Die Kommission hat eine Vertragsverletzung Irlands bei der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie in Bezug auf noch nicht voll ausgebildete Krankenhausärzte nicht nachgewiesen
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Nach der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung
1 sind jedem Arbeitnehmer tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten zu gewähren. Darüber hinaus darf die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum einschließlich der Überstunden 48 Stunden nicht überschreiten. Schließlich können die Mitgliedstaaten Bezugszeiträume für die Anwendung dieser Regelungen unter der Voraussetzung vorsehen, dass diese Bezugszeiträume sechs Monate oder, im Fall objektiver, technischer oder arbeitsorganisatorischer Gründe, zwölf Monate nicht überschreiten dürfen.
In Irland haben die Irish Medical Organisation (irische Ärztekammer), die alle im irischen Hoheitsgebiet praktizierenden Ärzte vertritt, und der Health Service Executive (Gesundheitsdienst), eine öffentliche Einrichtung, die die Gesundheitsbehörden vertritt, einen Tarifvertrag sowie einen Musterarbeitsvertrag für die non-consultant hospital doctors (noch nicht voll ausgebildete Krankenhausärzte, im Folgenden: NCHD) geschlossen.
Die Kommission ist der Ansicht, dass einige Bestimmungen des Tarifvertrags und des Musterarbeitsvertrags gegen die Regelungen der Richtlinie, u. a. diejenigen über die Mindestruhezeiten und die Grenzen der wöchentlichen Arbeitszeit, verstießen. Da die Erläuterungen des irischen Staates die Kommission nicht zufriedenstellten, hat sie beschlossen, beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage zu erheben.
In seinem heutigen Urteil
weist der Gerichtshof die Klage der Kommission aus Mangel an Beweisen ab.
Das Vorbringen der Kommission, wonach bestimmte Ausbildungszeiten der NCHD zu Unrecht nicht als
„Arbeitszeit“ berücksichtigt würden (diese Ausbildungen werden von gegenüber dem Arbeitgeber unabhängigen Einrichtungen entweder an Ort und Stelle oder an anderen Orten für eine Dauer von zwischen 2 ½ und 17 Stunden im Monat sichergestellt), beantwortet der Gerichtshof mit dem Hinweis, dass
die Kommission nicht dargetan hat, dass die NCHD bei diesen Ausbildungen für die medizinische Versorgung der Patienten zur Verfügung stehen und
verpflichtet sind, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten und sich dort zu seiner Verfügung zu halten, um gegebenenfalls sofort ihre Leistungen erbringen zu können. Darüber hinaus stellt der Gerichtshof fest, dass der Musterarbeitsvertrag keine Verpflichtung der NCHD zur Ausbildung aufstellt und spezielle Arbeitsverpflichtungen im Bereich der Ausbildung weder einführt noch auferlegt.
Die Kommission rügt ferner, dass der Bezugszeitraum für NCHD mit Arbeitsverträgen von mehr als zwölf Monaten Dauer nach dem Tarifvertrag von sechs auf zwölf Monate verlängert werde, was gegen die Bestimmungen der Richtlinie verstoße. Insoweit ist es nach Auffassung des Gerichtshofs der Kommission nicht gelungen, zu erklären, weshalb die Voraussetzungen für eine solche Verlängerung nicht erfüllt sein sollten, während Irland das Vorliegen
eines objektiven bzw. arbeitsorganisatorischen Grundes im Sinne der Richtlinie (nämlich dass es erforderlich sei, die NCHD hinreichend flexibel im Dienstplan eintragen zu können) genannt hat.
Schließlich prüft der Gerichtshof das Vorbringen der Kommission, dass der Musterarbeitsvertrag zum einen nicht erwähne, dass die NCHD Anspruch auf die in der Richtlinie festgelegten täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten oder auf entsprechende Ausgleichsruhezeiten hätten, und zum anderen die wöchentliche Gesamtarbeitszeit nicht ausdrücklich begrenzt sei. Der Gerichtshof stellt fest,
dass es der Kommission durch den Verweis auf einige isolierte Bestimmungen des Musterarbeitsvertrags – deren genaue Tragweite im Übrigen Gegenstand der Diskussion zwischen den Parteien ist – nicht gelungen ist, das Bestehen einer gegen die Richtlinie verstoßenden Praxis darzutun. Im Übrigen weist der Gerichtshof darauf hin, dass nicht bestritten wird, dass der rechtliche Rahmen, der sich aus den Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie ergibt, klar und auf jeden Fall anwendbar ist.
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HINWEIS: Eine Vertragsverletzungsklage, die sich gegen einen Mitgliedstaat richtet, der gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, kann von der Kommission oder einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden. Stellt der Gerichtshof die Vertragsverletzung fest, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen.
Ist die Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Hat ein Mitgliedstaat der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie nicht mitgeteilt, kann der Gerichtshof auf Vorschlag der Kommission jedoch bereits mit dem ersten Urteil Sanktionen verhängen.
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1Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).