Sie stellen ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr dar
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung
Das ungarische Steuerrecht gibt Arbeitgebern die Möglichkeit, ihren Arbeitnehmern zu steuerlich günstigen Bedingungen Gutscheine zu gewähren, die es den Arbeitnehmern ermöglichen, bei Dritten Zugang zu verschiedenen Sachleistungen in Form bestimmter Dienstleistungen und Produkte zu erhalten, ohne diesen Dritten selbst eine Vergütung zahlen zu müssen. Das ungarische Steuerrecht sieht jedoch auch vor, dass diese Steuervorteile nur mittels der SZÉPFreizeitkarte (bezüglich der Unterbringungs-, Freizeit- und Verpflegungsleistungen) und des Erzsébet-Essensgutscheins (bezüglich des Erwerbs verzehrfertiger Speisen) erlangt werden können.
Die Kommission hat beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen Ungarn erhoben. Ihrer Ansicht nach hat Ungarn gegen die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit (sowie bezüglich der SZÉP-Karte gegen die Richtlinie über Dienstleistungen
1) verstoßen, weil die fraglichen Steuervorteile nur bei Verwendung der SZÉP-Karte und des Erzsébet-Essensgutscheins gewährt werden, deren Ausstellungsbedingungen aber zu restriktiv seien.
Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass
mehrere Elemente der Regelungen der SZÉP-Freizeitkarte und des Erzsébet-Essensgutscheins gegen das Unionsrecht verstoßen.
Erstens verstößt es gegen die Richtlinie, dass
ungarische Zweigniederlassungen von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften nicht die Möglichkeit haben, die SZÉP-Karte auszustellen, denn die Mitgliedstaaten dürfen Dienstleistungserbringer nicht daran hindern, die Form ihrer Niederlassung zu wählen.
Zweitens schreibt das ungarische Recht den Ausstellern der SZÉP-Karte unter bestimmten Umständen die Form einer nach ungarischem Recht gegründeten Handelsgesellschaft (Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung) vor. Außerdem müssen die Aussteller die Tochtergesellschaft einer ihrerseits nach ungarischem Recht gegründeten Handelsgesellschaft sein. Der Gerichtshof stellt fest, dass
die ungarische Regelung nicht mit der Richtlinie vereinbar ist, da Anforderungen an die Rechtsform von Dienstleistungserbringern nicht im Hinblick auf den Ort ihres Sitzes diskriminierend sein dürfen. Im vorliegenden Fall
hat jedoch
der Umstand, dass sowohl die Tochtergesellschaft als auch die Muttergesellschaft nach ungarischem Recht gegründet sein müssen, zur Folge, dass ihr satzungsmäßiger Sitz in Ungarn liegen muss, was eine Diskriminierung im Sinne der Richtlinie darstellt.
Drittens stellt der Gerichtshof fest, dass im vorliegenden Fall
nur Finanzinstitute, deren satzungsmäßiger Sitz in Ungarn liegt, in der Lage sind, die Bedingung zu erfüllen, wonach Aussteller von SZÉP-Karten in jeder Gemeinde Ungarns mit mehr als 35 000 Einwohnern über eine für Kunden geöffnete Geschäftsstelle verfügen müssen. Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass
es nach der Richtlinie nur dann gestattet ist, die Erbringung von Dienstleistungen bestimmten Dienstleistungserbringern vorzubehalten, wenn diese Beschränkung im Hinblick auf den Ort ihres Sitzes nicht diskriminierend ist. Nach dem heutigen Urteil des Gerichtshofs ist jedoch im vorliegenden Fall das Bestehen einer solchen Diskriminierung erwiesen.
Viertens verstoßen
die ungarischen Rechtsvorschriften auch dadurch gegen die Richtlinie, dass sie in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Dienstleistungserbringern –
weil Aussteller nach diesen Vorschriften in jeder Gemeinde Ungarns mit mehr als 35 000 Einwohnern präsent sein und damit letztlich
eine Niederlassung in Ungarn unterhalten müssen – das Recht nehmen, sich für eine grenzüberschreitende Dienstleistung zu entscheiden, ohne sich in Ungarn niederzulassen. Diese Pflicht steht außer Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Ziel des Verbraucher- und Gläubigerschutzes, da es weniger einschneidende Maßnahmen gibt, um dieses Ziel zu erreichen.
Fünftens stellt der Gerichtshof fest, dass die entgeltliche Ausstellung von Gutscheinen, die es Arbeitgebern ermöglichen, ihren Arbeitnehmern Sachleistungen in Form von verzehrfertigen Speisen zu steuerlich interessanten Bedingungen zu gewähren,
eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Verträge darstellt. Infolgedessen stellt das der Magyar Nemzeti Ãœdülési AlapÃtvány (Ungarische Nationale Erholungsstiftung, im Folgenden: MNÃœA) vorbehaltene
Monopol für diese Tätigkeit
eine Beschränkung sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Nach Ansicht des Gerichtshofs kann die Errichtung eines solchen Monopols insbesondere nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass die MNÜA die Gewinne aus dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zur Finanzierung sozialer Aktivitäten oder Werke verwendet.
-------------
HINWEIS: Eine Vertragsverletzungsklage, die sich gegen einen Mitgliedstaat richtet, der gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, kann von der Kommission oder einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden. Stellt der Gerichtshof die Vertragsverletzung fest, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen. Ist die Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Hat ein Mitgliedstaat der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie nicht mitgeteilt, kann der Gerichtshof auf Vorschlag der Kommission jedoch bereits mit dem ersten Urteil Sanktionen verhängen.
---------------
1Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36).