Text des Urteils
2 Sa 332/11;
Verkündet am:
29.09.2011
LAG Landesarbeitsgericht
München
Vorinstanzen:
2 Ca 1030/09
Arbeitsgericht
Augsburg - Kammer Neu-Ulm -;
Rechtskräftig: unbekannt!
Auch bei einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO muss dem Betriebsrat mitgeteilt werden, welche Arbeitnehmer der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter als vergleichbar mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer angesehen hat
Leitsatz des Gerichts:
§§ 102 BetrVG, 125 InsO, § 3 MTV Bayerische Metallindustrie
1. Auch bei einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO muss dem Betriebsrat mitgeteilt werden, welche Arbeitnehmer der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter als vergleichbar mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer angesehen hat und wie es zu der Auswahlentscheidung gekommen ist. Die Mitteilung der Sozialdaten sämtlicher Mitarbeiter und der allgemeinen Grundsätze zur Sozialauswahl genügt ohne Bezug zum konkreten Arbeitnehmer nicht.
2. § 3 MTV Bayerische Metallindustrie ist so auszulegen, dass bei Kurzarbeit ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur ein Anspruch auf das Entgelt für 26 Wochenstunden besteht (Abs. 5). Abs. 3 ist in einem solchen Fall nicht anzuwenden.
In dem Rechtsstreit
B.
B-Straße, B-Stadt
- Kläger, Berufungskläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte C. und Kollegen,
C-Straße, C-Stadt
gegen
1. F.
als Insolvenzvertreter über das Vermögen der Firma G
E-Straße, C-Stadt
- Beklagter, Berufungsbeklagter und Berufungskläger -
2. Firma D.
D-Straße, D-Stadt
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
zu 1-2: Rechtsanwälte E.
E-Straße, Neu-C-Stadt
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz und die ehrenamtlichen Richter Weise und Schott für Recht erkannt:
I. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 28.02.2011 – Az.: 2 Ca 1030/09 – wie folgt abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung des Beklagten zu 1 vom 09.11.2009 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger als Fertigungsmitarbeiter weiter zu beschäftigen.
3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger folgende Zahlungen zu leisten:
- für November 2009 € 1.418,09 brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.120,46 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus € 297,63 seit 01.12.2009.
- für Dezember 2009, Januar 2010 und Februar 2010 jeweils € 2.191,81 brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von jeweils € 1.527,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus jeweils € 663,91 seit 01.01.2010, 01.02.2010 und 01.03.2010.
4. Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten zu 1 € 773,72 brutto zurückzuzahlen.
Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen der Beklagte zu 1 65%, die Beklagte zu 2 25% und der Kläger 10%. Von den außergerichtlichen Kosten des Kläger im Berufungsverfahren tragen der Beklagte zu 1 65% und die Beklagte zu 2 25%. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 2 im Berufungsverfahren trägt der Kläger jeweils 5%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den Insolvenzverwalter (Beklagten zu 1), die Weiterbeschäftigung des Klägers sowie über Vergütungsansprüche.
Der am 19.2.1971 geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, war seit 17.4.2000 bei der Firma G (Insolvenzschuldnerin) in D-Stadt beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag (Bl. 9 d.A.) regelt sich das Arbeitsverhältnis nach den jeweils gültigen Tarifverträgen. Der Kläger arbeitete als Schweißer und war zuletzt seit 2006 in der Abteilung H (Teilefertigung). Er war eingruppiert in die Lohngruppe 6 b des ERA Entgeltrahmentarifvertrages für die Bayerische Metallindustrie.
Über das Vermögen der Firma G wurde am 30.10.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestimmt. Zuvor war er vorläufiger Insolvenzverwalter. In dieser Eigenschaft verhandelte er mit mehreren potentiellen Interessenten über die Fortführung des Betriebes. Am 26.10. und 30.10.2009 fanden Verhandlungen über einen Interessenausgleich statt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde noch am 30.10.2009 der Interessenausgleich und Sozialplan vom Beklagten zu 1 sowie dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats unterzeichnet. Mit diesem Interessenausgleich sind mehrere Anlagen fest verbunden, u.a. eine Namensliste mit den zu kündigenden Arbeitnehmern (Anlage 6). Nach § 3 des Interessenausgleichs soll das Werk D-Stadt mit 385 aktiven Mitarbeitern fortgeführt werden. Zuvor waren es fast 700 Arbeitnehmer. Im Interessenausgleich heißt es u.a.:
„§ 6 Sozialauswahl
…
Betriebsrat D-Stadt und Insolvenzverwalter sind sich darüber einig, dass die Kündigung der in Anlage 7 bezeichneten Personen aus betrieblichen Erfordernissen notwendig ist und die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl hinreichend berücksichtigt wurden.
