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Text des Beschlusses
VIII ZB 105/07;
VerkĂŒndet am: 
 10.03.2009
BGH Bundesgerichtshof
 

Vorinstanzen:
65 S 214/07
Landgericht
Berlin;
RechtskrÀftig: unbekannt!
§ 119 I Nr. 1 Buchst. b GVG nicht anwendbar, wenn eine Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts einen allgemeinen Gerichtsstand jedenfalls auch im Inland hat
Leitsatz des Gerichts:
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; ZPO § 17 Abs. 1

a) Die - mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobene - Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nicht anwendbar, wenn eine Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts einen allgemeinen Gerichtsstand jedenfalls auch im Inland hat (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, ZIP 2007, 1626).

b) Es fehlt an einer Grundlage fĂŒr die Annahme, eine Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts habe ausschließlich einen auslĂ€ndischen und nicht zumindest auch einen inlĂ€ndischen Verwaltungssitz (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO), wenn das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen in Deutschland belegen ist, einer der beiden Gesellschafter seinen Wohnsitz in Deutschland hat, die Gesellschaft nach außen unter einer deutschen Adresse auftritt und ihre lau-fenden GeschĂ€fte durch eine deutsche Hausverwaltung gefĂŒhrt werden, wĂ€hrend ihre einzige Verbindung mit dem Ausland in dem auslĂ€ndischen Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters besteht.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. MĂ€rz 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 4. September 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch ĂŒber die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurĂŒckverwiesen.

Beschwerdewert: 2.703,08 €


GrĂŒnde:


I.


1
Die KlĂ€gerin nimmt die Beklagten, ihre ehemaligen Mieter, auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.703,08 € in Anspruch. In der Klageschrift hat sich die KlĂ€gerin wie folgt bezeichnet:

"GrundstĂŒcksgemeinschaft L. straße 43, B. , bestehend aus 1. Herrn W. P. , P. straße , Ö. - G. , 2. Frau D. K. , F. allee , B. D. ".

2
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen haben die Beklagten Berufung beim Landgericht eingelegt. Nach entsprechendem Hinweis hat das Berufungsgericht die Berufung gemĂ€ĂŸ § 522 Abs. 1 ZPO als unzulĂ€ssig verworfen, weil sie nicht beim zustĂ€ndigen Berufungsgericht eingelegt worden sei. Zur BegrĂŒndung hat es ausgefĂŒhrt:

3
Die KlĂ€gerin habe keinen inlĂ€ndischen Sitz. Sie sei zwar als Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts durch die Verwendung eines eigenen Namens im Rechtsverkehr wie eine juristische Person aufgetreten. Zutreffend sei auch, dass als Außengesellschaften wie eine juristische Person auftretende Gesellschaften bĂŒrgerlichen Rechts im eigenen Namen klagen könnten. FĂŒr einen inlĂ€ndischen Sitz der KlĂ€gerin gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die KlĂ€gerin habe weder in der Klageschrift noch im Mietvertrag einen eigenen Sitz im Inland angegeben. Vielmehr sei in der Klageschrift die KlĂ€gerin insoweit nĂ€her bezeichnet worden, als sie aus den beiden Gesellschaftern mit deren angegebenen Anschriften bestehe.

4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die ZurĂŒckverweisung der Sache an das Landgericht B. .

II.


5
1. Die kraft Gesetzes statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) Rechtsbeschwerde ist zulĂ€ssig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat seine ZustĂ€ndigkeit zu Unrecht verneint und die Beklagten dadurch in ihrem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingerĂ€umten Instanz in unzumutbarer, aus SachgrĂŒnden nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. MĂ€rz 2006 - VIII ZB 28/05, NJW 2006, 1810, Tz. 2 m.w.N.).

