Der Gerichtshof gibt den Rechtsmitteln in den das Kartell auf dem Markt für gasisolierte Schaltanlagen betreffenden Rechtssachen teilweise statt
Der Gerichtshof stellt die von der Kommission gegen Schneider, SEHV und Magrini verhängte ursprüngliche Geldbuße wieder her und ändert die Aufteilung der gegen die Areva T&D SA und ihre sukzessiven Muttergesellschaften als Gesamtschuldner verhängten Geldbußen
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Mit Entscheidung vom 24. Januar 2007
1 verhängte die Kommission Geldbußen in Höhe von insgesamt 750,71 Mio. Euro gegen 20 Gesellschaften wegen ihrer Beteiligung an einem Kartell auf dem Markt für gasisolierte Schaltanlagen. Mit mehreren Urteilen vom 3. März 2011 hat das Gericht diese Entscheidung teilweise für nichtig erklärt
2. So hat es entschieden, den Aufschlag auf den Grundbetrag der Geldbußen für die Gesellschaften der Areva-Gruppe und Alstom (im Folgenden:
Rechtssachen Areva) herabzusetzen, so dass Alstom zu einer gesamtschuldnerisch mit der Areva T&D SA zu zahlenden Geldbuße von 48,19 Mio. Euro verurteilt worden ist (wobei 20,4 Mio. Euro des von der Areva T&D SA geschuldeten Betrags von der Areva T&D AG, Areva und der Areva T&D Holding SA gesamtschuldnerisch zu zahlen waren)
3. In seinem die Gesellschaften Siemens Transmission & Distribution Ltd (
„Reyrolle“), Siemens Transmission & Distribution SA (
„SEHV“) und Nuova Magrini Galileo SpA (
„Magrini“) betreffenden Urteil (im Folgenden:
Rechtssachen Siemens)
4 hat das Gericht die Entscheidung der Kommission in Bezug auf die Berechnung des gegen SEHV und Magrini gesamtschuldnerisch mit Schneider verhängten Geldbußenbetrags für nichtig erklärt (wobei es die Geldbuße von 4,5 Mio. Euro auf 8,1 Mio. Euro erhöht hat), während Reyrolle letztlich dazu verurteilt worden ist, allein bzw. gesamtschuldnerisch eine Geldbuße von 22,05 Mio. Euro zu zahlen.
In den Rechtssachen Siemens ist der Gerichtshof mit drei Rechtsmitteln befasst worden, von denen das erste von der Kommission, das zweite von Reyrolle und das dritte von SEHV und Magrini eingelegt worden ist. Areva und die Alstom-Gruppe haben jeweils eigene Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt.
In seinem heutigen Urteil in den
Rechtssachen Siemens weist der Gerichtshof das Rechtsmittel von Reyrolle zurück, gibt aber den Rechtsmitteln der Kommission und von SEHV und Magrini teilweise statt. Zum
Rechtsmittel der Kommission führt der Gerichtshof aus, dass die Kommission zwar befugt ist, gegen verschiedene juristische Personen, die zu ein und demselben Unternehmen gehören, das für die Zuwiderhandlung verantwortlich ist, als Gesamtschuldner eine Geldbuße zu verhängen, doch betreffen die Regeln des Wettbewerbsrechts der Union und die Grundsätze des Unionsrechts im Bereich der persönlichen Verantwortung und der individuellen Straf- und anktionsfestsetzung (einschließlich der Frage der Gesamtschuld) nur das Unternehmen als solches und nicht die zu ihm gehörenden natürlichen oder juristischen Personen. Folglich darf die Kommission nicht über die Bestimmung des Außenverhältnisses der Gesamtschuld hinaus die Anteile der Gesamtschuldner im Innenverhältnis festlegen. Es ist vielmehr Sache der nationalen Gerichte, diese Anteile unter Beachtung des Unionsrechts durch Anwendung des betreffenden nationalen Rechts zu bestimmen. Das Gericht hat somit einen Rechtsfehler begangen, als es zum einen entschieden hat, dass die Bestimmung der Anteile ausschließlich der Kommission obliege, und zum anderen in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Anteile der Gesellschaften im Innenverhältnis selbst bestimmt hat. Der Gerichtshof beschließt daher, diesen Punkt des Urteils für nichtig zu erklären, wobei der Betrag der Geldbußen als solcher unverändert bleibt.
