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Pressemitteilung
C-255/14;
Verkündet am: 
 16.07.2015
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das ungarische Gesetz, das eine Geldbuße in Höhe von 60 % der beim Überschreiten einer EU-Außengrenze nicht angemeldeten Barmittel vorsieht, verstößt gegen das Unionsrecht
Leitsatz des Gerichts:
Die Höhe dieser Geldbuße steht in keinem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung, nämlich dem Verstoß gegen die Pflicht, das Mitführen eines Betrags von 10 000 Euro oder mehr anzumelden
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Zur Verhinderung von Bewegungen illegaler Barmittel sieht eine Unionsverordnung1 vor, dass jede natürliche Person, die mit Barmitteln in Höhe von mindestens 10 000 Euro eine Außengrenze der Union überschreitet, den mitgeführten Betrag bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats des Grenzübergangsorts anmelden muss. Bei der Anmeldung sind u. a. Herkunft und Verwendungszweck der Barmittel anzugeben. Nach der Verordnung müssen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen, die bei Verletzung der Anmeldepflicht verhängt werden.

In Ungarn hängt die Höhe der bei Verletzung der Anmeldepflicht zu verhängenden Geldbußen vom Betrag der nicht angemeldeten Barmittel ab. Bei Beträgen von mehr als 50 000 Euro schreibt das ungarische Recht eine Geldbuße in Höhe von 60 % des nicht angemeldeten Betrags vor.

Am 9. August 2012 reiste Robert Michal Chmielewski aus Serbien kommend nach Ungarn ein, ohne die Barmittel anzumelden, die er mit sich führte, nämlich einen Gesamtbetrag von 147 492 Euro, der sich aus 249 150 bulgarischen Lewa (BGN), 30 000 türkischen Lire (TRY) und 29 394 rumänischen Lei (RON) zusammensetzte. Die ungarischen Behörden verhängten gegen ihn daher eine Geldbuße in Höhe von 24 532 000 HUF (annähernd 78 000 Euro), weil er die Anmeldepflicht nicht beachtet habe.

Herr Chmielewski erhob Klage gegen diese Entscheidung der ungarischen Behörden und machte u. a. geltend, dass die ungarischen Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die Sanktion verhängt worden sei, gegen das Unionsrecht verstießen. Das mit dem Rechtsstreit befasste Kecskeméti Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Kecskemét, Ungarn) möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Höhe der gemäß dem ungarischen Recht festgelegten Geldbuße dem Erfordernis entspricht, dass die bei Verletzung der Anmeldepflicht verhängte Sanktion gemessen an dem Rechtsverstoß verhältnismäßig sein muss.

In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer europäischen Harmonisierung der Sanktionen, die bei Verletzung der in der Verordnung vorgesehenen Anmeldepflicht zu verhängen sind, befugt sind, die Sanktionen zu wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind allerdings verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten.

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass ein System, das die Höhe der Sanktionen von der Höhe der nicht angemeldeten Barmittel abhängig macht, an sich nicht grundsätzlich unverhältnismäßig ist.

Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem die von den Mitgliedstaaten eingeführten Sanktionen genügen müssen, verpflichtet die zuständigen Behörden nicht, die konkreten und besonderen Umstände des Einzelfalls – wie etwa den Umstand, dass es sich um eine Vorsatzoder Wiederholungstat handelt – zu berücksichtigen.

In Anbetracht der Tatsache, dass die betreffende Zuwiderhandlung nur einen Verstoß gegen eine Anmeldepflicht, nicht aber die Beteiligung an betrügerischen oder widerrechtlichen Handlungen darstellt, ist eine Geldbuße in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel, wenn deren Betrag 50 000 Euro übersteigt, nicht verhältnismäßig. Eine solche Geldbuße überschreitet nämlich die Grenzen dessen, was erforderlich ist, um die Beachtung dieser Pflicht zu gewährleisten und die Erreichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele sicherzustellen.

In Anbetracht der Tatsache, dass die betreffende Zuwiderhandlung nur einen Verstoß gegen eine Anmeldepflicht, nicht aber die Beteiligung an betrügerischen oder widerrechtlichen Handlungen darstellt, ist eine Geldbuße in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel, wenn deren Betrag 50 000 Euro übersteigt, nicht verhältnismäßig. Eine solche Geldbuße überschreitet nämlich die Grenzen dessen, was erforderlich ist, um die Beachtung dieser Pflicht zu gewährleisten und die Erreichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele sicherzustellen.

Unter diesen Umständen stellt der Gerichtshof fest, dass die Verordnung den ungarischen Rechtsvorschriften entgegensteht, soweit mit ihnen die Verletzung der Anmeldepflicht mit einer Geldbuße in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel geahndet wird, wenn deren Betrag 50 000 Euro übersteigt.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden (ABl. L 309, S. 9).
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
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