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Pressemitteilung
C-539/10 P, 550/10 P;
Verkündet am: 
 15.11.2012
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Der Gerichtshof hebt das Urteil des Gerichts auf, mit dem die Aufnahme von AlAqsa in die Liste der Personen und Organisationen, deren Vermögenswerte eingefroren werden, für nichtig erklärt worden war
Leitsatz des Gerichts:
Die vom Rat gegen Al-Aqsa ergriffenen Maßnahmen sind mit den unionsrechtlichen
Bestimmungen zur Bekämpfung des Terrorismus vereinbar
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Die niederländische Stiftung Al-Aqsa wehrt sich seit 2003 gerichtlich gegen ihre Aufnahme in die vom Rat erstellte Liste derjenigen Personen und Organisationen, deren Vermögenswerte im Rahmen der Terrorismusbekämpfung einzufrieren sind, bzw. gegen ihren Verbleib auf dieser Liste. Eine erste Reihe von Ratsbeschlüssen, mit denen der Rat Al-Aqsa in diese Liste aufgenommen bzw. dort belassen hatte, war durch ein Urteil des Gerichts aus dem Jahr 2007 wegen unzureichender Begründung für nichtig erklärt worden1. Eine zweite Reihe solcher Maßnahmen des Rates betreffend die Jahre 2007 bis 2009 erklärte das Gericht mit Urteil aus dem Jahr 2010 deshalb für nichtig, weil die Niederlande den gegen Al-Aqsa gerichteten Erlass über Sanktionen auf dem Gebiet des Terrorismus (Sanctieregeling), der letztlich die Grundlage für die Maßnahmen des Rates bildete, aufgehoben hatten. Die Aufnahme in die bzw. der Verbleib auf der Liste setze nämlich voraus, dass gegen den Betroffenen wegen einer terroristischen Handlung ein nationales Ermittlungs- oder Strafverfolgungsverfahren aktiv betrieben oder bereits eine Sanktion verhängt worden sei2.

Im Rahmen von Rechtsmitteln, die die Stichting Al-Aqsa (Rechtssache C-539/10 P) und die Niederlande (Rechtssache C-550/10 P) gegen das letztgenannte Urteil des Gerichts eingelegt haben, hat der Gerichtshof die Voraussetzungen für das Einfrieren der Vermögenswerte geprüft.

Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst das Rechtsmittel von Al-Aqsa in der Rechtssache C-539/10 P als unzulässig zurück, da es lediglich auf eine Änderung eines Teils der Urteilsbegründung abzielt.

In Bezug auf das Rechtsmittel der Niederlande in der Rechtssache C-550/10 P stellt der Gerichtshof sodann fest, dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, indem es angenommen hat, dass es nach der Aufhebung der Sanctieregeling im nationalen Recht kein „Substrat“ mehr gegeben habe, das den Verbleib von Al-Aqsa auf der Liste gerechtfertigt hätte, dabei jedoch den Grund für diese Aufhebung nicht angemessen berücksichtigt hat. Der einzige Rechtfertigungsgrund für diese Aufhebung bestand nämlich darin, zu verhindern, dass sich die durch die Sanctieregeling vorgeschriebene nationale Maßnahme des Einfrierens von Geldern aufgrund der Aufnahme von Al-Aqsa in die Liste mit der durch die Verordnung Nr. 2580/20013 auf Unionsebene vorgeschriebenen Maßnahme des Einfrierens von Geldern überschneidet. Diese Aufhebung hatte daher allein die Einhaltung des AEU-Vertrags zum Ziel, wonach eine Unionsverordnung in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt, was den Erlass oder die Beibehaltung nationaler Parallelvorschriften grundsätzlich ausschließt. Der Gerichtshof hebt daher das Urteil des Gerichts auf.

