Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Text des Beschlusses
5 Ta 64/2000;
Verkündet am: 
 11.07.2000
LAG Landesarbeitsgericht
 

Erfurt
Vorinstanzen:
1 Ca 2271/99
Arbeitsgericht
Gotha;
Rechtskräftig: unbekannt!
Die mittellose Partei hat Anspruch auf Vorschuss der Kosten für eine notwendige Reise zum Ort der Verhandlung
Leitsatz des Gerichts:
1. Die mittellose Partei hat Anspruch auf Vorschuss der Kosten für eine notwendige Reise zum Ort der Verhandlung. Der Anspruch ergibt sich aus einer dem Zweck der Prozesskostenhilfe entsprechenden Anwendung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

2. Notwendig ist die persönliche Teilnahme am Verhandlungstermin, wenn das Gericht die Partei geladen, das persönliche Erscheinen oder die Parteivernahme angeordnet hat oder wenn ein persönliches Erscheinen aus der Sicht einer verständigen Partei erforderlich erscheint.

3. Die Bewilligung der Reisekostenerstattung ist Akt der Rechtsprechung und Bestandteil der Prozesskostenhilfe.

4. Funktionell zuständig ist der Richter.

5. Zu den Anforderungen der Prüfung der Mittellosigkeit i. S. § 114 ZPO.

6. Solange die Frage der Prozessfähigkeit einer Partei von dem Gericht nicht geklärt ist, verstößt eine die fehlende Prozessfähigkeit unterstellende Entscheidung gegen den auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG beruhenden ungeschriebenen Prozessgrundsatz des fairen Verfahrens.
Entscheidungstenor


Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gotha vom 10.04.2000 (Datum der Beschlussausfertigung 01.03.2000) aufgehoben.

Das Arbeitsgericht Gotha wird angewiesen, die Sache unter Beachtung der Beschwerdeentscheidung erneut zu prüfen und zu entscheiden.


G r ü n d e :


1. Der Beklagte und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung einer von ihm im Rahmen eines Prozesskostenhilfegesuches wegen Mittellosigkeit beantragten Reisekostenerstattung.

Die Klägerin erwirkte am 20.12.1999 einen Mahnbescheid gegen den Beklagten wegen überzahlter Bezüge. Hiergegen legte der Beklagte am 25.12.1999 Widerspruch ein. Am 29.12.2000 begründete die Klägerin ihren im Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch. Am 4.4.2000 wurden die Parteien zum Gütetermin geladen.

Am 9.4.2000 beantragte der Beklagte Prozesskostenhilfe und erbat Reisekostenbewilligung. Zugleich legte er eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. In dieser gab er in der Spalte "Bruttoeinnahmen" elterlichen Naturalunterhalt in Höhe von ca. 350,00 DM, in der Spalte "Bank- und Sparkonten" einen Betrag von 100,00 DM auf seinem Girokonto an. Ferner gab er in der Spalte "Kraftfahrzeuge" an, einen gebrauchten, in Höhe von 400,00 DM kreditbelasteten Wartburg des Jahres 1990 zu besitzen.

Am 10.04.2000 vermerkte die sachbearbeitende Richterin in der Verfahrensakte unter Bezugnahme auf ein in der Akte des Arbeitsgerichts Suhl 4/2 Ca 3160/94 befindliches Gutachten des Chefarztes des L. H., dass dieses für den Beklagten Geschäfts- und Prozessunfähigkeit attestiere und dass durch Beschluss vom 25.06.1997 Frau G. U. zur Betreuerin u. a. für prozessuale Vertretung in Zivilrechtsstreitigkeiten bestellt worden sei. Gleichzeitig verfügte sie die Anforderung eines aktuellen Betreuungsbeschlusses vom Vormundschaftsgericht und ein an die Klägerin gerichtetes Schreiben u. a. mit dem Inhalt, dass dem Gericht bekannt sei, dass der Beklagte unter Betreuung stehe und die gegen einen Prozess- und Geschäftsunfähigen gerichtete Klage unzulässig sein dürfte.

