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Text des Urteils
3 UF 9/09;
Verkündet am: 
 08.12.2009
OLG Oberlandesgericht
 

Naumburg
Vorinstanzen:
8 F 465/08
Amtsgericht
Bitterfeld-Wolfen;
Rechtskräftig: unbekannt!
Unterhaltsvergleich kann unter Voraussetzungen des § 1613 BGB auch rückwirkend abgeändert werden
Leitsatz des Gerichts:
Zwar kann ein Unterhaltsvergleich auch rückwirkend abgeändert werden. Materiell-rechtlich erfordert eine rückwirkende Abänderung jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1613 BGB.
In dem Berufungsrechtsstreit
…

hat der 3. Zivilsenat – 1. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau und die Richter am Oberlandesgericht Hellriegel und Materlik auf die mündliche Verhandlung vom 22.09.2009 für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten und der Anschlussberufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Bitterfeld - Wolfen vom 18.12.2008 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger zu 1.

a) in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg - und unter Einbeziehung der Urkunde des Landkreises A. - Jugendamt vom 28.07.2008, Urk. - Nr.: ..., ab dem 01.09.2008 bis zum 31.12.2008 einen monatlichen Unterhalt von 288,00 €, für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2009 einen monatlichen Unterhalt von 295,00 € und ab dem 01.01.2010 einen monatlichen Unterhalt von 280 € zu zahlen;

b) über den im vorbezeichneten gerichtlichen Vergleich vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg - und in der vorbezeichneten Urkunde des Landkreises A. - Jugendamt vom 28.07.2008, Urk. - Nr. ...., - titulierten Unterhalt hinaus für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.08.2008 einen Unterhaltsrückstand von 662,00 € zu zahlen;

2. an die Klägerin zu 2.

a) in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg - und unter Einbeziehung der Urkunde des Landkreises A. - Jugendamt - vom 28.07.2008, Urk. - Nr.: ..., ab dem 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 einen monatlichen Unterhalt von 245,00 €, für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2009 einen monatlichen Unterhalt von 240,00 € und ab dem 01.01.2009 einen monatlichen Unterhalt von 280,00 € zu zahlen;

b) über den im vorbezeichneten gerichtlichen Vergleich vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg - und in der vorbezeichneten Urkunde des Landkreises A. - Jugendamt - vom 28.07.2008, Urk. - Nr.: ..., titulierten Unterhalt hinaus für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.08.2008 einen Unterhaltsrückstand von 634,00 € zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klagen der Kläger abgewiesen.

Die weitergehende Berufung und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Kläger zu 14% und der Beklagte zu 86%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.798,00 € festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Der Beklagte ist der Vater der minderjährigen Kläger, die im Haushalt ihrer Mutter, der gesetzlichen Vertreterin, leben und von dieser betreut und versorgt werden. Die Kläger verfügen weder über Einkommen noch Vermögen.

Am 10.11.2006 schlossen die Parteien im Verfahren 14 UF 97/06 vor dem Oberlandesgericht Naumburg einen Vergleich, mit dem sich der Beklagte verpflichtete, an den Kläger zu 1. einen monatlichen Unterhalt von 200,00 Euro und an die Klägerin zu 2. einen solchen von monatlich 160,00 Euro zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt betrug das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Beklagten einschließlich anteiliger Steuererstattungen 1.279,64 Euro. Außerdem war der Beklagte seiner weiteren Tochter L. W., geboren am 30.02.2002, zum Unterhalt verpflichtet. Der Beklagte lebt mit L. und ihrer Mutter als seiner Lebensgefährtin in einem Haushalt. Die Lebensgefährtin des Beklagten erzielt derzeit ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 600,00 Euro. Für die Betreuung L.s im Hort wendet der Beklagte monatlich 60,00 Euro auf.

Die Einkommensverhältnisse des Beklagten haben sich seit November 2006 erheblich geändert.

