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Text des Urteils
V ZR 170/00;
Verkündet am: 
 20.07.2001
BGH Bundesgerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
A - Urteil - Mittellang - Leits.
Leitsatz des Gerichts:
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 3

Bei Verbindung einer Zahlungs- mit einer Feststellungsklage kann eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht auf die Feststellungsklage erstreckt werden (Anschluß an BGH, Urt. v. 21. November 1961, VI ZR 87/61, VersR 1962, 252, 253 f; Urt. v. 24. November
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Schneider, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 31. März 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 23. Januar 1997 verkaufte die Zeugin K. an die Klägerin zum Preis von 1.400.000 DM, zahlbar in zwei Raten, ein Grundstück in B. G. Die Klägerin zahlte die erste Kaufpreisrate von 700.000 DM; die Zahlung der zweiten Rate unterblieb. Daraufhin ging die Beklagte, an die die Verkäuferin ihre Ansprüche abgetreten hatte, aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, die von der Klägerin für die Restkaufpreisschuld vereinbarungsgemäß gestellt worden war, vor und forderte die Bürgin mit Schreiben vom 23. April 1998 zur Zahlung auf. Am 4. Mai 1998 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 200.000 DM. Zwei Tage später zahlte die Bürgin an die Beklagte 700.000 DM sowie weitere 26.950 DM für Zinsen. Mit der Summe belastete die Bürgin das bei ihr geführte Konto der Klägerin.

Zur Begründung des zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruchs hat die Klägerin behauptet, unter der Erdoberfläche des verkauften
Grundstücks seien massive Fundamente sowie Reste von Mauern, Brennöfen, Kaminen und anderen Baukörpern vorhanden gewesen. Für deren Beseitigung sei mit Kosten in Höhe von 191.000 DM zu rechnen. Die Verkäuferin habe die aus einer früheren Bebauung mit Fabrikanlagen herrührenden Bauwerksreste arglistig verschwiegen.

Die Klägerin verlangt - in zweiter Instanz auch aus abgetretenem Recht der Bürgin - von der Beklagten Zahlung von zuletzt 191.000 DM nebst Zinsen sowie die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr einen weiteren Schaden wegen der Entsorgung der Bauwerksreste bis zu höchstens 9.000 DM nebst Zinsen zu erstatten.

In erster Instanz ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs und über die Feststellungsklage an das Landgericht zurückverwiesen (OLG Köln, NJWRR 2000, 1264 mit Anm. Simon, EWiR 2000, 765). Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie das Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Rückforderungsanspruch zu, soweit die Beklagte die Bürgin zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Dieser ergebe sich aus der Sicherungsabrede, die der Bürgschaft zugrunde liege, und aus dem von der Bürgin abgetretenen Bereicherungsanspruch. Die Beklagte habe aus der Bürgschaft nicht vorgehen dürfen, soweit die Klägerin gegenüber der Kaufpreisforderung mit einem Schadensersatzanspruch wegen des von der Verkäuferin arglistig verschwiegenen Grundstücksmangels mit Erfolg aufgerechnet habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß sich im Boden des verkauften Grundstücks Fundament-, Mauer-, Brennofen- und Kaminreste befunden hätten. Erwiesen sei auch, daß diese baulichen Altlasten jedenfalls dem Ehemann der Verkäuferin bei Abschluß des Kaufvertrags bekannt gewesen seien. Da er für sie die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin geführt habe, müsse sich die Verkäuferin seine Kenntnis zurechnen lassen. Die schwerwiegende und kostenträchtige Belastung des Erdreichs hätte der Klägerin mitgeteilt werden müssen. Dies sei nicht geschehen; denn der Ehemann der Verkäuferin habe auf Fragen nach der zu erwartenden Bodenbeschaffenheit lediglich von Bauschutt, nicht aber von den tatsächlich vorhandenen massiven Überresten alter Fabrikbauten gesprochen. Der Leistungsantrag sei allerdings noch nicht entscheidungsreif, weil der Aufwand der Klägerin für die Beseitigung der Fundamente noch durch Beweisaufnahme geklärt werden müsse. Deshalb sei der Rechtsstreit nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Aus Gründen der Prozeßökonomie und wegen des Interesses der Parteien an dem Erhalt zweier Tatsacheninstanzen sei eine Zurückverweisung auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig und sachgerecht.

Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

II.

Das angefochtene Urteil hat wegen der von der Revision erhobenen Verfahrensrügen keinen Bestand.

1. Mit Erfolg rügt die Revision als Verfahrensfehler, daß das Berufungsgericht den Rechtsstreit nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch hinsichtlich des Feststellungsantrags an das erstinstanzliche Gericht zurückverweist.

a) Die Zurückverweisung des Feststellungsantrags an das erstinstanzliche Gericht kann weder auf eine unmittelbare noch auf eine analoge Anwendung des vom Berufungsgericht herangezogenen § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestützt werden. Der Bundesgerichtshof hat schon wiederholt entschieden, daß nach Abweisung einer mit einer Zahlungsklage verbundenen Feststellungsklage in erster Instanz auch dann keine Zurückverweisung des Feststellungsantrags in Betracht kommt, wenn hinsichtlich des Zahlungsantrags der Erlaß eines Grundurteils nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO möglich ist (BGH, Urt. v. 21. November 1961, VI ZR 87/61, VersR 1962, 252, 253 f; Urt. v. 24. November 1987, VI ZR 42/87, NJW 1988, 1984 f). Diese Auffassung ist in der Literatur auf Zustimmung (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 538 Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., § 538 Rdn. 20; Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 538 Anm. D I; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 23. Aufl., § 538 Rdn. 13; Grunsky, EWiR 1988, 413, 414; wohl auch Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl., § 538 Rdn. 10), aber auch - wie in der Rechtsprechung von Oberlandesgerichten (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1986, 61; OLG Hamm, OLGR 1995, 249, 250) - auf Ablehnung (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 538 Rdn. 20; Schneider, MDR 1977, 624, 626 f; wohl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 538 Rdn. 13) gestoßen.

b) Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an.

aa) Schon der Wortlaut des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO schließt die Möglichkeit der Zurückverweisung eines Feststellungsantrags an das Gericht der ersten Instanz aus. Das Gesetz verlangt einen nach Grund und Betrag streitigen Anspruch, der aber mit einem lediglich auf Feststellung gerichteten Antrag im Regelfall nicht geltend gemacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1987, aaO; Grunsky, aaO). Deshalb ist anerkannt, daß auch ein Grundurteil nach § 304 ZPO bei einer Feststellungsklage im allgemeinen nicht ergehen kann (vgl. BGHZ 7, 331, 333; Senat, Urt. v. 22. Januar 1993, V ZR 165/91, NJW 1993, 1641, 1642; Urt. v. 28. Januar 2000, V ZR 402/98, NJW 2000, 1405, 1406; BGH, Urt. v. 9. November 1982, VI ZR 23/81, insoweit in NJW 1983, 332 nicht abgedruckt; Urt. v. 19. Februar 1991, X ZR 90/89, NJW 1991, 1896; Urt. v. 7. November 1991, III ZR 118/90, NJW-RR 1992, 531; Urt. v. 13. Mai 1997, VI ZR 145/96, NJW 1997, 3176, 3177; Urt. v. 4. Oktober 2000, VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155). Eine Ausnahme mag dann gelten, wenn der Feststellungsantrag auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juni 1994, IX ZR 125/93, NJW 1994, 3295, 3296, insoweit in BGHZ 126, 217 nicht abgedruckt). Hier ist das jedoch nicht der Fall; denn die Klägerin hat ihren Antrag lediglich der Höhe nach begrenzt, erstrebt aber nicht die Feststellung eines bestimmten Betrages.

