KWG (Stand 31.12.2012)
Kreditwesengesetz
Gesetz über das Kreditwesen
in der zum 17.04.2024 gültigen Fassung
Vierter Abschnitt
Besondere Vorschriften für Finanzkonglomerate
§ 51a
Ermittlung eines Finanzkonglomerats; Schwellenwerte
(1) Die Bundesanstalt ermittelt, ob branchenübergreifend tätige Gruppen von Unternehmen als Finanzkonglomerate einzustufen sind.
(2) Eine Gruppe ist im Sinne des § 1 Abs. 20 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 vorwiegend in der Finanzbranche tätig, wenn der Anteil der Bilanzsumme der in der Finanzbranche tätigen Unternehmen der Gruppe an der Bilanzsumme der Gruppe insgesamt mehr als 40 vom Hundert beträgt.
(3) Die konsolidierten oder aggregierten Tätigkeiten beziehungsweise die konsolidierten und aggregierten Tätigkeiten der Unternehmen der Versicherungsbranche sowie der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche sind erheblich im Sinne des § 1 Abs. 20 Satz 1 Nr. 4, wenn 1. a) der Anteil der Bilanzsumme der Unternehmen der Versicherungsbranche an der Bilanzsumme aller gruppenangehöriger Unternehmen beider Finanzbranchen und der Anteil der Solvabilitätsanforderungen der Unternehmen der Versicherungsbranche an den Gesamtsolvabilitätsanforderungen aller gruppenangehöriger Unternehmen beider Finanzbranchen im Durchschnitt mehr als 10 vom Hundert beträgt, und
b) der Anteil der Bilanzsumme der Unternehmen der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche an der Bilanzsumme aller gruppenangehöriger Unternehmen beider Finanzbranchen und der Anteil der Solvabilitätsanforderungen der Unternehmen der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche an den Gesamtsolvabilitätsanforderungen aller gruppenangehöriger Unternehmen beider Finanzbranchen im Durchschnitt mehr als 10 vom Hundert beträgt, oder
2. die Bilanzsumme der Unternehmen in der Versicherungsbranche sowie der Unternehmen in der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche
jeweils 6 Milliarden Euro übersteigen.
(4) Die Bundesanstalt kann bei den Berechnungen nach den Absätzen 2 und 3 im Einzelfall einzelne konglomeratsangehörige Unternehmen unberücksichtigt lassen, wenn und solange
1. das Unternehmen sich in einem Drittstaat befindet, in dem Hindernisse für die Übermittlung der für die Berechnungen notwendigen Angaben
bestehen,
2. vorbehaltlich des Satzes 2 die Einbeziehung des Unternehmens für die Aufsicht auf Konglomeratsebene ohne Bedeutung ist oder
3. die Einbeziehung des Unternehmens in die zusätzliche Beaufsichtigung auf Konglomeratsebene ungeeignet oder irreführend wäre. Erfüllen in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 mehrere konglomeratsangehörige Unternehmen die Voraussetzungen, sind sie in ihrer Gesamtheit für die zusätzliche Beaufsichtigung der Gruppe jedoch nicht von untergeordneter Bedeutung, hat die Bundesanstalt diese Unternehmen bei den Berechnungen nach den Absätzen 2 und 3 zu berücksichtigen.
(5) Sinken bei einer nach Maßgabe des § 1 Abs. 20 sowie der Absätze 2 und 3 als Finanzkonglomerat ermittelten Unternehmensgruppe, die bereits der zusätzlichen Beaufsichtigung nach Maßgabe dieses Gesetzes unterliegt, die Anteile nach den Absätzen 2 und 3 Nr. 1 oder der Betrag nach Absatz 3 Nr. 2 während eines Geschäftsjahres unter die dort genannten Schwellenwerte, gilt die Gruppe weiter als Finanzkonglomerat, wenn in den drei darauf folgenden Geschäftsjahren
1. in Fällen des Absatzes 2 ein Schwellenwert von 35 vom Hundert;
2. in Fällen des Absatzes 3 Nr. 1 ein Schwellenwert von 8 vom Hundert;
3. in Fällen des Absatzes 3 Nr. 2 ein Schwellenwert von 5 Milliarden Euro überschritten wird.
(6) Als Bilanzsumme im Sinne der Absätze 2 und 3 sind die anhand der Jahresabschlüsse ermittelten aggregierten Bilanzsummen der Unternehmen der Gruppe zugrunde zu legen. Unternehmen, an denen eine Beteiligung gehalten wird, sind in Höhe des Anteils ihrer Bilanzsummen anzurechnen, der dem von der Gruppe gehaltenen aggregierten proportionalen Anteil entspricht. Liegt ein konsolidierter Abschluss vor, ist dieser anstelle der aggregierten Bilanzsummen der Einzelabschlüsse der Unternehmen zugrunde zu legen. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann die Bundesanstalt im Einzelfall zulassen, dass für die Berechnung der Schwellenwerte anstelle oder zusätzlich zu der Bilanzsumme die Ertragsstruktur oder die außerbilanziellen Geschäfte herangezogen werden. Die bei den Berechnungen zu berücksichtigenden Solvabilitätsanforderungen sind nach den §§ 10 und 10a dieses Gesetzes sowie den §§ 53c und 104g des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu ermitteln; soweit ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums oder einem Drittstaat in die Berechnung einzubeziehen ist, das nicht bereits in der Berechnung nach § 10a dieses Gesetzes oder nach § 104g des Versicherungsaufsichtsgesetzes erfasst wird, sind insoweit die Bestimmungen über die Solvabilitätsanforderungen des jeweiligen Sitzstaates anzuwenden.
§ 51b
Feststellung eines Finanzkonglomerats
(1) Die Bundesanstalt stellt fest, dass eine branchenübergreifend tätige Gruppe von Unternehmen ein Finanzkonglomerat ist. Sie teilt dem Mutterunternehmen an der Spitze der Gruppe die Feststellung als Finanzkonglomerat und das übergeordnete Finanzkonglomeratsunternehmen mit; steht an der Spitze der Gruppe kein Mutterunternehmen, teilt die Bundesanstalt dies dem in der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche tätigen beaufsichtigten Finanzkonglomeratsunternehmen mit der höchsten Bilanzsumme mit, es sei denn, ein konglomeratsangehöriges Erstversicherungsunternehmen mit einer höheren Bilanzsumme ist nach § 104o Abs. 1 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes zu unterrichten.
(2) Die Bundesanstalt hat die Feststellung einer Gruppe von Unternehmen als Finanzkonglomerat und die Bestimmung des übergeordneten Finanzkonglomeratsunternehmens aufzuheben, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 20 nicht mehr erfüllt sind, insbesondere in der Gruppe die maßgeblichen Anteile nach § 51a Abs. 2 und 3 Nr. 1 oder der Betrag nach § 51a Abs. 3 Nr. 2 absinken
1. in dem Fall des § 51a Abs. 2 unter einen Schwellenwert von 35 vom Hundert;
2. in dem Fall des § 51a Abs. 3 Nr. 1 unter einen Schwellenwert von 8 vom Hundert;
3. in dem Fall des § 51a Abs. 3 Nr. 2 unter einen Schwellenwert von 5 Milliarden Euro. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) Vorbehaltlich des Absatzes 2 kann die Bundesanstalt in den Fällen des § 51a Abs. 5 während des maßgeblichen Zeitraums von drei Jahren die Feststellung einer Gruppe von Unternehmen als Finanzkonglomerat und die Bestimmung des übergeordneten Finanzkonglomeratsunternehmens aufheben; Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
§ 51c
Befreiungen
Die Bundesanstalt kann widerruflich von der Feststellung einer Gruppe von Unternehmen als Finanzkonglomerat absehen oder das übergeordnete Finanzkonglomeratsunternehmen von den Verpflichtungen nach den §§ 13d und 25a Abs. 1a ganz oder teilweise freistellen, wenn
1. im Fall des § 51a Abs. 3 Nr. 2 die Gruppe den in § 51a Abs. 3 Nr. 1 genannten Schwellenwert nicht erreicht und die zusätzliche Beaufsichtigung auf Konglomeratsebene nicht erforderlich, ungeeignet oder irreführend ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn
a) die relative Größe der am schwächsten vertretenen Finanzbranche gemessen entweder am durchschnittlichen Anteil nach § 51a Abs. 3 Nr. 1 oder an der Bilanzsumme oder den Solvabilitätsanforderungen dieser Finanzbranche höchstens 5 vom Hundert beträgt oder
b) der Marktanteil gemessen an der Bilanzsumme in der Banken- und Wertpapierdienstleistungsbranche und an den in der Versicherungsbranche gebuchten Bruttobeiträgen in keinem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums mehr als 5 vom Hundert beträgt;
2. die zur Feststellung als Finanzkonglomerat führende Überschreitung der Schwellenwerte in § 51a Abs. 2 und 3 ausschließlich auf eine erhebliche Änderung der Struktur der Gruppe zurückzuführen ist; die Freistellung ist auf einen Zeitraum von höchstens drei Jahren zu befristen, beginnend mit dem nächstfolgenden Geschäftsjahr.“