Seit dem 01.07.2007 ist der Beklagte, der den Beruf eines Chemikanten erlernt hat, bei der Fa. C. AG in T. beschäftigt. Sein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen, welches der Beklagte im 3-Schichten-System erzielt, beträgt nach Angaben der Kläger monatlich 1.685,22 Euro, nach Angaben des Beklagten lediglich 1.636,52 Euro.

Der Beklagte, der mit anwaltlichem Schreiben der Kläger vom 08.01.2008 und 29.07.2008 um ergänzende Auskunft zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und zuletzt auch zur Zahlung erhöhten Unterhalts von monatlich mindestens 288,00 Euro für den Kläger zu 1. und monatlich 245,00 Euro für die Klägerin zu 2. aufgefordert worden war, errichtete sodann vor dem Jugendamt des Landkreises A. mit Datum vom 28.07.2008 zu Gunsten seiner Kinder jeweils eine Urkunde über die Abänderung der bisherigen Unterhaltstitels, in welchen er sich verpflichtete, in Abänderung des bestehenden Unterhaltsvergleichs beginnend ab dem 01.08.2008 an den Kläger zu 1. einen monatlichen Kindesunterhalt von 242,00 Euro und an die Klägerin zu 2. ab diesem Zeitpunkt einen solchen von 206,00 Euro zu zahlen.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, der Beklagte sei aufgrund des infolge Arbeitsplatzwechsels erheblich gestiegenen durchschnittlichen Nettoverdienstes von monatlich 1.685,22 Euro ohne Weiteres bei Wahrung des ihm zustehenden notwendigen Selbstbehaltes ab dem 01.07.2007 in der Lage und verpflichtet, ihnen den vollen Regelbetrag der jeweiligen Alterststufe nach § 2 Regelbetrag-VO abzüglich eines etwaig nach § 1612 b Abs. 1 und Abs. 5 BGB a. F. anrechenbaren Kindergeldanteils zu zahlen. Gleiches gelte für die Zeit ab dem 01.08.2008 für die Zahlung des gesetzlich geschuldeten Mindestunterhalts abzüglich des jeweils bedarfsdeckend anrechenbaren hälftigen Kindergeldes.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen schulde der Beklagte dem Kläger zu 1. für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.08.2008 in Abänderung des Vergleichs vom 10.11.2006 und über den vor dem Jugendamt titulierten Unterhalt hinaus weiteren Unterhalt in Höhe von 1.064,00 Euro und der Klägerin zu 2. weiteren Unterhalt von 1.030,00 Euro. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Unterhaltsrückstände wird auf Seite 5 der Klageschrift vom 20.08.2008 (Bl. 5 d. A.) Bezug genommen. Im Übrigen habe der Kläger zu 1. gegenüber dem Beklagten über die mit Urkunde des Jugendamtes B. vom 28.07.2008 festgesetzten 242,00 Euro monatlich ab dem 01.09.2008 einen weitergehenden Unterhaltsanspruch von zusätzlichen 46,00 Euro monatlich und die Klägerin zu 2. über die mit der Jugendamtsurkunde festgesetzten 206,00 Euro monatlich einen weiteren monatlichen Anspruch von zusätzlichen 39,00 Euro bis zum 31.12.2009 und ab dem 01.01.2010 einen solchen von zusätzlichen 46,00 Euro monatlich.

Die Kläger zu 1. hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn zu Händen seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg - und über den in der Urkunde des Landkreises A. - Jugendamt - vom 28.07.2008, Urk. - Nr. ..., festgesetzten Unterhalt hinaus ab dem 01.09.2008 monatlichen zusätzlichen Unterhalt von 46,00 €

und

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum November 2007 bis August 2008 einschließlich über die mit dem vorbezeichneten Vergleich vom 10.11.2006 und der vorbezeichneten Urkunde vom 28.07.2008 titulierten Beträge hinaus Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.030,00 € zu zahlen.

