Ein Gericht, in dessen Bezirk das Angebot einer CD im Internet zugänglich ist, kann über die Verletzung von in seinem Mitgliedstaat geschützten Urhebervermögensrechten entscheiden
Seine Zuständigkeit ist jedoch auf den Schaden begrenzt, der im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entstanden ist
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung
Nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen
1 ist grundsätzlich das Gericht des Beklagtenwohnsitzes für die Entscheidung über einen Rechtsstreit zuständig. In bestimmten Fällen kann der Beklagte jedoch ausnahmsweise in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden. So kann ein Rechtsstreit über eine unerlaubte Handlung u. a. vor das Gericht gebracht werden, in dessen Bezirk sich der Schadenserfolg verwirklicht hat.
Der von der Cour de cassation (Frankreich) angerufene Gerichtshof hat sich heute zu der Frage geäußert, ob der Urheber eines geschützten Werkes nach dieser Zuständigkeitsregelung eine Klage auf Ersatz des Schadens, der durch das nicht genehmigte Angebot von Vervielfältigungen seines Werkes im Internet entstanden ist, vor die Gerichte seines Wohnsitzstaates bringen kann.
Herr Pinckney, der seinen Wohnsitz in Toulouse (Frankreich) hat, macht geltend, der Autor, Komponist und Interpret von zwölf Liedern zu sein, die von der Gruppe Aubrey Small auf einer Schallplatte aufgenommen wurden. Er entdeckte, dass diese Lieder ohne seine Erlaubnis auf einer in Österreich von einer dort niedergelassenen Gesellschaft gepressten Compact Disc (CD) vervielfältigt und anschließend von britischen Gesellschaften auf verschiedenen von seinem Wohnsitz in Toulouse aus zugänglichen Websites vertrieben worden waren. Herr Pinckney verklagte diese österreichische Gesellschaft daher beim Tribunal de grande instance de Toulouse auf Schadensersatz wegen Verletzung seiner Urheberrechte.
Die beklagte Gesellschaft bestreitet die Zuständigkeit der französischen Gerichte. Mit dem Rechtsstreit wurde in letzter Instanz die Cour de cassation befasst, die den Gerichtshof um Klärung ersucht, ob unter solchen Umständen davon auszugehen ist, dass sich der Schadenserfolg in dem Mitgliedstaat verwirklicht, in dem der Urheber seinen Wohnsitz hat, und somit die Gerichte dieses Staates zuständig sind.
In seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass in Fällen von Verletzungen, die über das Internet begangen werden und sich daher an verschiedenen Orten verwirklichen können, der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in Abhängigkeit von der Natur des verletzten Rechts variieren kann. Auch wenn sich dieser Schadenserfolg nur unter der Voraussetzung in einem bestimmten Mitgliedstaat verwirklichen kann, dass das Recht, dessen Verletzung geltend gemacht wird, dort geschützt ist,
hängt die Bestimmung des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs jedenfalls davon ab, welches Gericht am besten in der Lage ist, die Begründetheit der geltend gemachten Verletzung zu beurteilenNicht erforderlich ist hingegen, dass die zu einem Schaden führende Tätigkeit auf den Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts ausgerichtet war.
Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass
für die Entscheidung über die Geltendmachung einer Verletzung von Urhebervermögensrechten das Gericht des Mitgliedstaats zuständig ist, der die Vermögensrechte schützt, auf die sich der Anspruchsteller beruft, und in dessen Bezirk sich der Schadenserfolg zu verwirklichen droht. Diese Gefahr kann sich insbesondere aus der Möglichkeit ergeben, sich über eine im Bezirk des angerufenen Gerichts zugängliche Website eine Vervielfältigung des Werkes zu beschaffen, an das die Rechte geknüpft sind, auf die sich der Anspruchsteller beruft. Sofern hingegen der vom Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts gewährte Schutz nur für das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gilt,
ist das angerufene Gericht nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verursacht worden ist, zu dem es gehört.
-----------------
HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
------------------
1Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).