bb) Auch mit dem von § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verfolgten Zweck läßt sich eine Zurückverweisung des Feststellungsantrags grundsätzlich nicht vereinbaren. Da erreicht werden soll, daß über den gesamten Prozeßstoff zunächst in erster Instanz entschieden wird (vgl. Musielak/Ball, aaO, § 538 Rdn. 1), kann die Vorschrift nicht eingreifen, wenn das mit der Berufung angefochtene Urteil diesen bereits umfaßt, wie das bei der Abweisung eines Feststellungsantrags als unbegründet der Fall ist (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1987, aaO; Grunsky, aaO). Zwar erlangt dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall keine Bedeutung, weil der Feststellungsantrag in erster Instanz als unzulässig abgewiesen worden ist. Zu beachten ist aber auch hier, daß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als Ausnahme vom Regelfall der eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts (§ 537 ZPO; vgl. dazu BGH, Urt. v. 7. Juni 1993, II ZR 141/92, NJW 1993, 2318, 2319) eng auszulegen ist. Rein kassatorische Entscheidungen des Berufungsgerichts sind nicht schon dann zulässig, wenn die Zurückverweisung lediglich zweckmäßig erscheint (vgl. RG HRR 1931, Nr. 1255; BGH, Urt. v. 21. November 1961 und v. 24. November 1987, beide aaO; Urt. v. 21. Februar 1991, III ZR 169/88, NJW 1991, 1893; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 538 Rdn. 1; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 538 Rdn. 3).

cc) Gründe der Prozeßökonomie stehen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht entgegen. Hierzu führt die Gegenmeinung aus, bei einer unterlassenen Zurückverweisung des Feststellungsantrags dürfe einer der Prozesse zeitweilig nicht betrieben werden, damit eine Zersplitterung der Beweisaufnahme vermieden werde. Ein solches Vorgehen widerspreche aber dem Interesse der Parteien an einer Beschleunigung des Verfahrens und an der Erhaltung zweier Tatsacheninstanzen (vgl. OLG Hamm aaO; Schneider aaO). Dies überzeugt nicht. Ein allgemeines Recht der Parteien darauf, daß über jeden sachlichen Streitpunkt in zwei Tatsacheninstanzen entschieden wird, ist dem Zivilprozeßrecht fremd (BGH, Urt. v. 21. Februar 1991, aaO). Eine Zersplitterung der Beweisaufnahme ist daher ohne weiteres auszuschließen, wenn das Berufungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, nach § 540 ZPO eine umfassende eigene Sachentscheidung zu treffen (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1987, aaO). Seit Einfügung dieser Bestimmung im Jahre 1950 ist die Zurückverweisung nach § 538 ZPO keine notwendige mehr. Das Berufungsgericht muß deshalb ohnehin auch im Anwendungsbereich des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erwägen, ob nicht eine eigene Entscheidung sachdienlich erscheint, weil das Interesse an einer schnelleren Erledigung des Rechtsstreits gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz überwiegt (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2001, V ZR 461/99, WM 2001, 1155, 1156).

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung handelt es sich beim Antrag zu 2 um eine Feststellungs- und nicht um eine Leistungsklage. Der Wortlaut des Antrags ist eindeutig darauf gerichtet, die Verpflichtung der Beklagten zu weiterem Schadensersatz lediglich festzustellen. Danach ist die Erklärung gemäß den entsprechend anwendbaren Regeln des materiellen Rechts (vgl. MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, Einl. Rdn. 280) schon nicht auslegungsbedürftig (vgl. BGHZ 25, 318, 319). Im übrigen wäre der Antrag als Leistungsklage auch nicht zulässig. Ein unbezifferter Zahlungsantrag wird als Ausnahme vom Bestimmtheitserfordernis (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) insbesondere dann zugelassen, wenn das Gericht den Betrag durch Leistungsbestimmung, durch Schätzung nach § 287 ZPO (vgl. BGHZ 4, 138, 142) oder nach billigem Ermessen nach § 847 BGB (vgl. BGHZ 132, 341, 350) zu ermitteln hat. So liegt der Fall hier nicht. Die Klägerin hat sich lediglich mangels Rechnungsstellung der von ihr beauftragten Unternehmen außer Stande gesehen, einen Schadensersatzanspruch über 191.000 DM hinaus zu beziffern.

