Das Gericht bestätigt die Entscheidungen der Kommission, mit denen zwar das Darlehen des italienischen Staates an Alitalia für rechtswidrig erklärt, der Verkauf von deren Aktiva jedoch genehmigt wurde
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Die Alitalia SpA ist eine Luftverkehrsgesellschaft, deren Kapital zu 49,9 % vom italienischen Staat gehalten wird
1. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen der Bereinigung ihrer finanziellen Situation beschlossen die italienischen Behörden 2006, ihre Kapitalanteile zu verkaufen. Im Jahr 2008 gewährte der Staat Alitalia ein Darlehen in Höhe von 300 Mio. Euro und räumte ihr zudem die Möglichkeit ein, den Darlehensbetrag ihrem Eigenkapital zuzuführen. Nachdem Alitalia ihre Zahlungen eingestellt hatte, wurde sie dem Verfahren der außerordentlichen Insolvenzverwaltung unterstellt
2 und eine Bank als unabhängiger Sachverständiger benannt, um zu überprüfen, ob die Preise für den Verkauf ihrer Aktiva mit den Marktpreisen in Einklang standen. Das von der Compagnia Aerea Italiana (CAI) auf den entsprechenden Aufruf zur Interessenbekundung hin abgegebene Angebot für den Aufkauf bestimmter Vermögensgegenstände von Alitalia wurde der Kommission von den italienischen Behörden übermittelt.
Daraufhin leitete die Kommission hinsichtlich der Maßnahmen über die Darlehensgewährung und die Möglichkeit, den Darlehensbetrag dem Eigenkapital zuzuführen, ein förmliches Prüfverfahren ein. Mit einer
ersten Entscheidung stellte sie fest, dass das
Darlehen eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare rechtswidrige Beihilfe darstelle, da mit ihm aus staatlichen Mitteln ein wirtschaftlicher Vorteil gewährt worden sei, der von einem umsichtigen privaten Anleger nicht gewährt worden wäre. Die Kommission ordnete daher die Rückforderung dieser Beihilfe von Alitalia an
3.
In einer
zweiten Entscheidung vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Maßnahme des
Verkaufs der Aktiva von Alitalia nicht die Gewährung staatlicher Beihilfen an deren Erwerber impliziere, sofern die von den italienischen Behörden eingegangenen Verpflichtungen, nach denen der Verkauf zu Marktpreisen erfolgen müsse, in vollem Umfang erfüllt würden. Im Übrigen bestätigte die Kommission, dass auch das Verfahren der außerordentlichen Insolvenzverwaltung, dem Alitalia unterstellt worden war, nicht zur Gewährung einer Beihilfe zugunsten der Erwerber führe
4. Sie gelangte zu der Schlussfolgerung, dass das von Italien durchgeführte Verfahren angesichts des Umfangs des Verkaufs der Aktiva von Alitalia und der Aufsplitterung der von den Erwerbern dieser Aktiva abgegebenen Angebote keine wirtschaftliche Kontinuität zwischen Alitalia und diesen Erwerbern impliziere und dass dieser Verkauf weder eine Umgehung der Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe noch eine Gewährung von Beihilfen an die Erwerber von Alitalia bewirke.
Nachdem Ryanair – zur gleichen Zeit wie auch andere Fluggesellschaften und die European Low Fares Airline Association (Europäischer Verband von Billigfluggesellschaften, ELFAA) – mehrere Beschwerden bei der Kommission eingereicht hatte, beantragte sie beim Gericht, diese beiden Entscheidungen der Kommission für nichtig zu erklären.
Das Gericht hat erstens die den
Verkauf der Aktiva betreffende Entscheidung geprüft. In seinem heutigen Urteil stellt es klar, dass die Kommission zum Erlass dieser Entscheidung befugt war, mit der sie das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe feststellte und zugleich die vom italienischen Staat eingegangenen Verpflichtungen, die Bestandteil der angemeldeten Maßnahme waren, zur Kenntnis nahm.
Nach den Feststellungen des Gerichts ist die Kommission zu der Überzeugung gelangt, dass der Aktivaverkauf zu Marktpreisen erfolgt. Es verwirft daher das Vorbringen von Ryanair, dass die Kommission in der Vorprüfungsphase eine unzureichende oder unvollständige Prüfung vorgenommen habe und hinsichtlich des Verkaufs der Aktiva ein förmliches Prüfverfahren hätte einleiten müssen, um das etwaige Bestehen anderer Optionen als des Aktivaverkaufs zu überprüfen.