Bei der zu treffenden Sozialauswahl wurden auch die Grundsätze des § 125 Abs. 1 Ziff. 2 InsO beachtet, wonach eine ausgewogene Personalstruktur geschaffen werden soll.
…
§ 8 Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG
Dem Betriebsrat D-Stadt wurden im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen Namenslisten übergeben, die folgende Angaben enthielten:
Vorname, Name, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand, Kinder, ausgeübter Beruf und Sonderkündigungsschutz
Ebenfalls in dieser Liste enthalten ist das beabsichtigte Ausscheidedatum.
Dem Betriebsrat wurden die Namenslisten am 28.10.2009 übergeben und mit dem Betriebsrat beraten. Die Bedenken des Betriebsrates wurden soweit möglich mitberücksichtigt.
Die Beratung und die Anhörung zu den beabsichtigten Kündigungen fanden vom 27.10.2009 bis 30.10.2010 statt.
Durch die Unterzeichnung dieses Interessenausgleichs ist die Anhörung der Betriebsräte gem. § 102 BetrVG ebenfalls abgeschlossen. Die Betriebsräte werden zu den Kündigungen keine weiteren Stellungnahmen mehr abgeben.
Die Anhörungen gem. § 102 BetrVG und Beratung mit den Betriebsräten erfolgte an den oben genannten Terminen.“
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende ist zugleich Vorsitzender des Betriebsrats D-Stadt. Mit Schreiben vom 3.11.2009 (Bl. 123 f) wurde der Betriebsrat in D-Stadt vorsorglich zu den beabsichtigten Kündigungen gehört.
Am 12.11.2009 ging der Betrieb auf die neu gegründete Beklagte zu 2 über.
Seit Oktober 2008 wurde bei der Insolvenzschuldnerin bzw. später bei beiden Beklagten kurz gearbeitet. Wegen der Betriebsvereinbarungen hierzu wird auf Bl. 608 bis 612 sowie 731 bis 733 d.A. Bezug genommen. Der Kläger wurde am 6.11.2009 frei gestellt und gebeten sich arbeitslos zu melden. Für November 2011 hat der Kläger € 773,72 brutto erhalten (Abrechnung s. Bl. 613 d.A.).
Der Kläger hat schon erstinstanzlich die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vor seiner Kündigung bestritten und geltend gemacht, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft. Er hat mehrere Arbeitnehmer namentlich genannt, die er für vergleichbar und sozial weniger schutzbedürftig hält. Er habe schon alle Arbeiten im Rahmenbau, in der Fahrgestellmontage die Takte 1, 2 und 7, im Aufbau und in der Koffermontage alle Arbeiten, im Modulbau die Kleinteilemontage und das Ablängen sowie in der Endmontage alle Arbeiten ausgeübt. Die Arbeiten am Prüfstand sowie die übrigen Takte in der Fahrgestellmontage könne er ohne Weiteres erlernen. Dies gelte auch für die anderen noch nicht ausgeführten Arbeiten im Bereich der Montage. Bei der Beklagten sei nicht zwischen Facharbeitern und angelernten Arbeitnehmern unterschieden worden. Für die Monate November 2009 bis Februar 2010 habe er keine Vergütung erhalten.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei durch die schriftliche Kündigung der Beklagtenpartei vom 9.11.2009, zugegangen am 11.11.2009, zum 28.2.2010 nicht aufgelöst worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 28.2.2011 hinaus fortbesteht.
3. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger als Fertigungsmitarbeiter mit einem Gehalt von € 2.934,01 brutto im Monat ab dem 1.11.2009 zu beschäftigen.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei seit dem 1.11.2009 auf der Beklagtenpartei übergegangen ist und mit dieser zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.
Außerdem hat er beantragt, die Beklagten für die Monate November bis Februar 2010 gesamtschuldnerisch zur Zahlung von jeweils € 2.934,01 brutto abzüglich des jeweils erhaltenen und bezifferten Arbeitslosengeldes zu verurteilen.