2. Ob die Zurückverweisung des Feststellungsantrags auf den - vom Berufungsgericht nicht herangezogenen - § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hätte gestützt werden können, bedarf bereits deshalb keiner Entscheidung, weil auch in diesem Fall das Berufungsurteil keinen Bestand haben könnte. Die Revision rügt nämlich zu Recht, daß das Berufungsgericht wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen über den Leistungsantrag nicht gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO befinden konnte.

Soweit das Berufungsgericht ein Grundurteil erlassen hat, liegt ein Teilurteil vor. Dieses ist wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen unzulässig (vgl. BGHZ 107, 236, 242; 120, 376, 380; Senat, Urt. v. 13. Oktober 2000, V ZR 356/99, NJW 2001, 78, 79; vgl. auch § 301 Abs. 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000, BGBl. I S. 330). Widersprechende Entscheidungen sind insbesondere zu befürchten, wenn - wie hier - in einem Fall objektiver Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsansprüchen, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, durch Teilurteil nur über einen der Ansprüche entschieden wird (vgl. Senat, Urt. v. 28. Januar 2000, aaO; Urt. v. 30. März 2001, aaO; BGH, Urt. v. 27. Mai 1992, IV ZR 42/91, NJW-RR 1992, 1053; Urt. v. 4. Februar 1997, VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709, 1710; Urt. v. 13. Mai 1997, VI ZR 181/96, NJW 1997, 3447, 3448; Urt. v. 11. März 1999, VII ZR 465/97, NJW-RR 1999, 893, 894; Urt. v. 4. Oktober 2000, aaO; Urt. v. 5. Dezember 2000, VI ZR 275/99, NJW 2001, 760). Das Grundurteil bindet nach § 318 ZPO nämlich nur hinsichtlich des Zahlungsantrags, über den es ergangen ist. Das erstinstanzliche Gericht und - falls eine Zurückverweisung unterblieben wäre - das Berufungsgericht sind daher nicht gehindert, auf Grund neuen Vortrags oder auf Grund geänderter Rechtsauffassung hinsichtlich des Feststellungsantrags zu einer anderen Einschätzung als hinsichtlich des durch Teilurteil bereits entschiedenen Leistungsantrags zu gelangen (vgl. Senat, Urt. v. 28. Januar 2000, aaO). Hieraus folgt ferner, daß nach Aufhebung des (Teil- )Grundurteils die angefochtene Entscheidung auch hinsichtlich der Zurückverweisung des Feststellungsantrags nicht bestehen bleiben kann (vgl. Senat, Urt. v. 13. Oktober 2000, aaO).

III.

1. Wegen der festgestellten prozessualen Mängel kann das angefochtene Urteil insgesamt keinen Bestand haben (§ 564 Abs. 1 ZPO), ohne daß es auf die weiteren Revisionsrügen ankommt.

Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif und daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 ZPO). Dies gilt auch hinsichtlich des Feststellungsantrags. Da er auf die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich eines Schadens gerichtet ist, der über die zum Gegenstand der Leistungsklage gemachten 191.000 DM hinausgeht, kann über seine Begründetheit nicht ohne Feststellungen zur Schadenshöhe entschieden werden. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags bestehen nach dem für den Senat gemäß § 561 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Parteivorbringen nicht. Der im Schriftsatz vom 7. Oktober 1999 angekündigte Vortrag, mit dem die Klägerin nach Abschluß der Beseitigungsarbeiten die ihr entstandenen Kosten "umfassend und abschließend" mit 189.105,63 DM beziffert, hat im Tatbestand des Berufungsurteils keine Berücksichtigung gefunden. Hiernach könnten allerdings künftige - und seien es auch nur entfernte - Schadensfolgen über das Leistungsbegehren hinaus ausgeschlossen und damit das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse entfallen sein (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2708). In diesem Fall hätte das Berufungsgericht die Abweisung der Feststellungsklage durch Teilendurteil bestätigen können.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß gegen das Berufungsurteil, soweit es sich mit der Prüfung des materiellen Rechts befaßt, aufgrund der bisherigen Feststellungen rechtliche Bedenken nicht bestehen.

