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Text des Urteils
4 Sa 116/11;
Verkündet am: 
 30.06.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
1 Ca 444/10
Arbeitsgericht
Passau - Kammer Deggendorf -;
Rechtskräftig: unbekannt!
Überstundenvergütung, Ausschlussfrist
Leitsatz des Gerichts:
§§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1, 781 BGB

Ansprüche auf Überstundenvergütung:

•Auslegung und Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Überstundenpauschalierungsklausel (im Anschluss an BAG, U. v. 01.09.2010, 5 AZR 517/09, AP Nr. 47 zu § 307 BGB);

•Durch den Ausweis fortgeschriebener positiver Zeitsaldi in Arbeitszeitnachweisen, die zuletzt auch monatlich vom Geschäftsführer der Arbeitgeberin unterzeichnet waren, wird der Zeitsaldo hierdurch streitlos gestellt und braucht nicht nochmals im Sinne einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist geltend gemacht werden (im Anschluss an BAG, U. v. 28.07.2010, 5 AZR 521/09, NZA 2010, S. 1241 f).
In dem Rechtsstreit
F.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.

gegen
Firma B. mbH,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt G.

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger und die ehrenamtlichen Richter Löchel und Moosburger für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 19. November 2010 - 1 Ca 444/10 in Ziffer 1 hinsichtlich der dortigen Entscheidung zum Antrag zu Ziffer VI. im Schriftsatz vom 21.09.2010 (Überstunden/Mehrarbeitsvergütung) teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 8.387,21 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.09.2010 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage auf Mehrarbeits-/Überstundenvergütung abgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten als ihrer (ehemaligen) Arbeitgeberin im vorliegenden Zusammenhang Mehrarbeits-/Überstundenvergütungsansprüche geltend.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.10.2003 (Anl. K1, Bl. 7 bis 12 d. A.) seit 06.10.2003 bei der Beklagten als (vollzeitbeschäftigte) „Angestellte“ (Verwaltungsangestellte) - seit Oktober 2008 auch mit Prokura - mit einer Vergütung von, zuletzt, 0.000,00 € brutto/Monat, zzgl. des geldwerten Vorteils für Nutzung eines Firmen-Pkw u. a., beschäftigt. Der schriftliche Anstellungsvertrag bestimmt (dort zunächst hinsichtlich der Probezeit), dass die Klägerin mit einer „regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden“ (je Woche ! – dort § 2 Abs. (1)) eingestellt werde und sie „als Vergütung für ihre gesamte Tätigkeit einschließlich etwaiger Zuschläge für Erschwernis-, Überstunden-, Mehr-, Samstags-, Sonntag-, Feiertag- oder Nachtarbeit …“ ein Festgehalt erhalten sollte (dort § 3 Abs. (1)). Die gleiche Formulierung hinsichtlich der Vergütung enthalten Änderungsverträge der Parteien vom 09.08.2006 mit Wirkung zum 01.09.2006 (Anl. K17, Bl. 159 d. A.) und vom 02.12.2008 zum 01.09.2008 (Anl. K18, Bl. 160 d. A.). Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 10.10.2003 beinhaltet weiter eine einzelvertragliche Ausschlussfristenregelung (§ 17, Bl. 12 d. A.)., nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit beidseitig schriftlich geltend gemacht werden müssen

