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Pressemitteilung
C-645/11;
Verkündet am: 
 11.04.2013
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-645/11
Leitsatz des Gerichts:
Die Verordnung ist jedoch im konkreten Fall nicht auf Beklagte mit Wohnsitz außerhalb der Union anwendbar, auch wenn sie gemeinsam mit Beklagten, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, verklagt werden
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Herr Julius Busse war Eigentümer eines Grundstücks im früheren Ostteil von Berlin. Er wurde vom NS-Regime verfolgt und musste im Jahr 1938 sein Grundstück an einen Dritten verkaufen. Dieses Grundstück wurde später durch die Deutsche Demokratische Republik enteignet und im Rahmen einer Flurbereinigung mit weiteren Grundstücken dieses Staates zusammengelegt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Gesamtareal Eigentum teils des Landes Berlin, teils der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 1990 beantragten mehrere Rechtsnachfolger von Herrn Busse, von denen einige (u. a. Frau Sapir) in Israel und andere im Vereinigten Königreich oder in Spanien wohnen, die Rückübertragung des früher Herrn Busse gehörenden Teils des Areals1.

Im Jahr 1997 verkauften das Land Berlin und die Bundesrepublik Deutschland jedoch das Gesamtareal2, so dass die Rückübertragung unmöglich wurde und die Rechtsnachfolger lediglich den auf sie entfallenden Teil des Verkaufserlöses ausgekehrt bekommen konnten. Bei der Auszahlung dieses Betrags unterlief dem Land Berlin ein Fehler. Es überwies dem mit der Vertretung der Rechtsnachfolger des früheren Eigentümers beauftragten Rechtsanwalt versehentlich den Gesamtkaufpreis, den dieser sodann unter ihnen verteilte. Vor dem Landgericht Berlin fordert das Land Berlin jetzt von diesen Personen den zu viel gezahlten Betrag zurück, den es auf 2,5 Mio. Euro beziffert.

Die Rechtsnachfolger sind dieser Rückforderung entgegengetreten und machen geltend, dem Landgericht Berlin fehle die internationale Zuständigkeit für die Entscheidung über die Klage gegen die im Vereinigten Königreich, in Spanien und in Israel wohnhaften Beklagten. Im Übrigen könnten sie eine über den ihnen am Verkaufserlös zustehenden Anteil hinausgehende Zahlung verlangen, weil der Verkaufserlös des ehemals Herrn Busse gehörenden Grundstücks geringer sei als dessen Verkehrswert. Die deutschen Gerichte haben in erster Instanz und in der Berufungsinstanz die Ansicht vertreten, dass ihnen nach dem Unionsrecht3 die internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über die in Deutschland erhobene Klage gegen die im Vereinigten Königreich, in Spanien und in Israel wohnhaften Beklagten fehle. Dieser Rechtsstreit sei keine Zivilsache im Sinne der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit4, sondern falle unter das öffentliche Recht, auf das die Verordnung nicht anwendbar sei. Wegen dieser Frage hat sich der letztinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Bundesgerichtshof an den Gerichtshof gewandt.

Der Gerichtshof stellt in seinem heutigen Urteil zunächst fest, dass die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit auf die Klage einer öffentlichen Stelle anwendbar ist, die nach dem Verkauf eines Grundstücks, das zuvor Gegenstand einer Enteignung durch ein totalitäres Regime war, den Rechtsnachfolgern des früheren Eigentümers versehentlich einen zu hohen Betrag ausgezahlt hat und dessen teilweise Erstattung verlangt.

Der Gerichtshof führt hierzu aus, dass die vom Land Berlin erhobene Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung zivilrechtlicher Natur ist und nicht mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch das Land zusammenhängt. Der Wiedergutmachungsanspruch, der der Klage gegen die Rechtsnachfolger von Herrn Busse zugrunde liegt, stützt sich auf nationale Bestimmungen zur Entschädigung der Opfer des NS-Regimes, die dieselbe Entschädigungspflicht vorschreiben, ohne danach zu unterscheiden, ob der Eigentümer des belasteten Grundstücks eine Privatperson oder eine staatliche Stelle ist. Zudem genießt dieser Eigentümer bei der Festsetzung der Restitutionsansprüche des Geschädigten keine Sonderrechte in Bezug auf die Entscheidung.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass nach der Verordnung eine enge Beziehung zwischen den Klagen gegen mehrere Beklagte besteht, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten haben und sich unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auf weitergehende Wiedergutmachungsansprüche berufen, über die einheitlich entschieden werden muss.

Diese Regel ist jedoch nicht auf Beklagte mit Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebiets der Union anwendbar, auch wenn sie gemeinsam mit Personen verklagt werden, die ihren Wohnsitz innerhalb der Union haben.

Die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit sieht nämlich vor, dass ein Mitbeklagter nur dann vor einem Gericht eines Mitgliedstaats wegen des Bestehens einer engen Beziehung zwischen den Klagen gegen mehrere Beklagte verklagt werden kann, wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat. Außerdem ist die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten zwischen Personen mit Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebiets der Union in der Verordnung ausdrücklich und abschließend dahin gehend geregelt, dass sie sich, mit bestimmten Ausnahmen, in jedem Mitgliedstaat nach dessen nationalen Gesetzen richtet.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1 Sie stützten sich auf das Vermögensgesetz, das die vermögensrechtlichen Ansprüche wegen entschädigungsloser Enteignung und Überführung in Volkseigentum regelt und u. a. auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern anzuwenden ist, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben. Dieses Gesetz sieht vor, dass die enteigneten und in Volkseigentum überführten Vermögenswerte an die Berechtigten zurückzuübertragen sind.
2Auf der Grundlage des Investitionsvorranggesetzes, das eine Ausnahme von den genannten Grundsätzen vorsieht, damit in den neuen Bundesländern erforderliche Investitionen getätigt und Grundstücke, für die Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz angemeldet wurden, verkauft werden können.
3Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
4Insbesondere im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001.
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).
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