Text des Urteils
4 Sa 97/11;
Verkündet am:
18.08.2011
LAG Landesarbeitsgericht
München
Vorinstanzen:
36 Ca 14711/09
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Masseschuld, Bonus
Leitsatz des Gerichts:
§§ 55 Abs. 1, 38 InsO
Ein in einer Betriebsvereinbarung geregelter Anspruch auf Zahlung eines jährlichen „Incentive-Bonus” ist aufgrund der vorliegenden Umstände - als Bestandteil des vertraglichen Gesamtjahresgehaltes, festgelegtem anteiligen Anspruch bei unterjährigem Ein- und Austritt und seiner Behandlung durch die Arbeitsvertragsparteien - Bestandteil des laufenden Gehalts, das damit monatlich entsteht und aus diesem Grund als anteiliger Anspruch für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin lediglich Insolvenzforderung, keine Masse-verbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO ist. (Insolvenzverfahren H.)
In dem Rechtsstreit
E.
E-Straße, E-Stadt
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte F.
F-Straße, E-Stadt
gegen
Dr. G. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H.
G-Straße, E-Stadt
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte G.
H-Straße, E-Stadt
Streitverkündete:
1. A., A-Straße, A-Stadt
2. C., C-Straße, C-Stadt
Prozessbevollmächtigte:
zu 1-2: Rechtsanwälte B.
B-Straße, B-Stadt
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie den ehrenamtlichen Richter Brandhuber und die ehrenamtliche Richterin Dr. Karpa für Recht erkannt:
I. Die noch rechtshängige Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16. November 2010 - 36 Ca 14711/09 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6 zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines anteiligen variablen Gehaltsbonus („Incentive-Bonus“) durch den beklagten Insolvenzverwalter über das Vermögen ihrer ehemaligen Arbeitgeberin.
Die Klägerin war bei der H. - wohl zuvor bereits bei der I. als (ehemaliger) Muttergesellschaft der H. - als, so die Angaben des Beklagten, „Senior Manager Marketing Operations“ beschäftigt. Die Klägerin hatte unstreitig Anspruch auf ein Jahreszieleinkommen von zuletzt 80.360,-- € brutto, das sich aus einem Jahresgrundgehalt von 63.360,-- € brutto, entsprechend einem Monatsentgelt von 5.280,-- € brutto, und einem jährlichen Bonus („Incentive-Bonus“) von 17.000,-- € brutto bei einhundertprozentiger Erreichung jährlich festzulegender Ziele für das volle Geschäftsjahr (01.10. bis 30.09. des Folgejahres) zusammensetzte. Nachdem die H. am 23.01.2009 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt hatte, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts E-Stadt - Insolvenzgericht - vom selben Tag zunächst die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet (Kopie dieses Beschlusses, Anl. B1, Bl. 47/48 d. A.) und mit weiterem Beschluss desselben Gerichts vom 01.04.2009 (Anl. B2, Bl. 49 bis 51 d. A.) mit Wirkung vom selben Tag das (Haupt-)Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. eröffnet und der Beklagte zum (endgültigen) Insolvenzverwalter bestellt. Dieser kündigte mit Schreiben ebenfalls vom 01.04.2009 (auszugsweise: Anl. K1, Bl. 8 d. A.) das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.07.2009 und stellte diese gleichzeitig unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits waren zunächst auch Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines zusätzlichen „Retention Payment“, das ihr mit Schreiben vom 21.10.2008 (Anl. K4, Bl. 11 d. A.) „zum 30. September 2009“ in Höhe eines einmaligen Betrages von 44.350,-- € brutto unter der Voraussetzung zugesagt worden war, dass sie ihr Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht von sich aus gekündigt habe. Hierüber haben die Parteien im Berufungsverfahren zuletzt einen Teilvergleich geschlossen, der mit gerichtlichem Beschluss vom 14.07.2011 (Bl. 631/632 d. A.) im Wege des § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde.