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 28.06.2010 fristgemäß zum 31.08.2010. Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin zunächst diese Kündigung mit der Begründung angefochten, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finde, obwohl die Beklagte selbst lediglich vier Arbeitnehmer beschäftige, da im vorliegenden Fall von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen - der Beklagten und der Fa. K. GmbH, ansässig unter derselben Anschrift wie die Beklagte - auszugehen sei. Darüber hinaus hat die Klägerin im Wege der nachträglichen Klageerweiterung Ansprüche u. a. auf Sonderzahlungen (Leistungstantieme) für 2009 und, anteilig, für 2010 sowie für Überstunden/Mehrarbeit u. a. geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 19.11.2010 zunächst über die Ansprüche auf Zahlung einer Leistungstantieme 2009 und 2010 sowie auf Zahlung von Vergütung für Überstunden/Mehrarbeit entschieden und die Klage hinsichtlich beider Anträge abgewiesen.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der näheren Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug hierzu wird auf die einschlägigen Passagen des ausführlichen Tatbestandes des angefochtenen Teilurteils des Arbeitsgerichts Passau vom 19.11.2010, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.01.2011 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Abweisung der Klage hinsichtlich einer Vergütung für Überstunden/Mehrarbeit damit begründet hat, dass bereits die Pauschalierungsabrede im Anstellungsvertrag der Parteien einem Zahlungsanspruch dem Grunde nach entgegenstehe. Jedenfalls in der ab 01.09.2008 geltenden Neufassung halte diese Regelung auch einer Inhaltskontrolle des Anstellungsvertrages am Maßstab der §§ 305 c Abs. 2, 306 und 307 bis 309 BGB stand. Das Arbeitsgericht hat hierzu auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht München vom 01.08.2007 (Az. 10 Sa 93/07) über die - dort angenommene - Wirksamkeit einer ähnlichen arbeitsvertraglichen Klausel im Arbeitsvertrag eines leitenden Oberarztes sowie auf die einschlägige Rechtsprechung des BAG Bezug genommen und weiter ausgeführt, dass nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BAG eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel nur dann klar und verständlich sei, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollten. Hier habe die Überstundenpauschalierungsabrede im neu gefassten § 3 Abs. 1 des Anstellungsvertrages die über die, unverändert gebliebene, vertragliche Wochenarbeitszeit der Klägerin von 40 Stunden hinausgehende Arbeitszeit erfassen sollen. Da Verstöße des Arbeitgebers gegen die Arbeitszeitgrenzen gemäß Arbeitszeitgesetz strafbewehrt seien, könne der Arbeitnehmer im Falle einer Überstundenpauschalierungsabrede davon ausgehen, dass nur das auf ihn zukomme, was bei rechtstreuem Verhalten des Arbeitgebers zulässig sei und nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Damit sei die Überstundenpauschalierungsabrede letzter Fassung dahin auszulegen, dass sie von vornherein auf die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit von durchschnittlich acht Stunden werktäglich bzw. 48 Stunden wöchentlich beschränkt sei, was eine unangemessene Benachteilung der Klägerin und auch einen Fall des sog. Lohnwuchers ausschließe. Es sei nicht ersichtlich, dass durch die von der Klägerin als Prokuristin ab 01.09.2008 angeblich geleisteten Überstunden die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG überschritten worden sei. Auch hinsichtlich von vor dem 01.09.2008 angeblich angefallenen Überstunden könne die Klage keinen Erfolg haben, da selbst bei Annahme der Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Pauschalierungsabrede in der damaligen Fassung mit dem Schreiben der Beklagten vom 14.08.2008 die Zahlung einer besonderen Leitungstantieme für das Geschäftsjahr 2005 in Höhe von 0.000,-- € brutto zugesagt und damit 200 geleistete Mehrarbeits-Überstunden abgegolten worden seien. Weiter gäben die von der Klägerin vorgelegten Arbeitszeitnachweise ausreichend Aufschluss darüber, welche von der Beklagten angeordneten oder geduldeten oder betriebsnotwendigen Überstunden in der restlichen Zeit vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 angefallen sein sollten. Es stehe auch nicht fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitszeitkonto vereinbart worden sei, weshalb das nunmehrige Urteil des BAG vom 28.07.2010 - wonach die vorbehaltlose Mitteilung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand des für ihn geführten Arbeitszeitkontos dessen Saldo streitlos stelle und eine nochmalige schriftliche Geltendmachung nicht erforderlich mache - nicht einschlägig sei. Damit wären im Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.08.2008 angefallene Überstunden von der Klägerin jedenfalls nicht innerhalb der wirksamen arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist schriftlich geltend gemacht gewesen.

