Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Achtung! Die Seite wird derzeit nicht aktualisiert. Die Inhalte sind im wesentlichen auf dem Stand 31.12.2011
Pressemitteilung
C-167/12, C-363/12;
Verkündet am: 
 18.03.2014
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Nach dem Unionsrecht muss einer Bestellmutter, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung im rechtlichen Sinne Mutter eines Kindes geworden ist, kein Anspruch auf Mutterschaftsurlaub oder vergleichbaren Urlaub gewährt werden
Leitsatz des Gerichts:
Da die Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen für deren Schutz nur bestimmte Mindestanforderungen festlegt, steht es den Mitgliedstaaten frei, für Bestellmütter günstigere Regelungen vorzusehen
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Frau D., die in einem Krankenhaus im Vereinigten Königreich beschäftigt ist, und Frau Z., die in Irland als Lehrerin arbeitet, sind im rechtlichen Sinne Mutter eines Kindes geworden, das von einer Ersatzmutter ausgetragen wurde.

Frau D. hatte gemäß britischem Recht eine Ersatzmuttervereinbarung geschlossen, in deren Rahmen die Eizelle einer anderen Frau mit dem Sperma des Lebensgefährten von Frau D. befruchtet worden war. Einige Monate nach der Geburt des Kindes wurde Frau D. und ihrem Lebensgefährten gemäß der britischen Regelung über die Ersatzmutterschaft von einem britischen Gericht mit Zustimmung der Ersatzmutter uneingeschränkt und dauerhaft die elterliche Sorge für das Kind übertragen.

Frau Z. leidet unter einer seltenen Fehlbildung, infolge deren sie, obwohl ihre Eierstöcke gesund sind und sie fruchtbar ist, keine Gebärmutter hat und somit kein Kind austragen kann. Frau Z. und ihr Ehemann erhielten im Rahmen einer Vereinbarung mit einer Ersatzmutter in Kalifornien ein Kind. Sie sind auch die genetischen Eltern dieses Kindes. In der amerikanischen Geburtsurkunde ist die Ersatzmutter nicht angegeben. Nach kalifornischem Recht gelten Frau Z. und ihr Ehemann als Eltern des Kindes.

Frau D. und Frau Z. beantragten jeweils bezahlten Urlaub wie im Fall von Mutterschaft oder Adoption. Ein solcher Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub wurde ihnen indessen mit der Begründung versagt, dass sie zu keinem Zeitpunkt schwanger gewesen seien und die Kinder auch nicht adoptiert hätten.

Die nationalen Gerichte, bei denen die beiden Bestellmütter Klage erhoben haben, möchten klären lassen, ob die Versagung eines solchen Urlaubs gegen die Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen1 verstößt oder eine – durch die Richtlinien 2006/54/EG2 bzw. 2000/78/EG3 verbotene – Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder aufgrund einer Behinderung darstellt.

In seinen heutigen Urteilen beantwortet der Gerichtshof diese Vorabentscheidungsersuchen der nationalen Gerichte dahin, dass das Unionsrecht Bestellmüttern keinen Anspruch auf einen dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub vergleichbaren bezahlten Urlaub verleiht.

Was die Richtlinie 92/85/EWG über schwangere Arbeitnehmerinnen angeht, erinnert derGerichtshof daran, dass diese Richtlinie die Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz bezweckt, da diese Personen eine Gruppe mit besonderen Risiken darstellen. In der Vorschrift dieser Richtlinie über den Mutterschaftsurlaub ist ausdrücklich von „Entbindung“ die Rede, und diese Vorschrift bezweckt den Gesundheitsschutz der Mutter in der durch die Schwangerschaft bedingten besonderen Situation der Verletzlichkeit. Der Mutterschaftsurlaub soll zwar ebenfalls den Schutz der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind gewährleisten, aber auch diese Zielsetzung bezieht sich nur auf die „an Schwangerschaft und Entbindung“ anschließende Zeit. Damit setzt die Gewährung von Mutterschaftsurlaub gemäß dieser Richtlinie voraus, dass die betreffende Arbeitnehmerin schwanger war und entbunden hat. Eine Bestellmutter, deren Kind von einer Ersatzmutter ausgetragen wurde, fällt mithin nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie, und zwar auch dann nicht, wenn sie das Kind nach der Geburt möglicherweise oder tatsächlich stillt. Folglich sind die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie nicht verpflichtet, einer solchen Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub zu gewähren.

Der Gerichtshof fügt jedoch hinzu, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, eine für Bestellmütter günstigere Regelung anzuwenden. Denn mit der Richtlinie sollen für den Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen nur bestimmte Mindestanforderungen festgelegt werden.

Zur Richtlinie 2006/54/EG über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Beschäftigungsfragen stellt der Gerichtshof fest, dass es keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn einer Bestellmutter kein Mutterschaftsurlaub gewährt wird, da auch ein Bestellvater keinen Anspruch auf einen solchen Urlaub hat und somit Arbeitnehmerinnen gegenüber Arbeitnehmern nicht besonders benachteiligt werden.

Dass einer Bestellmutter kein dem Adoptionsurlaub vergleichbarer bezahlter Urlaub gewährt wird, fällt ferner nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die Gleichbehandlung. Nach dieser Richtlinie steht es den Mitgliedstaaten frei, einen Adoptionsurlaub zu gewähren oder nicht. Sie bestimmt lediglich, dass die betreffenden Arbeitnehmerinnen, wenn ein solcher Urlaub gewährt wird, vor Entlassung zu schützen sind und Anspruch darauf haben, an ihren früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz zurückzukehren.

Zur Richtlinie 2000/78/EG schließlich, die jede Diskriminierung wegen einer Behinderung im Bereich Beschäftigung und Arbeit verbietet, führt der Gerichtshof aus, dass das Unvermögen, ein Kind auszutragen, für eine Frau zwar eine große seelische Belastung darstellen kann, aber der Begriff „Behinderung“ im Sinne dieser Richtlinie voraussetzt, dass die Einschränkung, unter der eine Person leidet, sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben in Gleichberechtigung mit anderen Arbeitnehmern hindern kann.

Jedoch hindert die Unmöglichkeit, auf konventionellem Weg ein Kind zu bekommen, eine Bestellmutter für sich genommen grundsätzlich nicht am Zugang zur Beschäftigung, an der Ausübung eines Berufs oder dem beruflichen Aufstieg.

Der Gerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass das Unvermögen, ein Kind auszutragen, keine „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78 darstellt, welche damit in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen keine Anwendung findet.

-------------------
HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
--------------------
1Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1).
2Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23).
3Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
       URTEILE GESETZE/VO KOMMENTARE VIDEOS ÜBER UNS IMPRESSUM