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Pressemitteilung
T-50/06 RENV, T-56/06 RENV, T-60/06 RENV, T-62/06 RENV et T-69/06 RENV;
Verkündet am: 
 21.03.2012
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das Gericht erklärt die Entscheidung der Kommission für nichtig, mit der die Rückerstattung der von Frankreich, Irland und Italien für die Tonerdegewinnung gewährten und vom Rat genehmigten Steuerbefreiungen angeordnet wurde
Leitsatz des Gerichts:
Unionsrechtsakte dürfen sich nicht widersprechen und müssen dem Grundsatz der
Rechtssicherheit genügen
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Tonerde (Aluminiumoxid) ist ein weißes Pulver, das aus Bauxit gewonnen und hauptsächlich zur Aluminiumherstellung, daneben auch für chemische Zwecke verwendet wird. Bei ihrer Gewinnung wird als Brennstoff vor allem Mineralöl eingesetzt.

In Irland, Italien und Frankreich gibt es jeweils nur einen Tonerdehersteller: die Aughinish Alumina Ltd in der Region Shannon, die Eurallumina SpA auf Sardinien und die Alcan Inc. in der Region Gardanne. Tonerdehersteller gibt es auch in Deutschland, in Spanien, in Griechenland, in Ungarn und im Vereinigten Königreich.

Mit den europäischen Rechtsvorschriften1, die seit 1992 in Kraft sind, werden die Verbrauchsteuern auf Mineralöle harmonisiert und wird ein Mindestverbrauchsteuersatz für schweres Heizöl festgelegt; zugleich wird der Rat ermächtigt, den Mitgliedstaaten zu gestatten, weitere Befreiungen von der harmonisierten Verbrauchsteuer zu gewähren.

Auf dieser Grundlage gewährten einige Mitgliedstaaten – Irland, Italien und Frankreich – ab 1983, 1993 bzw. 1997 Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die für die Tonerdegewinnung verwendet wurden. Der Rat genehmigte diese Befreiungen und verlängerte sie bis zum 31. Dezember 20062.

Die Kommission stellte später jedoch fest, dass diese Maßnahmen den begünstigten Unternehmen einen Vorteil verschafften – weil sie aus staatlichen Mitteln finanziert worden seien –, selektiv seien, den Wettbewerb verfälschten und den Binnenmarkt beeinträchtigten. Sie erließ daher 2005 eine Entscheidung3, der zufolge die von Frankreich, Irland und Italien (bis zum 31. Dezember 20034) gewährten Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf schwere Heizöle, die zur Tonerdegewinnung verwendet werden, staatliche Beihilfen5 darstellten. Die Kommission entschied allerdings, dass die bis zum 2. Februar 20026 gewährten Beihilfen zwar mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, aber nicht zurückzufordern seien, da eine Rückforderung gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen würde7. Die vom 3. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 gewährten Beihilfen seien hingegen insoweit mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, als die Begünstigten keinen Steuersatz von 13,01 Euro je 1 000 kg schweres Heizöl (Mindestsatz gemäß den Rechtsvorschriften von 1992) gezahlt hätten; die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, sie von den Empfängern zurückzufordern.

Frankreich, Irland und Italien erhoben 2006 beim Gericht Klage; dieses erklärte die Entscheidung der Kommission von 2005 wegen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht für nichtig8.

Auf das von der Kommission eingelegte Rechtsmittel hin hob der Gerichtshof9 im Jahr 2009 das Urteil des Gerichts wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und wegen Verletzung der Verteidigungsrechte auf und verwies die Rechtssachen an das Gericht zurück.

Über diese Rechtssachen entscheidet das Gericht heute. Die Kläger machen geltend, die Kommission habe die Rechtswirkungen der Entscheidungen des Rates zunichte gemacht, mit denen die Mitgliedstaaten ermächtigt worden seien, die Befreiungen bis zum 31. Dezember 2006 zu gewähren; sie habe dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.

Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit die Voraussehbarkeit der unter das Unionsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten soll. Hierzu ist es wesentlich, dass die Unionsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte wahren und Widersprüche zwischen den verschiedenen Bestimmungen, die sie erlassen, vermeiden.

Mit den Vorschriften zur Harmonisierung der Steuervorschriften und den Bestimmungen über staatliche Beihilfen wird ein und dasselbe Ziel verfolgt, nämlich die Förderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts durch Bekämpfung u. a. von Wettbewerbsverzerrungen. In Anbetracht dieses gemeinsamen Ziels ist bei der kohärenten Durchführung dieser verschiedenen Vorschriften davon auszugehen, dass der Begriff der Wettbewerbsverzerrung im Bereich der Harmonisierung der nationalen Steuervorschriften und im Bereich der staatlichen Beihilfen dieselbe Tragweite und Bedeutung hat. Die Unionsorgane müssen bei der Entscheidung, ob sie eine Befreiung von der harmonisierten Verbrauchsteuer gewähren, daher kohärent beurteilen, ob eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt.

Wenn die Kommission eine solche Wettbewerbsverzerrung feststellt, hat sie dem Rat vorzuschlagen, die Befreiung nicht zu genehmigen oder sie zu entziehen oder abzuändern – was sie im vorliegenden Fall nicht getan hat. Im Übrigen hätte sie auch die Unionsgerichte anrufen können, um prüfen zu lassen, ob diese Befreiung im Rahmen des Funktionierens des Binnenmarkts zu einer Wettbewerbsverzerrung führt, und hätte die Nichtigerklärung der Entscheidung des Rates beantragen können.

Solange die Entscheidung des Rates in Kraft war und weder geändert noch für nichtig erklärt worden war, durfte die Kommission die streitigen Befreiungen jedenfalls nicht als staatliche Beihilfen einstufen, da dies zu einer widersprüchlichen Durchführung der Vorschriften zur Harmonisierung der Steuervorschriften und der Bestimmungen im Bereich staatlicher Beihilfen führte und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstieß.

Das Gericht erklärt die Entscheidung der Kommission daher insoweit für nichtig, als sie auf der Feststellung beruht, dass die von Frankreich, Irland und Italien gewährten Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden, staatliche Beihilfen darstellen, und mit ihr angeordnet wird, dass die Mitgliedstaaten sie von ihren Empfängern zurückzufordern haben, soweit diese nicht eine Verbrauchsteuer von 13,01 Euro je 1 000 kg schweres Heizöl gezahlt haben.

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HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
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1Richtlinien 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. L 316, S. 12) und 92/82/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle (ABl. L 316, S. 19).
2Zuletzt mit der Entscheidung 2001/224 des Rates vom 12. März 2001 (ABl. L 84, S. 23).
3Entscheidung 2006/232/EG der Kommission vom 7. Dezember 2005 über die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in den Regionen Gardanne und Shannon und auf Sardinien verwendet werden, durch Frankreich, Irland und Italien (ABl. 2006, L 119, S. 12)
4Aufgrund der wesentlichen Änderungen der gemeinschaftlichen Besteuerung von Energieerzeugnissen durch die Richtlinie 2003/96/EWG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51), mit der die Richtlinie 92/82 mit Wirkung zum 31. Dezember 2003 aufgehoben wurde, beschränkte die Kommission ihre Entscheidung auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2003.
5Im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG.
6Dem Tag, an dem die Entscheidungen der Kommission über die Einleitung eines Verfahrens wegen der Befreiungen im Amtsblatt veröffentlicht wurden (Entscheidung 2006/323/EG, 101. Erwägungsgrund).
7Im Übrigen hatte die Kommission für die Zeit vor dem 17. Juli 1990 im Bereich der Rückforderung keine Befugnisse mehr.
8Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Irland u. a./Kommission (Rechtssachen T-50/06, T-56/06, T-62/06, T-62/06 und T-69/06).
9Urteil des Gerichtshofs vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland (Rechtssache C-89/08 P).
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