Das Gericht erklärt den Beschluss der Kommission über die staatliche Beihilfe, die Ungarn der Erdölgesellschaft MOL gewährt habe, für nichtig
Es gibt keinen Nachweis dafür, dass dieses Unternehmen hinsichtlich der Zahlung von Fördergebühren gegenüber seinen Wettbewerbern begünstigt wurde
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MOL ist ein ungarisches Öl- und Gasunternehmen, das u. a. in Ungarn Kohlenwasserstoffe gewinnt.
Nach dem ungarischen Bergbaugesetz müssen im Besitz einer Genehmigung befindliche Förderunternehmen für die Gewinnung von Kohlenwasserstoffen, Rohöl und Erdgas eine Fördergebühr an den Staat zahlen. Bis 2008 war die Gebühr grundsätzlich auf 12 % des Wertes der gewonnenen Bodenschätze festgelegt.
Im September 2005 beantragte MOL die Verlängerung ihrer Förderrechte für zwölf Kohlenwasserstofffelder, für die Genehmigungen bestanden und auf denen die Förderung noch nicht begonnen hatte. Durch einen im Dezember 2005 unterzeichneten Vertrag verlängerten MOL und der ungarische Staat die Frist für den Beginn der Förderung auf diesen zwölf Feldern um fünf Jahre und setzen die Verlängerungsgebühr, die nach dem Bergbaugesetz höher sein musste als die Grundgebühr, für jedes dieser fünf Jahre auf Prozentsätze zwischen 12,24 und 12,6 % fest. Außerdem dehnten die Vertragsparteien die Geltung dieser Gebühr für einen Zeitraum von fünfzehn Jahren auf alle Förderfelder der MOL aus, auf denen bereits mit Genehmigung gefördert wurde, d. h. auf 44 Kohlenwasserstofffelder und 93 Erdgasfelder, was in Bezug auf diese Felder eine erhöhte Fördergebühr darstellt. Darüber hinaus sah der Vertrag die Zahlung einer einmaligen Gebühr in Höhe von 20 Milliarden ungarischer Forint (ungefähr 68 Millionen Euro) vor.
Im Jahr 2007 wurde das Bergbaugesetz geändert und die Fördergebühr mit Wirkung zum 8. Januar 2008 grundsätzlich auf 30 % erhöht. Diese Erhöhung fand jedoch keine Anwendung auf die Förderfelder der MOL, für die weiterhin die im Vertrag von 2005 festgelegten Gebührensätze galten.
Im Juni 2010 erließ die Kommission einen Beschluss
1, mit dem sie feststellte, dass die Festlegung der Fördergebühr für MOL im Vertrag von 2005 in Verbindung mit der Erhöhung der für ihre Wettbewerber geltenden Fördergebühr eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstelle. Die Kommission forderte Ungarn daher auf, diese Beihilfe, die sich für 2008 auf 28 444,7 Millionen Forint (ungefähr 96,6 Millionen Euro) und für 2009 auf 1 942,1 Millionen Forint(ungefähr 6,6 Millionen Euro) belaufen habe, von MOL zurückzufordern.
MOL erhob beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission.
In seinem Urteil stellt das Gericht zunächst fest, dass das Bergbaugesetz es jedem Unternehmen dieses Sektors ermöglicht, die Verlängerung seiner Förderrechte für ein oder mehrere Förderfelder zu beantragen, auf denen es nicht innerhalb der Frist von fünf Jahren ab Erteilung der Genehmigung mit der Förderung begonnen hat. Das Gericht erklärt in diesem Zusammenhang, dass der Umstand, dass MOL de facto das einzige Unternehmen war, das im Kohlenwasserstoffsektor einen Verlängerungsvertrag geschlossen hat, diese Feststellung nicht in Frage stellt. Dieser Umstand lässt sich nämlich mit einem mangelnden Interesse der anderen Unternehmen und somit dem Unterbleiben von Verlängerungsanträgen oder einer fehlenden Einigung zwischen den Parteien über die Höhe der Verlängerungsgebühr erklären. Da die im Bergbaugesetz für den Abschluss eines Verlängerungsvertrags festgelegten Kriterien objektiv sind und für alle diese Kriterien erfüllenden potenziell interessierten Unternehmen gelten,
hat der Abschluss des Vertrags von 2005 auf der Grundlage dieses Gesetzes MOL nicht gegenüber ihren Wettbewerbern begünstigt.
Der Umstand, dass die ungarischen Behörden bei der Festlegung der Höhe der Verlängerungsgebühr über einen Ermessensspielraum verfügen, bedeutet außerdem nicht, dass bestimmte Unternehmen daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen könnten. Ein solcher Ermessensspielraum kann nämlich durch verschiedene Faktoren gerechtfertigt sein, etwa die Zahl der Förderfelder, für die die Verlängerung begehrt wird, und ihre geschätzte Bedeutung im Verhältnis zu den Feldern, auf denen bereits gefördert wird. Der im Bergbaugesetz vorgesehene Ermessensspielraum ermöglicht es der Verwaltung somit, die Gleichbehandlung der Unternehmen, je nachdem, ob sie sich in gleichen oder ungleichen Lagen befinden, zu wahren, indem sie ihre Vorschläge hinsichtlich der Gebühren den Eigenheiten des jeweiligen Verlängerungsantrags anpasst.
Es ist daher nicht unlogisch, wenn der Prozentsatz der Verlängerungsgebühr und gegebenenfalls auch der der erhöhten Fördergebühr – für Förderfelder, für die die Frist für den Beginn der Förderung verlängert wird, bzw. für Felder, auf denen bereits gefördert wird – höher sind, wenn die Zahl der Förderfelder, für die eine Verlängerung begehrt wird, im Verhältnis zur Zahl der Felder, auf denen bereits gefördert wird, bedeutend ist. Ebenso kann der Gebührensatz niedriger sein, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Zahl der Förderfelder, für die eine Verlängerung begehrt wird, nur einem geringen Teil der Felder entspricht, auf denen bereits gefördert wird. Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass
die Kommission diesen relevanten Aspekt des Vertrags von 2005
nicht geprüft hat.
Das Gericht stellt ferner fest, dass es in Ungarn weitere Verlängerungsverträge im Sektor der festen mineralischen Rohstoffe gibt, die bei der Beurteilung des Vertrags von 2005 hätten berücksichtigt werden müssen. Die Kommission hat diese Verträge jedoch nicht berücksichtigt.
Im Übrigen führt das Gericht aus, dass die Erhöhung der Gebühren gemäß dem geänderten Bergbaugesetz vor dem Hintergrund einer Erhöhung der Weltmarktpreise für Rohöl stattgefunden hat, d. h. unabhängig vom Abschluss des Vertrags von 2005.
Unter diesen Umständen entscheidet das Gericht, dass die Prüfung der Kommission nicht die Feststellung zulässt,
dass der Vertrag von 2005 MOL zulasten ihrer Wettbewerber wirtschaftliche Vorteile verschafft hat, und erklärt daher den Beschluss der Kommission für nichtig.
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HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.
HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.
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1Beschluss 2011/88/EU über die staatliche Beihilfe C 1/09 (ex NN 69/08) Ungarns zugunsten der MOL Nyrt. (ABl. L 34, S. 55).