Mit einem ebenfalls am 10.04.2000 ergangenen Beschluss wies die sachbearbeitende Richterin den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Reisekostenerstattung mit folgender Begründung zurück:

"Der Beklagte ist nicht mittellos. Wie seinen Angaben im Antrag auf Bewilligung von PKH zu entnehmen ist, besitzt der Beklagten einen PKW und erhält Naturalunterhalt durch seine Eltern. Wie aus anderen Verfahren bekannt, war der Beklagte auch ohne Reisekostenerstattung in der Lage, Gerichtstermine wahrzunehmen. Im Übrigen verfügt er auch über ein Bankguthaben von 100,00 DM."

Die dem Beklagten übersandte Beschlussausfertigung und die Leseabschrift dieses Beschlusses tragen das Datum des 01.03.2000.

Gleichzeitig teilte sie den Parteien mit, dass über den PKH-Antrag erst nach Einholung einer Auskunft des Vormundschaftsgerichts über den aktuellen Stand der Betreuung des Beklagten entschieden werde.

Am 12.04.2000 teilte das AG Ilmenau mit, dass sich die Verfahrensakte (des Betreuungsverfahrens) zwecks Begutachtung beim Gutachter befinde und über die Fortführung der Betreuung unverzüglich nach Eingang des Gutachtens entschieden werde.

Am 17.04.2000 legte der Beklagte Beschwerde gegen den Beschluss vom "01.03.2000" ein. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Blatt B13 des Beiheftes zur Verfahrensakte Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 18.04.2000 half die zuständige Richterin der vom Beklagten eingelegten Beschwerde nicht ab und begründete die Nichtabhilfe wie folgt:

"Unabhängig von der Frage der Mittellosigkeit ist die Anreise des Klägers (gemeint ist der Beklagte) bereits auf Grund seiner fehlenden Prozessfähigkeit nicht erforderlich oder geboten. Der Gütetermin vom 05.05.2000 wird aufgehoben."

2. a) Die gegen den Beschluss vom 10.04.2000 eingelegte Beschwerde des Beklagten ist in entsprechender Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft. Sie ist auch nicht wegen fehlender Prozessfähigkeit des Beklagten unzulässig.

Nach § 56 Abs. 1 ZPO hat das Gericht den Mangel der Prozessfähigkeit von Amts wegen zu berücksichtigen und zwar in jedem Stadium des Verfahrens und in jeder Instanz. Prozesshandlungen einer prozessunfähigen Person sind insofern wirkungslos, als sie die erstrebten Rechtsfolgen nicht herbeiführen können. Dies gilt auch für die solchen Personen gegenüber vorgenommenen Handlungen des Prozessgegners oder des Gerichts. Die erforderliche Prüfung von Amts wegen ist aber nicht als gerichtliche Untersuchung zu verstehen, die ohne besonderen Anlass in jedem Fall erfolgt. Grundsätzlich ist zunächst von der Geschäfts- und Prozessfähigkeit eines jeden Erwachsenen auszugehen, solange nicht besondere Umstände rechtliche Bedenken erwecken. Liegen jedoch Tatsachen vor, welche den Mangel der Prozessfähigkeit ergeben, dann kann das Gericht auch von Amts wegen Beweis erheben und z. B. nach § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Auskunft beim Vormundschaftsgericht einholen oder nach § 144 Abs. 1 ZPO eine Sachverständigenbegutachtung anordnen. Führt dies nicht zu einer Klärung, liegt die Beweislast bei der Partei, die für sich aus der Prozessfähigkeit Rechte herleitet (vgl. die ausführlichen Kommentierungen des § 56 ZPO bei Stein-Jonas-Bork in der 21. Aufl. und Zöller-Vollkommer ebenfalls in der 21. Aufl. jeweils mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr.). Rechtsmittel der prozessunfähigen Partei sind nach allgemeiner Rechtsanschauung dann zulässig, wenn sie das Ziel verfolgen, eine andere Beurteilung ihrer Prozessfähigkeit zu erreichen (BGH, Urt. vom 22.12.1982, NJW 1983 S. 996; Stein-Jonas-Bork a. a. O. Rnr. 16).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Beschwerdegericht allein aus dem derzeitigen Bestand der ihm vom Arbeitsgericht vorgelegten Prozessakte nicht auf eine Prozessunfähigkeit des Beklagten schließen. Außer dem auf Bl. 26 der Prozessakte befindlichen Vermerk der sachbearbeitenden Richterin, der zum einen auf ein in der Akte des Arbeitsgerichts Suhl 4/2 Ca 3160/94 befindliches Gutachten des Chefarztes des L. H. verweist, welches dem Beklagten Geschäfts- und Prozessunfähigkeit attestiere und zum anderen die Angabe enthält, Frau G. U. sei durch Beschluss vom 25.06.1997 zur Betreuerin u. a. für prozessuale Vertretung in Zivilrechtsstreitigkeiten bestellt worden, ergeben sich für das Beschwerdegericht keine Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit des Klägers im vorliegenden Fall. Weder enthält die Prozessakte das im Übrigen zeitlich schon länger zurückliegende Gutachten noch eine Abschrift des vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses vom 25.06.1997. Aus der Rechtsverteidigung des Beklagten, insbesondere dem Inhalt seiner Schriftsätze können keine die Prozessunfähigkeit indizierenden sondern eher gegenteilige Anhaltspunkte hergeleitet werden. Der bei der Prüfung der Prozessfähigkeit des Beklagten einzig relevante Anhaltspunkt scheint daher auch eher in der gerichtsbekannten überdimensionalen "Prozessführungsfreudigkeit" des Beklagten zu liegen. Allein aus dem in der Prozessakte befindlichen Aktenvermerk und ohne weitere Kenntnisse, also quasi auf Zuruf, kann aber nicht auf das Vorliegen von Prozessunfähigkeit geschlossen werden. Wenn das Arbeitsgericht insoweit über weitergehende Kenntnisse verfügt, hätten diese in einer der Überprüfung durch die Rechtsmittelinstanz zugänglichen Art und Weise aktenkundig gemacht werden müssen. Schließlich zeigt auch der Umstand der Anforderung einer aktuellen Entscheidung des Vormundschaftsgerichts durch das Arbeitsgericht, dass dieses derzeit selbst die Frage der Prozessunfähigkeit des Beklagten nicht für geklärt hält.