Die Beklagten haben zur Begründung der Kündigung vorgetragen, hinsichtlich der Sozialauswahl sei dem Betriebsrat in D-Stadt am 29.10.2009 mitgeteilt worden, dass zunächst Obergruppen zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern gebildet worden seien. Bei den gewerblichen Arbeitnehmern sei zwischen Vorarbeitern, Facharbeitern und angelernten Arbeitnehmern unterschieden worden. Hierbei seien jeweils die Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt worden, die der ERA-Tarifvertrag vorsehe. Die jeweils notwendige Anlernzeit sei als Unterscheidungskriterium berücksichtigt worden. Innerhalb der vergleichbaren Gruppen seien dann Altersgruppen in Zehnerschritten gebildet worden. Im Übrigen sei eine Punktebewertung vorgenommen worden, wobei pro Lebensalter ein Punkt, pro Betriebszugehörigkeitsjahr ebenfalls ein Punkt und vier Punkte für jede Unterhaltsverpflichtung vergeben worden seien. Der Kläger habe so 59 Punkte erreicht. Die aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten unverzichtbaren Arbeitnehmer seien zunächst in die Sozialauswahl einbezogen, dann aber wieder herausgenommen worden. Die Arbeitnehmer, auf die sich der Kläger berufe, seien tatsächlich nicht mit ihm vergleichbar. Mit dem Kläger vergleichbar sei nur Herr I. Dieser sei jedoch wesentlich länger beschäftigt als der Kläger und auch älter. Er sei damit schutzwürdiger als der Kläger.
Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei der Kläger lediglich im Rahmen der Kurzarbeit zu entlohnen. Nach § 5 Ziff. 5 MTV stehe ihm nur ein Entgelt auf der Basis von 26 Wochenstunden zu.
Zur Betriebsratsanhörung sowie zur Vergleichbarkeit von Arbeitnehmern, auf die sich der Kläger berufen hat, hat das Arbeitsgericht am 15.2.2011 durch Vernehmung der Zeugen J, K und L Beweis erhoben. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Bl. 452 bis 456 d.A. Bezug genommen.
Mit Endurteil vom 28.2.2011 hat das Arbeitsgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger für November 2009 bis Februar 2010 jeweils € 2.934,01 brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.120,46 für November sowie jeweils € 1.527,90 für Dezember 2009 bis Februar 2010 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Es hat angenommen, die Kündigung des Beklagten zu 1 vom 9.11.2009 habe das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28.2.2010 aufgelöst. Nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO werde vermutet, dass die Kündigung des Klägers durch dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung entgegen stehen, bedingt ist. Der Kläger befinde sich nämlich auf der Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer. Im Übrigen mache der Kläger das Fehlen dringender betrieblicher Erfordernisse nicht geltend.
Die vom Beklagten zu 1 vorgenommene Sozialauswahl sei nicht grob fehlerhaft. Die Vermutenswirkung des § 125 InsO erstrecke sich zwar nicht auf die von den Beklagten angeführte Unterscheidung zwischen gelernten und angelernten Mitarbeitern sowie die behauptete Bildung von Altersgruppen, denn diese Umstände seien im Interessenausgleich nicht wiedergegeben. Nach der glaubwürdigen Aussage des Zeugen J seien diese Umstände jedoch Gegenstand der Gespräche zwischen Gesamtbetriebsrat und Insolvenzverwalter gewesen.
Der Kläger habe zwar Mitarbeiter benannt, die wesentlich jünger sind und im Gegensatz zu ihm keine Unterhaltsverpflichtungen haben. Die vom Kläger angeführten Mitarbeiter M, N, O und P seien jedoch mit ihm nicht vergleichbar, da sie zu einer anderen Altersgruppe gehörten. Die Mitarbeiter Qu, R, S, T, U, V und W seien aufgrund ihrer Ausbildung, Kenntnisse und bisherigen Tätigkeiten nicht mit dem Kläger vergleichbar.
Die Kündigung sei auch nicht wegen einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Der Betriebsrat sei nämlich umfassend nach § 102 BetrVG angehört worden. Aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich sei er über sämtliche Personaldaten des Klägers und über die Kriterien der Sozialauswahl unterrichtet gewesen. Darüber hinaus sei dem Betriebsrat nach der glaubhaften Aussage des Zeugen J auch die tarifliche Eingruppierung des Klägers bekannt gewesen. Nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs sei der Betriebsrat nochmals über die beabsichtigte Kündigung des Klägers informiert worden. Er habe auch gewusst, dass der Insolvenzverwalter mit der Kündigungsfrist des § 113 InsO kündigen wollte.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses, den Prozessbevollmächtigten der Parteien am 3.3.2011 zugestellte Urteil haben alle Parteien am 31.3.2011 Berufung eingelegt. Die Beklagten haben ihre Berufung am 27.4.2011 begründet, der Kläger am 3.6.2011, nachdem die Berufungsbegründungsfrist für ihn bis zum 5.6.2011 verlängert worden war.
Der Kläger hat zunächst geltend gemacht, der Interessenausgleich mit der Namensliste sei formell nicht wirksam geschlossen worden. Er hat bestritten, dass die Anlagen bei Unterzeichnung des Interessenausgleiches fest mit diesem verbunden gewesen seien. Diese Rüge hat er nach Vorlage des Interessenausgleichs nicht aufrechterhalten.