Allein gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts zu den Ansprüchen auf Überstunden-/Mehrarbeitsvergütung richtet sich die Berufung der Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2011, am 01.02.2011 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung sie nach auf ihren Antrag erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 18.03.2011 mit am 10.03.2011 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom 07.03.2011 ausführen hat lassen, dass es unabhängig von der ihr mit Beiratsbeschluss vom 18.03.2008 erteilten und am 15.10.2008 in das zuständige Handelsregister eingetragenen Prokura bei der arbeitsvertraglichen Regelung einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden geblieben sei. Bei der Klägerin habe es sich auch nicht um eine leitende Angestellte gemäß § 14 KSchG gehandelt, sondern faktisch um eine Sachbearbeiterin, die in der Erledigung ihrer Aufgaben sehr stark weisungsgebunden gewesen sei. Bei Arbeitsaufnahme am 06.10.2003 sei ihr eine Stempelkarte ausgehändigt und gleichzeitig mitgeteilt worden, dass die von ihr geleistete Arbeitszeit auf einem Arbeitszeitkonto erfasst werde. Bis Ende März 2009 sei bei der Beklagten die Zeiterfassung mit einer Stempelkarte durchgeführt worden. Mit Verlegung des Firmensitzes der Beklagten nach D. im April 2009 habe vorübergehend die Fa. P. das Personalwesen bei der Beklagten übernommen, wobei von dieser in Anlehnung an die Monatsjournale ein eigenes Datenblatt entwickelt worden sei, das jeder Mitarbeiter ab diesem Zeitpunkt benutzen habe müssen. Diese Arbeitszeitnachweise seien der Fa. P. monatlich zur Einspeisung in die Personal-EDV übergeben und ab April 2009 auch jeweils in einer Gehaltsabrechnung ausgewiesen worden. Die - nunmehr vorgelegten - Stundennachweise für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis einschließlich 31.03.2009 seien ab April 2009 bis einschließlich Juni 2010 fortgeschrieben worden. Ab Januar 2010 sei wegen des Ausscheidens der Fa. P. als Gesellschafterin der Beklagten das Personalwesen von der Fa. K. GmbH übernommen worden, weshalb ab diesem Zeitpunkt die geleisteten Überstunden nicht mehr auf den Gehaltsabrechnungen ausgewiesen, jedoch monatlich auf dem jeweiligen Arbeitszeitnachweis erfasst und entsprechend anerkannt worden seien. Die Abzeichnung dieser Arbeitszeitnachweise durch den früheren Geschäftsführer der Beklagten, Herrn S., sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass die anerkannten Stunden dann entweder als Freizeitausgleich gewährt oder ausgezahlt hätten werden sollen. Im August 2006 seien mit der Zahlung einer Leistungstantieme für das Geschäftsjahr 2005 auch 200 geleistete Mehrarbeits-/Überstunden abgegolten worden, wie in der entsprechenden Monatsübersicht für den Monat Juli 2006 ausgewiesen. Es sei bei der Beklagten üblich gewesen, dass bei Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen durch die Klägerin von dieser geleistete Überstunden teilweise verrechnet worden seien, wie sich aus einzelnen Monatsübersichten ergebe. Die von der Klägerin geleisteten Über-/Mehrarbeitsstunden seien von der Beklagten angeordnet bzw. geduldet worden, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Anordnung von Überstunden auch konkludent dadurch erfolgen könne, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeitsaufgabe zuweise, die nur bei Überschreitung der gesetzlichen oder regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit geleistet werden könne, wie hier zutreffend. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die an jedem einzelnen Tag geleisteten Stunden von der Beklagten auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin erfasst und damit vom Geschäftsführer der Beklagten anerkannt worden seien. Die arbeitsvertragliche Regelung zur Pauschalabgeltung von Überstunden sei mangels hinreichender Transparenz unwirksam, da sie nicht klar und verständlich sowie eine ungewöhnliche und überraschende Klausel sei. Wie das BAG in seinem Urteil vom 01.09.2010 festgestellt habe, bestehe aufgrund einer unklar abgefassten Pauschalierungsklausel die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf gesonderte Überstundenvergütung, seinen entsprechenden Anspruch nicht geltend mache. Auch bei der Beklagten sei das Betriebsklima so gewesen, dass Themen wie Überstunden und Leistungstantieme besser nicht angesprochen worden seien, um Ärger mit ihren Geschäftsführern zu vermeiden. Eine vom Arbeitsgericht angenommene selbstverständliche Begrenzung der Pauschalierungsklausel im Arbeitsvertrag auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit lasse sich weder dieser selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen entnehmen. Die Führung eines Arbeitszeitkontos sei von der Beklagten ab Beginn des Arbeitsverhältnisses der Klägerin angeordnet worden. Nachdem die von der Klägerin erbrachten Arbeitszeiten von der Beklagten regelmäßig monatlich fortgeschrieben worden seien, sei von einem Kontokorrentverhältnis gemäß § 355 HGB auszugehen. Die Verjährung einer in das Kontokorrent eingestellten Forderung sei bis zum Ende der bei ihrer Entstehung laufenden Rechnungsperiode gehemmt. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist sei deshalb für die Überstunden/Mehrarbeit ohne rechtliche Bedeutung. Auch habe das BAG in seinem Urteil vom 28.07.2010 festgestellt, dass die in einer schriftlichen Lohnabrechnung des Arbeitgebers ausgewiesene Lohnforderung dadurch streitlos gestellt sei und zur Wahrung einer Ausschlussfrist nicht noch einmal schriftlich geltend gemacht werden müsse.

Die Klägerin beantragt:

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Passau - Kammer Deggendorf - vom 19.11.2010 - AZ: 1 Ca 444/10 - abzuändern und die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 8.391,16 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung vor, dass für eine Prokuristin, die - wie die Klägerin - als Vertriebsleiterin fungiere, eine Anordnung von Stundenleistungen quasi vom Grunde her nicht erfolge, da die Klägerin die Verantwortliche für den Betrieb und insbesondere auch für die wirtschaftlichen Zahlen gewesen sei - weshalb bereits begrifflich nicht von einer Zuweisung von Überstunden/Mehrarbeit gesprochen werden könne. Es stehe fest, dass ab 01.09.2008 eine Vergütung der Klägerin in einem Umfang erfolgt sei, mit dem insbesondere eine Prokuristin einer Firma durchaus Überstunden zu erbringen habe, da dies in einem entsprechenden Geschäftsfeld dann auch erwartet werde. Schließlich werde der entsprechende Stundensatz mit einem erheblichen Bruttomonatsgehalt vergütet, bei dem man auch immer einen gewissen Anteil von Überstunden mit dem Gehalt ausgeglichen sehe. Es könne nicht sein, dass ein leitender Angestellter bei dem zuletzt gegebenen Bruttogehalt Überstunden von täglich bis zu einer Stunde gesondert vergütet haben wolle, insbesondere im Hinblick auf die entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung. Die arbeitsvertragliche Regelung sei insoweit eindeutig. Von der Klägerin werde nicht ausgeführt, welche Überstunden in welchem Zeitraum ausgeführt worden seien und wer überhaupt diese Überstunden bei ihr angeordnet habe. Jedenfalls würde die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist zugunsten der Beklagten wirken. Die Vorlage eines Arbeitszeitnachweises und die Unterschrift eines Geschäftsführers bedeuteten nicht, dass ein Anspruch geltend gemacht worden sei. Es sei auch keine Prüfung dadurch erfolgt, dass ein Haken und ein Kurzzeichen an der Seite angebracht worden seien. Nach der Rechtsprechung gehöre zur Geltendmachung eines Anspruches immer, dass der Gläubiger seine Forderung dem Grunde und der Höhe nach spezifiziere. Die Klägerin habe während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form Überstunden geltend gemacht oder eingefordert. Bei einem Arbeitsvertrag mit regelmäßiger Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche wolle die Klägerin in den Monaten Januar bis Juni 2010 im Durchschnitt maximal eine Stunde Mehrarbeit pro Tag verrichtet haben.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 07.03.2011, vom 04.05.2011 und vom 20.06.2011, nebst der damit vorgelegten Anlagen, sowie auf ihre ergänzenden Einlassungen in der mündlichen Verhandlung gemäß der entsprechenden Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 30.06.2011 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg.


