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Pressemitteilung
C-15/11;
Verkündet am: 
 21.06.2012
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-15/11
Zum Urteilstext (Englisch!)
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Das Protokoll über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Union1 sieht vor, dass sich der Zugang bulgarischer Staatsangehöriger zum Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten während eines Übergangszeitraums, der sich bis zum Ende eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Tag des Beitritts erstrecken kann, nach den nationalen oder sich aus bilateralen Abkommen ergebenden Maßnahmen richtet. Gleichwohl ist in diesem Protokoll der Grundsatz des Vorrangs der Unionsbürger verankert. Somit sind die Mitgliedstaaten gehalten, ungeachtet der im Übergangszeitraum erlassenen Maßnahmen beim Zugang zu ihren Arbeitsmärkten den Angehörigen der Mitgliedstaaten Vorrang vor Arbeitnehmern einzuräumen, die Drittstaatsangehörige sind.

Herr Sommer, ein österreichischer Staatsangehöriger, beantragte im Januar 2008 eine Beschäftigungsbewilligung für einen in Österreich studierenden bulgarischen Staatsangehörigen, der sich bereits länger als ein Jahr in Österreich aufhielt. Er wollte diesen Studenten als Kraftfahrer für eine Arbeitszeit von 10,25 Stunden pro Woche und eine monatliche Bruttoentlohnung von 349 Euro anstellen. Der Student sollte Nachtlieferungen in Wien ausführen.

Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die für das Land Wien auf 66 000 festgesetzte Höchstzahl ausländischer Arbeitskräfte bereits um 17 757 zusätzliche ausländische Arbeitskräfte überschritten worden sei.

Der mit dem Rechtsstreit befasste Verwaltungsgerichtshof (Österreich) stellte fest, dass nach dem österreichischen Ausländerbeschäftigungsgesetz eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden könne, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung des Arbeitnehmers zuließen und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Außerdem sei im Fall der Überschreitung der durch Verordnung festzulegenden Höchstzahl beschäftigter Ausländer die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nur bei Vorliegen bestimmter zusätzlicher Voraussetzungen zulässig. Nach den Angaben des Verwaltungsgerichtshofs muss die Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes systematisch und nicht nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände vorgenommen werden. Daher fragt er den Gerichtshof, ob eine solche Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

In seinem heutigen Urteil hebt der Gerichtshof erstens hervor, dass die Bedingungen für den Zugang bulgarischer Studenten zum Arbeitsmarkt in dem im Ausgangsverfahren relevanten Zeitraum nicht restriktiver sein dürfen als die Bedingungen, die für Studenten aus Drittländern gelten. Nach der im Aufnahmeprotokoll enthaltenen Vorrangklausel müssen nämlich bulgarischen Staatsangehörigen nicht nur die gleichen Bedingungen für den Zugang zu den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten wie Drittstaatsangehörigen gewährt werden, sondern ihnen ist auch Vorrang vor Letzteren einzuräumen.

Zweitens weist der Gerichtshof darauf hin, dass die österreichischen Rechtsvorschriften für bulgarische Staatsangehörige eine restriktivere Behandlung als für Drittstaatsangehörige vorsehen.

Gemäß dem Unionsrecht2 kann sich der Aufnahmemitgliedstaat nach dem ersten Aufenthaltsjahr eines Studenten, der Angehöriger eines Drittstaats ist, nur dann auf die Lage auf dem Arbeitsmarkt berufen, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, und nur unter der Voraussetzung, dass die zu diesem Zweck in Betracht gezogenen Maßnahmen gerechtfertigt sind und in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen.

Die österreichische Regelung verlangt aber eine systematische Prüfung des Arbeitsmarkts und sieht vor, dass die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zulässig ist, wenn für die vom Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht. Daher schreibt diese Regelung die Berücksichtigung der Lage auf dem Arbeitsmarkt vor, ohne dass es erforderlich wäre, das Vorliegen einer diese Berücksichtigung rechtfertigenden außergewöhnlichen Situation nachzuweisen.

Hinsichtlich der Bestimmung der österreichischen Regelung, nach der bei Überschreitung der festgelegten Landeshöchstzahlen an beschäftigten Ausländern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an Drittstaatsangehörige nicht nur von der systematischen Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts, sondern noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, stellt der Gerichtshof klar, dass das Unionsrecht, da es einer solchen systematischen Prüfung entgegensteht, erst recht noch restriktivere nationale Maßnahmen ausschließt.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Protokoll über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumäniens in die Europäische Union (ABl. 2005, L 157, S. 29).
2Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst (ABl. L 375, S. 12).
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