Weis sich das Arbeitsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 18.04.2000 hilfsweise zur Ablehnung des Reisekostenvorschusses auf die fehlende Prozessfähigkeit des Beklagten gestützt hat, wäre die Beschwerde auch bei Feststehen der Prozessunfähigkeit des Beklagten zulässig, weil sie zur Aufhebung des die Reisekostenerstattung ablehnenden Beschlusses nun zwangsläufig auch das Ziel verfolgt, eine andere Beurteilung ihrer Prozessfähigkeit zu erreichen.

b) Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Fahrtkostenerstattung zurückweisende Beschluss des Arbeitsgerichts ist aufzuheben.

Soweit die Nichtbewilligung der Fahrtkostenerstattung mit fehlender Mittellosigkeit begründet wird, hält dies einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Grundsätzlich gilt Folgendes:

Die mittellose Partei hat Anspruch auf Vorschuss der Kosten für eine notwendige Reise zum Ort der Verhandlung. Der Anspruch ergibt sich aus einer dem Zweck der Prozesskostenhilfe entsprechenden Anwendung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Nach §§ 114 ff ZPO sollen auch mittellose Personen in den Stand versetzt werden, ihre Rechte im Prozesswege wahrzunehmen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die gerichtliche Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf in einem sozialen Rechtsstaat nicht durch Armut abgeschnitten sein. Notwendig ist die persönliche Teilnahme am Verhandlungstermin, wenn das Gericht die Partei geladen, das persönliche Erscheinen oder die Parteivernahme angeordnet hat oder wenn ein persönliches Erscheinen aus der Sicht einer verständigen Partei erforderlich erscheint (vgl. auch Stein-Jonas-Bork 21. Aufl., § 122 ZPO Rnr. 11 ff und Zöller-Phillippi 21. Aufl., § 122 ZPO jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dem trägt auch die zur Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen an Zeugen und Sachverständigen am 04.07.1991 erlassene Verwaltungsvorschrift des Thüringer Ministeriums für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten (5671-3-1/91, JMBl. 1991 S. 82) Rechnung, die kraft einer länderübergreifenden Vereinbarung inhaltsgleich auch von den hierzu zuständigen Justizverwaltungen der anderen Bundesländern erlassen wurde. Die Bewilligung der Reisekostenerstattung ist Akt der Rechtsprechung und Bestandteil der Prozesskostenhilfe (ebenso Stein-Jonas-Bork 21. Aufl., § 122 ZPO Rnr. 11). Funktionell zuständig für die Bewilligung ist daher der Richter. Erfüllt eine Partei die Voraussetzungen auf Prozesskostenhilfebewilligung, so steht ihr auch die Erstattung der zur sachdienlichen Rechtsverfolgung notwendigen Reisekosten zu. Eine Differenzierung ist insoweit nicht zulässig.

