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Pressemitteilung
C-486/15 P;
Verkündet am: 
 30.11.2016
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Der Gerichtshof weist das Rechtsmittel der Kommission in dem Fall des Aktionärsvorschusses zurück, der France Télécom von den französischen Behörden angeboten wurde, als sich dieses Unternehmen in einer schweren Krise befand
Leitsatz des Gerichts:
Damit wird die Entscheidung der Kommission, nach der dieser Aktionärsvorschuss eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellt, endgültig für nichtig erklärt
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Die France Télécom SA, die heute Orange heißt, wurde 1991 als öffentliches Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit gegründet und hat seit 1996 den Status einer französischen Aktiengesellschaft, deren Mehrheitsaktionär im Jahr 2002 der französische Staat war. Am 30. Juni 2002 erreichten die Nettoschulden von France Télécom 69,69 Milliarden Euro, wovon 48,9 Milliarden Euro auf Obligationen entfielen, die in den Jahren 2003 bis 2005 zur Rückzahlung fällig wurden.

Zur finanziellen Situation von France Télécom erklärte der französische Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie in einem am 12. Juli 2002 in der Tageszeitung Les Échos veröffentlichten Interview: „… Der Staat als Aktionär wird sich wie ein umsichtiger Kapitalgeber verhalten, und wenn France Télécom Schwierigkeiten haben sollte, werden wir die geeigneten Maßnahmen treffen. … Ich wiederhole, wenn France Télécom Finanzierungsprobleme haben sollte, was gegenwärtig nicht der Fall ist, würde der Staat die zu ihrer Überwindung erforderlichen Entscheidungen treffen.“ Nach dieser Erklärung folgten am 13. September und 2. Oktober 2002 weitere öffentliche Erklärungen, die im Wesentlichen darauf gerichtet waren, France Télécom die Unterstützung der französischen Behörden zuzusichern.

Am 4. Dezember 2002 gab der französische Staat das Vorhaben eines Aktionärsvorschusses bekannt, den er für das Unternehmen beabsichtigte. Dieses Vorhaben bestand in der Eröffnung einer Kreditlinie von 9 Milliarden Euro in der Form eines Vertrags über einen Vorschuss, dessen Angebot France Télécom am 20. Dezember 2002 übersandt wurde. Das Vertragsangebot wurde jedoch weder angenommen noch vollzogen.

Mit Entscheidung vom 2. August 2004 stellte die Kommission fest, dass dieser Vorschuss vor dem Hintergrund der seit Juli 2002 abgegebenen Erklärungen eine mit dem Unionsrecht unvereinbare staatliche Beihilfe darstelle. Die französische Regierung, France Télécom und andere Beteiligte erhoben daraufhin beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung der Kommission.

In seinem Urteil vom 21. Mai 20101 erklärte das Gericht die Entscheidung der Kommission für nichtig, weil weder die Erklärungen der französischen Behörden noch das Angebot des Aktionärsvorschusses trotz des France Télécom dadurch gewährten finanziellen Vorteils als staatliche Beihilfen qualifiziert werden könnten, da tatsächlich keine staatlichen Mittel gebunden worden seien. Daraufhin wurden gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt.

Mit Urteil vom 19. März 20132 hob der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf, weil nach seiner Auffassung der France Télécom versprochene Vorschuss, obwohl er nicht angenommen worden war, dem Unternehmen einen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil verschafft habe, soweit potenziell der Staatshaushalt belastet worden sei. Der Gerichtshof verwies die Rechtssache dann zur Entscheidung über die vom französischen Staat und von France Télécom vorgetragenen Argumente, über die das Gericht in seinem ersten Urteil nicht entschieden hatte, an dieses zurück.

Am 2. Juli 20153erklärte das Gericht die Entscheidung der Kommission ein zweites Mal für nichtig, dieses Mal mit der Begründung, dass die Kommission das Kriterium des umsichtigen privaten Kapitalgebers nicht richtig angewandt hatte4. Da sie mit diesem Urteil des Gerichts nicht einverstanden ist, beantragt die Kommission seine Aufhebung durch den Gerichtshof.

Mit Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof das Rechtsmittel der Kommission zurück und bestätigt das Urteil des Gerichts vom 2. Juli 2015. Daraus folgt, dass die Entscheidung der Kommission vom 2. August 2004 endgültig für nichtig erklärt wird.

Insbesondere stellt der Gerichtshof fest, dass das Gericht entgegen der Auffassung der Kommission weder die Grenzen der von ihm auszuübenden Kontrolle überschritten noch die Entscheidung der Kommission verfälscht hat. Das Gericht hat nämlich die Würdigung durch die Kommission, wonach bei der Anwendung des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers auf Juli 2002 und nicht auf Dezember 2002 abzustellen sei, geprüft. Hierbei hat es festgestellt, dass diese Würdigung auf einer selektiven Berücksichtigung der verfügbaren Beweise beruhe und dass diese Beweise außerdem nicht geeignet seien, die Schlussfolgerungen der Kommission zu stützen. Das Gericht hat daher zutreffend entschieden, dass die Würdigung durch die Kommission mit einem offensichtlichen Fehler behaftet ist.

Zu dem Argument der Kommission, für die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers sei nicht auf Dezember 2002, sondern auf Juli 2002 abzustellen gewesen, weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach den Feststellungen des Gerichts das Angebot eines Aktionärsvorschusses erst im Dezember 2002 erfolgte, die französische Regierung im Juli 2002 keine feste Zusage gegeben hat und die Entscheidung, France Télécom durch das Angebot eines Aktionärsvorschusses finanziell zu unterstützen, nicht im Juli 2002, sondern Anfang Dezember 2002 getroffen wurde. Den Zeitpunkt, auf den für die Beurteilung anhand des Kriteriums des umsichtigen privaten Kapitalgebers abzustellen ist, auf Juli 2002 vorzuziehen, hätte zwangsläufig dazu geführt, bei dieser Beurteilung Umstände, die zwischen Juli 2002 und Dezember 2002 eingetreten sind, unberücksichtigt zu lassen, wie das Gericht zutreffend festgestellt hat.

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HINWEIS: Beim Gerichtshof kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Gerichtshofs gebunden ist.
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1 Urteil Frankreich u. a./Kommission (verbundene Rechtssachen T-425/04, T-444/04, T-450/04 und T-456/04, vgl. Pressemitteilung Nr. 48/10).
2Urteil Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission (verbundene Rechtssachen C-399/10 P und C-401/10 P, vgl. Pressemitteilung Nr. 32/13).
3Urteil Frankreich und Orange/Kommission (verbundene Rechtssachen T-425/04 RENV und T-444/04 RENV, vgl. Pressemitteilung Nr. 76/15).
4Im Wesentlichen soll mit diesem Kriterium bestimmt werden, ob ein umsichtiger privater Kapitalgeber, wenn er sich in derselben Situation wie der französische Staat befunden hätte, Unterstützungserklärungen zugunsten der France Télécom abgegeben, ihr einen Aktionärsvorschuss gewährt und dabei selbst ein sehr hohes finanzielles Risiko übernommen hätte. Dieses Kriterium ist erforderlich für die Feststellung, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt: Mittel, die der Staat einem Unternehmen unter Umständen, die den normalen Marktbedingungen entsprechen, zur Verfügung stellt, sind nicht als staatliche Beihilfen anzusehen.
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
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