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Pressemitteilung
C-628/13;
Verkündet am: 
 11.03.2015
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Um Insider-Geschäfte zu verhindern, muss eine Information offengelegt werden, auch wenn ihr Besitzer nicht weiß, welchen genauen Einfluss sie auf den Kurs der Finanzinstrumente haben wird
Leitsatz des Gerichts:
Andernfalls könnte der Besitzer der Information vorgeben, dass insoweit Unsicherheit bestehe, um zum Nachteil der anderen Marktteilnehmer von ihr zu profitieren
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Eine Richtlinie der Union1 verbietet Insider-Geschäfte und verpflichtet die Emittenten von Finanzinstrumenten, jede sie unmittelbar betreffende Insider-Information öffentlich bekannt zu machen, d. h. jede präzise Information, die geeignet ist, den Kurs der betreffende Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. In einer anderen Richtlinie der Union2 wird hinzugefügt, dass eine Information dann als präzise anzusehen ist, wenn sie als Grundlage für die Beurteilung dienen kann, ob die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente durch die Umstände oder das Ereignis, auf die oder das sie sich bezieht, beeinflusst werden können.

In den Jahren 2006 und 2007 schloss die Wendel SA, eine auf Investitionen spezialisierte französische Gesellschaft, mit vier Banken Verträge über „Total Return Swaps“ (Kreditderivate zum Ertragstransfer3), die sich auf insgesamt 85 Mio. Aktien von Saint-Gobain (eines Herstellers von Baustoffen) bezogen und Wendel eine wirtschaftliche Beteiligung an Saint-Gobain verschafften. 2007 traf Wendel offiziell die Entscheidung, die wirtschaftliche Beteiligung an SaintGobain in physischen Aktienbesitz umzuwandeln, und erwarb infolgedessen mehr als 66 Mio. Aktien von Saint-Gobain (etwa 17,6 % des Gesellschaftskapitals).

Im Rahmen einer Untersuchung der Umstände, unter denen Wendel ihren Anteil am Kapital von Saint-Gobain erhöhte, ging die französische Finanzmarktbehörde (AMF) davon aus, dass Wendel von Anfang an beabsichtigt habe, eine erhebliche Beteiligung am Kapital von Saint-Gobain zu erwerben. Die AMF warf Wendel vor, der Öffentlichkeit weder die wichtigsten Merkmale der auf den Erwerb dieser Beteiligung gerichteten finanziellen Transaktion mitgeteilt zu haben noch die in der Vornahme der in Rede stehenden finanziellen Transaktion bestehende Insider-Information. Wendel und ihrem Vorstandsvorsitzenden (Herrn Jean-Bernard Lafonta) wurde eine Geldbuße von je 1,5 Mio. Euro auferlegt.

Vor Gericht beruft sich Herr Lafonta darauf, dass die Information über die in Rede stehende finanzielle Transaktion nicht habe veröffentlicht werden müssen, da sie nicht hinreichend präzise gewesen sei, um einen Schluss auf ihre mögliche positive oder negative Auswirkung auf den Kurs der Aktien von Wendel zuzulassen. Die AMF hält dem entgegen, dass es für die Einstufung einer Information als präzise unerheblich sei, ob sich eine finanzielle Transaktion in einer bestimmten Richtung (positiv oder negativ) auswirke. Entscheidend sei, ob eine Auswirkung auf den Aktienkurs erwartet werde. Die französische Cour de cassation, die mit der Rechtssache in letzter Instanz befasst ist, ersucht den Gerichtshof um Präzisierungen zu dieser Frage.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass aus dem Wortlaut der Richtlinien nicht hervorgeht, dass präzise Informationen nur solche sein könnten, mit denen sich bestimmen lässt, in welche Richtung sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente ändern würde. Nur vage oder allgemeine Informationen, die keine Schlussfolgerung hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkung auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente zulassen, können als nicht präzise angesehen werden.

Der Gerichtshof hebt insoweit hervor, dass ein verständiger Anleger seine Anlageentscheidung auf Informationen stützen kann, die es ihm nicht zwangsläufig ermöglichen, eine Änderung des Kurses der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung vorherzusehen. Im Übrigen macht die hohe Komplexität der Finanzmärkte eine exakte Einschätzung der Richtung, in die sich die Kurse von Finanzinstrumenten ändern können, besonders schwierig. Könnte eine Information nur dann als präzise angesehen werden, wenn sich mit ihrer Hilfe bestimmen ließe, in welche Richtung sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente ändern wird, dann könnte der Besitzer von Informationen vorgeben, dass insoweit Unsicherheit bestehe, um sich einer Veröffentlichung bestimmter Informationen zu enthalten und so zum Nachteil anderer Marktteilnehmer von ihnen zu profitieren.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (ABl. L 96, S. 16).
2Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation (ABl. L 339, S. 70).
3Im Rahmen eines solchen Geschäfts verpflichtet sich eine Partei, bei der es sich im Allgemeinen um ein Kreditinstitut handelt, einem Anleger für einen vereinbarten Zeitraum alle durch einen bestimmten Vermögenswert, den so genannten Basiswert, generierten Erträge zu zahlen. Im Gegenzug zahlt der Anleger dem Kreditinstitut ein Entgelt für die erbrachte Leistung und im Fall eines Wertverlusts des Basiswerts während der Laufzeit des Vertrags einen Betrag in Höhe dieses Verlusts. Diese Vorgehensweise ermöglicht es dem Anleger, von Wertsteigerungen und Erträgen eines Vermögenswerts zu profitieren, ohne ihn erwerben oder veräußern zu müssen. Sie verschafft dem Anleger damit insofern eine bloße „wirtschaftliche Beteiligung“ am Basiswert, als sie für ihn vergleichbare wirtschaftliche Auswirkungen hat wie der Besitz des Basiswerts, ohne dass das Eigentum an diesem übergeht.
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
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