Weiter rügt er, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag zu den bereits von ihm verrichteten Tätigkeiten sowie seinen Kenntnissen. Er trägt vor, für ihn gebe es keine längere Einarbeitungszeit für Tätigkeiten an neuen Arbeitsplätzen als für andere Arbeitnehmer. Hierzu bietet er Zeugenbeweis an. Die Beklagte habe in grob fehlerhafter Weise eine rein abteilungsbezogene Sozialauswahl vorgenommen. Dies ergebe sich aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 3.2.2011, in dem es heiße, ein Austausch zwischen den Abteilungen sei nicht möglich. Die Beklagte habe lediglich die Vergleichbarkeit mit einem Arbeitnehmer (I) angenommen, tatsächlich sei er auch mit dem Arbeitnehmer X vergleichbar. Nach Kenntnis des vollständigen Interessenausgleichs hat der Kläger im Schriftsatz vom 19.9.2011 weitere Arbeitnehmer benannt, die er für vergleichbar und weniger schutzwürdig hält.
Außerdem sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft. Es werde bestritten, dass dem Betriebsrat mitgeteilt wurde, in welche Vergleichgruppe er eingeordnet und mit welchen Arbeitnehmern er verglichen worden sei. Hierzu habe auch der vom Arbeitsgericht vernommene Zeuge J nichts ausgesagt. Die Mitteilung der Sozialdaten sämtlicher Mitarbeiter sei keine ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats.
Der Kläger stellt folgende Anträge:
Unter Abänderung des am 28.2.2011 verkündeten Endurteils des Arbeitsgerichts Augsburg, Aktenzeichen: 2 Ca 1030/09, betreffend die Abweisung der vom Kläger gestellten Anträge wegen der Unwirksamkeit der Kündigung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wird beantragt zu erkennen,
a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei durch die schriftliche Kündigung des Beklagten zu 1 vom 9.11.2009, zugegangen am 11.11.2009, zum 28.2.2010 nicht aufgelöst worden ist.
b) Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Kläger als Fertigungsmitarbeiter mit einem Gehalt von € 2.934,01 brutto im Monat ab dem 1.11.2009 zu beschäftigen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidung des Arbeitsgerichts zur Kündigung sowie zur Weiterbeschäftigung für zutreffend. Es sei keine abteilungsbezogene Sozialauswahl vorgenommen worden. Der Beklagte zu 1 habe durchaus über die Abteilungen verglichen, sei jedoch aufgrund der Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger bzw. auch die anderen gekündigten Mitarbeiter nicht mit Mitarbeitern anderer Abteilungen vergleichbar sind, da sie die Tätigkeiten der anderen Mitarbeiter nicht in einer zumutbaren Anlernzeit erlernen können. Bei der Vergleichgruppenbildung sei die Anlernzeit relevant. Der Kläger sei zwar teilweise in anderen Abteilungen eingesetzt worden, jedoch immer nur als Hilfe. Niemals habe er Arbeiten in anderen Abteilungen selbstständig und eigenverantwortlich erledigt. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, die Tätigkeiten der von ihm benannten Mitarbeiter in einer zumutbaren Anlernzeit zu erlernen. Eine Einarbeitungszeit von drei bis acht Monaten bei einer durchgehenden Produktion sei nicht zumutbar. Im Übrigen hätte eine Einarbeitung des Klägers wegen der Kurzarbeit deutlich länger gedauert.
Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats sei bereits in erster Instanz ausführlich dargelegt und vom Zeugen J bestätigt worden. Zum Zeitpunkt des Interessenausgleichs habe der Betriebsrat sämtliche Sozialdaten der Mitarbeiter gehabt. Außerdem habe er die Eingruppierungen und die Tätigkeiten gekannt. Im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen sei mit dem Betriebsrat bzw. dem Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter ausführlich die Gruppenbildung erörtert worden. Der Betriebsrat kenne sämtlich Arbeitsabläufe und Tätigkeiten in den einzelnen Abteilungen. Der Zeuge J habe dem Gericht die Überlegungen des Betriebsrats mitgeteilt und die eigenen Berechnungen hinsichtlich der ausgewogenen Personalstruktur dargelegt. Nach seiner Aussage sei es erstes Ziel gewesen, die Abteilungen nach einer Kurzarbeit funktionsfähig zu erhalten. Dem Betriebsrat sei zwar nicht bei jedem einzelnen Arbeitnehmer gesagt worden, mit wem er verglichen worden ist. Aufgrund seiner Kenntnisse insbesondere von den Tätigkeitsbeschreibungen, in denen auch die Einarbeitungszeit angegeben sei, habe der Betriebsrat gewusst, dass nur Herr I den gleichen Arbeitsplatz inne hat wie der Kläger. Bei den Verhandlungen habe der Betriebsrat gesagt, wen er für vergleichbar und nicht vergleichbar ansehe.
