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Text des Urteils
BVerwG 2 WD 19.06;
Verkündet am: 
 25.09.2007
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Vorsatz; bedingter Vorsatz; Besitz kinderpornographischer Dateien; außerdienstlicher Bereich; Menschenwürde; allgemeines Persönlichkeitsrecht.
Leitsatz des Gerichts:
1. Zur Frage des Vorliegens bedingten Vorsatzes und des Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB.

2. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bei Besitz kinderpornographischer Dateien eines Soldaten in Vorgesetztenstellung ist eine äußerlich wahrnehmbare Maßnahme in Gestalt einer Dienstgradherabsetzung (stRspr des Senats).
Der Soldat, ein Oberfeldwebel, hatte außerdienstlich mehrere kinderpornographische Bilddateien im Besitz. Durch Strafbefehl wurde gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten festgesetzt (§ 184b Abs. 4 StGB), deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Truppendienstgericht setzte den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Feldwebels herab. Die Berufung des Soldaten wies der Senat zurück.

Aus den Gründen:
...

32Der Soldat handelte bei seiner Straftat mit Vorsatz im Sinne von § 15 StGB in der Form des bedingten Vorsatzes.

33Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Der von dem Wort „vorsetzen“ abgeleitete Begriff (vgl. dazu u.a. Spendel, in: Puppe/ Tenckhoff , FS Karl Lackner, 1987, S. 167 <170 f.> m.w.N.) beinhaltet sowohl ein kognitives als auch ein voluntatives Element, nämlich einerseits im Sinne des „(sich) Vor-stellens“ die Kenntnis oder jedenfalls das „Für-möglich-Halten“ der die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale begründenden und bewirkenden Umstände („Wissen“) und zum anderen im Sinne des „(sich) Vor-nehmens“ den Willen oder jedenfalls das In-Kauf-Nehmen der Tatbestandsverwirklichung („Wollen“). Das Wollen umfasst nicht nur das direkte gezielte Beabsichtigen und Erstreben der Tatbestandsverwirklichung. Ein Täter handelt auch dann nämlich bedingt vorsätzlich, wenn er den für möglich gehaltenen Erfolg seines Verhaltens für den Fall seines wirklichen Eintritts akzeptiert, d.h. diesen unter dieser Voraussetzung innerlich „annimmt“.

34Ein bedingt vorsätzlich Handelnder hält die Tatbestandsverwirklichung für möglich und ist mit dem Eintreten des Erfolges in dem Sinne einverstanden, dass er ihn billigt oder zumindest billigend in Kauf nimmt (stRspr des BGH: vgl. u.a. Beschluss vom 23. Juni 1983 4 StR 293/83 NStZ 1984, 19 und Urteil vom 25. November 1987 3 StR 449/87 NStZ 1988, 175 sowie die Nachweise u.a. bei Cramer/Sternberg Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 15 Rn. 81a und 83; Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 15 RNr. 10a; auch nach neueren Entscheidungen des BGH ist bedingter Vorsatz dann anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und billigt, vgl. Urteil vom 6. April 2000 1 StR 280/99 BGHSt 46, 30 <35>; ebenso Urteil vom 18. September 2003 BVerwG 2 WD 3.03 ). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Täter mit dem von ihm für möglich gehaltenen Erfolg ausdrücklich oder konkludent einverstanden ist, sondern auch dann, wenn er sich mit einem an sich unerwünschten, aber notwendigerweise eintretenden Erfolg um seines erstrebten Zieles willen abfindet (vgl. dazu u.a. BGH, Urteile vom 22. April 1955 g.K. u.a. 5 StR 35/55 BGHSt 7, 363 <369>, vom 4. November 1988 g.B. 1 StR 262/88 BGHSt 36, 1 <9> und vom 14. Juli 1994 4 StR 335/94 NStZ 1994, 584; Tröndle/Fischer, a.a.O. § 15 RNr. 10 a m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es sogar ausreichend, wenn dem Täter der als möglich erkannte Handlungserfolg gleichgültig ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 g.M. StR 449/94 BGHSt 40, 304 <306>; Tröndle/Fischer, a.a.O. § 15 RNr. 10a; Cramer/ Sternberg Lieben, a.a.O. § 15 Rn. 84, 86 f. m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 BVerwG 2 WD 3.03 ). Zur Feststellung dieser Voraussetzungen ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 a.a.O. <10>). Ist der Täter dagegen mit der als möglich erkannten Folge seines Handelns nicht einverstanden und vertraut er deshalb auf ihren Nichteintritt, liegt lediglich (bewusste) Fahrlässigkeit vor (vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung des BGH bei Tröndle/Fischer, a.a.O. § 15 Rn. 9).