I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig
(§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).


II.

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf die geltend gemachte, allein berufungsgegenständliche, – dem Grunde und der Höhe nach schlüssig und substantiiert dargelegte (dazu 2.) - Überstundenvergütung - mit Ausnahme eines minimalen Restbetrages (dazu 4.) -, ohne dass dem die „Pauschalierungsklausel“ im Arbeitsvertrag bzw. in den Änderungsverträgen (dazu 1.) oder die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist (dazu 3.) entgegenstehen.

1. Die Regelung in § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 10.10.2003 bzw. die bereits im Wortlaut jeweils identischen Bestimmungen in den Änderungsverträgen vom 09.08.2006 (ab 01.09.2006) und vom 02.12.2008 (ab 01.09.2008: Anl. K18, Bl. 116 d. A.) - wieso das Arbeitsgericht Letztere als „Neufassung“ dieser Klausel ansehen will, erschließt sich der Berufungskammer deshalb nicht - erfasst entweder Ansprüche auf Überstundenvergütung, wie sie hier geltend gemacht sind, überhaupt nicht (dazu a) oder ist andernfalls wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB jedenfalls unwirksam (dazu b).

a) Die Bestimmung in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages vom 10.10.2003 bzw. - identisch - zuletzt im Änderungsvertrag vom 02.12.2008 (hier wurde offensichtlich jeweils derselbe Textbaustein verwendet) bezieht sich nach ihrem Wortlaut darauf, dass die festgelegte Monatsvergütung „etwaige Zuschläge“ für Erschwernis-, Überstunden- und Mehrarbeit (u. a.) enthalte.

„Zuschläge“ sind jedoch nach üblichem und etabliertem Sprachgebrauch und auch gängiger Diktion im Arbeitsrecht/-leben, etwa im Tarifrecht, zusätzliche Zahlungen – „Aufgelder“ - über die Grundvergütung hinaus in der Regel als (prozentualer oder betragsmäßig festgelegter) Zeitzuschlag auf eine (auch rechnerische) Stundenvergütung für die Erbringung von Arbeitsleistungen unter besonderen Umständen – insbesondere als Erschwerniszuschläge und/oder Zuschläge für Arbeit zu ungünstigen Zeiten oder unter erschwerten Bedingungen -. Genau dieses indiziert hier auch der Wortlaut der folgenden Klausel, der ausdrücklich „Zuschläge für Erschwernisarbeit“ und, konkreter, Überstunden, Mehrarbeit, .... Feiertags- oder Nachtarbeit akzentuiert.

Um solche (Zeit-)Zuschläge im üblichen und etablierten Sinn geht es hier jedoch gerade nicht: Die Klägerin macht insoweit allein die (Grund-)Vergütung für die nach ihrer Behauptung von ihr geleisteten Über-/Mehrarbeitsstunden als solche geltend, keine zusätzlichen Überstunden-/„Mehrarbeits“-Zuschläge hierauf, wie sie in der Praxis und in Tarifverträgen (mit unterschiedlichen Definitionsansätzen) weitgehend üblich sind. Ausgehend vom Wortlaut dieser Klausel - zu im Rahmen ihrer Auslegung, als AGB-Regelung (s. u. lit. b), etwa weiter zu beachtenden besonderen Umständen einer systematischen und/oder teleologischen (usw.) Auslegung oder gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 Satz 2 BGB tragen die Parteien nichts vor - wird die hier allein geforderte Grundvergütung (reine Zeit-/Stundenvergütung) für die streitgegenständlichen Überstunden von dieser Vertragsbestimmung damit überhaupt nicht erfasst - weshalb es nicht auf deren Wirksamkeit ankommen würde.

b) Selbst wenn jedoch diese Pauschalierungsklausel in einer naiven und „souveränen“ Lesart - wie dies das Arbeitsgericht und die Parteien offensichtlich ohne Weiteres unterstellen (!) - nicht nur die Abgeltung von (notwendig zusätzlichen) „Zuschlägen“ etwa für Mehrarbeit/Überstunden, sondern – auch - deren (Grund-)Vergütung überhaupt meinen/beinhalten sollte, wäre sie, annähernd evident, im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 BGB rechtsunwirksam - dass es sich beim Arbeitsvertrag der Parteien um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, jedenfalls im Sinne des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt, ist zwischen den Parteien unstreitig -.

aa) Eine solche Klausel, in dieser Lesart, mag, wie das Arbeitsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, nicht überraschend oder ungewöhnlich und damit grundsätzlich Vertragsbestandteil sein (§ 305c Abs. 1 BGB).

bb) Die fehlende Klarheit und Verständlichkeit - Transparenz - und damit Unwirksamkeit dieser Klausel im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB ergibt sich in dieser Lesart bereits ohne Weiteres daraus, dass nach ihrem für ihre Auslegung zunächst maßgeblichen schlichten Wortlaut eben gerade nicht die Überstunden(grund)vergütung als solche von ihr erfasst sein sollte, sondern nur zusätzliche (Erschwernis-, z. B. Überstunden-)Zuschläge.

