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Text des Urteils
BVerwG 3 C 16.06;
Verkündet am: 
 01.06.2006
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Vorinstanzen:
OVG 10 LB 167/01
Oberverwaltungsgericht
Niedersachsen;
Rechtskräftig: unbekannt!
Die Klägerin wendet sich gegen Bescheide der Beklagten, mit denen gemeinschaftsrechtliche Beihilfezahlungen zurückgefordert und Sanktionen festgesetzt wurden.
In der Verwaltungsstreitsache


hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 1. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert

ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2002 wird, soweit sich die Klägerin gegen die Zurückweisung ihrer Berufung wendet, in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 4/5, die Beklagte trägt 1/5 der Kosten des zweiten und des dritten Rechtszugs unter Einschluss der im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof entstandenen Kosten.

Gründe:


I

1Die Klägerin wendet sich gegen Bescheide der Beklagten, mit denen gemeinschaftsrechtliche Beihilfezahlungen zurückgefordert und Sanktionen festgesetzt wurden.

2Die Klägerin stellt Kartoffelstärke her. Neben ihrem Hauptwerk im Zuständigkeitsbereich der Beklagten unterhält sie mehrere Zweigwerke, darunter ein Zweigwerk in K./B. Dieses Werk hat sie 1995 von der seinerzeitigen Fa. K. St. GmbH gepachtet, 1997 wurde deren Verschmelzung mit der Klägerin in das Handelsregister eingetragen. Der Klägerin wurden für die Wirtschaftsjahre 1995/96, 1996/97 und 1997/98 jeweils Stärkekontingente in Höhe von 371 846 000 kg zugeteilt. Dem lag die Annahme zugrunde, das zuvor der Fa. K. St. GmbH zugeteilte Kontingent stehe aufgrund des Pachtvertrages der Klägerin zu.

3Die Fa. K. St. GmbH hatte auf der Grundlage von Anbau- und Lieferverträgen in den Wirtschaftsjahren 1995/96, 1996/97 und 1997/98 von der Fa. M. GmbH Kartoffeln bezogen. Hierzu waren der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1995/96 von der Landwirtschaftsverwaltung des Landes Brandenburg und für die Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 von der Beklagten auf entsprechende Anträge hin Prämien für die Stärkeerzeugung in Gesamthöhe von etwa 61 448,75 DM sowie zur Weiterleitung an die Fa. M. GmbH Ausgleichszahlungen in Gesamthöhe von 172 031,08 DM bewilligt worden.

4Aufgrund einer Anzeige und einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte im November 1997 fest, dass die Fa. M. GmbH nicht selbst Kartoffeln erzeugt, sondern lediglich mit Kartoffeln handelt, die sie teils von verschiedenen Erzeugern, teils von anderen Händlern erwirbt. Daraufhin forderte die Beklagte mit den vorliegend angefochtenen Bescheiden die gewährten Ausgleichszahlungen von der Klägerin zurück und verhängte eine Sanktion in Gesamthöhe von 614 487,47 DM. Zur Begründung hieß es, Ausgleichszahlungen und Prämien dürften nach europäischem Gemeinschaftsrecht nur für Kartoffeln gezahlt werden, die ein Stärkehersteller auf der Grundlage eines Anbau- und Liefervertrages beziehe, den er mit Kartoffelerzeugern geschlossen habe. Die Fa. M. GmbH erzeuge jedoch nicht selbst Kartoffeln.

5Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Aufhebung der Bescheide und die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihr Ausgleichszahlungen und Prämien auch für das Wirtschaftsjahr 1998/99 zu bewilligen.

6Mit Urteil vom 17. Mai 2000 hat das Verwaltungsgericht Osnabrück die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit die gewährten Ausgleichszahlungen zurückgefordert wurden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Beide Beteiligte haben Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 12. Dezember 2002 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

7Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Teilurteil vom 9. Dezember 2004 das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt, soweit das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Rückforderung der Ausgleichszahlungen aufgehoben hatte. Soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung von Ausgleichszahlungen und Prämien für das Wirtschaftsjahr 1998/99 begehrt, hat es die Revision hingegen zurückgewiesen.

8Soweit die angefochtenen Bescheide gegen die Klägerin für die drei Wirtschaftsjahre 1995/96, 1996/97 und 1997/98 jeweils eine Sanktion in zehnfacher Höhe desjenigen Anteils an der ihr jeweils gewährten Gesamtprämie festsetzen, der dem Anteil der Lieferungen der Fa. M. GmbH an sämtlichen Kartoffellieferungen an die Klägerin entsprach, hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Gültigkeit und zur Auslegung des Art. 13 Abs. 4 VO (EG) Nr. 97/95 in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1125/96 zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Europäische Gerichtshof hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 16. März 2006 beantwortet.

9Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

II

10Die Revision der Klägerin bleibt in dem noch offenen Teil ohne Erfolg. Das

Oberverwaltungsgericht hat ihre Berufung auch hinsichtlich der Festsetzung von Sanktionen in den angefochtenen Bescheiden zurückgewiesen. Das steht mit europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang.

11Die angefochtenen Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 13 Abs. 4 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 97/95 der Kommission vom 17. Januar 1995 mit den Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 des Rates hinsichtlich des Mindestpreises und des den Kartoffelerzeugern zu zahlenden Ausgleichsbetrags sowie zur Verordnung (EG) Nr. 1868/94 des Rates zur Einführung einer Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung (ABl Nr. L 16 S. 3) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1125/96 der Kommission vom 24. Juni 1996 (ABl Nr. L 150 S. 1) im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 97/95 . Diese Vorschrift lautet:

(4) Wird festgestellt, dass das Verbot gemäß Artikel 4 Absatz 5 nicht eingehalten wurde, so wird die für das Unterkontingent gewährte Prämie folgendermaßen gekürzt:

Ergibt sich aus der Kontrolle, dass die vom Stärkeunternehmen angenommene Menge 10 % ihres Unterkontingents nicht überschreitet, so wird der Gesamtbetrag der dem Stärkeunternehmen für das betreffende Wirtschaftsjahr zu zahlenden Prämien um das Zehnfache des festgestellten Prozentsatzes (ursprünglicher Wortlaut: des Überschreitungsprozentsatzes) gekürzt;

überschreitet die nicht durch Anbauverträge gebundene Menge den im ersten Gedankenstrich genannten Grenzwert, so wird für das betreffende Wirtschaftsjahr keine Prämie gewährt. Außerdem wird das Stärkeunternehmen im folgenden Wirtschaftsjahr von der Prämienzahlung ausgeschlossen.

12Der in Bezug genommene Art. 4 Abs. 5 der Verordnung lautet:

Es ist dem Stärkeunternehmen untersagt, Kartoffellieferungen anzunehmen, die nicht durch einen Anbauvertrag gebunden sind.

13Die Voraussetzungen für die Verhängung der Sanktion liegen vor. Die Kartoffellieferungen, die die Klägerin in den Wirtschaftsjahren 1995/96, 1996/97 und 1997/98 von der Fa. M. GmbH angenommen hatte, waren nicht durch einen Anbauvertrag gebunden; denn gemäß Art. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 97/95 ist ein Anbauvertrag nur ein zwischen einem Erzeuger oder einer Erzeugervereinigung einerseits und dem Stärkeunternehmen andererseits geschlossener Vertrag (Teilurteil vom 9. Dezember 2004 BVerwG 3 C 37.03 ; EuGH, Urteil vom 16. März 2006 Rs. 94/05 ), und die Fa. M. GmbH ist weder ein Erzeuger noch eine Erzeugervereinigung. Weitere Voraussetzungen enthält Art. 13 Abs. 4 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 97/95 nicht. Namentlich setzt die Vorschrift nicht voraus, dass das Stärkeunternehmen das ihm zugeteilte Unterkontingent überschritten hat. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. ). Einwände gegen die Gültigkeit der Vorschrift können auch bei dieser Auslegung nicht erhoben werden (EuGH, Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. ).

14Die Klägerin hat auch schuldhaft gehandelt. Hierzu genügt, dass sie oder die Vertreter der Fa. K. St. GmbH, deren Wissen und Handeln sie sich zurechnen lassen muss, die mangelnde Erzeugereigenschaft der Fa. M. GmbH kannten. Daran ändert es nichts, wenn im Wirtschaftsjahr 1995/96 den seinerzeit zuständigen brandenburgischen Behörden der Sachverhalt ebenfalls bekannt gewesen sein sollte, wie die Vorinstanzen zugunsten der Klägerin unterstellt haben. Dieser Umstand erlaubt für sich genommen nicht, die Unregelmäßigkeit nicht als „durch Fahrlässigkeit verursacht“ oder sogar „vorsätzlich begangen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG; Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl Nr. L 312 S. 1) einzustufen. Auch dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. ).

15Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 1 VwGO.

Kley van Schewick Dr. Dette Liebler Prof. Dr. Rennert

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren bis zum 9. Dezember 2004 auf 454 301,52 € (= 888 536,55 DM) und für die spätere Zeit auf 314 182,45 € (= 614 487,47 DM) festgesetzt.

Kley Liebler Prof. Dr. Rennert
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