Die Klägerin zu 2. hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie zu Händen ihrer Mutter als gesetzliche Vertreterin in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg - und über den in der Urkunde des Landkreises A. - Jugendamt - vom 28.07.2008, Urk. - Nr. ..., festgesetzten Unterhalt hinaus ab dem 01.09.2008 hinaus monatlichen zusätzlichen Unterhalt von 39,00 € und ab dem 01.01.2010 einen solchen von zusätzlich monatlich 46,00 €

und

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie für den Zeitraum November 2007 bis August 2008 einschließlich über die mit dem vorbezeichneten Vergleich vom 10.11.2006 und der vorbezeichneten Urkunde vom 28.07.2008 titulierten Beträge hinaus Unterhaltsrückstand von 1.030,00 € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, bei der Ermittlung seines unterhaltsrelevanten Jahreserwerbseinkommens sei auch noch der Monat Juni 2007 zu berücksichtigen, sodass sich für ihn lediglich ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen von 1.636,52 € ergebe. Hiervon seien seine berufsbedingten Fahrtkosten in Abzug zu bringen. Denn er, der Beklagte, sei aufgrund des Schicht-Systems auf die Nutzung eines eigenen PKW angewiesen, um seinen auswärtigen Arbeitsplatz zu erreichen. Da die Wegstrecke für die Hin- und Rückfahrt arbeitstäglich 20 km betrage, er keine Fahrtkostenerstattung seitens des Arbeitgebers erhalte, fielen berufsbedingte Fahrtkosten in arbeitstägliche Höhe von (20 km X 0,30 Euro =) 6,00 Euro an. Bei rund 21 Arbeitstagen je Monat habe er Fahrtkosten von 126,00 Euro monatlich, um die sein Nettoeinkommen zu reduzieren sei. Ferner sei von seinem Einkommen die Hälfte der monatlichen Kosten für die Hortbetreuung seiner Tochter L. (sog. Elternbeitrag), also ein Betrag von 30,00 Euro in Abzug zu bringen. Danach verbliebe ihm aber allenfalls nur noch ein unterhaltsrelevantes monatliches Nettoeinkommen von 1.517,28 Euro, sodass sich unter Beachtung des ihm zustehenden notwendigen Selbstbehaltes zu Gunsten des Klägers zu 1. lediglich ein monatlicher Unterhalt von 228,00 Euro und für die Klägerin zu 2. nur noch ein solcher von 194,00 Euro errechne. Da er aber weit höhere Unterhaltsansprüche per Jugendamtsurkunden für die Zeit ab dem 01.08.2008 anerkannt habe, sei die Klage abzuweisen. Für die Zeit vor dem 01.08.2008 könnten die Kläger im Übrigen keine Abänderung des Unterhaltsvergleichs beanspruchen, da die hierfür erforderliche Inverzugsetzung nicht erfolgt sei.

Mit Urteil vom 18. Dezember 2008 (Bl. 65 ff. d. A.) hat das Amtsgericht – Familiengericht – den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Kläger verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte sei mit einem monatlichen Nettoverdienst von 1.685,22 Euro auch bei Wahrung seines notwendigen Selbstbehaltes in der Lage, die ausgeurteilten Unterhaltsrenten in Höhe des Regelbetrages bzw. Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Denn der Beklagte sei verpflichtet, seine mangelnde Leistungsfähigkeit im Rahmen der ihn nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB treffenden gesteigerten Unterhaltspflicht darzulegen und zu beweisen. Dies sei nicht geschehen. Somit komme es aber auf das erzielbare Einkommen des Beklagten an, der notfalls sein Einkommen durch Aufnahme einer entgeltlichen Nebentätigkeit aufzubessern habe.
Auch sei eine Abänderung des vor dem Oberlandesgericht geschlossenen Unterhaltsvergleichs möglich, denn die Abänderbarkeit dieser vertraglichen Vereinbarung richte sich gemäß § 313 BGB nach den Regeln über den Wegfall bzw. die Änderung der Geschäftsgrundlage. Diese Voraussetzungen lägen aber im Entscheidungsfall schon aufgrund des höheren Nettoverdienstes des Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 67 ff. d.A.).