Der unbefangene und mit den üblichen arbeitsrechtlichen Formulierungs- und Regelungsgewohnheiten nur im Ansatz vertraute Leser kann hierunter eben nicht ohne Weiteres, ohne Fantasie, eine beabsichtigte Gesamtabgeltung auch aller zusätzlichen Arbeitsleistungen, zu ungünstigen und erschwernisrelevanten Zeiten, als solche, incl. etwaiger zusätzlicher Zeitzuschläge hierfür, vermuten.

Sinn des gesetzlichen Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird, weshalb dieser im Rahmen des rechtlichen und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben muss. Eine Vertragsbestimmung verletzt deshalb das dem Transparenzgebot immanente Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält (vgl. etwa BAG, U. v. 01.09.2010, 5 AZR 517/09, AP Nr. 47 zu § 307 BGB - Rz. 14, m. w. N. -; vgl. hierzu auch Ley, BB 2011, S. 1407 f).

Allein diese auf der Hand liegende Auslegungs- und Verständnisproblematik - diese vermeintliche Lesart - muss deshalb bereits ohne Weiteres zur fehlenden Klarheit, Bestimmtheit und Verständlichkeit dieser Bestimmung und damit deren Unwirksamkeit führen.

cc) Wiederum ungeachtet vorstehender Ausführungen müsste selbst eine anzunehmende Bedeutung dieser Klausel dahin, dass sie, „naturgegeben“ und selbstverständlich, auch die Überstunden-/Mehrarbeitsvergütung als solche erfassen solle, zur Folge haben, dass diese Klausel damit jedenfalls wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam wäre.

Nach Auffassung des BAG (U. v. 01.09.2010, aaO; vgl. auch BGH, U. v. 07.12.2010, XI ZR 3/10, NJW 2011, S. 1801 f – Rz. 20 -) - auf die auch das Arbeitsgericht und die Klägerin ausdrücklich Bezug nehmen - ist selbst eine solche (in ihrer Diktion auf den ersten Blick und ausgehend von ihrem Wortlaut gegenüber der vorliegenden unzweideutig formulierte) Klausel wie die im dort gewürdigten Arbeitsvertrag enthaltene: „Mit der vorgehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mitabgegolten“ mangels ausreichender Klarheit und Verständlichkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB - fehlender Transparenz - rechtsunwirksam. Eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Vertragsbestimmung ist nur dann klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen, da sich andernfalls nicht erkennen ließe, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht. Der Umfang der Leistungspflicht muss deshalb hier so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss. Bei einer unklar abgefassten Pauschalierungsklausel besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht.

Ausgehend hiervon ist die vorliegende Vertragsklausel in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages bzw. der Änderungsverträge eindeutig nicht in der erforderlichen Weise ausreichend eindeutig und verständlich. Dieser Klausel lässt sich nicht entnehmen, in welchem quantitativen Umfang zusätzliche Arbeitsleistungen, über die arbeitsvertragliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hinaus, von ihr erfasst werden sollen.

Bereits die Diktion der Beklagten in der Berufungsbeantwortung ihres Prozessbevollmächtigten läuft auf die schlichte Auffassung hinaus, dass eine Prokuristin, mit dem ungewöhnlich hohen Gehalt der Klägerin (?), halt nun einmal selbstverständlich Überstunden zu erbringen habe, weil dies „in einem entsprechenden Geschäftsfeld dann auch erwartet“ (?) werde - bei einem derart hohen Gehalt „immer auch ein gewisser Anteil von Überstunden mit dem Gehalt ausgeglichen“ sein solle.