Gegen diese Grundsätze verstößt der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss schon deshalb, weil er zwischen den Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung und den Voraussetzungen der Reisekostenentschädigung differenziert. Während das Arbeitsgericht bezüglich der vom Beklagten beantragten Reisekostenerstattung im Ergebnis unabhängig von der Klärung der Frage der Prozessfähigkeit die Bedürftigkeit des Beklagten verneint hat, will es über den PKH-Antrag erst nach dem Eingang einer Auskunft des Vormundschaftsgerichts über die Betreuung des Beklagten entscheiden.

Gegen diese Grundsätze verstößt der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss aber insbesondere auch deshalb, weil unter der Voraussetzung der Richtigkeit der vom Beklagten angegebenen Vermögensverhältnisse nicht der geringste Zweifel an dessen Mittellosigkeit im Sinne der §§ 114 ff. ZPO bestehen kann. Wenn das Arbeitsgericht ohne nähere Prüfung unter Zugrundelegung der Angaben des Beklagten, er erhalte elterlichen Naturalunterhalt in Höhe von ca. 350,00 DM, verfüge über ein Bankguthaben der Spalte von 100,00 DM und besitze einen gebrauchten, in Höhe von 400,00 DM kreditbelasteten, unfallbeschädigten Wartburg des Jahres 1990, die fehlende Mittellosigkeit damit begründet, wie den Angaben des Beklagten zu entnehmen sei, besitze er einen PKW und erhalte Naturalunterhalt durch seine Eltern, wie aus anderen Verfahren bekannt, sei er auch ohne Reisekostenerstattung in der Lage, Gerichtstermine wahrzunehmen, im Übrigen verfüge er auch über ein Bankguthaben von 100,00 DM, ist dies unter keinem Gesichtspunkt mehr von den anzuwendenden Rechtsvorschriften und ihrem Normzweck gedeckt. Schon der dem Beklagten zustehende im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO vom Einkommen der Partei abzusetzende Freibetrag (vgl. insoweit BGBl. 2000 Teil I S. 815 aktuell 676,00 DM) ist 50 % höher als der von dem Beklagten angegebene Unterhalt, den er von seinen Eltern erhält. Aus dem Besitz eines 10 Jahre alten unfallbeschädigten Wartburg kann auf dessen Fahrtüchtigkeit ohne weitere Sachaufklärung nicht geschlossen werden. Ein Kontoguthaben von 100,00 DM und der Umstand, dass der Beklagte früher auch ohne Reisekostenerstattung Gerichtstermine wahrgenommen habe, sind ebenfalls zur Ablehnung der Reisekostenerstattung ungeeignete Argumente. Zum einen müssen dem Beklagten nämlich die für seinen Lebensunterhalt erforderlichen Mittel verbleiben, zum anderen ist die Geltendmachung berechtigter Reisekostenerstattungsansprüche nicht deshalb ausgeschlossen, weil deren Geltendmachung in der Vergangenheit unterblieben ist.

Es kann bei der Feststellung der Bedürftigkeit auch überhaupt keine Rolle spielen, ob es sich bei dem Antragsteller um eine gerichtsbekannte Partei handelt, die möglicherweise querulatorisch oder aber nur unbequem in ihrer Rechtsverfolgung ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und ihre fehlende Mutwilligkeit ist immer Voraussetzung der PKH-Bewilligung und der Reisekostenerstattung. Es besteht daher bereits auf dieser Ebene eine vom Gesetzgeber gewollte Handhabe querulatorische Inanspruchnahme von Gerichten durch mittellose Personen zu verhindern. Dies setzt aber eine entsprechende Prüfung der geltend gemachten materiellrechtlichen Ansprüche bzw. Einwendungen durch das Gericht voraus.