Zur Begründung ihrer eigenen Berufung trägt die Beklagte vor, bereits bei Ausspruch der Kündigung des Klägers sei er auf Kurzarbeit „Null“ gesetzt gewesen. Die Mitarbeiter hätten lediglich ein bis zwei Tage pro Monat gearbeitet. Der Kläger habe zwar aufgrund des § 169 i.V.m. § 172 SGB III die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld nicht erfüllt. Nach § 3 Ziff. 5 MTV sei gleichwohl anstelle des Kurzarbeitergelds lediglich das Entgelt für 26 Wochenstunden zu zahlen. Hieraus ergebe sich ein monatlicher Vergütungsanspruch in Höhe von € 2.191,81.
Die Beklagten stellen folgende Anträge:
Das Urteil des Arbeitsgerichtes Augsburg, Aktenzeichen: 2 Ca 1030/09 ist abzuändern, soweit die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt wurden,
a) an den Kläger für den Monat November 2009 € 2.934,01 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.120,46 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 1.813,55 ab 1.12.2009 zu bezahlen und die Klage ist in Höhe von € 1.532,42 brutto zurückzuweisen.
b) an den Kläger für den Monat Dezember 2009 einen Betrag in Höhe von € 2.934,01 brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.527,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 1.406,111 seit 1.1.2010 zu bezahlen und die Klage in Höhe von € 742,20 zurückzuweisen.
c) an den Kläger für den Monat Januar 2010 einen Betrag in Höhe von € 2.934,01 brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.527,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 1.406,11 seit 1.1.201 zu bezahlen und die Klage in Höhe von € 742,20 zurückzuweisen.
d) an den Kläger für den Monat Februar 2010 einen Betrag in Höhe von € 2.934,01 brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.527,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 1.406,11 seit 1.1.2010 zu bezahlen und die Klage in Höhe von € 742,20 zurückzuweisen.
Hilfsweise:
1. das Urteil des Arbeitsgerichtes Augsburg, Aktenzeichen 2 Ca 1030/09, dahingehend abzuändern, an den Kläger für die Monate November 2009 € 2.934,01 brutto abzüglich erhaltenem Arbeitslosengeld von € 1.120,46 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 1.813,55 seit 1.12.2009 zu zahlen und die Klage des Klägers in Höhe von € 773,72 brutto zurückzuweisen.
2.den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten zu 1 und Widerkläger einen Betrag in Höhe von € 773,72 brutto zu bezahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Betriebsvereinbarungen würden die Anordnung der Kurzarbeit vom Erhalt des Kurzarbeitergeldes abhängig machen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung frei gestellt gewesen sei. Schließlich komme es auf die Regelung in § 3 Ziff. 5 MTV nicht an, da § 3 Ziff. 3 MTV bereits einen vollen Lohnanspruch für die gekündigten Arbeitnehmer vorsehe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 1.6. und 19.9.2011 sowie der Beklagten vom 27.4. und 8.8.2011 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 22.9.2011.
Entscheidungsgründe:
I.
Beide Berufungen sind zulässig.
Sie sind statthaft und wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 2 a und b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung des Klägers ist begründet, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Kündigung des Beklagten zu 1 vom 9.11.2009 nicht aufgelöst.
Die Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, weil der Beklagte zu 1 seiner Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat zur Sozialauswahl nicht richtig nachgekommen ist. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung hat der Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
1. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist eine Kündigung nicht nur dann nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat vorher überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht richtig nachgekommen ist.
Dies ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Das Anhörungsverfahren soll es dem Betriebsrat ermöglichen, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht zur Kenntnis zu bringen. Aus diesem Zweck folgt die Verpflichtung, die Gründe des Arbeitgebers für seine beabsichtigte Kündigung derart mitzuteilen, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen.
Der Arbeitgeber ist allerdings nur verpflichtet, dem Betriebsrat die Kündigungsgründe mitzuteilen, auf die er seine Kündigung stützen will. Der Betriebsrat ist deshalb schon ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände mitgeteilt hat (Grundsatz der subjektiven Determinierung; APS/Koch, § 102 BetrVG Rn 88 m.w.N. insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).