Weder dieser Klausel noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen sonst lässt sich eine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit – auf die dortige Tageshöchstarbeitszeit von acht bzw. zehn Stunden oder die hieraus abgeleitete Wochenarbeitszeit von (durchschnittlich) 48 Stunden - entnehmen (zumal es sich bei der Tageshöchstarbeitszeit von acht Stunden, damit auch der mittelbar ableitbaren Wochenarbeitszeit, wie das Arbeitsgericht insoweit zurecht ausführt, lediglich um einen Durchschnittswert, hiernach grundsätzlich bezogen auf einen zeitlichen Referenzrahmen (Ausgleichszeitraum) von sechs Kalendermonaten, handelt). Die Hypothese des Arbeitsgerichts, dass der Arbeitnehmer angesichts der strafrechtlichen Sanktionierung von Verstößen des Arbeitgebers gegen die gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen (§§ 22, 23 ArbZG) auch in diesem Fall davon ausgehen könne und müsse, dass nur das auf ihn zukomme, was bei rechtstreuem Verhalten des Arbeitgebers rechtlich überhaupt zulässig sei, zumal der Arbeitnehmer andernfalls ein Verweigerungsrecht habe, ist ersichtlich artifiziell und ergebnisgeleitet. Für eine solche Unterstellung gibt es jedenfalls keinerlei verifizierbare Anhaltspunkte, hierfür fehlt es an jeglichem Vortrag auch nur von Anknüpfungstatsachen oder Anhaltspunkten im Sachverhalt sonst. Im Gegenteil ergibt selbst eine flüchtige Lektüre der von der Klägerin vorgelegten, vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten abgezeichneten, Arbeitszeitnachweise für Januar bis April 2010 (Anl. K23, Bl. 198 bis 201 d. A.), für Mai 2010 (Bl. 17 d. A.) und für Juni 2010 (Anl. K8, Bl. 40 d. A.), dass die Klägerin hier wiederholt die gesetzliche Arbeitszeitgrenze von zehn Stunden/Werktag (§ 3 ArbZG), überschritten hatte (haben will). Die Annahme des Arbeitsgerichts über eine selbstverständliche Eingrenzung auf die gesetzlich - wie auch immer durchschnittlich zu situierende – zulässige Höchstarbeitszeit ist deshalb annähernd abwegig.

dd) Damit steht die arbeitsvertragliche Pauschalierungsklausel in jeder denkbaren Hinsicht/Auslegung Überstundenvergütungsansprüchen der Klägerin nicht von vornherein entgegen.

2. Die Klägerin hat ihre Überstunden/Mehrarbeitsstunden dem Grunde und der Höhe nach, auch hinsichtlich ihrer Notwendigkeit, schlüssig und substantiiert dargelegt.

Auszugehen ist hierbei von der unverändert gebliebenen Regelung einer 40-stündigen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag der Parteien. Diese ist nicht etwa durch die Erlangung eines Status einer „leitenden Angestellten“ im Rechtssinn, was Beklagte evident unschlüssig behauptet, eo ipso gegenstandslos geworden.

a) Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Vergütung von Überstunden fordert, - zumal, wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zeitraum liegt - im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen jeweiligen Tageszeiten er über die dort übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet habe.

Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt - wie bereits das Arbeitsgericht und die Klägerin zutreffend näher ausgeführt haben - weiter voraus, dass die geltend gemachten Überstunden vom Arbeitgeber - auch konkludent durch Zuweisung sofort, unaufschiebbar, zu erledigender Arbeitsaufgaben, die in der Normalarbeitszeit nicht ausgeführt hätten werden können - jeweils angeordnet oder von ihm jedenfalls gebilligt oder geduldet waren. Der Arbeitnehmer muss hierbei auch darlegen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich jeweils gearbeitet hat. Ist streitig, ob solche behaupteten zusätzlichen (Über-/Mehrarbeits-)Leistungen tatsächlich und nach den vorigen Grundsätzen auch notwendig – qua Anordnung bzw. Billigung oder Duldung - erbracht wurden, trifft ihn nach den allgemeinen Grundsätzen in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich Erbringung der behaupteten Mehrarbeit und deren Anordnung oder Zuweisung einer in der Normalarbeitszeit nicht zu erledigenden unaufschiebbaren Aufgabe bzw. deren Billigung oder jedenfalls Duldung. Er muss deshalb ausführen, welche (geschuldeten) Tätigkeiten er jeweils ausgeführt hat und aus welchen Gründen insbesondere diese Zeiten angeordnet oder sonst notwendig oder jeweils gebilligt bzw. geduldet worden sein sollen (ständ. Rspr. des BAG, vgl. etwa U. v. 25.04.2007, 6 AZR 799/06, NZA 2007, S. 1108 f - Rzn. 14 und 23 -; U. v. 25.05.2005, 5 AZR 319/04, AP Nr. 17 zu § 1 TVG Tarifverträge: Gebäudereinigung; U. v. 29.05.2002, 5 AZR 370/01, ZTR 2002, S. 544; U. v. 17.04.2002, 5 AZR 644/00, AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung - II. 2. a und 3. der Gründe -).

b) aa) Hier hat die Klägerin durch, grundsätzlich zulässige, Bezugnahme auf die umfangreichen, umfassenden, Arbeitszeitaufzeichnungen zunächst für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis 31.03.2009 (Bl. 322 bis 354 d. A.) - enthaltend jeweils täglich „Kommen“ und „Gehen“, Pausen, die etwaige tägliche Differenz zwischen Soll-Arbeitsstunden (8 Stunden/Tag) und Ist-Stunden unter kontenmäßiger Fortschreibung des sich ergebenden Zeitsaldos - ihre in diesem Zeitraum erbrachten Über-/Mehrarbeitsstunden detailliert dargelegt.

Auch die exemplarisch vorgelegten Gehaltsabrechnungen der Klägerin enthalten entsprechende Arbeitszeitauflistungen/-fortschreibungen (Anl. K20 bis K22, Bl. 195 bis 197 d. A., Anl. K2, Bl. 13 d. A.). Diese Aufzeichnungen wurden von der Beklagten offensichtlich zu keinem Zeitpunkt beanstandet.

