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Text des Urteils
I ZR 128/01;
Verkündet am: 
 04.09.2003
BGH Bundesgerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Auch Verrechnungsabreden (hier: mit Forderungen gegen Dritte) können nur mit Wirkung für die Zukunft gekündigt werden (OLG Oldenburg aufgehoben und zurückverwiesen)
Leitsatz des Gerichts:
BGB §§ 398, 157 Gg
Eine Vereinbarung, die den Schuldner zu seiner Sicherung ermächtigt, seine Forderungen gegen einen von der Insolvenz bedrohten Dritten mit Forderungen seines Gläubigers zu verrechnen, kann vom Gläubiger nur mit Wirkung für die Zukunft gekündigt werden. Entsprechend der Sicherungsabrede zwischen Gläubiger und Schuldner können bereits entstandene Forderungen auch nach der Kündigung verrechnet werden.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Schaffert und Asendorf

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. März 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht der Klage auf die Anschlußberufung der Klägerin in Höhe von weiteren 45.990,81¤ (89.950,21 DM) nebst Zinsen stattgegeben hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, die ebenso wie die Beklagte einen Kurierdienst betreibt, macht gegen die Beklagte für Transportdienstleistungen restliche Vergütungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, Transportvergütungsansprüche, die ihr gegen ein Drittunternehmen, die G. GmbH in Bremen (im folgenden: G. Bremen) zustehen, mit den Ansprüchen der Klägerin gegen sie zu verrechnen.

Die Klägerin führte für die Beklagte seit Juli 1999 Transportdienstleistungen aus. Für den Abrechnungszeitraum 1. bis 31. Oktober 1999 macht sie aus ihrer Rechnung vom 31. Oktober 1999 noch offene Teilbeträge in Höhe von 2.448,18 DM und 9.112,71 DM geltend. Für den Zeitraum 1. bis 30. November 1999 berechnete die Klägerin der Beklagten für erbrachte Transportleistungen einen Betrag von 136.335,59 DM. Davon macht sie einen noch offenen Restbetrag in Höhe von 80.837,50 DM geltend. Ferner beansprucht die Klägerin Bezahlung ihrer Rechnungen vom 29. Februar 2000 über 71.763,91 DM sowie vom 31. März 2000 über 78.602,86 DM.

Von der Gesamtsumme der fünf Einzelbeträge hat die Klägerin 229.652,41 DM geltend gemacht.

Gegenstand der revisionsrechtlichen Beurteilung sind nurmehr 89.950,21 DM. Diese waren Teil der erfolgreichen Anschlußberufung der Klägerin.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Die Anschlußberufung der Klägerin hatte in Höhe von 89.950,21 DM Erfolg.

Der Senat hat die Revision der Beklagten nur insoweit angenommen, als das Berufungsgericht der Anschlußberufung stattgegeben hat. Die Beklagte beantragt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus Vergütungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 89.950,21 DM aus Transportleistungen der Klägerin im Oktober/November 1999 für begründet erachtet. Eine Verrechnung dieser Forderungen durch die Beklagte mit deren Ansprüchen gegen die G. Bremen aus dem Zeitraum Oktober/ November 1999 scheide aus.

Die Beklagte könne sich gegenüber den begründeten Forderungen der Klägerin nicht mit Erfolg auf eine zwischen den Parteien geschlossene Verrechnungsvereinbarung berufen.

Dabei könne offenbleiben, ob eine solche Vereinbarung überhaupt mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt zustande gekommen sei. Der damalige Geschäftsführer der Klägerin habe der weiteren Verrechnung von Forderungen der Beklagten gegen die G. Bremen mit solchen der Klägerin gegen die Beklagte in einem mit dem Vertriebsleiter O. der Beklagten Ende November/Mitte Dezember 1999 geführten Telefonat widersprochen. Damit sei eine möglicherweise zuvor durch das Verhalten der Klägerin konkludent zustande gekommene Verrechnungsvereinbarung gekündigt oder aufgehoben worden.

