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Text des Beschlusses
BVerwG 1 B 108.06;
Verkündet am: 
 14.05.2007
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Die Beklagte hat ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2006 zurückgenommen.
In der Verwaltungsstreitsache


hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 14. Mai 2007 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Prof. Dr. Dörig

beschlossen:

Das Verfahren betreffend die Beschwerde der Beklagten wird eingestellt.

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. März 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte die Hälfte. Die Entscheidung über die restlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.


Gründe:


11. Die Beklagte hat ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2006 zurückgenommen. Das Beschwerdeverfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

22. Hingegen hat die Beschwerde des beteiligten Bundesbeauftragten mit einer Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) Erfolg. Er rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht seiner Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Gefahr einer konventionswidrigen Behandlung der Klägerin in Aserbaidschan und zur Frage einer zumutbaren Fluchtmöglichkeit hiervor in Berg-Karabach nicht in der gebotenen Weise nachgekommen ist. Darin liegt zugleich eine Verletzung des Anspruchs des Bundesbeauftragten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

3Der Bundesbeauftragte beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht sich in den Entscheidungsgründen nicht mit der von ihm im Berufungsverfahren vorgetragenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg auseinandergesetzt hat, derzufolge armenische Volkszugehörige auch im Hinblick auf familiäre Verbindungen mit aserbaidschanischen Volkszugehörigen in Aserbaidschan heute der Gefahr von Verfolgung nicht unterliegen (Beschwerdebegründung S. 6 III.). Der Bundesbeauftragte hat in seinem Schriftsatz vom 22. Juli 2002 (S.5 ff., Ziffer 2) auf diese nach Aktenzeichen und Entscheidungsdatum bezeichnete Entscheidung und auf deren abweichende Einschätzung zur Gefährdung armenischer Volkszugehöriger in Aserbaidschan hingewiesen. Gleiches gilt für die Rüge des Bundesbeauftragten, auf abweichende Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte, dass für armenische Volkszugehörige in Berg-Karabach eine zumutbare Fluchtalternative eröffnet sei (hier: OVG Koblenz und OVG Lüneburg), hingewiesen zu haben (Schriftsatz vom 22. Juli 2002, S. 5 oben und S. 8 ff., Ziffer 3), ohne dass sich das Berufungsgericht hiermit auseinandergesetzt hat. Die Tatsache, dass das Berufungsgericht auf das Vorbringen des Bundesbeauftragten in seinem Schriftsatz vom 22. Juli 2002, auf das er in der Berufungsbegründung vom 23. April 2004 Bezug genommen hat, in den Urteilsgründen nicht eingegangen ist und sich auch sonst nicht mit der abweichenden tatsächlichen und rechtlichen Würdigung der anderen Oberverwaltungsgerichte befasst hat, lässt angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nur den Schluss zu, dass es dieses Vorbringen nicht in Erwägung gezogen hat. Das verletzt den Anspruch des Bundesbeauftragten auf Gewährung rechtlichen Gehörs; zugleich liegt darin ein formeller Begründungsmangel im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO.

4Zwar ist die nach der Rechtsprechung des Senats gebotene Auseinandersetzung mit der abweichenden Würdigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen im Asylrechtsstreit durch andere Oberverwaltungsgerichte grundsätzlich Teil der dem materiellen Recht zuzuordnenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung, so dass eine fehlende Auseinandersetzung mit abweichender obergerichtlicher Rechtsprechung als solche in aller Regel nicht als Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügt werden kann (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 1. März 2006 BVerwG 1 B 85.05 juris und BVerwG 1 B 86.05 nicht veröffentlicht). Etwas anderes muss jedoch dann gelten, wenn sich ein Beteiligter wie hier einzelne tatrichterliche Feststellungen eines Oberverwaltungsgerichts als Parteivortrag zu Eigen macht und es sich dabei um ein zentrales und entscheidungserhebliches Vorbringen handelt. Geht das Berufungsgericht hierauf in den Urteilsgründen nicht ein und lässt sich auch sonst aus dem gesamten Begründungszusammenhang nicht erkennen, dass und in welcher Weise es diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und erwogen hat, liegt in der unterlassenen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung eines anderen Oberverwaltungsgerichts ausnahmsweise auch ein rügefähiger Verfahrensmangel (vgl. in diesem Sinne schon Beschluss vom 21. Mai 2003 BVerwG 1 B 298.02 Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 270).

5Wie die Beschwerde zutreffend darlegt, kann die Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensmangel auch beruhen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Auseinandersetzung mit den Ausführungen der anderen Oberverwaltungsgerichte zu einer anderen Entscheidung betreffend die beiden vom Bundesbeauftragten angesprochenen Fragen gelangt wäre.

6Auf die vom Bundesbeauftragten erhobenen Grundsatz- und Divergenzrügen kommt es danach nicht mehr an.

7Bei seiner erneuten Entscheidung im Rahmen des zurückverwiesenen Verfahrens wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass bei der Prüfung einer internen Schutzmöglichkeit für die Klägerin in Aserbaidschan jetzt Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG zu beachten ist, nachdem die Umsetzungsfrist für die Richtlinie abgelaufen ist (vgl. Art. 38 Abs. 1).

83. Die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO, da sie ihre Beschwerde zurückgenommen hat. Im Übrigen folgt die Entscheidung über die restlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig'
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