Die mit dem Schreiben der Beklagten vom 14.08.2006 (Anl. K16, Bl. 158 d. A.) mit der dortigen Gewährung einer „besonderen Leistungstantieme“ für das Geschäftsjahr 2005 auch beinhaltete Abgeltung von 200 geleisteten Mehrarbeits-/Überstunden ist in der Arbeitszeitaufstellung für Juli 2006 (Bl. 322 d. A.) so aufgeführt/ Stunden in diesem Umfang dort ins Minus gestellt.

Für die Monate Januar bis Juni 2010 hat die Klägerin vergleichbare „Arbeitszeitnachweise“ vorgelegt (Januar bis April 2010: Anl. K23, 198 bis Bl. 201 d. A.; Mai 2010: Bl. 17 d. A., und Juni 2010: Anl. K8, Bl. 40 d. A.), die jedenfalls bis einschließlich Mai 2010 jeweils vom damaligen Organgeschäftsführer der Beklagten S. abgezeichnet sind.

bb) Diese so abgezeichneten Arbeitszeitnachweise/-aufstellungen stellen damit jedenfalls ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagten dar.

Zwar sind Rechnungs- und (Zeit-)Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto kein Anerkenntnis im Rechtssinn, in der Regel keine rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern stellen lediglich eine Wissenserklärung dar (BAG, etwa U. v. 28.07.2010, 5 AZR 521/09, NZA 2010, S. 1241 f - Rz. 19 aE, m. w. N -). Dies ist jedoch anders, wenn diese Arbeitszeitaufzeichnungen handschriftlich, mit Namensunterschrift, abgezeichnet wurden. Dann sind damit grundsätzlich ein inhaltliches Einverständnis und jedenfalls ein rechtsgeschäftlicher Einwendungsausschluss verbunden. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin konnte sie die Abzeichnung ihrer Arbeitszeitaufzeichnungsblätter nicht anders als als inhaltliche Bestätigung ihrer dortigen Aufzeichnungen, deren Inhalts, verstehen, was diese damit streitlos stellte und spätere Einwendungen hiergegen hinsichtlich Grund und/oder Höhe des jeweils dokumentierten Zeitsaldos ausschließen musste (vgl. auch § 781 Satz 1 BGB).

Dass sich die Beklagte die Abzeichnung der Arbeitszeitnachweise der Klägerin durch ihren Organgeschäftsführer zurechnen lassen muss (§§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 1 GmbHG), bedarf keiner näheren Ausführungen. Die Beklagte erläutert auch nicht näher, dass/weshalb die handschriftlichen Abzeichnungen der monatlichen Arbeitszeitnachweise der Klägerin durch ihren Geschäftsführer keine inhaltliche Bestätigung deren Inhalts gehabt - etwa nur deren einfache Quittung (§ 368 BGB) dargestellt - haben sollten.

Damit hat die Beklagte den Überstundensaldo der Klägerin bis zum faktischen Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.06.2010 streitlos gestellt.

c) Selbst wenn man den nahezu durchgehenden Arbeitszeitaufstellungen der Klägerin und zumal ihren vom Geschäftsführer der Beklagten zuletzt jeweils abgezeichneten Arbeitszeitnachweisen keine inhaltliche Bestätigung jedenfalls im Sinne eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses entnehmen wollte, wäre die Beklagte hiernach unter den konkreten Umständen dann jedenfalls verpflichtet gewesen, Grund und insbesondere Höhe – den Umfang - der aufgelisteten und weiteraddierten Über-/Mehrarbeitsstunden sowie ggf. deren Anordnung - auch, wie die Klägerin zurecht vortragen lässt, als konkludente Anordnung aufgrund Zuweisung entsprechender, in der Normalarbeitszeit von acht Stunden/Tag nicht zu erledigender, Arbeitsaufgaben oder jedenfalls Billigung oder Duldung erbrachter Mehrleistungen - im Rahmen ihrer sekundären Behauptungslast substantiiert, im Einzelnen, zu bestreiten (§ 138 Abs. 2 ZPO).

Die Beklagte hat sich jedoch im Wesentlichen auf einfaches Bestreiten der Überstunden als solcher und ganz allgemein deren Anordnung (auch: als sonstige Notwendigkeit im vorstehenden Sinn) beschränkt - diese gleichzeitig als mit dem ungewöhnlich hohen Gehalt der Klägerin (?) abgegolten angesehen, was zu ersterem Argument in Widerspruch stünde. Dies wäre jedenfalls nicht ausreichend - weshalb das schlüssig und substantiiert vorgetragene Vorbringen der Klägerin zu Grund und Höhe ihrer Über-/Mehrarbeitsstunden als zugestanden gelten muss (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Damit ist von den von der Klägerin aufgelisteten und substantiiert dargestellten Mehrarbeits-/Überstunden mit dem aufsummierten Gesamtsaldo von zuletzt 395,25 Stunden auszugehen.

3. Der Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeits-/Überstundenvergütung ist, wiederum entgegen der (Hilfs-)Ansicht des Arbeitsgerichts, nicht gemäß der - nach den Grundsätzen der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen: grundsätzlich wirksamen - arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen:

aa) Wie das Arbeitsgericht im Ansatz zutreffend selbst ausgeführt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG eine in einer schriftlichen Lohnabrechnung des Arbeitgebers einmal ausgewiesene Lohnforderung hierdurch streitlos gestellt und muss deshalb nicht noch einmal ausschlussfristenwahrend schriftlich geltend gemacht werden.

