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Text des Urteils
5 AZR 622/03;
VerkĂŒndet am: 
 03.11.2004
BAG Bundesarbeitsgericht
 

RechtskrÀftig: unbekannt!
Urteil - Kurz
Tenor




1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts NĂŒrnberg vom 22. Oktober 2003 - 4 Sa 98/03 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts NĂŒrnberg vom 18. Dezember 2002 - 2 Ca 6179/02 - zurĂŒckgewiesen und ĂŒber die Kosten entschieden hat.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts NĂŒrnberg abgeĂ€ndert und die Klage insgesamt abgewiesen.

3. Der KlÀger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.






1
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darĂŒber, ob die Beklagte den Stundenlohn des KlĂ€gers entsprechend dem einschlĂ€gigen Lohntarifvertrag erhöhen musste.

2
Die Beklagte betreibt eine Druckerei mit zehn Arbeitnehmern. Der KlÀger ist bei ihr seit 1964 als Drucker beschÀftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Die Parteien sind nicht tarifgebunden. Ein Betriebsrat ist im Betrieb der Beklagten nicht gebildet.

3
Jedenfalls seit April 1991 zahlte die Beklagte dem KlĂ€ger einen Stundenlohn, der jeweils dem Lohn nach Lohngruppe V des Tarifvertrags fĂŒr die gewerblichen Arbeitnehmer in der Druckindustrie entsprach. Außerdem zahlte sie je Stunde eine ĂŒber-tarifliche Zulage, eine monatliche “freiwillige Leistungszulage” und vermögenswirksame Leistungen. In den “LohndatenblĂ€ttern” des KlĂ€gers, ĂŒber die dieser jeweils unterrichtet wurde, ist durchgehend von “Lohngruppe V”, “Tariflohn” bzw. “Tarifgruppe” und â€œĂŒber-tariflicher Zulage” die Rede. Die Lohnabrechnungen weisen bis Mai 2002 “Tariflohn”, “Übertarif”, “Freiwillige Zulage” und “AG VL” aus.

4
Mit Wirkung vom 1. April 2002 wurde der tarifliche Stundenlohn der Lohngruppe V auf 14,50 Euro erhöht. Die Beklagte zahlte demgegenĂŒber einen Stundenlohn in Höhe von 14,10 Euro, den sie in den Lohnabrechnungen ab Juni 2002 als “vereinbarten Lohn” bezeichnete. ZusĂ€tzlich leistete sie weiterhin eine ĂŒbertarifliche Zulage von 2,19 Euro/Stunde.

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Mit seiner Klage hat der KlĂ€ger verschiedene, inzwischen rechtskrĂ€ftig abgewiesene AnsprĂŒche geltend gemacht und die Differenz zwischen 14,10 Euro und 14,50 Euro fĂŒr jeweils 161 Stunden der Monate April bis November 2002 verlangt. Aus den Abrechnungen der Beklagten ergebe sich, dass die Beklagte willentlich den “Tariflohn” gezahlt habe. Er habe darauf vertrauen können, dass die Beklagte jede Tariflohnerhöhung weitergebe.

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Der KlÀger hat, soweit in der Revision noch von Interesse, beantragt,

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die Beklagte zur Zahlung von 515,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ĂŒber dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2002 zu verurteilen.

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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die VergĂŒtung habe sich in der Vergangenheit an den tariflichen Vorgaben gemĂ€ĂŸ dem Tarifvertrag fĂŒr die gewerblichen Arbeitnehmer in der Druckindustrie orientiert, ohne dass dieser Tarifvertrag ausdrĂŒcklich in Bezug genommen oder durchgĂ€ngig angewendet worden sei. Es liege weder eine Vereinbarung noch ein schĂŒtzenswertes Vertrauen des KlĂ€gers dahingehend vor, der jeweilige Tariflohn werde auch kĂŒnftig automatisch bei jeder Tariflohnerhöhung beibehalten.

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Die Vorinstanzen haben entsprechend dem Klageantrag entschieden. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.








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Die Revision ist begrĂŒndet. Sie fĂŒhrt zur vollstĂ€ndigen Abweisung der Klage.

