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Sondertitel zu
§
38
VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz:
Autor:
,
Text des Beschlusses
BVerwG 2 WDB 8.02;
Verkündet am: 
 29.10.2002
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
 

Rechtskräftig: unbekannt!
A - Beschluss - Kurz - Leits.
Leitsatz des Gerichts:
Im Rahmen eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen einen früheren Soldaten kommt es nicht darauf an, ob der frühere Soldat tatsächlich wieder verwendet wird. Solange die Wiederverwendung nicht dauernd ausgeschlossen ist, liegt ein Verfahrenshindernis nicht vor.
BVerwG, Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 29. Oktober 2002
- BVerwG 2 WDB 8.02 -
Truppendienstgericht Süd

Der von dem Verfahren betroffene fast 63-jährige frühere Soldat ist im Jahre 1987 als Berufsoffizier in den Ruhestand versetzt worden. Wegen des Vorwurfes des unwürdigen Verhaltens schuldigte ihn der Wehrdisziplinaranwalt im Jahre 1999 an.

Mit Antrag beim Kreiswehrersatzamt und Widerspruch bei der Wehrbereichsverwaltung begehrte der frühere Soldat seine Ausmusterung. Die dementsprechende Überprüfungsuntersuchung wurde bestandskräftig abgelehnt, dem früheren Soldaten wurde jedoch mitgeteilt, dass er - vorbehaltlich einer Änderung der Sach- und Rechtslage - bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht zum Wehrdienst herangezogen werde.

Der Vorsitzende der Truppendienstkammer stellte das Verfahren gemäß § 108 Abs. 4 WDO wegen eines Verfahrenshindernisses ein. Auf Beschwerde des Wehrdisziplinaranwaltes hob der Senat den Einstellungsbeschluss auf.

Gründe:

Ein zur Einstellung durch Beschluss außerhalb der Hauptverhandlung berechtigendes Verfahrenshindernis im Sinne des § 108 Abs. 4 i.V.m. § 108 Abs. 3 Satz 1 WDO liegt nicht vor.
1

Der Kammervorsitzende geht zutreffend davon aus, dass es Sinn und Zweck eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen einen aus dem Wehrdienst ausgeschiedenen Offizier oder Unteroffizier wegen Verletzung der Verpflichtung zu nachdienstlichem achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 3 SG) ist, die mögliche Wiederverwendung des früheren Soldaten im bisherigen Vorgesetztendienstgrad zu verhindern. Soweit er jedoch weiter darauf hinweist, dass vorliegend eine Wiederverwendung des früheren Soldaten bis zum vollendeten 65. Lebensjahr (§ 51 Abs. 1 SG) nicht mehr möglich sei, ist zunächst festzustellen, dass eine Auslegung des § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. SG, nach der jedes für eine Wiederverwendung im bisherigen Vorgesetztendienstgrad disqualifizierende Verhalten eines früheren Soldaten als Dienstvergehen zu gelten hätte, auch wenn eine Wiederverwendung dieses früheren Soldaten nicht einmal theoretisch mehr in Betracht kommen kann, durch den Zweck des Gesetzes nicht gedeckt wäre. Dieser geht dahin, eine eignungsgerechte personelle Besetzung von Offizier- und Unteroffizierstellen auch bei Wehrübungen und nicht zuletzt im Verteidigungsfall zu gewährleisten und damit zugleich die Erfüllung des Verteidigungsauftrages der Bundeswehr zu sichern (Urteil vom 24. Februar 1981 – BVerwG 2 WD 72.80 - ). Von diesem Zweck her ist es nicht geboten, eine Möglichkeit disziplinarer Maßregelung aufgrund des § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. SG auch in den Fällen zuzulassen, in denen eine Wiederverwendung nach der Gesetzeslage nicht einmal theoretisch mehr in Betracht kommen kann. In all den Fällen, in denen - wie z.B. bei Vollendung des 65. Lebensjahres gem. § 51 Abs. 1 SG - eine Wiederverwendung dauernd ausgeschlossen ist, verbietet sich daher die Möglichkeit der rechtlichen Würdigung eines als Dienstvergehen geltenden Verhaltens.
2

Wie der Senat festgestellt hat (Urteil vom 24. Februar 1981 - BVerwG 2 WD 72.80 - ), schließt aber selbst die Ausmusterung eines früheren Soldaten dessen Wiederverwendung nicht dauernd aus. Die Ausmusterung schafft nicht eine Rechtsposition des davon betroffenen früheren Soldaten, die gegen seinen Willen nicht mehr geändert werden könnte. Sie besagt lediglich, dass der Ausgemusterte den zur Zeit der Ausmusterung gestellten Anforderungen an die Wehrdiensttauglichkeit nicht genügt. Diese Anforderungen sind in Vorschriften und Erlassen des Bundesministers der Verteidigung festgelegt und können, z.B. bei Änderung des Bedarfs, jederzeit geändert werden. Sowohl bei einer Herabsetzung der Anforderungen an die Wehrdiensttauglichkeit als auch bei einer Besserung des Gesundheitszustandes des Ausgemusterten kann die Behörde den Ausmusterungsbescheid widerrufen mit der Folge, dass dann der betreffende frühere Soldat wieder der Wehrüberwachung unterliegt und auch zu einer Wiederverwendung herangezogen werden kann.
3

Entgegen der Ansicht des Kammervorsitzenden sind die Grundsätze der Senatsentscheidung vom 24. Februar 1981 auch im vorliegenden Fall anwendbar. Denn weder im Fall eines ausgemusterten früheren Soldaten noch vorliegend kommt es darauf an, ob der frühere Soldat tatsächlich wieder verwendet werden wird. Abgesehen davon wurden hier keine tatsächlich gegen die Dienstfähigkeit des früheren Soldaten sprechenden Gründe festgestellt. Wie der Senat ausgeführt hat, werden auch nicht als untauglich ausgemusterte frühere Berufs- oder Zeitsoldaten zum Teil nie mehr zu einer Wehrübung herangezogen. Die Beurteilung eines Verhaltens als pflichtwidrig und als fiktives Dienstvergehen i.S.d. § 23 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. SG kann nicht von künftigen, weder im Zeitpunkt der Tat noch der Entscheidung absehbaren Maßnahmen der für die Heranziehung zuständigen Behörden abhängen. Der frühere Soldat unterliegt nach wie vor der Dienstleistungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SG. Seine Wiederverwendung kann theoretisch durchaus in Betracht kommen, jedenfalls ist sie nicht dauernd ausgeschlossen. Das vom Kammervorsitzenden in diesem Zusammenhang genannte Argument, der frühere Soldat sei zum 31. März 1987 als Schwerbehinderter mit Tauglichkeitsgrad III aus der Bundeswehr ausgeschieden, und eine Wiederverwendung i.S.d. § 51 Abs. 1 SG setze Dienstfähigkeit voraus, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen ist, wie der Wehrdisziplinaranwalt zutreffend bemerkt, nicht bestandskräftig festgestellt worden, dass der frühere Soldat in Folge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte, also aus tatsächlichen festgestellten und seine Wehrdienstfähigkeit unmöglich machenden Gründen zur Erfüllung seiner militärischen Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Zum anderen können sich, wie im Falle der Ausmusterung, die Anforderungen an die Wehrdiensttauglichkeit, etwa bei Änderung des Bedarfs, jederzeit ändern. Die Schwerbehinderung des früheren Soldaten mit Tauglichkeitsgrad III ist eine Behinderung, die eine Wiederverwendung nicht bei jeder denkbaren Entwicklung nach menschlichem Ermessen als ausgeschlossen erscheinen lässt. Insoweit verkennt der Kammervorsitzende, dass lediglich eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung vorliegt, den früheren Soldaten nicht mehr zum Wehrdienst heranzuziehen. Hieraus kann keinesfalls gefolgert werden, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage, die durch einen Bedarf an besonderen Spezialisten oder einen allgemeinen höheren Bedarf an wehrübenden Soldaten, z.B. im Spannungs- oder Verteidigungsfall, begründet sein könnte, die wehrüberwachende Behörde berechtigt wäre, ihre Entscheidung im Verwaltungsverfahren zu widerrufen. Ein Widerruf der im Verwaltungsverfahren erteilten Zusage, den früheren Soldaten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr zum Wehrdienst heranzuziehen, mag zwar unwahrscheinlich sein, ist jedoch bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage nicht auszuschließen. Der Hinweis im Schreiben der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 25. April 2002 auf § 38 Abs. 3 VwVfG unterstreicht diese Auffassung. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SG ist die Wiederverwendung eines früheren Soldaten erst dann völlig ausgeschlossen, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet hat.
4

Der Einstellungsbeschluss des Kammervorsitzenden vom 2. August 2002 konnte daher, da ein Verfahrenshindernis nach § 108 Abs. 4 WDO nicht besteht, keinen Bestand haben.
5

Prof. Dr. Pietzner Dr. Schwandt Prof. Dr. Widmaier
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