35Nach Maßgabe der vorgenannten Abgrenzungskriterien hat der Soldat bedingt vorsätzlich gehandelt. Denn er hat zum einen, wie er selbst eingeräumt hat, es als möglich erkannt, dass er im Besitz mehrerer kinderpornographischer Bilddateien war. Zum anderen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass der Soldat den Besitz dieser kinderpornographischen Bilder auch billigend in Kauf nahm und damit wollte. Mehrere Anhaltspunkte indizieren im Rahmen einer Gesamtschau der einzelnen Tatumstände eine solche Billigung des Besitzes kinderpornographischer Bilder durch den Soldaten. Das diesbezügliche Bestreiten des Soldaten hält der Senat nicht für glaubhaft. Das ergibt sich bereits aus dessen widersprüchlichem Aussageverhalten. Einerseits sagte der Soldat nämlich in seiner Vernehmung und Schlussanhörung durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft aus, in dem Zeitraum zwischen September 2002 und Januar 2004 habe er im direkten Dialog (Kontakt innerhalb des Chatraumes/online) Bilddateien erhalten, sie sich angesehen und dann solche Dateien, die einen kinderpornographischen Inhalt gehabt hätten, unverzüglich gelöscht. Andererseits hat er sich in der Berufungshauptverhandlung dahin eingelassen, er habe alle bei ihm eingegangenen E-Mails mit den angehängten Bilddateien, die auf den sieben CDs gefunden wurden, ungesehen abgespeichert, weil er sich „sicher“ gewesen sei, dass ihm keine kinderpornographischen Bilder zugeschickt würden. Da aber der Soldat wie er eingeräumt hat zuvor wiederholt die Erfahrung gemacht hatte, dass unter den per E-Mail zugesandten Dateien auch solche kinderpornographischen Inhalts waren, ist seine Einlassung, er habe „blauäugig“ auf das Gegenteil vertraut, nicht glaubhaft. Auch auf intensive Nachfrage des Senats hat der Soldat nicht schlüssig zu erklären und nicht näher zu begründen vermocht, weshalb er sich vor der Abspeicherung auf den sieben CDs so sicher gewesen sein will, keine kinderpornographischen Bilder mehr erhalten zu haben. Dabei konnte er gerade ab dem Jahre 2001, als er seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung zu Folge, verstärkt Interesse an homoerotischen Bildern hatte und ihm wieder in größerem Umfang Bilddateien zugeschickt wurden, aufgrund seiner Vorerfahrungen alles andere als sicher sein, dass unter den abgespeicherten Bilddateien keine kinderpornographischen Bilder waren. Er musste mit dieser Möglichkeit geradezu rechnen. Wenn er trotz Erkennens dieser Möglichkeit, wie er sich in der Berufungshauptverhandlung eingelassen hat, über Monate hinweg dennoch Bilddateien solcher Absender ungesehen und ungeöffnet abspeicherte, ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass er sich auch mit dem Besitz kinderpornographischer Bilder abfand und sich letztlich damit auch konkludent einverstanden erklärte. Dagegen spricht nicht seine Äußerung in der Berufungshauptverhandlung, Kinderpornographie sei für ihn verabscheuungswürdig und damit wolle er nichts zu tun haben. Seine von ihm geltend gemachte hohe Sensibilität für dieses Thema hätte es geradezu geboten, die Bilder vor einer Abspeicherung daraufhin zu sichten, ob auch kinderpornographische Bilddateien darunter waren. Sein tatsächliches Verhalten zeigte aber, dass er sich die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf diese auf den sieben CDs abgespeicherten Dateien sichern wollte und dass er dafür positiv, mithin billigend in Kauf nahm, dass sich darunter auch kinderpornographische Bilddateien befanden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er mit dieser Möglichkeit nicht rechnete oder eine solche Konsequenz gar ausschließen wollte, sind nicht ersichtlich. Die Abspeicherung dieser Bilddateien erfolgte ersichtlich um des erstrebten Zieles wegen: Er entschied sich nach dem von ihm in der Berufungshauptverhandlung selbst so wiedergegebenen Motto „Was ich hab, das habe ich“ bewusst dazu, die tatsächliche Herrschaftsgewalt an allen auf den sieben CDs abgespeicherten Bilddateien zu begründen, um dann später zu sehen und abzuklären, welche konkrete Verwendungsmöglichkeit er dafür hatte. Er tat dies, obwohl er aufgrund seiner gemachten Vorerfahrungen naheliegenderweise ernsthaft damit rechnen musste, dass er so seine tatsächliche Herrschaftsgewalt auch an kinderpornographischen Bilddateien begründete. Trotz mehrfacher eindringlicher Nachfragen des Senats hat der Soldat nicht darzulegen vermocht, welche Schritte er unternahm, um eine Abspeicherung gerade solcher Bilddateien zu vermeiden. Selbst wenn ihm nicht nachzuweisen war, dass er die Konsequenzen seines Verhaltens, nämlich das Besitzverschaffen und das Besitzen von kinderpornographischen Bilddateien, bewusst anstrebte, nahm er nach der festen Überzeugung des Senats doch den als möglich erkannten Handlungserfolg konkludent billigend hin und fand sich mit ihm um des verfolgten Zieles wegen („Was ich hab, das habe ich“) ab. Dabei hätten die von den Absendern vergebenen und benutzten Dateinamen „Boys“, „Kids“ und „Knaben“ (insgesamt ca. 60) den Soldaten, der nach seinen in der Berufungshauptverhandlung gemachten Angaben mit Kinderpornographie nichts zu tun haben will, geradezu alarmieren müssen. Da der Soldat zum Tatzeitpunkt bereits über langjährige Erfahrungen mit dem Öffnen und Abspeichern solcher Bilddateien sowie mit den in diesem Milieu verbreiteten Arbeitsweisen und Kommunikationsformen verfügte, hält es der Senat auch aufgrund des von dem Soldaten gewonnenen persönlichen Eindrucks für praktisch ausgeschlossen, dass diesem diese Dateinamen und ihre Bedeutung unbemerkt und/oder unverstanden blieben.

