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Text des Beschlusses
1 AR 33/10 (Zust);
Verkündet am: 
 14.12.2010
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Ist bei einem Gericht ein selbstständiges Beweisverfahren geführt worden, so ist es in der Regel sachgerecht, auch das streitige Hauptsacheverfahren vor demselben Gericht zu führen
Leitsatz des Gerichts:
1. Ist bei einem Gericht ein selbstständiges Beweisverfahren geführt worden, so ist es in der Regel sachgerecht, auch das streitige Hauptsacheverfahren vor demselben Gericht zu führen.

2. Bei der Gerichtsstandsbestimmung ist im Hinblick auf die Dispositionsbefugnis der Parteien und den Rechtsgedanken des § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ein Einverständnis der Parteien im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO grundsätzlich zu beachten.
In dem Verfahren auf gerichtliche Bestimmung des Gerichtsstandes
...
...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel am 14. Dezember 2010 beschlossen:

Als zuständiges Gericht wird das Landgericht Halle bestimmt.


Gründe


A.

Die Antragstellerin beabsichtigt, die Antragsgegnerin zu 1) aus abgetretenem Recht wegen Baumängel aufgrund werkvertraglicher Gewährleistung auf Schadensersatz und die Antragsgegnerin zu 2) - ebenfalls aus übergeleiteten Recht - aus zwei Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch zu nehmen.

Ferner begehrt sie von den Antragsgegnerinnen Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten.

Zur Begründung ihrer Klageforderung trägt sie im wesentlichen vor:

Die Bauträgerin des Bauvorhabens W. 1 bis 14 in Sch. und Rechtsvorgängerin ihrer jetzigen Verwalterin habe die Antragsgegnerin zu 1) am 03. August 2001 mit einer Rohrinnensanierung in den Häusern W. 1 bis 14 in Sch. und den Austausch von Trinkwasserleitungen im Kellergeschoss sowie der Tiefgarage beauftragt. Die Antragsgegnerin zu 2), die ihren Geschäftssitz in Hannover unterhält, habe als Bürgin der Antragsgegnerin zu 1) mit Bürgschaftsverträgen vom 03. Dezember 2004 und vom 14. Dezember 2004 zwei Gewährleistungsbürgschaften für die Rohrinnensanierung zu einer Bürgschaftssumme von insgesamt 16.800,- Euro übernommen. Die Arbeiten der Antragsgegnerin zu 1), die die Bauträgerin am 18.Dezember 2001 abgenommen habe, seien mit erheblichen Mängeln behaftet. Nach Abtretung sämtlicher Gewährleistungsansprüche in Bezug auf die Rohrsanierungsarbeiten habe sie deshalb mit Schreiben vom 06. Januar 2009 die Antragsgegnerin zu 1) vergeblich zur Nachbesserung unter Fristsetzung aufgefordert.

Zum Zwecke der Beweissicherung und Feststellung der zwischen den Parteien streitigen Mängel hat die Antragstellerin vor dem Landgericht Halle gegen die Antragsgegnerin zu 1), die in Sangerhausen geschäftsansässig ist, ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und dies im Verlaufe des Verfahrens auf die Antragsgegnerin zu 2) erweitert. Im Hinblick auf die Parteierweiterung im selbständigen Beweisverfahren auch gegen die Antragsgegnerin zu 2) hat die Antragstellerin bei dem Oberlandesgericht Naumburg einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts angebracht. Mit Beschluss vom 26. März 2009 hat der Senat (Geschäftszeichen 1 AR 1/09) das Landgericht Halle als das für beide Antragsgegnerinnen gemeinschaftlich örtlich zuständige Gericht bestimmt.

Nachdem das selbständige Beweisverfahren nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. R. seinen Abschluss gefunden hat, beabsichtigt die Antragstellerin nunmehr, gegen die Antragsgegnerinnen im Klagewege vorzugehen. Im Hinblick auf die beabsichtigte Hauptsacheklage hat sie das Oberlandes¬gericht Naumburg erneut zur Bestimmung eines gemeinschaftlichen Gerichtsstandes gegen beide Antragsgegnerinnen angerufen.

Sie beantragt insoweit,

das Landgericht Halle als das zuständige Landgericht zu bestimmen.

Der Senat hat die Antragsgegnerinnen angehört, die gegen die Bestimmung des Landgerichts Halle als das für die Hauptsache zuständige Gericht keine Einwände erheben.


B.


I.

Das Oberlandesgericht Naumburg ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen, da die allgemeinen Gerichtsstände der Beklagten in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte liegen und es das gemäß § 37 Abs. 1 ZPO zuerst angerufene Oberlandesgericht ist (vgl. BGH NJW 2008, 3789 - 3790 zitiert nach juris; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 36 ZPO Rdn. 4).

Als weiterer Anknüp¬fungspunkt für die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Naumburg ist zudem anzuführen, dass das zum hiesigen Gerichtsbezirk gehörende Landgericht Halle bereits in dem dem Hauptsacheverfahren voraus gegangenen selbständigen Beweisverfahren mit der Sache befasst war (§ 36 Abs. 2 ZPO).