Im Berufungsverfahren rechtshändig ist noch die weitere Forderung der Klägerin auf einen anteiligen Bonus („Incentive-Bonus“), für dessen Zahlung nach übereinstimmendem Vorbringen der Parteien die Bestimmungen der „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der I. (ÜT-Bonus) (vom 21.06.2005) in der Fassung des ersten Nachtrags vom 28.06.2006“ (Anl. B21, Bl. 82 bis Bl. 90 d. A.) bzw. - inhaltlich damit im Wesentlichen übereinstimmend - die „Betriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der H. (ÜT-Bonus)“ vom 16.11.2006 (Anl. B43, Bl. 546 bis Bl. 553 d. A.) maßgeblich sind. Hiernach haben die Arbeitnehmer, auch bei unterjährigem Ein- oder Austritt, ebenso bei Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Insolvenzschuldnerin, einen – ggf. anteiligen - Anspruch auf den jeweiligen Bonus zeitanteilig zur Zeitdauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses innerhalb des Geschäftsjahres (dort Ziff. 11). Bonuszielvereinbarungen sind hiernach jeweils bis spätestens 01.12. des laufenden Geschäftsjahres abzuschließen, wobei die Feststellung des Zielerreichungsgrades der individuellen Ziele „ ... bis spätestens 31.12. des auf die Zielvereinbarungsperiode folgenden Geschäftsjahres zu erfolgen“ hatte. Mit Schreiben der Insolvenzschuldnerin vom 20.04.2009 (Anl. K3, Bl. 10 d. A.) wurde den Arbeitnehmernunter dem Betreff: „Einkommensanpassung zum 01.04.2009“ mitgeteilt, dass mit Wirkung zum 01.04.2009, u. a., auch der „Variable Anteil für übertarifliche (ÜT) und Führungskreis-Mitarbeiter“ monatlich mit 1/12 als fixer Einkommensbestandteil auf Basis des Einhundert-Prozent-Wertes gelten solle.
Die Klägerin macht nunmehr noch den Anspruch auf Zahlung eines anteiligen „Incentive-Bonus“ für den sechsmonatigen Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 im Umfang des hälftigen Jahresbetrages hierzu (8.500,-- € brutto bzw. 8.500,02 € brutto, wie insoweit eingeklagt) geltend, wobei der Streit im Wesentlichen darum geht, ob es sich hierbei um eine, vom Beklagten damit vollständig zu erfüllende, Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO handelt - so die Klägerin - oder lediglich um eine einfache Insolvenzforderung gemäß §§ 38, 87 InsO - so der Beklagte -.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts hinsichtlich des noch streitgegenständlichen Anspruches auf Zahlung des „Incentive-Bonus“ im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug hierzu wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 16.11.2010, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.12.2010 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Klage - auch - insoweit mit der Begründung abgewiesen hat, dass dieser Anspruch, als Schadensersatzanspruch aufgrund unterlassener Zielvereinbarung, mangels Vorliegens einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht bestehe. Diese Regelung erfasse Verbindlichkeiten noch nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge, damit auch Lohn- und Gehaltsansprüche aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach Verfahrenseröffnung. Bei der Einordnung als Masse- oder Insolvenzforderung sei entscheidend, ob der geltend gemachte Anspruch vor oder nach der Insolvenzeröffnung entstanden sei, wobei auch maßgeblich sei, ob es sich um eine Leistung mit Entgeltcharakter - wie hier - handle. Bereits die