Zum
Rechtsmittel von SEHV und Magrini führt der Gerichtshof aus, dass das Gericht im angefochtenen Urteil die von SEHV, Magrini und Schneider gesamtschuldnerisch geschuldete Geldbuße von 4,5 Mio. Euro auf 8,1 Mio. Euro erhöht hat. Schneider hatte jedoch keine Nichtigkeitsklage vor dem Gericht erhoben, so dass die Entscheidung der Kommission ihr gegenüber bestandskräftig wurde. Durch die Änderung der Geldbuße, für die SEHV, Magrini und Schneider als Gesamtschuldner haften, hat das Gericht seine Befugnisse überschritten, da diese Änderung für SEHV und für Magrini sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis der Gesamtschuld von Nachteil sein kann. Folglich wird die ursprünglich von der Kommission gegen diese drei Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängte Geldbuße (4,5 Mio. Euro) wiederhergestellt.
In den
Rechtssachen Areva gibt der Gerichtshof den Rechtsmitteln von Areva und Alstom teilweise statt. Er sieht in der von der Kommission gewählten und vom Gericht bestätigten Ausgestaltung der Gesamtschuld einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen, da die Kommission und das Gericht Areva und Alstom eine faktische gesamtschuldnerische Haftung auferlegt und dadurch gegen die Regeln über die gesamtschuldnerische Haftung für die Zahlung von Geldbußen verstoßen haben. Das Instrument der gesamtschuldnerischen Haftung darf nicht in der Weise verwendet werden, dass die Gefahr der Insolvenz einer Gesellschaft einer anderen Gesellschaft aufgebürdet wird, wenn beide nie zum selben Unternehmen gehört haben. Will die Kommission eine Tochtergesellschaft (Areva T&D SA), die eine Zuwiderhandlung begangen hat, zusammen mit jeder der Muttergesellschaften, mit denen sie im Zeitraum der Zuwiderhandlung nacheinander ein gesondertes Unternehmen gebildet hat (zunächst Alstom, dann die Areva-Gruppe), als Gesamtschuldner haftbar machen, muss sie für jedes der fraglichen Unternehmen (Areva T&D SA und Alstom einerseits sowie Areva T&D SA und Areva andererseits) die Höhe der Geldbuße, die von den ihm angehörenden Gesellschaften als Gesamtschuldner zu zahlen ist, gesondert festlegen, und zwar unter Berücksichtigung sowohl der Schwere der Zuwiderhandlung, die den einzelnen Unternehmen individuell vorgeworfen wird, als auch ihrer Dauer. Außerdem darf die Gesamtsumme der Beträge, die gegen die sukzessiven Muttergesellschaften festgesetzt werden, den gegen die Tochtergesellschaft festgesetzten Betrag nicht übersteigen, was weder von der Kommission noch vom Gericht beachtet wurde.
Der Gerichtshof setzt daher die Geldbußen nach einer Methode fest, die – im Gegensatz zu der von der Kommission und vom Gericht verwendeten Methode – die Regeln über die gesamtschuldnerische Haftung beachtet, und verhängt gegen Alstom gesamtschuldnerisch mit der Areva T&D SA
5 eine Geldbuße in Höhe von 27,79 Mio. Euro sowie gegen Areva, die Areva T&D Holding
6 und die Areva T&D AG
7 gesamtschuldnerisch mit der Areva T&D SA eine Geldbuße in Höhe von 20,4 Mio. Euro.
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HINWEIS: Beim Gerichtshof kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Gerichtshofs gebunden ist.
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1Entscheidung K(2006) 6762 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen).
2Der Gerichtshof ist auch mit Rechtsmitteln der Siemens AG gegen das Urteil des Gerichts vom 3. März 2011, Siemens/Kommission (Rechtssache T-110/07), sowie der Mitsubishi Electric Corp. und der Toshiba Corp. gegen die
Urteile vom 12. Juli 2011, Mitsubishi Electric/Kommission (T-133/07) und Toshiba/Kommission (T-113/07), befasst worden. Er hat über diese drei Rechtsmittel mit Urteil vom 19. Dezember 2013 entschieden (verbundene Rechtssachen C-239/11 P, C-489/11 P und C-498/11 P, vgl. Pressemitteilung Nr. 161/13).
3 Urteil des Gerichts vom 3. März 2011, Areva u. a./Kommission (verbundene Rechtssachen T-117/07 und T-121/07). Vgl. auch Pressemitteilung Nr. 15/11.
4Urteil des Gerichts vom 3. März 2011, Siemens Österreich u. a./Kommission (verbundene Rechtssachen T-122/07 bis T-124/07). Vgl. auch Pressemitteilung Nr. 15/11.
5Jetzt Alstom Grid SAS
6Jetzt T&D Holding.
7Jetzt Alstom Grid AG.