Es weist ferner das Vorbringen von Ryanair zurück, dass der Verkauf zu einer Preissenkung geführt habe, weil er an die stillschweigende Bedingung der (italienischen) Staatsangehörigkeit des Erwerbers geknüpft gewesen sei. Das Gericht ist vielmehr der Ansicht, dass die Kommission überprüft hat, dass der Aufruf zur Interessenbekundung keine auf die Staatsangehörigkeit der Bieter abstellende diskriminierende Bestimmung enthielt und sowohl im In- als auch im Ausland auf breiter Ebene bekannt gemacht wurde.
Das Gericht betont, dass die Kommission die Auffassung vertreten hatte, dass das Verfahren des Aktivaverkaufs, ergänzt durch den Aufruf zur Interessenbekundung, allein keinen Grad an Transparenz aufweise, der ausreiche, um eine Veräußerung der Aktiva zu Marktpreisen zu gewährleisten. Infolgedessen überprüfte die Kommission, dass das Angebot einer unabhängigen Bewertung unterzogen worden war, um sich zu vergewissern, dass der angebotene Preis nicht niedriger als der Marktpreis sei. Außerdem hat die Kommission sehr wohl überprüft, dass das Verfahren die erforderlichen Garantien aufwies, um sicherzustellen, dass der Verkauf zu Marktpreisen erfolgt.
Schließlich bestätigt das Gericht, dass die Kommission zutreffend die Auffassung vertreten hat, dass zwischen Alitalia und CAI keine wirtschaftliche Kontinuität bestand und CAI nicht begünstigt wurde, da alle Vorkehrungen dafür getroffen wurden, dass die Veräußerung zu einem den Marktpreis nicht unterschreitenden Preis erfolgt.
Zweitens hat das Gericht nach Prüfung der
Entscheidung über das Darlehen festgestellt, dass Ryanair – trotz ihrer aktiven Rolle im Verfahren des Erlasses dieser Entscheidung – nicht nachgewiesen hat, dass ihre Wettbewerbsstellung durch die Anordnung der Rückforderung der Beihilfe von Alitalia (und nicht von CAI) wesentlich beeinträchtigt worden war. Folglich hat Ryanair nicht nachgewiesen, dass sie von dieser Entscheidung individuell betroffen ist.
Das Gericht hat daher die Klage von Ryanair abgewiesen und damit die Entscheidungen der Kommission bestätigt.
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HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.
HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
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1Das Gericht hat sich bereits mehrmals mit der Situation von Alitalia befasst: Im Jahr 2000 hat es mit seinem Urteil vom 12. Dezember 2000 (T-296/97, „Urteil Alitalia I“) die Entscheidung der Kommission von 1997 über die Kapitalerhöhung von Alitalia (97/789/EG) für nichtig erklärt. 2008 hat es mit Urteil vom 9. Juli 2008 (T-301/01, „Urteil Alitalia II“, siehe Pressemitteilung Nr. 48/2008) eine Entscheidung der Kommission von 2001 über die Umstrukturierung von Alitalia (2001/723/EG) bestätigt.
2Dieses Verfahren findet in Italien auf im Bereich wesentlicher Gemeinwohldienstleistungen tätige Unternehmen in Schwierigkeiten Anwendung, bevor diese für zahlungsunfähig erklärt werden, und ermöglicht die finanzielle Sanierung des Unternehmens über die Veräußerung seiner Aktiva. Diese Möglichkeit ist jedoch an die Verpflichtung geknüpft, dass ein unabhängiger Sachverständiger überprüft, dass die Verkaufspreise der betreffenden Aktiva mit den Marktpreisen in Einklang stehen.
3Entscheidung 2009/155/EG vom 12. November 2008 über das Darlehen in Höhe von 300 Mio. EUR, das Italien dem Unternehmen Alitalia gewährt hat, Nr. C 26/08 (vormals NN 31/08) (ABl. 2009, L 52, S. 3).
4Entscheidung C (2008) 6745 vom 12. November 2008 betreffend die staatliche Beihilfe N 510/2008 – Italien – Verkauf der Aktiva der Fluggesellschaft Alitalia (nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht).