Die Kommission durfte bei Ermittlungen in einer Wettbewerbssache von Slovak Telekom Informationen über deren Tätigkeit vor dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union verlangen
Die Kommission muss alle erforderlichen Informationen erlangen können, anhand deren die Einhaltung der Wettbewerbsregeln durch dieses Unternehmen ab dem 1. Mai 2004 überprüft werden kann
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Slovak Telekom ist ein slowakisches Telekommunikationsunternehmen, dessen Anteile mehrheitlich von der Deutschen Telekom gehalten werden.
Im Januar 2009 führte die Kommission eine Nachprüfung in den Räumen von Slovak Telekom durch. Im Anschluss daran unterrichtete sie das Unternehmen davon, dass sie beschlossen habe, ein Verfahren gegen es einzuleiten, um zu überprüfen, ob es im slowakischen Telekommunikationssektor eine beherrschende Stellung missbraucht habe. Mit zwei Entscheidungen
1 verlangte sie von dem Unternehmen Informationen über seine Tätigkeit nicht nur für die Zeit nach dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union, sondern auch für die Zeit davor. Sie betonte allerdings, dass sie nicht beabsichtige, einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Union in Bezug auf die Zeit vor dem 1. Mai 2004 festzustellen, sondern Informationen erlangen wolle, die erheblich seien, um in voller Kenntnis der Tatsachen und ihres wirtschaftlichen Kontexts die Vereinbarkeit des Verhaltens von Slovak Telekom mit den Wettbewerbsregeln nach diesem Datum beurteilen zu können.
Slovak Telekom hielt die Kommission für nicht befugt, Informationen über die Zeit vor dem 1. Mai 2004 zu verlangen, und erhob beim Gericht zwei Klagen auf Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidungen.
In seinem heutigen Urteil weist das Gericht zunächst darauf hin, dass das Wettbewerbsrecht der Union
2 der Kommission weitgehende Ermittlungs- und Nachprüfungsbefugnisse einräumt. So kann diese von Unternehmen alle Auskünfte verlangen, die notwendig sind, um die nach den Wettbewerbsregeln untersagte missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung aufzudecken. Das Gericht stellt insoweit klar, dass
der Kommission Zugang zu den Informationen zusteht, bei denen Grund zu der Annahme besteht, dass sie eine Beziehung zu der vermuteten Zuwiderhandlung aufweisen. Außerdem ist es in Anbetracht des Umfangs ihrer Ermittlungs- und Nachprüfungsbefugnisse Sache der Kommission, die Erforderlichkeit der Auskünfte, die sie von den betroffenen Unternehmen verlangt, zu beurteilen.
Das Gericht befindet daher, dass
die Kommission von einem Unternehmen Auskünfte über einen Zeitraum, in dem die Wettbewerbsregeln der Union auf es nicht anwendbar waren, verlangen kann, wenn sich die Auskünfte als erforderlich erweisen, um einen etwaigen Verstoß gegen diese Regeln ab dem Zeitpunkt festzustellen, ab dem sie für das Unternehmen gelten.
In diesem Zusammenhang weist das Gericht auch das Vorbringen von Slovak Telekom zurück, wonach es keinen Zusammenhang zwischen der vermuteten Zuwiderhandlung durch das Unternehmen und den verlangten Informationen gebe. Das Gericht weist darauf hin, dass diese Informationen unabhängig von ihrer Vorzeitigkeit im Verhältnis zu dem angenommenen Zuwiderhandlungszeitraum der Kommission ermöglichen können, die relevanten Märkte zu bestimmen, festzustellen, ob das von der Ermittlung betroffene Unternehmen eine beherrschende Stellung auf diesen Märkten einnimmt, oder die Schwere des Verstoßes zu bemessen. Außerdem können bestimmte Daten über die Zeit vor dem 1. Mai 2004 für die Kommission erforderlich sein, um den wirtschaftlichen Kontext darzustellen, in den sich das beanstandete Verhalten einfügt.
Das Gericht stellt deshalb fest, dass
die Kommission von Slovak Telekom die in den angefochtenen Entscheidungen bezeichneten Informationen verlangen durfte, und weist die Klagen des Unternehmens ab.
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HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.
HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
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1Entscheidungen C (2009) 6840 vom 3. September 2009 und C (2010) 902 vom 8. Februar 2010.
2Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1-25).