36Mit seinem strafbaren Verhalten hat der Soldat gegen seine Pflicht verstoßen, sich außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG). ... (wird ausgeführt)

37Der Soldat hat damit insgesamt ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen.

38Die Truppendienstkammer hat das Dienstvergehen mit der Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels nicht unangemessen hart geahndet.
...

42Der Senat hat im Hinblick auf die Schwere und die disziplinare Einstufung von Fehlverhalten, das u.a. den Besitz kinderpornographischer Dateien zum Gegen¬stand hat, zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine so genannte „reinigende“, d.h. äußerlich wahrnehmbare, Maßnahme genommen (stRspr des Senats, vgl. u.a. Urteile vom 6. Juli 2000 BVerwG 2 WD 9.00 BVerwGE 111, 291 = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 33 = NZWehrr 2001, 36, vom 8. November 2002 BVerwG 2 WD 29.01 Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 36, vom 11. Februar 2003 BVerwG 2 WD 35.02 Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 39, vom 27. August 2003 BVerwG 2 WD 39.02 Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 9 und vom 28. April 2005 BVerwG 2 WD 25.04 NZWehrr 2007, 28). Hieran hält der Senat fest. Das hier zu beurteilende Fehlverhalten betrifft den Besitz kinderpornographischer Bilddateien (s. auch Urteil vom 11. Februar 2003 a.a.O.).
...

44Das Dienstvergehen hatte ganz erhebliche Auswirkungen. Es führte zu schwerwiegenden Verletzungen der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der in den Bildern dargestellten Kinder.

45Die Besitzverschaffung und der Besitz kinderpornographischer Bilder durch den Soldaten trug nicht nur mittelbar dazu bei, dass Kinder durch die Existenz eines entsprechenden Marktes sexuell missbraucht werden. Damit wurde auch in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen abgebildeten Kinder nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen, ohne dass sich diese dagegen wirksam wehren konnten. Das Grundrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt gerade die Intimsphäre und die engere persönliche Lebenssphäre (BVerfG, Beschlüsse vom 3. Juni 1980 1 BvR 185/77 BVerfGE 54, 148 <153> und vom 13. Mai 1986 1 BvR 1542/84 BVerfGE 72, 155 <170>). Es schützt ferner die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten und persönlichen Lebenssachverhalte offenbart werden sollen (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 2 BvR 1062/87 BVerfGE 80, 367 <373>).

46Durch sein Verhalten hat der Soldat zu dieser schwerwiegenden Rechtsverletzung aktiv beigetragen, wobei erschwerend zu berücksichtigen ist, dass es sich um einen mehrfachen Besitz an Bildern kinderpornographischen Inhalts handelte.
...

52Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände hält der Senat im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das Maß der Schuld und auch aus generalpräventiven Erwägungen sowie aus Gründen der Gleichbehandlung eine Herabsetzung des Soldaten in den Dienstgrad eines Feldwebels für unerlässlich. Die Bundeswehr muss sich auf das Pflichtbewusstsein, die Zuverlässigkeit und die Redlichkeit ihrer Soldaten jederzeit verlassen können, zumal wenn sie eine Vorgesetztenstellung innehaben. Strafrechtliche Verfehlungen der vorliegenden Art und Schwere können auch wenn sie im außerdienstlichen Bereich erfolgen bei Soldaten der Bundeswehr keinesfalls hingenommen werden. Dies muss sowohl dem jeweiligen Täter als auch seinem beruflichen Umfeld unmissverständlich deutlich gemacht werden. Dies erfordert regelmäßig eine deutlich wahrnehmbare Maßnahme. Durch eine derartige Ahndung wird jeder Eindruck einer Bagatellisierung eines solchen Fehlverhaltens vermieden. Dem Soldaten und seiner Umgebung wird das Gewicht seiner Verfehlung unmissverständlich vor Augen geführt. Bei einem militärischen Vorgesetzten muss auch im außerdienstlichen Bereich uneingeschränkt gewährleistet sein, dass er kriminelles Unrecht unterlässt und sich rechtstreu verhält.

Golze Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth
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