Die Unterrichtungspflicht bezieht sich auch auf die Sozialauswahl. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat ohne ein Verlangen des Betriebsrats die Gründe mitteilen, die ihn zur Auswahl gerade dieses Arbeitnehmers veranlasst haben (BAG vom 29.3.1984 – 2 AZR 429/83 (A) – NZA 1984, 169). Aus dem oben dargestellten Grundsatz der subjektiven Determinierung ergibt sich allerdings, dass eine unterbliebene Erläuterung der Sozialauswahl gegenüber dem Betriebsrat dann nicht zu einer fehlerhaften Anhörung führt, wenn +-Sozialauswahl ist dem Betriebsrat dagegen mitzuteilen, welche Arbeitnehmer der Arbeitgeber als vergleichbar mit dem zu kündigenden Arbeitnehmer angesehen hat und wie es zu der Auswahlentscheidung gekommen ist (APS/Koch aaO Rn 5). Nur dadurch wird es dem Betriebsrat ermöglicht, die Entscheidung des Arbeitgebers und das Vorliegen eines möglichen Widerspruchsgrundes nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG zu prüfen.
Die Nennung der zu kündigenden Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich ersetzt weder die Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung noch gelten wegen des Interessenausgleichs erleichterte Anforderungen an die Betriebsratsanhörung. Nicht ausreichend ist, wenn dem Betriebsrat nur mitgeteilt wird, dass ein Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen wurde und dass der Arbeitnehmer auf der Namensliste steht. Die Minderung der Darlegungslast in den Fällen des § 125 Abs. 1 InsO beruht auf zivilprozessualen Vorschriften (§ 292 ZPO), die im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG nicht gelten, weil sie zu dem Gesprächscharakter des Verfahrens nach § 102 BetrVG nicht passen. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat im Anhörungsverfahren nichts im prozessualen Sinne „darlegen“ oder „beweisen“, sondern er muss ihn so unterrichten, dass eine gleichberechtigte Erörterung begonnen werden kann (BAG vom 28.8.2003 – 2 AZR 377/02 – Juris). Allerdings kann der Arbeitgeber die Verhandlungen über den Interessenausgleich mit der Anhörung nach § 102 BetrVG verbinden (BAG vom 21.7.2005 – 6 AZR 592/04 – NZA 2006, 162). Informationen zur Kündigungsabsicht, die der Betriebsrat aufgrund der Verhandlungen über den Interessenausgleich bereits hat, brauchen ihm nicht erneut in einem gesonderten Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG mitgeteilt werden.
Die Bestätigung des Betriebsrats in einem Interessenausgleich, er sei zu den Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden und das Anhörungsverfahren sei abgeschlossen, führt noch nicht dazu, dass von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats auszugehen ist (BAG vom 28.8.2003 aaO Rn 28).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß über die Gründe, die zur Auswahl des Klägers geführt haben, unterrichtet wurde. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass der örtliche Betriebsrat, der nach § 102 BetrVG anzuhören war, über dieselben Kenntnisse verfügte wie der Gesamtbetriebsrat, der die Verhandlungen über den Interessenausgleich führte. Die Beklagten haben nämlich nicht dargelegt, dass der Beklagte zu 1 den Betriebsrat darüber unterrichtete, warum der Kläger in die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer aufgenommen wurde und mit welchen Arbeitnehmern als vergleichbar angesehen wurde. Das Anhörungsschreiben vom 3.11.2009 gibt keine solchen Informationen, sondern nimmt auf die dem Betriebsrat zuvor gegebenen Informationen Bezug, außerdem auf die Listen der zu kündigenden Mitarbeiter und der Mitarbeiter, die nicht gekündigt werden sollten, jedoch samt den Sozialdaten. Die Listen mit den Sozialdaten begründen jedoch alleine die Auswahlentscheidung nicht, sondern stellen das Ergebnis einer zuvor vorgenommenen Auswahl dar.