Die Kündigung oder Aufhebung der Verrechnungsvereinbarung betreffe nicht nur die ab Dezember 1999 entstandenen Forderungen der Beklagten gegen die G. Bremen, sondern jegliche weitere Verrechnung. Denn der damalige Geschäftsführer der Klägerin habe insoweit keine zeitliche Differenzierung vorgenommen, sondern einer weiteren Verrechnung allgemein widersprochen. Die nach der Kündigung erfolgte Verrechnung sei daher ausgeschlossen, obwohl sie Forderungen der Beklagten gegen die G. Bremen aus Oktober und November 1999 betroffen habe.

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen im Umfang der Annahme der Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die der Klägerin aus den Rechnungen vom 31. Oktober 1999 und 30. November 1999 zustehenden Ansprüche in Höhe von insgesamt 89.950,21 DM seien nicht durch die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit Forderungen, die ihr gegen die G. Bremen zustehen, erloschen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Verrechnungsvereinbarung mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt zwischen den Parteien zustande gekommen ist.

a) Für das Revisionsverfahren ist daher zugunsten der Beklagten davon auszugehen, daß die Parteien unter Beteiligung der G. Bremen im Juli 1999 wirksam vereinbart haben, daß die Beklagte berechtigt sein sollte, ihre Ansprüche gegen die G. Bremen mit den Vergütungsansprüchen der Klägerin gegen sie zu verrechnen.

b) Nach ihrem für das Revisionsverfahren insoweit zugrunde zu legenden Sachvortrag sollte die Beklagte mithin berechtigt sein, ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin durch Aufrechnung mit ihren Ansprüchen gegen die G. Bremen zu erfüllen. In Vollziehung dieser Verrechnungsvereinbarung sollte es zum Erlöschen der zu verrechnenden Forderungen nur noch der Verrechnungserklärung der Beklagten bedürfen, weil die Klägerin sich bereits vorweg mit deren Erlöschen aufgrund der Verrechnung einverstanden erklärt habe (vgl. auch BGHZ 94, 132, 136).

2. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der frühere Geschäftsführer der Klägerin die unterstellte Verrechnungsvereinbarung jedenfalls bei einem zwischen Ende November und Mitte Dezember 1999 mit dem Vertriebsleiter O. der Beklagten geführten Telefongespräch diesem gegenüber gekündigt habe. Diese Beurteilung, die das Berufungsgericht insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf die von dem Vertriebsleiter O. bekundeten Äußerungen des damaligen Geschäftsführers der Klägerin anläßlich einer von der Beklagten vorgenommenen Verrechnung gestützt hat, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Senat hat die Beurteilung des Berufungsgerichts auch bei seiner Entscheidung über die teilweise Nichtannahme der Revision der Beklagten zugrunde gelegt.

Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung einer Verrechnungsvereinbarung habe nicht nur die ab (Mitte) Dezember 1999 entstandenen Forderungen der Beklagten gegen die G. Bremen erfaßt, sondern auch die vorher im Oktober und November 1999 entstandenen Forderungen, unabhängig davon, ob deren Verrechnung vor oder nach der Kündigung vorgenommen worden sei.

a) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Bekundungen des Vertriebsleiters O. abweichend vom Landgericht gewürdigt, weshalb es den Zeugen hätte erneut vernehmen müssen, greift allerdings nicht durch.

Im Streitfall war das Berufungsgericht schon deshalb nicht zu einer erneuten Vernehmung des Vertriebsleiters O. der Beklagten verpflichtet, weil es dessen Aussage nicht abweichend vom Landgericht gewürdigt hat. Es hat die von dem Zeugen bekundete Äußerung des früheren Geschäftsführers der Klägerin in dem zwischen Ende November und Mitte Dezember 1999 geführten Telefongespräch in Übereinstimmung mit dem Landgericht als Kündigung der Verrechnungsvereinbarung gewertet. Auch den übrigen Inhalt der Aussage des Vertriebsleiters O. hat das Berufungsgericht nicht anders als das Landgericht gewürdigt. Es hat die rechtliche Wirkung der Kündigung lediglich abweichend vom Landgericht beurteilt. Das ist jedoch keine Frage der Würdigung der Zeugenaussage, sondern eine solche der sich hieran anschließenden rechtlichen Bewertung.

b) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Wirkung der Kündigung habe sich auch auf die vor ihrem Ausspruch erfolgte Verrechnung sowie auf eine danach vorgenommene Verrechnung mit vor dem Ausspruch der Kündigung bereits entstandenen Vergütungsansprüchen der Beklagten gegen die G. Bremen erstreckt, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung nicht hinreichend berücksichtigt, daß eine Kündigung ein Schuldverhältnis nur für die Zukunft beenden und daher für zurückliegende Zeiträume grundsätzlich keine rechtlichen Wirkungen haben kann.

Daraus folgt nicht nur, daß die vor der Kündigung von der Beklagten vorgenommene Verrechnung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin mit ihren Zahlungsansprüchen gegen die G. Bremen nicht mehr von der Kündigung erfaßt werden konnten. Gleiches kann auch für die nach der Kündigung vorgenommene Verrechnung der Beklagten mit ihren vor dem Wirksamwerden der Kündigung bereits entstandenen Ansprüchen gegen die G. Bremen gelten. Das ergibt sich aus dem Zweck der zu unterstellenden Verrechnungsabrede, der nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Beklagten darin bestand, die Vergütungsansprüche der Beklagten gegen die von der Insolvenz bedrohten G. Bremen abzusichern. Für eine solche, der Sicherung der Beklagten dienende Verrechnungsvereinbarung gilt nichts anderes, als gegolten hätte, wenn sich die Klägerin für die Verbindlichkeiten der G. Bremen gegenüber der Beklagten verbürgt hätte. Hätte die Klägerin in einem solchen Fall die Bürgschaft gegenüber der Beklagten gekündigt, so wären die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung bereits begründeten Verbindlichkeiten der G. Bremen gegenüber der Beklagten selbst dann noch von der Haftung der Klägerin als Bürgin erfaßt gewesen, wenn die Kündigungserklärung sofort mit deren Zugang wirksam gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1985 - IX ZR 135/84, NJW 1985, 3007, 3008; Urt. v. 22.5.1986 - IX ZR 108/85, NJW 1986, 2308, 2309).

3. Ohne Erfolg macht die Revision dagegen geltend, die Beklagte könne der Klageforderung einen Zahlungsanspruch, der die Klageforderung übersteige, aus einer von der Klägerin für die G. Bremen übernommenen Ausfallbürgschaft entgegenhalten. Die Revisionserwiderung hält dem mit Recht entgegen, daß die Revision sich insoweit nicht auf einen entsprechenden Sachvortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen stützen kann. Insbesondere kann in der von dem Vertriebsleiter O. bekundeten Erklärung des früheren Geschäftsführers der Klägerin, er könne versprechen, daß "die Bremer" zahlen, nicht die Übernahme einer Ausfallbürgschaft der Klägerin für die G. Bremen gesehen werden.

Nichts anderes gilt, soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung die Bekundungen ihres Vertriebsleiters O. dahingehend gewürdigt hat, bei dem zwischen Ende November und Mitte Dezember 1999 geführten Telefonat sei eine Modifizierung der Verrechnungsvereinbarung mit dem Inhalt vorgenommen worden, daß zunächst auf Zahlungen seitens der G. Bremen habe hingewirkt werden sollen und daß bei einem Zahlungsausfall die Klägerin für die Verbindlichkeiten der G. Bremen im Rahmen der Verrechnungsvereinbarung habe eintreten
sollen. Diesem Vorbringen läßt sich nicht entnehmen, daß die Beklagte vortragen wollte, die Klägerin habe eine von der behaupteten Verrechnungsvereinbarung unabhängige Einstandspflicht für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der G. Bremen gegenüber der Beklagten übernommen.

III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht der Anschlußberufung der Klägerin stattgegeben hat. In diesem Umfang war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant Schaffert Asendorf
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