Im Anschluss an diese Aufhebung des Urteils entscheidet der Gerichtshof selbst endgültig über die ursprünglich von Al-Aqsa vor dem Gericht erhobene Klage auf Aufhebung der Beschlüsse des Rates über das Einfrieren von Geldern.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass der Rat über genaue Informationen und einschlägige Akten verfügte, aus denen sich ergab, dass eine zuständige niederländische Behörde gegenüber Al-Aqsa einen Beschluss gefasst hatte, der den vom Unionsrecht festgelegten Kriterien entsprach. Eine derartige Bezugnahme auf den nationalen Beschluss setzt nach dem Unionsrecht voraus, dass es für die Verwicklung einer Person in terroristische Aktivitäten ernsthafte und schlüssige Beweise gibt, die die zuständigen nationalen Behörden für zuverlässig halten. Im Übrigen konnte der Rat ohne Beurteilungsfehler davon ausgehen, dass Al-Aqsa wusste, dass ihre Tätigkeit des Sammelns und der Bereitstellung von Geldern einen Beitrag zu terroristischen Aktivitäten leistete.

Ferner – so der Gerichtshof – hat der Rat nicht gegen seine Verpflichtung verstoßen, zu überprüfen, ob es für die Beschlüsse über das Einfrieren der Gelder Rechtfertigungsgründe gibt. Die Aufhebung der Sanctieregeling war kein hinreichender Grund, das Belassen von Al-Aqsa auf der Liste als einen Verstoß gegen das Unionsrecht zu werten. Es gibt nämlich keine Hinweise, die den Rat zu der Schlussfolgerung hätten führen können, dass Al-Aqsa ihre Mitwirkung an der Finanzierung terroristischer Aktivitäten ausgesetzt oder beendet hat, und zwar unabhängig davon, dass das Einfrieren ihrer Gelder eine Fortsetzung dieser Mitwirkung erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht hat.

Die Beschlüsse des Rates beeinträchtigen nach Ansicht des Gerichtshofs das Eigentumsrecht von Al-Aqsa nicht. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Eigentumsrecht im Unionsrecht keinen uneingeschränkten Schutz genießt und dass die Ausübung dieses Rechts Beschränkungen unterworfen werden kann, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antasten würde. Da es sich beim Einfrieren von Geldern um eine Sicherungsmaßnahme handelt, zielt diese Maßnahme nicht auf eine Enteignung der betreffenden Personen ab. Die vom Rat auferlegten Beschränkungen des Eigentumsrechts von Al-Aqsa sind erforderlich, weil das von der Union angestrebte Ziel, die Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, durch die von Al-Aqsa genannten alternativen und weniger belastenden Maßnahmen – etwa ein System, das eine vorherige Erlaubnis oder eine Verpflichtung vorsieht, die Verwendung der gezahlten Beträge nachträglich zu belegen –, nicht ebenso wirksam erreicht werden kann. Außerdem sind diese Beschränkungen aufgrund der Bedeutung der Bekämpfung des Terrorismus im Hinblick auf die angestrebten Ziele nicht unverhältnismäßig.

Schließlich weist der Gerichtshof das Vorbringen von Al-Aqsa zurück, wonach der Beschluss des Rates dem vom Unionsrecht vorgesehenen Begründungserfordernis nicht genüge. Es gibt nämlich keine Hinweise darauf, dass sich seit dem Erlass der Sanctieregeling die Sachlage oder deren Beurteilung durch die niederländischen Behörden in Bezug auf die Verwicklung von Al-Aqsa in die Finanzierung terroristischer Aktivitäten geändert hätte. Unter diesen Umständen war es nicht notwendig, näher darzulegen, weshalb der Rat der Überzeugung war, dass die Gründe, die die Aufnahme der Rechtsmittelführerin in die streitige Liste gerechtfertigt hatten, noch immer gültig waren.

Demzufolge weist der Gerichtshof die von der Stichting Al-Aqsa ursprünglich erhobene Klage ab.

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HINWEIS: Beim Gerichtshof kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Gerichtshofs gebunden ist.
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1Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, Al-Aqsa/Rat (T-327/03), siehe auch Pressemitteilung Nr. 47/07.
2Urteil des Gerichts vom 9. September 2010, Al-Aqsa/Rat (T-348/07), siehe auch Pressemitteilung Nr. 81/10.
3Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismmus (ABl. L 344, S. 70).
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