Das Unionsrecht steht einer "Stabilisierung" des Arbeitsverhältnisses befristet beschäftigter Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors entgegen, bei der das erreichte Dienstalter nicht berücksichtigt wird
Der Gerichtshof bestätigt die Nichtigerklärung der Entscheidung, Wendel Investissement als Erwerber der weiterzuveräußernden Vermögenswerte von Vivendi Universal Publishing zuzulassen
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Im September 2002 veräußerte Vivendi Universal (VU) ihre Vermögenswerte aus dem Verlagsbereich, die sie in Europa über ihre Tochtergesellschaft Vivendi Universal Publishing (VUP), einen der größten französischsprachigen Verlage, hielt. Die Unternehmensgruppe Lagardère war am Erwerb dieser Vermögenswerte interessiert. VU wollte die Veräußerung jedoch so schnell wie möglich durchführen, ohne die Erteilung der vorherigen Genehmigung durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden abzuwarten. Lagardère bat deshalb die Natexis Banques Populaires SA (NBP), über eine ihrer Tochtergesellschaften an ihre Stelle zu treten; diese sollte die Zielvermögenswerte von VUP erwerben, sie vorübergehend halten und dann, sobald die Genehmigung für ihren geplanten Erwerb durch Lagardère erteilt würde, an diese weiterverkaufen (treuhänderische Übertragung).
Am 14. April 2003 meldete Lagardère bei der Kommission ihr Vorhaben an, die Zielvermögenswerte von VUP zu erwerben.
Mit
Entscheidung vom 7. Januar 20041 genehmigte die Kommission den Zusammenschluss vorbehaltlich bestimmter von Lagardère übernommener Verpflichtungen. Die Kommission war der Ansicht, dass der Zusammenschluss ohne diese Verpflichtungen auf mehreren Märkten zur Begründung oder Verstärkung beherrschender Stellungen führen würde, die eine erhebliche Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs zur Folge hätten. Daher verpflichtete sich Lagardère, einen bedeutenden Teil der Vermögenswerte von VUP weiterzuveräußern. Sie setzte sich mit mehreren Unternehmen in Verbindung, die für den Erwerb dieser Vermögenswerte in Frage kamen. Zu ihnen gehörte die Éditions Odile Jacob (im Folgenden: Odile Jacob), die ihr Interesse an dem Geschäft bekundete.
Am Ende des Verfahrens zur Auswahl des Übernehmers der weiterzuveräußernden Vermögenswerte von VUP erhielt Lagardère das Angebot eines anderen Unternehmens, Wendel Investissement.
Im Februar 2004 bestimmte Lagardère nach Billigung durch die Kommission das Wirtschaftsprüfungsbüro S. zum Beauftragten. Am 5. Juli 2004 legte dieses Büro der Kommission einen Bericht vor, in dem es zu dem Ergebnis gelangte, dass der Erwerb der Vermögenswerte durch Wendel Investissement mit den von der Kommission festgelegten Kriterien vereinbar sei. Mit
Entscheidung vom 30. Juli 2004 genehmigte die Kommission daher den Erwerb der Vermögenswerte durch Wendel Investissement (Zulassungsentscheidung)
2.
Odile Jacob erhob Klage beim Gericht mit dem Antrag, die Entscheidung vom 7. Januar 2004, den Zusammenschluss VUP/Lagardère zu genehmigen, sowie die Entscheidung vom 30. Juli 2004, Wendel Investissement als Übernehmer der weiterzuveräußernden Vermögenswerte zuzulassen, für nichtig zu erklären.
Mit zwei Urteilen vom 13. September 2010 wies das Gericht die Klage von Odile Jacob gegen die Entscheidung vom 7. Januar 2004 ab und erklärte die Zulassungsentscheidung vom 30. Juli 2004 für nichtig
3. Diese beiden Urteile waren Gegenstand getrennter beim Gerichtshof eingelegter Rechtsmittel.
In der ersten Rechtssache (C-551/10 P) weist der Gerichtshof das von Odile Jacob eingelegte Rechtsmittel zurück. Der Verlag warf dem Gericht insbesondere vor, einen Fehler bei der Beurteilung des Begriffs des Zusammenschlusses und der Einordnung der treuhänderischen Übertragung begangen zu haben.