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I. Das Landesarbeitsgericht hat, teilweise unter Bezugnahme auf die EntscheidungsgrĂŒnde des Arbeitsgerichts, ausgefĂŒhrt, die Beklagte mĂŒsse den unstreitigen Tariflohn von 14,50 Euro/Stunde zahlen. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthalte eine jedenfalls konkludente Bezugnahme auf die Lohngruppe V des einschlĂ€gigen Tarifvertrags der Druckindustrie. Das ergebe sich aus den vorgelegten Gehaltsmitteilungen und LohndatenblĂ€ttern. Der KlĂ€ger habe auf Grund der ausdrĂŒcklichen Bezeichnung “Tariflohn” und der Zahlung in Höhe der jeweils geltenden tariflichen Stundenlöhne davon ausgehen dĂŒrfen, die Beklagte nehme dynamisch auf die jeweilige VergĂŒtung der Lohngruppe V Bezug. Die Beklagte habe zunĂ€chst auch selbst vorgetragen, der KlĂ€ger erhalte einen Stundenlohn gemĂ€ĂŸ Lohngruppe V. Darin liege ein gerichtliches GestĂ€ndnis, das die Beklagte nicht wirksam widerrufen habe.

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II. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Parteien durch das Landesarbeitsgericht hĂ€lt einer rechtlichen PrĂŒfung nicht stand. Die Beklagte schuldete ab April 2002 nicht den erhöhten Tariflohn von 14,50 Euro/Stunde.

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1. Der KlĂ€ger hat nicht vorgetragen, die Parteien hĂ€tten bei Beginn des ArbeitsverhĂ€ltnisses im Jahre 1964 oder zu einem spĂ€teren Zeitpunkt durch ausdrĂŒckliche WillenserklĂ€rungen auf den jeweiligen Tariflohn Bezug genommen.

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2. Die Beklagte hat unstreitig von April 1991 bis MĂ€rz 2002 einen Stundenlohn gezahlt, der jeweils dem Lohn der Lohngruppe V des Tarifvertrags der Druckindustrie entsprach. Ihr Vortrag, der KlĂ€ger habe einen Stundenlohn gemĂ€ĂŸ Lohngruppe V erhalten, sagt aber nur etwas ĂŒber die Höhe der tatsĂ€chlichen Zahlung aus. Das Landesarbeitsgericht verletzt die AuslegungsgrundsĂ€tze der §§ 133, 157 BGB, wenn es hieraus folgert, die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, dem KlĂ€ger habe eine VergĂŒtung entsprechend dem jeweiligen Tariflohn zugestanden. Die Lohnabrechnungen und Lohnmitteilungen geben nur die Höhe der aktuellen VergĂŒtung an. Sie dokumentieren lediglich den abgerechneten Lohn, bestimmen aber nicht den Anspruch. Ein ErklĂ€rungswert ĂŒber kĂŒnftige AnsprĂŒche kommt ihnen allein auf Grund der Angaben “Tariflohn” und “Lohngruppe V” nicht zu. Dasselbe gilt fĂŒr die LohndatenblĂ€tter des KlĂ€gers. Der Arbeitgeber drĂŒckt hier keinesfalls aus, er wolle unabhĂ€ngig von der jeweiligen Lohnhöhe auch kĂŒnftig den Tariflohn aus der betreffenden Lohngruppe zahlen.

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3. Danach ist die Annahme eines gerichtlichen GestÀndnisses durch das Landesarbeitsgericht ebenfalls fehlerhaft. Die Beklagte hat keine solche ErklÀrung abgegeben.