Gegen dieses ihm am 23.12.2008 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 23.01.2009 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, die er mit am 20.02.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Der Beklagte ist der Auffassung, er sei zu Unrecht über die mit den Jugendamtsurkunden von ihm anerkannten Beträge hinaus zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt worden. Das Amtsgericht habe verkannt, dass er drei gleichrangigen minderjährigen Kindern Unterhalt schulde und deshalb bei seinem Einkommen schon ein Mangelfall gegeben sei. Auch sei er im Rahmen der ihn treffenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit, der er durch den Wechsel zur besser bezahlten Anstellung bei der Fa. C. AG genügt habe, lediglich im Rahmen des Zumutbaren zur Ausübung einer Nebentätigkeit verpflichtet. Hieran fehle es aber, wenn man bedenke, dass er unter der Woche im 3-Schichten-System und an den Wochenenden im 2-Schichten-System mit gar 12 Arbeitsstunden täglich arbeite. Da er bestimmte Ruhezeiten einzuhalten habe, sei er mithin nicht in der Lage, ohne Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz oder seinen Arbeitsvertrag eine Nebentätigkeit aufzunehmen. Im Übrigen sei er wegen des Schichtdienstes berufsbedingt auf die Nutzung des eigenen Pkw angewiesen, wodurch arbeitstäglich 6,00 Euro und monatlich 126,00 Euro Fahrtkosten anfielen, um die sein Einkommen zu reduzieren sei. Auch sei der ihn treffende Elternbeitrag für die Hortbetreuung von L. hälftig von seinem Einkommen abzusetzen, sodass er einkommensreduzierende, berufsbedingte monatliche Kosten von 156,00 Euro habe, die nicht zur Deckung der Unterhaltsansprüche der Kläger zur Verfügung stünden. Schließlich lasse das Amtsgericht in seiner Entscheidung außer Betracht, dass er drei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei, sodass er regulär monatliche Unterhaltslasten von (2 x 252,00 Euro + 288,00 Euro =) 792,00 Euro bzw. ab dem 01.01.2009 von monatlich 828,00 Euro zu tragen habe, sodass ihm nicht einmal mehr der notwendige Selbstbehalt verbliebe.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger zu 1. und 2. beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung und klageerweiternd beantragt der Kläger zu 1., den Beklagten zu verurteilen, an ihn in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg - und in Erweiterung des amtsgerichtlichen Urteils über den in der Urkunde des Landkreises A. - Jugendamt - vom 28.07.2008, Urk. - Nr. ..., festgesetzten Unterhalt hinaus ab dem 01.01.2009 einen zusätzlichen monatlichen Unterhalt von 53,00 € zu zahlen;

die Klägerin zu 2., den Beklagten zu verurteilen, an sie in Abänderung des gerichtlichen Vergleichs vom 10.11.2006 - 14 UF 97/06 OLG Naumburg und in Erweiterung des amtsgerichtlichen Urteils über den in der Urkunde des Landkreise A. Jugendamt - vom 28.07.2008, Urk. - Nr. ..., festgesetzten Unterhalt hinaus ab dem 01.01.2010 einen zusätzlichen monatlichen Unterhalt von 89,00 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und verweisen bezüglich ihrer Anschlussberufung auf die geänderten Tabellensätze bzw. die geänderte Altersstufe für die Klägerin zu 2.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten und die unselbständige Anschlussberufung der Kläger sind zulässig. In der Sache haben sie nur teilweise im tenorierten Umfange Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

Hinsichtlich des erstinstanzlich zuerkannten Unterhaltsrückstandes für den Zeitraum 01.07.2007 bis 31.08.2008 hat die Berufung des Beklagten nur teilweise Erfolg, nämlich nur für den Zeitraum 01.07.2007 bis 31.12.2007und zwar bezüglich des Klägers zu 1. in Höhe von 402, 00 € (6 Monate * <267 € = 100% Regelbetrag Ost 3. Altersstufe abzüglich durch den Vergleich vom 10.11.2006 titulierter 200,00 €) und bezüglich der Klägerin zu 2. in Höhe von 396,00 € (6 Monate * <226,00 € = 100% Regelbetrag Ost 2.Altersstufe abzüglich den Vergleich vom 10.11.2006 titulierter 160,00 €).

Für den vorbezeichneten Zeitraum steht den Klägern ein Anspruch auf rückständigen Unterhalt nicht zu, da die Voraussetzungen nach § 1613 BGB nicht vorgelegen haben. Diese Regelung ist auch vorliegend anzuwenden. Die hier begehrte Abänderung des Prozessvergleichs vom 10.11.2006 erfolgt nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Für diesen gilt zwar die verfahrensrechtliche Zeitschranke des § 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO grundsätzlich nicht, so dass er rückwirkend uneingeschränkt abänderbar ist; materiell-rechtlich erfordert eine rückwirkende Abänderung aber das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1613 BGB (BGH FamRZ 1983, 22 – 25). Danach liegen hier die Voraussetzungen nach § 1613 Abs. 1 BGB aber erst mit Zugang des anwaltlichen Schreibens der Kläger vom 08.01.2008 (Bl.15,45 d.A.), mit dem der Beklagte zur Auskunft aufgefordert worden ist, vor. Damit liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Beklagten auf rückständigen Unterhalt erst ab dem 1. Januar 2008 (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB) vor. Da hinsichtlich des Zeitraums vor dem 1. Januar 2008 im Übrigen auch die Voraussetzungen, nach denen ausnahmsweise gemäß § 1613 Abs. 2 BGB ohne das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 der genannten Vorschrift für die Vergangenheit Unterhalt geltend gemacht werden kann, nicht vorliegen, fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen dafür, dass der Unterhalt für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 von den Klägern beansprucht werden kann. Das amtsgerichtliche Urteil ist deshalb auf die Berufung des Beklagten insoweit zu ändern. Im Übrigen ist der Beklagte zur Zahlung des für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.08.2008 von den Klägern begehrten Rückstands – Kläger zu 1. in Höhe von 662,00 € und Klägerin zu 2. in Höhe von 634,00 € - verpflichtet. Wegen der Berechnung des von dem Beklagten in diesem Zeitraum geschuldeten Unterhalts wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.

Hinsichtlich des rückständigen Unterhalts für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.08.2008 und des laufenden Unterhalts ab dem 01.09.2008 ergeben sich wegen der zwischenzeitlich geänderten Tabellensätze, der höheren Altersstufen der Klägerin zu 2. ab dem 01.01.2010 und des weiteren Kindes des Beklagten ab März 2008, was das Amtsgericht noch nicht berücksichtigen konnte und im Hinblick auf die klageerweiternde Anschlussberufung ab dem Jahre 2009 geringfügige Veränderungen im tenorierten Umfang.

Das unterhaltsrelevante anrechenbare Einkommen des Beklagten beträgt gerundet 1.686,00 € und errechnet sich wie folgt:

(1) Das durchschnittliche Monatsnettoeinkommen des Beklagten beträgt gerundet 1.686,00 € .

Denn maßgeblich ist, was der Beklagte, der zum 01.07.2007 seine Anstellung gewechselt hat und nunmehr zu einem deutlich höheren Einkommen bei der Fa. C. beschäftigt ist, in dem unterhaltsrechtlich relevanten Zeitraum tatsächlich verdient hat. Sein altes, niedrigeres Einkommen ist deshalb uninteressant.