Der Gerichtshof bestätigt insoweit, dass die rechtliche Einordnung der treuhänderischen Übertragung ohne Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission ist.
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die durchgeführten Transaktionen es Lagardère zwar erlaubt haben, zu einem früheren Zeitpunkt die ausschließliche oder mit NBP gemeinsame Kontrolle über die Zielvermögenswerte zu erlangen, doch hat dieser Umstand zu keiner anderen Folge geführt als zu der Feststellung, dass die Anmeldung des fraglichen Zusammenschlusses verspätet vorgenommen wurde.
Der Gerichtshof fügt hinzu, dass diese Feststellungen zwar unter Umständen die vom Unionsrecht vorgesehenen Sanktionen, insbesondere die Verhängung einer Geldbuße, nach sich ziehen, nicht aber zur Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission führen können, da sie keine Auswirkungen auf die Vereinbarkeit des fraglichen Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt haben.
In den Rechtssachen C-553/10 P und C-554/10 P weist der Gerichtshof das von der Kommission und Lagardère eingelegte Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts zurück, mit dem es die Entscheidung über die Zulassung von Wendel Investissement für nichtig erklärt hat. Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass der Beauftragte von Lagardère und VUP unabhängig sein muss und keinem Interessenkonflikt ausgesetzt sein darf. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist das Gericht im vorliegenden Fall zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beauftragte B. als Präsident der Kanzlei S. seine Funktion als Vorstandsmitglied der mit der Verwaltung der weiterzuveräußernden Vermögenswerte betrauten rechtlichen Einheit ausgeübt habe und dass diese Kanzlei zugleich zum Beauftragten bestimmt worden sei. B. hat deshalb eine Zeitlang sowohl die Funktion des unabhängigen Beauftragten als auch die eines Vorstandsmitglieds von VUP wahrgenommen. Folglich hat das Gericht keinen Fehler begangen, als es entschied, dass der Beauftragte daher nicht die nach den Zusagen von Lagardère erforderliche Voraussetzung der Unabhängigkeit erfüllt habe; dies reichte aus, um die Nichtigerklärung der Zulassungsentscheidung zu rechtfertigen.
Dem Gericht wurde insbesondere vorgeworfen, nicht geprüft zu haben, ob sich diese fehlende Unabhängigkeit auf die Entscheidung der Kommission konkret ausgewirkt habe oder ob die Entscheidung ohne diese Unregelmäßigkeit inhaltlich anders hätte ausfallen können. Nach Ansicht des Gerichtshofs reicht allein die fehlende Unabhängigkeit aus, um eine Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären. Da das Gericht festgestellt hat, dass der Beauftragte nicht von den Parteien unabhängig gewesen sei, brauchte es nicht zu prüfen, ob er konkret in einer Weise handelte, in der seine fehlende Unabhängigkeit zum Ausdruck kam.
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HINWEIS: Beim Gerichtshof kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist es zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Gerichtshofs gebunden ist.
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1Entscheidung 2004/422/EG der Kommission vom 7. Januar 2004 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Sache COMP/M.2978 – Lagardère/Natexis/VUP) (ABl. L 125, S. 54).
2Entscheidung (2004) D/203365 der Kommission vom 30. Juli 2004 über die Zulassung der Wendel Investissement als Erwerber der gemäß der Entscheidung 2004/422/EG der Kommission veräußerten Vermögenswerte.
3Urteile des Gerichts vom 13. September 2010, Éditions Jacob/Kommission (T-279/04 und T-452/04); vgl. auch Pressemitteilung Nr. 84/10.