Die Beklagten haben auch nicht dargelegt, dass der Betriebsrat informiert wurde, mit wem der Kläger verglichen wurde und warum die Auswahl auf ihn fiel. In ihren Schriftsätzen vom 28.1.2010, 3.2.2011 sowie in der Berufungserwiderung vom 8.8.2011 tragen die Beklagten vor, welche Informationen dem Betriebsrat über die bei der Sozialauswahl gebildeten Gruppen, die Altersgruppen und die aufgrund berechtigter betrieblicher Interessen aus der Sozialauswahl herausgenommenen Arbeitnehmer gegeben wurden. Außerdem hat die Beklagte vorgetragen, der Betriebsrat habe nicht nur Kenntnisse sämtlicher Sozialdaten gehabt, sondern kenne auch die Arbeitsplätze und die jeweils notwendigen Einarbeitungszeiten. Bei Zugrundelegung dieses Sachvortrags wurde der Betriebsrat zwar darüber informiert, nach welchen allgemein Grundsätzen bei der Auswahlentscheidung vorgegangen wurde. Aus dem Sachvortrag der Beklagten ergibt sich jedoch nicht, dass dem Betriebsrat die nötigen Informationen über die Auswahlentscheidung bezüglich des Klägers gegeben wurden. Die Beklagten haben im Verhandlungstermin vom 22.9.2011 erklären lassen, dass dem Betriebsrat nicht jedem einzelnen Arbeitnehmer mitgeteilt wurde, mit wem er verglichen wurde. Die von der Beklagten behaupteten Kenntnisse von den Tätigkeitsbeschreibungen und Einarbeitungszeiten ersetzen eine solche Information nicht, denn aus deren Kenntnis ergibt sich jedenfalls nicht zwingend, welche Vergleichgruppen tatsächlich gebildet wurden und mit wem der Kläger verglichen wurde. Dies wird bestätigt durch den Sachvortrag der Beklagten zu vergleichbaren Mitarbeitern. Während zunächst nur Herr I als mit dem Kläger vergleichbar angesehen wurde (Seite 24 des Schriftsatzes vom 28.1.2010), geht die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 8.8.2011 (Seite 14) auch von einer Vergleichbarkeit mit Herrn X aus. Hätte die Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt, sie halte nur Herrn I für vergleichbar, so hätte diese Information dem Betriebsrat die Prüfung ermöglicht, ob es andere vergleichbare Mitarbeiter gibt. Die Unterrichtung über die bei der Auswahl berücksichtigten Kriterien ohne Bezug zur Person des Klägers macht eine solche Prüfung dagegen nicht möglich.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht daraus, dass der Arbeitgeber lediglich die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitzuteilen hat. Der Beklagte zu 1 trägt nicht vor, er habe dem Betriebsrat mitgeteilt, der Kläger sei lediglich mit Herrn I vergleichbar oder die Namensliste sei letztlich nach den Wünschen des vorgesehenen Betriebserwerbers erstellt worden. Der Beklagte zu 1 muss Vorstellungen zur Sozialauswahl gehabt haben, die über die dem Betriebsrat dargelegten Kriterien hinausgehen, denn die Namensliste erklärt sich aus den Kriterien alleine nicht, sondern ist das Ergebnis der Anwendung der beschriebenen Kriterien auf die einzelnen Arbeitnehmer.
Eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung liegt auch nicht vor, wenn man die Aussage des Zeugen J beim Arbeitsgericht zugrunde legt (s. hierzu Zöller/Greger, ZPO Rn 2 zu § 286). Der Zeuge hat nämlich keine Aussagen über Kenntnisse des Betriebsrats bezüglich der Auswahlentscheidung des Klägers gemacht. Nach der Zeugenaussage wurde dem Betriebsrat die Namensliste vom Beklagten zu 1 vorgelegt. Dazu, dass dem Betriebsrat mitgeteilt wurde, bzw. er wusste, welche konkreten Arbeitnehmer mit dem Kläger verglichen wurden und warum die Auswahl zu Lasten des Klägers erfolgte, machte der Zeuge keine Angaben.
2. Der Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 2 ergibt sich aus der Unwirksamkeit der Kündigung.
Diese führt dazu, dass das Interesse des Klägers an seiner Weiterbeschäftigung das gegenteilige Interesse der Beklagten, sich auf die Wirksamkeit der Kündigung zu berufen, überwiegt.
Der Anspruch richtet sich gegen die Beklagte zu 2, denn unstreitig ist der Betrieb auf diese übergegangen.
Ein konkretes Gehalt ist allerdings nicht Bestandteil der Weiterbeschäftigungspflicht. Die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung bedeutet, dass grundsätzlich die bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter gelten und die Beklagte zu 2 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet ist.
III.
Auch die Berufung der Beklagten ist begründet.
In Höhe von € 773,72 für November 2009 ergibt sich dies schon daraus, dass der Kläger diesen Betrag unstreitig schon vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils erhalten hat (1). Insoweit ist der Kläger nach § 717 Abs. 2 ZPO zur Rückzahlung des Betrages verpflichtet, den der Beklagte zu 1 zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung nochmals zahlte (3). Außerdem ergibt sich aus § 3 Abs. 5 Satz 2 MTV, dass dem Kläger nur das Entgelt für 26 Wochenstunden zu zahlen ist.
1. In Höhe von € 773,72 ist die gegen Ziff. 1 a des erstinstanzlichen Urteils gerichtete Berufung schon deshalb begründet, weil insoweit der vom Arbeitsgericht zugesprochene Betrag schon vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils an den Kläger gezahlt worden war.
Dies war im Berufungsverfahren unstreitig.
2. Für die Monate November 2009 bis Februar 2010 stehen dem Kläger nur die Bruttobeträge zu, die die Beklagte auf der Basis des Entgelts für 26 Wochenstunden errechnet hat (§ 3 Abs. 5 MTV).