vorliegende arbeitsvertragliche Regelung zeige, dass die jährliche Bonuszahlung Teil des Jahreszieleinkommens der Klägerin und damit Teil ihrer vertraglichen Vergütung gewesen sei, wie dies die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28.06.2006 vorgesehen habe. Damit habe es sich um Entgelt für Arbeitsleistung gehandelt, was sich weiter an der Regelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung zum anteiligen Bonusanspruch bei einem Arbeitsplatzwechsel zeige. Entstehe somit der Bonusanspruch mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen sei, sei die streitgegenständliche Bonusforderung keine Masseverbindlichkeit und die Klage damit (auch) insoweit unbegründet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom (Monat, den) 24.01.2011, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung sie mit, wiederum am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem, Schriftsatz vom 21.02.2011 insoweit ausgeführt hat, dass das Arbeitsgericht zwar zutreffend davon ausgehe, dass der vertragliche Bonusanspruch als Teil des Jahrszieleinkommens der Klägerin und damit Teil ihrer vertraglichen Vergütung eine Leistung mit Entgeltcharakter darstelle, jedoch die weitere Auffassung des Arbeitsgerichts unzutreffend sei, dass dieser Bonusanspruch jeweils zum Monatsletzten entstanden sei. Beim variablen Gehaltsbonus habe es sich um einen jährlichen Bonusanspruch bei Erreichen festgelegter Ziele im Bemessungszeitraum gehandelt, wobei die Ziele so formuliert hätten werden müssen, dass der Erfolg am Ende des Geschäftsjahres messbar sei. Der Anspruch lasse sich damit gerade nicht einzelnen Monaten zuordnen. Selbst wenn sich die vorgegebenen Ziele monatlichen Zieletappen unterordnen liessen, würde die Entstehung des „Incentive-Bonus“ nicht zwangsläufig die jeweils monatliche einhundertprozentige Erreichung dieser einzelnen Etappen voraussetzen - die „Schlussrechnung“ werde vielmehr erst am Ende des Geschäftsjahres gemacht, wo die vorgegebenen Ziele zu einhundert Prozent erreicht hätten werden müssen, um den vollen Bonus zu erhalten. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der variable Gehaltsanteil ab April 2009 zu 1/12 monatlich auf Basis des einhundertprozentigen Wertes als fixer Einkommensbestandteil ausbezahlt worden sei, da der Schuldner grundsätzlich vor Fälligkeit, sogar vor Entstehung eines Anspruches, leisten könne, wie hier geschehen. Nur ausnahmsweise im Falle eines unterjährigen Aus- oder Eintritts hätte hier der Anspruch zeitanteilig ausbezahlt werden müssen, wobei es sich jedoch um eine reine Billigkeitsregelung gehandelt habe. Obwohl die Klägerin mit Ablauf des 31.07.2009 und damit im vierten Quartal des Geschäftsjahres ausgeschieden sei, wäre nach der (Gesamt-)Betriebsvereinbarung der Gesamtzielerreichungsgrad dennoch erst nach dem Ende des Geschäftsjahres mit Ablauf des 30.09. bewertet worden. Da somit dieser Anspruch erst mit Ablauf des Geschäftsjahres zum 30.09.2009 entstanden bzw. erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2009 festgestanden sei, welche Ziele die Klägerin tatsächlich innerhalb der Periode = des Geschäftsjahres erreicht habe, sei jeder dieser Zeitpunkte in den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefallen, weshalb es sich bei diesem Anspruch um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO handle.