a) Soweit die Beklagte die Bürgschaft zu Unrecht in Anspruch genommen hat, kann die Klägerin die Leistungen jedenfalls aus abgetretenem Recht der Bürgin herausverlangen. Der Bürgin steht im gegebenen Fall einer Bürgschaft auf erstes Anfordern im Hinblick auf § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) gegen den Gläubiger, hier also die Beklagte, insbesondere dann zu, wenn die gesicherte Hauptforderung nicht (mehr) besteht (vgl. BGHZ 74, 244, 248; BGH, Urt. v. 9. März 1989, IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606, 1607; Urt. v. 23. Januar 1997, IX ZR 297/95, NJW 1997, 1435, 1437). Die Restkaufpreisforderung ist erloschen, wenn und soweit die Klägerin am 4. Mai 1998 gegenüber der Beklagten erfolgreich mit einer Gegenforderung aufgerechnet hat (§ 389 BGB). Die Abtretung des gesicherten Restkauf- preisanspruchs von der Verkäuferin an die Beklagte, steht nach § 406 BGB der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Zedentin nicht entgegen.

b) Den zur Aufrechnung gestellten Anspruch hat das Berufungsgericht zutreffend aus § 463 Satz 2 BGB bejaht. Die Verkäuferin hat einen Fehler des an die Klägerin veräußerten Grundstücks arglistig verschwiegen.

aa) Da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, welche Beschaffenheit des Grundstücks die Vertragsparteien vorausgesetzt haben, kann der Senat die unterlassene Auslegung des Kaufvertrags nachholen (BGHZ 65, 107, 112; 124, 39, 45; Senat, Urt. v. 18. Februar 2000, V ZR 334/98, NJW-RR 2000, 894, 895). Diese ergibt, daß die Parteien des Kaufvertrags übereinstimmend davon ausgegangen sind, die Klägerin erwerbe das Grundstück, um es zu bebauen. Das folgt aus den Regelungen unter III. 3. bis 6. der notariellen Urkunde, die die Erschließung des Anwesens betreffen, wobei - unter III. 4. - auch ausdrücklich auf eine "geplante Neubaumaßnahme" der Klägerin hingewiesen wird. Bei einem Grundstück, das zum Zwecke der Bebauung erworben wird, stellen aber die Bebauung störende Bauwerksreste einen Sachmangel dar (RG SeuffA 83, 300).

bb) Diesen hatte die Verkäuferin der Klägerin zu offenbaren. Auch bei Vertragsverhandlungen, bei denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen über solche Umstände aufzuklären, die den von der anderen Seite verfolgten Vertragszweck vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte (Senat, BGHZ 132, 30, 34; Senat, Urt. v. 2. März 1979, V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; Urt. v. 10. Juni 1988, V ZR 125/87, NJW-RR 1988, 1290). Bei Kauf eines Hausgrundstücks besteht danach regelmäßig eine Offenbarungspflicht wegen verborgener, nicht unerheblicher Mängel (Senat, Urt. v. 8. April 1994, V ZR 178/92, NJW-RR 1994, 907). Daß der Klägerin die Bauwerksreste unterhalb der Erdoberfläche nicht bekannt waren, während zumindest der Ehemann der Verkäuferin von diesen wußte, hat das Berufungsgericht aufgrund rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Beweiswürdigung festgestellt. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verkäuferin müsse sich die Kenntnis ihres Ehemannes, der für sie die Verhandlungen führte, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB nach den Regeln der Wissensvertretung zurechnen lassen (vgl. Senat, BGHZ 117, 104, 106 f m.w.N.).

cc) Mit dem "kleinen" Schadensersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB kann die Klägerin verlangen, so gestellt zu werden, als habe sie ein fehlerfreies Grundstück erworben. Ihr steht daher ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zu, die sie für die Beseitigung der Bauwerksreste aufwenden mußte (vgl. Senat, Urt. v. 12. Juli 1991, V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901). Zu bejahen ist auch die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Klägerin ein solcher Schaden in irgendeiner Höhe entstand (vgl. Senat, BGHZ 79, 45, 46).

Wenzel Schneider Klein Lemke Gaier
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