II.

Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen hier vor.

1. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerinnern als einfache Streitgenossen i. S. d. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch.

Zu den Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft hat sie schlüssig vorgetragen, dass die Antragsgegnerin zu 1) aus Sachmängelgewährleistung hafte, während die Antragsgegnerin zu 2) für die Erfüllung der Hauptforderung als Bürgin bis zur Bürgschaftssumme von 16.800,- Euro einzustehen habe.

§ 60 ZPO lässt schon die Gleichartigkeit von Ansprüchen aufgrund eines im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grundes zur Begründung der Streitgenossenschaft genügen. Auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend gemachten Ansprüche ist daher Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (vgl. BGH NJW-RR 1991, 381; BayObLG NJW-RR 2003, 134 - 135 m. w. N. zitiert nach juris). In diesem Sinne sind die gegen die Hauptschuldnerin und die Bürgin geltend gemachten Ansprüche im Wesentlichen gleichartig. Ob die Inanspruchnahme zu Recht erfolgt, ist hingegen von dem als zuständig bestimmten Gericht, nicht jedoch vom Senat im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung zu prüfen (vgl. BayObLG NJW-RR 2003, 134 - 135 zitiert nach juris; OLG Koblenz MDR 2010, 589 zitiert nach juris, Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., Rn. 14 f.).

2. Die Antragsgegnerinnen haben ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten (§§ 12, 13, 17, 21 ZPO).

Während die Antragsgegnerin zu 1) ihren Firmensitz in Sangerhausen und damit im Gerichtsbezirk des Landgerichts Halle unterhält, ist die Antragsgegnerin zu 2) im Bezirk des Landgerichts Hannover geschäftsansässig.

4. Ein gemeinsamer besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand für alle Antragsgegnerinnen liegt nicht vor.

Insbesondere lässt sich kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO feststellen.

Für den gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichteten werkvertraglichen Gewährleistungsanspruch ist Erfüllungsort der Ort des Bauvorhabens, da die beiderseitigen Verpflichtungen aus einem Bauvertrag in der Regel an dem Ort, an dem das Bauwerk errichtet wird, zu erfüllen sind (vgl. BGH NJW 1986, 935; BGH NJW 2001, 1936, 1937 zitiert nach juris; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 29 ZPO Rdn. 25 Stichwort „Bauwerkvertrag“). Für die Haftung des Bürgen ist dagegen der Erfüllungsort der Hauptschuld nicht maßgebend, Erfüllungsort für die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 2) aus den beiden Gewährleistungsbürgschaften ist vielmehr ihr Geschäftssitz im Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses (vgl. BGH NJW 1997, 398; BayObLG MDR 2003, 1103 zitiert nach juris; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 29 ZPO Rdn. 25 Stichwort „Bürgschaft“ m.w.N.). Grundsätzlich hat die Leistung nämlich an dem Ort zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz beziehungsweise - wenn die Verbindlichkeit im Gewerbebetrieb des Schuldners entstanden ist - seine gewerbliche Niederlassung hat (vgl. BGH NJW 1995, 1546, 1547 zitiert nach juris). Der Geschäftssitz der Antragsgegnerin lag bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunden im Landgerichtsbezirk Hannover.


III.

Der Senat bestimmt aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Prozessökonomie antragsgemäß das Landgericht Halle als das für das gerichtliche Verfahren zuständige Gericht.

Bei der Bestimmung des Gerichtsstandes, die vorrangig nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit zu erfolgen hat, hat der Senat bedacht, dass bei dem Landgericht Halle bereits zuvor unter dem Geschäftszeichen 6 OH 1/09 das selbständige Beweisverfahren gegen beide Antragsgegnerinnen geführt wurde. Im Interesse des Grundsatzes der Beweisunmittelbarkeit erscheint es dementsprechend sachgerecht, dass auch das streitige Hauptsacheverfahren, zu dessen Vorbereitung und beweismäßige Vereinfachung das selbständige Beweisverfahren dient, vor dem Landgericht Halle gegen beide Streitgenossen gemeinschaftlich betrieben wird, zumal sich das Landgericht Halle mit der Sache bereits eingehend befasst hat. Die beiden im Bestimmungsverfahren angehörten Antragsgegnerinnen haben gegen die Bestimmung des Landgerichts Halle als das für das Hauptsacheverfahren zuständige Gericht im übrigen keine Einwände erhoben, sondern sich ausdrücklich für eine Bestimmung des Landgerichts Halle ausgesprochen. Im Hinblick auf die Dispositionsbefugnis der Parteien und den Rechtsgedanken des § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist ein Einverständnis der Parteien im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vom bestimmenden Gericht grundsätzlich zu beachten (vgl. KG Berlin KGR 2005, 723, 724 zitiert nach juris; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 36 ZPO Rdn. 18 m.w.N.).

gez. Dr. Zettel Vizepräsident des Oberlandesgerichts gez. Dr. Tiemann Richter am Oberlandesgericht gez. Göbel Richterin am Oberlandesgericht
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