Die Klägerin beantragt noch:
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16.11.2010, zugestellt am 22.12.2010, Az. 36 Ca 14711/09, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen betrag in Höhe von EUR 8.500,02 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte trägt zur Begründung seines Antrages auf Zurückweisung der Berufung vor, dass der Bonusanspruch der Klägerin - als allerdings Leistung mit Entgeltcharakter - in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Erstgerichts während des maßgeblichen Geschäftsjahres bereits monatlich jeweils zum Monatsletzten entstanden sei, weil sich der Bonus als Gegenleistung für die Arbeitsleistung den einzelnen Monaten zuordnen lasse. Die Rechtsansicht der Klägerin, dass der Bonusanspruch erst zum Ende des Geschäftsjahres entstehe und damit zwangsläufig ein volles Geschäftsjahr voraussetze, sei nicht nachvollziehbar, da die zum 31.07.2009 ausgeschiedene Klägerin damit überhaupt keinen Anspruch auf variable Vergütung erworben hätte. Jedenfalls stelle ein Zielbonus nach einhelliger Ansicht eine besondere Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und damit eine sog. arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung, als laufendes Arbeitsentgelt, dar, das monatlich durch Arbeitsleitung erworben worden und deshalb pro rata temporis am Ende eines Monats zu 1/12 entstanden sei. Dies werde durch die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21.06.2005 bzw. der letzten Betriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich bei der Insolvenzschuldnerin vom 16.11.2006 bestätigt, die jeweils eine anteilige Zahlungsverpflichtung bei Ausscheiden und Eintritt während des Geschäftsjahrs vorsähen. Unerheblich sei, dass gemäß der kollektivrechtlichen Regelungen der Zielbonus erst nach Ablauf des Geschäftsjahres ausgezahlt werden solle, da dies lediglich den Zeitpunkt der Auszahlung (die Fälligkeit) regle und, nachdem die Arbeitsleistung während des Bezugszeitraumes zeitanteilig erbracht worden sei, bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht das Erlöschen des Anspruches auf den bereits erdienten Zielbonus bewirke. Der zeitanteilig erworbene Bonusanspruch könne bei einem unterjährigen Ausscheiden damit nicht entzogen werden. Die Regelung in den Betriebsvereinbarungen zur anteiligen Zahlungspflicht bei unterjährigem Ein- bzw. Austritt lasse sich nur dadurch erklären, dass die Betriebsparteien davon ausgegangen seien, dass der Zielbonus vom Arbeitnehmer monatlich erarbeitet werde und der bereits erdiente Bonusanspruch im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtswirksam entzogen werden könne.
Dies werde dadurch bestätigt, dass die insolvenzrechtliche Abgrenzung zwischen Insolvenz- und Masseforderung im Arbeitsverhältnis nach ständiger Rechtsprechung danach erfolge, wann die dem Anspruch zugrunde liegende Arbeitsleistung erbracht worden sei, wonach sich auch bestimme, inwieweit die Arbeitsleistung der Masse zugute komme und ob für die Insolvenzmasse eine Wertschöpfung durch Arbeitsleistung erfolgt sei. Nur dann, wenn die Insolvenzmasse eine Gegenleistung erhalte, sei es gerechtfertigt, hierfür ein Entgelt aus der Insolvenzmasse zu entrichten - ohne dass es hierbei darauf ankomme, wann der Arbeitnehmer die Zahlung verlangen könne. Dies führe dazu, dass bei einem Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im sog. Blockmodell die Entgeltansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bloße Insolvenzforderungen seien, da von diesem dann keine Gegenleistung in Form von Arbeitsleistung mehr zur Masse erbracht werde. Auch hier habe die Klägerin keine Arbeitsleistung für die Insolvenzmasse erbracht, da sie ab dem 01.04.2009 unwiderruflich freigestellt worden sei. Mit dem Zielbonus begehre die Klägerin ein Entgelt, das sie vollständig in der vor Insolvenzeröffnung liegenden Phase erdient habe, weshalb es sich hier nur um eine Insolvenzforderung gemäß der §§ 38, 87 und 108 Abs. 3 InsO handeln könne, weil von der Schuldnerin auch das die Schadensersatzpflicht auslösende Ereignis - der Nichtabschluss einer neuen Zielvereinbarung - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verursacht worden sei, weshalb es an einem Anknüpfungspunkt für einen nach der Insolvenzeröffnung erfolgte Handlung oder Unterlassung und damit am charakteristischen Merkmal einer Masseschuld nach §§ 53 f InsO fehle.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug hierzu im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 21.02.2011 (Bl. 440 f d. A.), vom 16.03.2011 (Bl. 473 f d. A.) vom 06.04.2011 (Bl. 576 f d. A.) und vom 07.04.2011 (Bl. 600 f d. A.), nebst der jeweils vorgelegten Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, soweit noch rechtshängig, hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung der Klägerin ist insoweit unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zureffend entschieden, dass sie mangels Vorliegens einer insolvenzrechtlichen Masseschuld keinen Anspruch auf Zahlung des anteiligen „Incentive-Bonus“ für den halbjährigen Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der H. als ihrer Arbeitgeberin und nunmehrigen Insolvenzschuldnerin am/zum 01.04.2009, auch nicht als Schadensersatzanspruch, hat.
