auch der zuerkannte Betrag in derselben Gebührenstufe von mehr als 65.000,00 € bis 80.000,00 € liegen.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

gez. Dr. Engel gez. Manshausen gez. Wiedemann
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