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4. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien eine dynamische Bezugnahme auf die VergĂŒtung der Tariflohngruppe V nicht dadurch vertraglich vereinbart, dass der KlĂ€ger die mehrjĂ€hrige tatsĂ€chliche Handhabung der Beklagten akzeptiert hat. In der wiederholten Lohnerhöhung durch die Beklagte liegt schon nicht der vom Landesarbeitsgericht angenommene ErklĂ€rungswert. Das Landesarbeitsgericht hat nicht berĂŒcksichtigt, dass ein Arbeitnehmer die Erhöhung der Löhne und GehĂ€lter entsprechend der Tarifentwicklung durch einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber nur bei zusĂ€tzlichen deutlichen Anhaltspunkten in dessen Verhalten dahin verstehen darf, der Arbeitgeber wolle auch die kĂŒnftig von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen ĂŒbernehmen. Denn ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsĂ€tzlich nicht fĂŒr die Zukunft der Regelungsmacht der VerbĂ€nde unterwerfen. Dies ist gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts in einen Arbeitgeberverband. Die fehlende Tarifbindung verdeutlicht den Willen des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und GehĂ€lter entsprechend der Tarifentwicklung jedenfalls nicht ohne nĂ€here PrĂŒfung vorzunehmen. Die nicht vorhersehbare Dynamik der Lohnentwicklung und die hierdurch verursachten Personalkosten sprechen grundsĂ€tzlich gegen einen objektiv erkennbaren rechtsgeschĂ€ftlichen Willen des Arbeitgebers zu einer dauerhaften Entgeltanhebung entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet. Mit den in Anlehnung an eine Tariflohnerhöhung erfolgenden freiwilligen Lohnsteigerungen entsteht lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Lohns, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch kĂŒnftige Tariferhöhungen weiterzugeben. Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit ĂŒber die kĂŒnftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Darin unterscheidet sich dieser Sachverhalt von der betrieblichen Übung bei der GewĂ€hrung von Zulagen oder Jahressonderzahlungen. Hierbei entstehen zwar auch weitere Kosten. Diese sind aber statisch und damit vorhersehbar und nicht unĂŒberschaubar dynamisch ausgestaltet (BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37, zu I 2 der GrĂŒnde; 13. MĂ€rz 2002 - 5 AZR 755/00 - EzA ZPO § 259 Nr. 1, zu II 2 der GrĂŒnde, jeweils mwN).

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5. Eine betriebliche Übung gerichtet auf die zukĂŒnftige Anpassung der VergĂŒtung entsprechend dem Tariflohn ist nicht entstanden (vgl. BAG 16. Januar 2002 aaO, zu I der GrĂŒnde). Die regelmĂ€ĂŸigen Gehaltserhöhungen entsprechend der Tarifentwicklung haben kein Vertrauen dahingehend geschaffen, die Beklagte werde auch kĂŒnftig weiter so verfahren. Sie beziehen sich jeweils nur auf den konkreten Fall. Der KlĂ€ger musste jedes Mal auch ohne besonderen Hinweis davon ausgehen, die Beklagte habe sich nach PrĂŒfung aller UmstĂ€nde (auch diesmal wieder) fĂŒr eine “Übernahme” entschieden. Es hĂ€tte zusĂ€tzlicher Anhaltspunkte neben den regelmĂ€ĂŸigen Erhöhungen bedurft, um eine betriebliche Übung annehmen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat derartige UmstĂ€nde nicht festgestellt.

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Es kommt hinzu, dass der tarifgebundene Arbeitgeber durch Austritt aus dem tarifschließenden Verband die Anwendbarkeit kĂŒnftiger Tariflohnerhöhungen vermeiden kann (§ 3 Abs. 3 TVG). Eine betriebliche Übung wird bei Tarifbindung des Arbeitgebers allein auf Grund regelmĂ€ĂŸiger Erhöhungen nicht entstehen können; denn es ist anzunehmen, der Arbeitgeber wolle nur den gesetzlichen Verpflichtungen des Tarifvertragsgesetzes Rechnung tragen und seine Arbeitnehmer gleich behandeln. Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber, der sich (zeitweise) wie ein tarifgebundener Arbeitgeber verhĂ€lt, darf deswegen nicht schlechter stehen als dieser, nĂ€mlich auf Dauer ohne Austrittsmöglichkeit (vertraglich) gebunden sein. Das muss der Arbeitnehmer erkennen, falls die Frage der Tarifbindung seines Arbeitgebers ĂŒberhaupt eine Rolle fĂŒr ihn spielt. Deshalb darf er in keinem Falle von einer dauerhaften Bindung des Arbeitgebers ausgehen.

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III. Der KlÀger hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.



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MĂŒller-Glöge Mikosch Linck MĂŒller Rolf Steinmann
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