Es wirft kein glänzendes Licht auf die Justiz, wenn sich das Arbeitsgericht in der Beschwerdeschrift von einer möglicherweise geschäfts- und prozessunfähigen, aber sorgfältig das Verfahren studierenden Partei zu Recht darauf hinweisen lassen muss, dass der angegriffene Beschluss nicht seinem Ausstellungsdatum entsprechend am 01.03.2000 ergangen sein kann und "dass die Mittellosigkeit nach den §§ 114 ff ZPO zu beurteilen ist und nicht davon abhängt, ob eine Partei überhaupt nichts hat oder nicht". Und wenn dann auch noch der auf die Beschwerde ergehende Nichtabhilfebeschluss ganz lapidar hilfsweise auf den Umstand der fehlenden Prozessfähigkeit gestützt wird, obwohl in demselben Fall von dem Arbeitsgericht die Entscheidung über die gleichzeitig beantragte Bewilligung von PKH ausdrücklich bis zur Mitteilung des Ergebnisses der aktuellen Überprüfung der Prozessfähigkeit durch das Vormundschaftsgericht herausgeschoben wurde, bezeugt dies nicht nur die Nachlässigkeit einer nicht ausreichenden Begründung des Nichtabhilfebeschlusses gegenüber der Beschwerdeinstanz.

b) Die im Nichtabhilfebeschluss vom 18.04.2000 hilfsweise erfolgte Zurückweisung des Antrags des Beklagten auf Erstattung der Reisekosten zum Gütetermin wegen fehlender Prozessfähigkeit ist deshalb rechtswidrig, weil die fehlende Prozessfähigkeit des Beklagten weder in dem angegriffenen Beschluss noch sonst irgendwo in der Prozessakte nachvollziehbar juristisch geprüft und festgestellt wurde. Das die Prozessfähigkeit des Beklagten betreffende Auskunftsersuchen des Arbeitsgerichts an das Vormundschaftsgericht ist bis heute nicht beantwortet worden. die Entscheidung über die gleichzeitig neben der Fahrtkostenerstattung beantragte Prozesskostenhilfe des Beklagten ist vom Arbeitsgericht bis zum Eingang dieser Auskunft aufgeschoben worden. Die Sachbearbeitung des Arbeitsgerichts steht damit im Widerspruch zu seiner Nichtabhilfebegründung. Das Arbeitsgericht hält die Frage der (fortbestehenden) Prozessunfähigkeit derzeit offensichtlich selbst nicht für geklärt, wenn es für die Entscheidung der Prozesskostenhilfebewilligung die Auskunft des Vormundschaftsgerichts abwarten will. Die Prozessführung des Beklagten ergibt keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen einer Prozessunfähigkeit. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Schriftsätze, die der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit gefertigt hat, haben durchweg eine Qualität, die so mancher Anwaltsschriftsatz vermissen lässt. Solange die Frage der Prozessfähigkeit einer Partei von dem Gericht nicht geklärt ist, verstößt eine die fehlende Prozessfähigkeit unterstellende Entscheidung gegen den auf dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG beruhenden ungeschriebenen Prozessgrundsatz des fairen Verfahrens (vgl. zum Grundsatz des fairen Verfahrens: Beschluss der Kammer vom 14.03.1997, 5 Ta 76/97; Zöller-Geimer 21. Aufl., Einleitung Rnr. 102).

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es bei Beachtung dieses Verfahrensgrundsatzes auch untunlich war, die Klägerin mit dem Hinweis auf entsprechende Kenntnisse des Gerichts mit Schreiben vom 10.04.2000 darauf aufmerksam zu machen, dass der Beklagte unter Betreuung stehe, ein ärztliches Gutachten seine Prozessfähigkeit verneine und die gegen einen Prozessunfähigen gerichtete Klage unzulässig sein dürfte, weil dadurch die Klägerin ohne abgesicherten Grund zu einer Klagerücknahme mit möglicherweise für sie negativen rechtlichen Folgen verleitet werden konnte. Bei bestehender Kenntnis einer im Zeitpunkt des Klageeingangs bestehenden Prozessunfähigkeit des Beklagten hätte vielmehr schon gar keine Zustellung der Klage an diesen erfolgen dürfen.