1. Nachdem hier unstreitig nicht gemäß der - maßgeblichen - Regelungen der „Betriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der H. (ÜT-Bonus)“ vom 16.11.2006 bis zum 01.12.(2008) des Geschäftsjahres (01.10.2008 bis 30.09.2009) eine neue Zielvereinbarung („im Rahmen des STEPS-Prozesses“, dort Ziffer 9.3) abgeschlossen wurde - die Insolvenzschuldnerin ihrer Rechtspflicht aus dieser Betriebsvereinbarung damit nicht genügt hat –, kann ein Bonusanspruch nach ständiger Rechtsprechung des BAG, auf die beide Parteien sich auch beziehen, nur in Form eines entsprechenden Schadensersatzanspruches bestehen (§§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 Satz 1, 249, 252 BGB; vgl. BAG, U. v. 12.05.2010, 10 AZR 390/09, AP Nr. 9 zu § 280 BGB = NZA 2010, S. 1009 f; BAG, U. v. 10.12.2008, 10 AZR 889/07, und BAG, U. v.12.12.2007, 10 AZR 97/07, AP Nrn. 8 und 7 zu § 280 BGB).
Der Höhe nach ist ein solcher Anspruch für das Geschäftsjahr 2008/2009, auch als Schadensersatzanspruch, im Umfang einer grundsätzlich einhundertprozentigen Zielerreichungsquote, somit in Höhe von 17.000,-- € brutto für das gesamte Geschäftsjahr 2008/2009 bzw. hälftig für das hier streitgegenständliche erste Halbjahr dieses Geschäftsjahres (8.500,-- €), nicht streitig.
2. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 stellt keine Masseverbindlichkeit i. S. d § 55 InsO dar, die den Beklagten als Insolvenzverwalter allein verpflichten könnte.
Weder liegt eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor - hier handelt es sich unzweifelhaft - auch unstreitig - nicht um ein vom Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Tätigkeit begründetes Arbeitsverhältnis oder eine ähnliche Verbindlichkeit - noch eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Hiernach sind Masseverbindlichkeiten Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Hierunter fallen alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern durch den Insolvenzverwalter nach der Verfahrenseröffnung erwachsen, und zwar in der Höhe, die sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag ergibt, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben, unabhängig auch davon, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt. Diese Regelung soll sicherstellen, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, dafür auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse sich nicht auf seine Kosten bereichert. Maßgeblich ist somit, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist. Weiter ist entscheidend, ob es sich bei der Zahlungsforderung des Arbeitnehmers um eine Leistung mit Entgeltcharakter handelt (vgl. nur BAG, U. v. 27.09.2007, 6 AZR 975/06, AP Nr. 5 zu § 38 InsO; BAG, U. v. 19.07.2007, 6 AZR 1087/06, AP Nr. 14 zu § 55 InsO, jeweils m. w. N.).
a) Dass der Anspruch auf Zahlung des „Incentive-Bonus“, auch als Schadensersatzanspruch, wie erforderlich eine Leistung mit Entgeltcharakter darstellt, ist wiederum auf der Hand liegend und zwischen den Parteien nicht streitig.
b) Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, waren die streitgegenständlichen anteiligen Ansprüche auf den „Incentive-Bonus“ für das erste Halbjahr des Geschäftsjahres 2008/2009 - den hier streitgegenständlichen Forderungszeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 – in diesem Zeitraum bereits entstanden und stellen deshalb keine Masseverbindlichkeit, sondern damit lediglich einfache Insolvenzforderung i. S. d §§ 87 und 108 Abs. 3 InsO dar:
Hier war der „Incentive-Bonus“ fester Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vergütung der Klägerin und ist deshalb zeitabschnittsweise monatlich entstanden. Die Parteien sind sich einig, dass das jährliche Zielgehalt der Klägerin von 80.360,-- € brutto einen „Incentive-Bonus“ von 17.000,-- € brutto (Jahr) beinhaltete. Bereits dies indiziert, dass der „Incentive-Bonus“ trotz seiner Einmalzahlung – ähnlich einem 13. Monatsgehalt im engeren Sinn - Bestandteil des monatlichen Bruttoentgelts der Klägerin von (80.360,-- € brutto/Jahr : 12 Monate = ca.) 6.700,-- € brutto/Monat darstellen sollte.
Dies wird bestätigt durch das Schreiben der Insolvenzschuldnerin(!) vom 20.04.2009 (Anl. K3, Bl. 10 d. A.), auf das die Klägerin selbst im Klageschriftsatz abhebt, nach dem (u. a.) dieser variable Vergütungsanteil ab 01.04.2009 tatsächlich monatlich in Höhe von jeweils 1/12 des Jahresbetrages (auf Basis dessen Einhundertprozent-Wertes) ausbezahlt werden sollte.
Auch die maßgebliche Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006 zwischen der Insolvenzschuldnerin und ihrem Betriebsrat - somit relevant für das streitgegenständliche Geschäftsjahr 2008/2009 - bestimmte ebenso wie bereits die zunächst angezogene vorherige Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21.06.2005/28.06.2006 bei der I. , dass bei unterjährigem Ein- und Austritt, auch bei Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Unternehmens, während des Geschäftsjahres der (Incentive-)Bonus jeweils zeitanteilig auf der Basis eines einhundertprozentigen Zielerreichungsgrades zu berechnen sein und ausbezahlt werden sollte (dort Ziff. 11).
Ebenso dient die Zielvereinbarung dazu, dass der Arbeitnehmer kontinuierlich die dort definierten Anforderungen erfüllen und die dort fixierte Arbeitsleistung erbringen muss. Dies gilt auch dann, wenn für die Höhe der Bonuszahlung letztlich die Zielerreichungsquote des Geschäftsjahres maßgeblich sein sollte: Entstanden – was maßgeblich ist – sind die einzelnen Ansprüche auf Zahlung des anteiligen Incentive-Bonus jeweils mit Ablauf des einzelnen Beschäftigungsmonats.
Dies lässt zumindest zusammengenommen nur den Schluss zu, dass der „Incentive-Bonus“ Teil der laufenden Vergütung der Klägerin, keine Einmalzahlung im Sinne etwa einer Gratifikation, einer Jahrestantieme u. ä. - die ggf. auch unabhängig von der Erbringung der Arbeitsleistung geschuldet sind - sein sollte.
c) Damit liegt hinsichtlich des „Incentive-Bonus“ keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO vor, sondern lediglich eine einfache Insolvenzforderung gemäß § 87, 108 Abs. 3 InsO - sodass die Klage und damit die Berufung der Klägerin insoweit unbegründet sind.
III.
Die Klägerin hat damit die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO), wobei bei der Kostenentscheidung näher die im durch Beschluss vom 14.07.2011 festgestellten Teilvergleich vereinbarte Kostenverteilung hinsichtlich des dort erledigten - summenmäßig weit überwiegenden - Streitgegenstandes der Retentionsprämie (Retention Payment: 44.350,-- € brutto) zu berücksichtigen war, weshalb unter Einbeziehung der vorliegenden Entscheidung die anteilige Kostenlast der Beklagten insgesamt noch 1/6 der Gesamtkosten beträgt.
IV.
Die Berufungskammer hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann die Klägerin Revision einlegen.
Für den Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.
Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder
oder
von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de
Burger Brandhuber Dr. Karpa-----------------------------------------------------
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