Auf die Einkünfte aus dem Vermögen in Frankreich wohnhafter Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten, dürfen keine französischen Sozialbeiträge erhoben werden
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In zwei Urteilen aus dem Jahr 2000
1 prüfte der Gerichtshof, ob die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte
2 von Arbeitnehmern, die zwar in Frankreich wohnten, aber dem Sozialversicherungsrecht eines anderen Mitgliedstaats unterlagen (im Allgemeinen, weil sie dort erwerbstätig waren), mit zwei französischen Sozialbeiträgen – dem Allgemeinen Sozialbeitrag (CSG) und dem Beitrag zur Begleichung der Sozialschuld (CRDS) – belegt werden durften. Der Gerichtshof stellte fest, dass zwischen den beiden Beiträgen und der Sozialversicherung ein unmittelbarer und hinreichend relevanter Zusammenhang bestand, da sie speziell und unmittelbar zur Finanzierung der französischen Sozialversicherung oder zum Ausgleich des Defizits des allgemeinen französischen Sozialversicherungssystems dienten. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Heranziehung der betreffenden Arbeitnehmer zu diesen Beiträgen sowohl mit dem Kumulierungsverbot von Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit (Verordnung Nr. 1408/71)
3 als auch mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit unvereinbar war.
In der vorliegenden Rechtssache fragt der Conseil d’État den Gerichtshof, ob diese Begründung auch gilt, wenn die fraglichen Beiträge nicht auf Erwerbs- und Ersatzeinkünfte, sondern auf Einkünfte aus dem Vermögen zu entrichten sind. Der Rechtsstreit geht darauf zurück, dass Herr de Ruyter, ein niederländischer Staatsangehöriger, der in den Niederlanden arbeitet, aber in Frankreich wohnt, sich weigert, die CSG, die CRDS und andere Sozialbeiträge auf seine Einkünfte aus dem Vermögen (in den Niederlanden abgeschlossene entgeltliche Leibrenten) zu leisten.
In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass
das in der Verordnung festgelegte Kumulierungsverbot nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit abhängt und somit unabhängig vom Ursprung der von der betreffenden Person bezogenen Einkünfte gilt. Da Herr de Ruyter als Wanderarbeitnehmer der Sozialversicherung im Beschäftigungsmitgliedstaat (Niederlande) unterliegt, dürfen seine Einkünfte, unabhängig davon, ob sie aus einem Arbeitsverhältnis oder aus seinem Vermögen stammen, im Mitgliedstaat seines Wohnsitzes (Frankreich) nicht mit Abgaben belegt werden, die einen unmittelbaren und hinreichend relevanten Zusammenhang mit den Zweigen der sozialen Sicherheit aufweisen. Andernfalls käme es zu einer Ungleichbehandlung von Herrn de Ruyter und den anderen in Frankreich ansässigen Personen, da diese nur Beiträge zum französischen System der sozialen Sicherheit zahlen müssen.
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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Urteile des Gerichtshofs vom 15. Februar 2000, Kommission/Frankreich (Rechtssachen C-34/98 und C-169/98, siehe Pressemitteilung Nr. 9/00)
2„Erwerbs- und Ersatzeinkünfte” umfassen Löhne, Gehälter, Renten und Arbeitslosenunterstützung.
3Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, erneut geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1).