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Pressemitteilung
T-402/13;
Verkündet am: 
 25.11.2014
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das Gericht bestätigt die Nachprüfungsbeschlüsse, die die Kommission im Zusammenhang mit einem möglichen Missbrauch einer beherrschenden Stellung gegenüber Orange erlassen hat
Leitsatz des Gerichts:
Auch wenn das Gericht prüfen darf, ob die Kommission vor dem Erlass eines
Nachprüfungsbeschlusses über hinreichend ernsthafte Indizien verfügt hat, ist eine solche Prüfung nicht das einzige Mittel, mit dem das Gericht zu der Überzeugung gelangen kann, dass der Beschluss nicht willkürlich ist
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Orange (bis 1. Juli 2013 France Télécom) ist eine Aktiengesellschaft französischen Rechts, die für Unternehmen und natürliche Personen Internetzugangsdienstleistungen erbringt. 2011 legte ein konkurrierendes Unternehmen namens Cogent bei der französischen Wettbewerbsbehörde (im Folgenden: Behörde) eine Beschwerde ein, mit der es geltend machte, dass Orange mit mehreren Praktiken auf dem Gebiet der Zusammenschaltungsleistungen im Bereich der Internetverbindungen ihre beherrschende Stellung missbrauche. 2012 befand die Behörde, dass die beanstandeten Praktiken von Orange nicht nachgewiesen seien oder keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellten.

Parallel dazu hatte die Kommission wegen ganz ähnlicher Praktiken ein Verfahren gegen Orange eingeleitet. Nach der Entscheidung der Behörde ordnete die Kommission mit Beschlüssen vom 25. und 27. Juni 20131 eine Untersuchung bei Orange an. Die Untersuchung fand vom 9. bis 13. Juli 2013 an vier Betriebsstätten von Orange statt. Orange ist der Ansicht, dass die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht berechtigt gewesen sei, diese Untersuchung in ihren Geschäftsräumen anzuordnen, und hat daher Klage beim Gericht erhoben, um die Nichtigerklärung der Beschlüsse zu erwirken.

Mit Urteil vom heutigen Tag weist das Gericht die Klage von Orange ab und bestätigt die Nachprüfungsbeschlüsse der Kommission.

Orange trägt vor, diese Beschlüsse seien nicht verhältnismäßig und erforderlich, da die Behörde bereits die gleichen Zuwiderhandlungsvorwürfe untersucht und festgestellt habe, dass ihr Verhalten nicht gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen habe. Das Gericht weist jedoch darauf hin, dass die Kommission grundsätzlich nicht an eine Entscheidung gebunden ist, die ein nationales Gericht oder eine nationale Behörde gemäß den Art. 101 und 102 AEUV erlassen hat, und jederzeit wettbewerbsrechtliche Entscheidungen treffen kann, selbst wenn diese im Widerspruch zu einer nationalen Entscheidung stehen.

Orange macht weiter geltend, dass die Übermittlung der nationalen Verfahrensakten an die Kommission eine weniger belastende, aber ebenso wirksame Alternative zu einer Untersuchung gewesen wäre, da die Kommission so ergänzende Informationen über die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen hätte erlangen können. Das Gericht betont zwar, dass es bedauerlich erscheinen mag, dass die Kommission eine Untersuchung beschlossen hat, ohne vorher die der Behörde erteilten Auskünfte zu prüfen. Die Nachprüfungsbeschlüsse sind jedoch nicht rechtswidrig, weil die Behörde keine Nachprüfung in den Geschäftsräumen von Orange durchgeführt und ihre Entscheidung daher nur auf die Auskünfte gestützt hat, die Orange aus freien Stücken erteilt hat. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, dass etwaige wettbewerbswidrige Motive von Orange ihrem Wesen nach geheim wären und es daher wenig wahrscheinlich ist, dass sie sich den öffentlich zugänglichen Daten von Orange und den der Kommission erteilten Auskünften entnehmen lassen.

Orange trägt schließlich vor, dass das Gericht sich davon überzeugen müsse, dass ein Nachprüfungsbeschluss nicht willkürlich sei, indem es überprüfe, ob die der Kommission vorliegenden Indizien hinreichend ernsthaft und substantiiert seien, um den Erlass des Beschlusses zu rechtfertigen. Hierzu stellt das Gericht fest, dass die Kommission zwar nicht verpflichtet ist, in der Voruntersuchungsphase die Indizien anzugeben, aufgrund deren sie die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union in Betracht zieht, dass dies aber nicht bedeutet, dass ihr keine solchen Indizien vorliegen müssten. Das Gericht bestätigt damit, dass es befugt ist, zu überprüfen, ob der Kommission vor dem Erlass eines Nachprüfungsbeschlusses hinreichend ernsthafte Indizien vorliegen, weist aber darauf hin, dass es sich nicht nur durch eine solche Überprüfung davon überzeugen könne, dass der Beschluss nicht willkürlich ist. So besteht kein Anlass für diese Überprüfung, wenn sich den hinreichend genauen Erläuterungen zu den Verdachtsmomenten, die die Kommission erhärten
möchte, entnehmen lässt, dass der Beschluss nicht willkürlich ist.

Das Gericht stellt fest, dass im vorliegenden Fall die Art der vermuteten Wettbewerbsbeschränkungen in den Nachprüfungsbeschlüssen hinreichend genau und ausführlich beschrieben2 und darin erläutert war, inwieweit das Verhalten von Orange unter die vermuteten Praktiken fallen kann. Unter diesen Umständen ist das Gericht in der Lage, allein anhand der Begründung dieser Nachprüfungsbeschlüsse den Schluss zu ziehen, dass sie nicht willkürlich sind, und braucht daher nicht die der Kommission beim Erlass dieser Beschlüsse vorliegenden Indizien zu prüfen.

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HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
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1 Beschlüsse C (2013) 4103 final und C (2013) 4194 final der Kommission vom 25. und 27. Juni 2013 in einem Verfahren nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates, die an die France Télécom SA bzw. Orange sowie alle von ihnen direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaften gerichtet sind.
2Die Kommission warf Orange Missbräuche einer beherrschenden Stellung durch Praktiken vor, die zum einen in einer Beschränkung des Zugangs zu den Netzen von Orange („tromboning“, d. h. Verstopfung der Schnittstellen und Beschränkungen der Ausbreitung von Leitwegen) und zum anderen in der Entgeltregelung für den Netzzugang (Fakturierung der Gewährung zusätzlicher Kapazitäten, restriktive Verkehrsberichte und Margenbeschneidung) bestehen.
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