(2) Eine Nebentätigkeit muss der Beklagte nicht aufnehmen, denn dies ist ihm nicht zumutbar. So arbeitet der Beklagte an regelmäßig 21 Tagen im Monat im Wechselschichtsystem (3 Schichten), wobei an den Wochenenden sogar 12 Stunden-Schichten abzuleisten sind. Unter Beachtung dessen, dass das Wechselschichten-System als Chemiefacharbeiter an den Beklagten neben den körperlich anstrengenden Wechseln auch von einem Maß an hoher Verantwortung gekennzeichnet ist, bei dem eine ständige Konzentration verlangt wird, erscheint hier die Aufnahme einer zusätzlichen Nebentätigkeit schlicht unzumutbar. Daher ist dem Beklagten kein fiktives Nebeneinkommen zusätzlich zuzurechnen.

(3) Die vom Beklagten geltend gemachten pauschal errechneten berufsbedingten Fahrtkosten von 6,00 Euro arbeitstäglich sind nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, verlangt doch Ziffer 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Naumburg für den Mangelfall, der hier bei Ansatz dieser Fahrtkosten vorläge, dass diese Kosten konkret dargelegt und nachgewiesen werden, was vorliegend nicht geschehen ist.

(4) Die vom Beklagten ab August 2008 nachgewiesenen Kosten von 60,00 € monatlich für die Hortunterbringung der in seinem Haushalt lebenden Tochter L. W. sind nicht, auch nicht in Höhe von 30,00 €, wie vom Beklagten geltend gemacht, in Abzug zu bringen, da im Hinblick darauf, dass der Beklagte mit der Mutter des Kindes zusammen lebt, die Notwendigkeit dieser Kosten als berufsbedingte Kosten des Beklagten nicht ersichtlich ist.

Danach stehen für den Unterhalt der drei Kinder des Beklagten nach Abzug des Selbstbehalts von 900,00 € insgesamt 786,00 € zur Verfügung.

Der Gesamtbedarf (Zahlbeträge)für das Jahr 2008 beträgt 735,00 € bzw. 778,00 € - Kläger zu 1./3.Altersst. 288,00 €, Klägerin zu 2./2.Altersst. 245,00 € und das weitere Kind/1.Alterst bzw. 2.Altersst 202,00 € bzw. 245,00 €. Zur Zahlung dieser Beträge ist der Beklagte unter Beachtung des Selbstbehalts in der Lage.

Der Gesamtbedarf für das Jahr 2009 beträgt 775,00 € / 772,00 € - Kläger zu 1. 295,00 € (7,00 € mehr als erstinstanzlich zuerkannt), Klägerin zu 2. 240,00 € (5,00 € weniger als erstinstanzlich zuerkannt) und das weitere Kind 240,00 € / 237,00 €. Auch hier wird der Selbstbehalt des Beklagten nicht unterschritten.

Der Gesamtbedarf ab Januar 2010 beläuft sich auf 830,00 € / 827,00 € - Kläger zu 1. 295,00 €, Klägerin zu 2. Jetzt 3.Altersst. 295,00 € und das weitere Kind 240,00 € / 237,00 €. Die zur Verfügung stehende Verteilungsmasse genügt nicht, um alle Unterhaltspflichten zu erfüllen. Es liegt somit ein Mangelfall vor. Dabei hat der Senat von einer Herabsetzung des Selbstbehalts des Beklagten wegen des Lebens in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft abgesehen, weil die Lebensgefährtin des Beklagten selbst nur über ein geringes Einkommen verfügt.

Der Unterhaltsanspruch der Klägers beträgt demnach jeweils 280,00 € gerundet (295 € *786 € / 830 € bzw. 827 €), somit für den Kläger zu 1. weniger und für die Klägerin zu 2. mehr als erstinstanzlich zuerkannt.

Entsprechend den oben errechneten Abweichungen war das angefochtene Urteil auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger abzuändern.

Die Kostenentscheidung 1. Instanz folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die der 2. Instanz aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 543 ZPO).

gez. Goerke-Berzau gez. Hellriegel RiOLG Materlik ist wegen Krankheit verhindert, zu unterschreiben. gez. Goerke-Berzau
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