6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begrĂŒndet. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht mit der BegrĂŒndung als unzulĂ€ssig verworfen, gemĂ€ĂŸ § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG sei nicht das Landgericht, sondern das Kammergericht fĂŒr die Entscheidung ĂŒber das Rechtsmittel zustĂ€ndig. Nach dieser - durch das FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobenen - Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bĂŒrgerlichen Rechtsstreitigkeiten zustĂ€ndig fĂŒr die Verhandlung und Entscheidung ĂŒber die Rechtsmittel in Streitigkeiten ĂŒber AnsprĂŒche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der RechtshĂ€ngigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Das trifft hier entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.

7
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass Partei des Rechtsstreits die durch W. P. und D. K. gebildete Gesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts ist. Sie ist als Außengesellschaft bĂŒrgerlichen Rechts, die durch die Teilnahme am Rechtsverkehr - wie beim Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - eigene Rechte und Pflichten begrĂŒndet, aktiv und passiv parteifĂ€hig (BGHZ 146, 341, 348 ff.).

8
b) FĂŒr die Frage der RechtsmittelzustĂ€ndigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist regelmĂ€ĂŸig der im Verfahren vor dem Amtsgericht unangegriffen gebliebene inlĂ€ndische oder auslĂ€ndische allgemeine Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer NachprĂŒfung durch das Rechtsmittelgericht grundsĂ€tzlich entzogen (Senatsbeschluss vom 1. MĂ€rz 2006, aaO, Tz. 4 m.w.N.). Dabei liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, ZIP 2007, 1626, Tz. 13 f.). Nach diesen GrundsĂ€tzen ergibt sich aus den - hier allein zugrunde zu legenden - Angaben in der Klageschrift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein (alleiniger) auslĂ€ndischer allgemeiner Gerichtsstand der KlĂ€gerin.

9
aa) Der allgemeine Gerichtsstand gemĂ€ĂŸ § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO und im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ĂŒber die gerichtliche ZustĂ€ndigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) nach Art. 2, 59 f. EuGVVO zu beurteilen (BGHZ 155, 46, 49; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist vorliegend aber nicht eröffnet, weil es im Streitfall nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand der beklagten Partei (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), sondern auf den der klagenden Partei ankommt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 8).

10
bb) Der allgemeine Gerichtsstand der KlĂ€gerin wird gemĂ€ĂŸ § 17 Abs. 1 ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung gefĂŒhrt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Hier kann offen bleiben, ob in der Bezeichnung der KlĂ€gerin in der Klageschrift gleichzeitig die Angabe ihres satzungsmĂ€ĂŸigen (inlĂ€ndischen) Sitzes gemĂ€ĂŸ § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt. Denn jedenfalls fehlt es an einer Grundlage fĂŒr die Annahme, die KlĂ€gerin habe ausschließlich einen auslĂ€ndischen und nicht zumindest auch einen inlĂ€ndischen Verwaltungssitz.

11
Der Ort, wo die Verwaltung gefĂŒhrt wird, ist der TĂ€tigkeitsort der GeschĂ€ftsfĂŒhrung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende GeschĂ€ftsfĂŒhrungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 17 Rdnr. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 17 Rdnr. 10).

12
Nach diesen MaßstĂ€ben hat die KlĂ€gerin jedenfalls auch einen inlĂ€ndischen Verwaltungssitz. Das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen ist in Deutschland belegen. Einer der beiden Gesellschafter hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Die KlĂ€gerin tritt nach außen - wie etwa bei Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - unter einer deutschen Adresse auf. Ihre laufenden GeschĂ€fte fĂŒhrt eine deutsche Hausverwaltung am Belegenheitsort des GesellschaftsgrundstĂŒcks. Die einzige Verbindung der KlĂ€gerin mit dem Ausland besteht dagegen in dem auslĂ€ndischen Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters. Das reicht fĂŒr die Annahme eines (alleinigen) Verwaltungssitzes im Ausland angesichts der fĂŒr einen inlĂ€ndischen Verwaltungssitz sprechenden gewichtigen UmstĂ€nde nicht aus. Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG liegen mithin nicht vor.

Ball Dr. Frellesen Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
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