3. Unter Beachtung der vorstehenden Rechtsgrundsätze wird das nach § 575 ZPO wieder mit der Sache zu befassende Arbeitsgericht vorrangig die Frage der Prozessunfähigkeit des Beklagten zu prüfen haben, wenn es über entsprechende Anhaltspunkte verfügt. Dazu ist es zwar sinnvoll, die ausstehende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts abzuwarten, das Arbeitsgericht ist in seiner Überzeugungsbildung aber nicht auf die Einholung dieser amtlichen Auskunft beschränkt. Entsprechend § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind in dem darauf ergehenden Beschluss die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgebend gewesen sind. Wird Prozessfähigkeit bejahrt, dann ist dem Beklagten unter der Voraussetzung des Fortbestands der Bedürftigkeit sowohl Prozesskostenhilfe als auch eine Fahrkarte zum Termin zu bewilligen, wenn sein Erscheinen notwendig ist. Wird die Prozessfähigkeit des Beklagten schon über den Tag des Klageeingangs nicht bejaht, dann ist die gegen ihn gerichtete Klage schon nicht ordnungsgemäß zugestellt. Es kann dann überhaupt kein Termin stattfinden, für den der Beklagte zu laden und ihm Fahrtkosten zu erstatten wären (Stein-Jonas-Bork 21. Aufl., § 56 Rnr. 15). Ist der Beklagte prozessunfähig, kann er auch nicht wirksam einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen.

Ist seine Prozessfähigkeit zu bejahen, dann kann sowohl hinsichtlich des Prozesskostenhilfeantrages als auch des Fahrtkostenerstattungsantrages jedenfalls beim Vorliegen von Zweifeln bezüglich seiner Bedürftigkeit die Nachprüfung der vom Beklagten in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemachten Angaben empfehlenswert sein. Bislang sind die dortigen Angaben des Beklagten weder belegt noch sonstwie glaubhaft gemacht. Die Unterhaltsangabe (Naturalunterhalt) von 350,00 DM ist mit einem "circa" versehen. Die Angaben des Beklagten sind ohne weitere Informationen nicht plausibel. Daraus muss sich zwangsläufig die vom Beklagten für das Gericht innerhalb einer angemessenen Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO nachvollziehbar zu beantwortende Frage ergeben, wie und mit welchen genau anzugebenden Naturalleistungen er seinen Lebensunterhalt bestreitet, wie er seine Wohnung finanziert, sein Essen, seine Krankenversicherung, seine Kfz-Versicherung und Kfz-Steuer, seine Telefon- und Telefaxgebühren bezahlt. Die Vorlage entsprechender Bescheinigungen wie Kontoauszüge, Einkommenssteuerbescheide, Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfebescheide, Telefonrechnungen, Unterhaltsbescheinigungen können verlangt werden. Die entsprechenden Behörden können um Auskunft ersucht werden. Falls die Vermutung naheliegen würde, dass der Beklagte über weitergehende, nicht angegebene Einkünfte aus der Führung von Prozessen verfügt, kann es angezeigt sein, auch dieser Frage nachzugehen. Wenn der Beklagte angibt, unter dem Aktenzeichen M 1240/097 beim AG Ilmenau den "Offenbarungseid" geleistet zu haben, kann ggfs. auch dies nachzuprüfen und in die Würdigung miteinzubeziehen sein. Desweiteren können die mit den zahlreichen Prozessen des Beklagten bislang befassten Arbeitsgerichte um Übersendung der dortigen Akten zum Zweck des Abgleichs und einer Plausibilitätsprüfung der vom Beklagten eingereichten PKH-Erklärungen ersucht werden. Bei all diesen nach § 118 Abs. 2 ZPO anzustellenden Erhebungen handelt es sich um Amtsermittlung. Es bedarf weder eines Antrages noch eines Beweisbeschlusses (Stein-Jonas-Bork, 21. Aufl., § 118 ZPO Rnr. 25). Der Umstand, dass der Beklagte offensichtlich die Arbeitsgerichte öfters als andere Bürger mit Prozessen beschäftigt, in denen seine Rechtsverfolgung bzw. seine Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussicht hat und nicht mutwillig ist, darf aber nicht dazu führen, dass für ihn bezüglich der Prüfung der Frage der Mittellosigkeit bei der Prozesskostenhilfebewilligung oder Fahrtkostenerstattung schärfere Maßstäbe angelegt werden. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Beklagte ohne dass in seiner Person ein entsprechendes finanzielles Bedürfnis nach § 114 ZPO vorliegt, seine Prozessführung vom Staat finanzieren lassen will.

4. Nach § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

Die vorstehende Entscheidung ergeht nach § 127 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 127 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ohne mündliche Verhandlung und deshalb ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 ArbGG).

Sie ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 2 ArbGG).
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
       URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS ÜBER UNS IMPRESSUM