§ 3 MTV ist anwendbar, da sich der Kläger in diesen Monaten in Kurzarbeit befand. Ausweislich der Betriebsvereinbarung Nr. 3/2009 (Anlage BB 9, Bl. 731 f d.A.) wurde die Kurzarbeit zunächst bis 31.12.2009 und dann ausweislich der Betriebsvereinbarung Nr. 01/2010 (Anlage BB 9, Bl. 733 d.A.) bis 30.6.2010 verlängert. Dies gilt jedenfalls nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, denn der Kläger ist dem Sachvortrag der Beklagten nach Vorlage der Betriebsvereinbarungen nicht mehr entgegen getreten.
Der Anwendung von § 3 MTV steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Monaten November 2009 bis Februar 2010 kein Kurzarbeitergeld erhielt. Es kann nämlich nicht angenommen werden, nur bei Erhalt von Kurzarbeitergeld befinde sich der jeweilige Mitarbeiter in Kurzarbeit nach den Betriebsvereinbarungen. Die Argumentation des Klägers, dies ergebe sich daraus, dass die Mitarbeiter nach Ziff. 3.1 der Betriebsvereinbarung Nr. 12/2008 (Anlage BB 1, Bl. 608 ff) in Kurzarbeit gehen, „soweit die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind“, überzeugt nicht. Vielmehr enthält diese Betriebsvereinbarung Regelungen für Mitarbeiter, die kein Kurzarbeitergeld erhalten (Ziff. 3.3 und 9). Damit befinden sich auch solche Mitarbeiter in Kurzarbeit.
Eine Auslegung des § 3 MTV ergibt, dass dem Kläger für die Monate November 2009 bis Februar 2010 nur das Entgelt für 26 Wochenstunden zusteht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung von Tarifverträgen den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (z.B. Urteil vom 6.7.2006 – 2 AZR 587/05 – NZA 2007, 167).
Schon der Tarifwortlaut spricht dafür, dass sich die Vergütungsansprüche des Klägers nicht nach § 3 Abs. 3 MTV, sondern nach dessen Abs. 5 bemessen. Der Kläger erfüllt zwar die Voraussetzungen des Abs. 3, denn sein Arbeitsverhältnis wurde während der Kurzarbeit gekündigt und die Kurzarbeit dauerte bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an. Allerdings begründet Abs. 3 einen Anspruch auf einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld, was dafür spricht, dass diese Bestimmung nicht einschlägig ist, wenn der Mitarbeiter gar kein Kurzarbeitergeld erhält.
Der Kläger fällt auch unter Abs. 5, denn in den Monaten November 2009 bis Februar 2010 war seine Arbeitszeit auf weniger als 26 Wochenstunden gekürzt und er hatte keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Auch wenn nach einer Kündigung in aller Regel kein Kurzarbeitergeld gewährt wird – wovon auch beide Parteien ausgehen – spricht dies nicht gegen die Anwendung des Abs. 5. Möglicherweise haben die Tarifvertragsparteien einen Anwendungsbereich für den Abs. 3 angenommen, der für das Gericht nicht ersichtlich ist. Der Regelungszusammenhang beider Absätze verdeutlicht jedenfalls den Willen der Tarifvertragsparteien, bei Kurzarbeit ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur einen Anspruch auf das Entgelt für 26 Wochenstunden zu regeln. Der damit verfolgte Zweck, den Arbeitgeber zu entlasten, ist nicht zu beanstanden.
Unerheblich ist, dass sich der Kläger schon vor der Kündigung in Kurzarbeit befand und frei gestellt war. § 3 Abs. 5 MTV knüpft die Vergütungsreduzierung an das Vorliegen eines gekündigten Arbeitsverhältnisses und zwar unabhängig davon, ob sich der Arbeitnehmer schon vor der Kündigung in Kurzarbeit befand.
Die Beklagten haben die Ansprüche des Klägers auf der Basis des Entgelts für 26 Wochenstunden im Schriftsatz vom 27.4.2011 zutreffend berechnet.
3. Die Widerklage des Beklagten zu 1 auf Rückzahlung der € 773,72, die trotz bereits erfolgter Zahlung vom Arbeitsgericht zugesprochen wurden und zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung nochmals geleistet wurden, ist begründet.
Da der Beklagte zu 1 die Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil leistete, ist der Kläger zum Ersatz des hieraus entstandenen Schadens verpflichtet (§ 717 Abs. 2 ZPO).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen bzw. Unterliegen in beiden Instanzen.
V.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn es besteht kein Grund, für eine oder mehrere der Parteien die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).
Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.
Waitz Weise Schott-----------------------------------------------------
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