Dies folgt aus dem Zweck von Ausschlussfristen, durch die der Gläubiger angehalten werden soll, die Begründetheit und die Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zu prüfen. Er soll den Schuldner innerhalb der maßgebenden Fristen darauf hinweisen, ob und welche Ansprüche im Einzelnen noch erhoben werden. Andererseits soll der Schuldner sich darauf verlassen können, nach Ablauf der Verfallfrist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit Zuleitung einer vorbehaltlosen Lohnabrechnung ist dieser Zweck der Ausschlussfrist erreicht, weshalb es keiner weiteren Geltendmachung mehr bedarf. Die Obliegenheit zur Geltendmachung im Sinne einer solchen Ausschlussfrist lebt nicht wieder auf, wenn der Arbeitgeber die Forderung später bestreitet (vgl. nur BAG, U. v. 28.07.2010, aaO - Rz. 18, m. w. N. -).

Diese Grundsätze sind auf die Ausweisung von Guthabenstunden, von positiven Zeitsaldi, in einem vom Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto zu übertragen. Die vorbehaltlose Mitteilung eines Arbeitgebers an den Arbeitnehmer über den Stand dessen Zeitkontos stellt dessen (positiven) Saldo ebenso streitlos wie eine Lohn- oder Gehaltsmitteilung eine Geldforderung - weshalb es auch in diesem Fall keiner ausschlussfristenwahrenden weiteren Geltendmachung mehr bedarf (BAG, aaO, Rz. 19).

b) Eben dies war hier gegeben:

In der Sache stellen die jeweils monatlich fortgeschriebenen Arbeitszeitaufzeichnungen ein „Arbeitszeitkonto“ in diesem Sinn dar: Ein Konto ist eine saldierte Fortschreibung erbrachter/anerkannter Leistungen - Geldzahlungen, Arbeitszeit -, im Regelfall mit dem jeweils abschließenden Saldo der im Aufzeichnungszeitraum - Kontorhythmus - kumulierten Leistungsparameter, üblicherweise als Fortschreibung des Saldos der Plus-oder Minuspositionen gegenüber dem Sollsaldo. Ein Arbeitszeitkonto stellt hiernach die Verbuchung und Fortschreibung der Arbeitszeit während Zeitabschnitten in Form der Aufzeichnung der Ist-Arbeitszeit in Differenz zur Soll-Arbeitszeit innerhalb des Kontierungszeitraums - üblicherweise, wie hier, ein Kalendermonat - mit dem Ergebnis eines entsprechend saldierten Zeitguthabens oder auch einer Zeitschuld - Aufstellung von „Soll“ und „Haben“ wie im Rahmen einer kaufmännischen Buchführung - dar.

Solches ist hier in den monatlich fortgeschriebenen Arbeitszeitaufzeichnungen enthalten. Dort ist jeweils die täglich erbrachte Ist-Arbeitzeit im Verhältnis zur täglichen Soll-Arbeitszeit (acht Stunden, entsprechend der arbeitsvertraglichen (Wochen-)Arbeitszeit von 40 Stunden) - „netto“, abzüglich der täglichen Pausen - mit Fortführung der sich hieraus ergebenden Tages- und Monatssaldi und mit Übertragung des jeweiligen monatlichen Endsaldos auf den Folgemonat aufgelistet.

Im Übrigen käme es auf ein „förmliches“ Arbeitszeitkonto - welchen Inhalts etwa auch immer - gar nicht an: Wie das BAG im systematischen Zusammenhang der zitierten Entscheidung vom 28.07.2010 näher ausgeführt hat, kommt es hinsichtlich der Streitlosstellung eines Saldos auf eine erfolgte Abrechnung/Aufzeichnung hierzu allgemein an - kein auf ein im engeren Sinn wie auch immer definiertes „Arbeitszeitkonto“ (ein solches lag in dem dieser Entscheidung konkret zugrunde liegenden Sachverhalt lediglich nach § 15 BRTV-Bau, als individuelles jährliches „Ausgleichskonto“ mit Saldierung von Arbeitszeitguthaben und -schulden innerhalb des dort festgelegten Korridors, vor). Grundsätzlich ist hiernach jeder durch den Arbeitgeber fortgeschriebene Saldenausweis eine Streitlosstellung des dort ausgewiesenen Zeitguthaben, die dem Zweck der Ausschlussfrist Genüge tut, weil er vorhandene Ansprüche klarstellt und damit fest-/streitlos stellt.

Damit sind die Ansprüche der Klägerin auf Vergütung von Über-/Mehrarbeitsstunden nicht verfallen.

4. a) Der Höhe nach ergibt sich bei sonach abzugeltenden 395,25 Über-/Mehrarbeitsstunden und einer aktuellen Brutto-Grundvergütung der Klägerin von 0.000,00 €/Monat (Gehaltsabrechnung für Mai 2010, Anl. K2, Bl. 13 d. A. - nicht die vom Arbeitsgericht hypothetisch angenommene Grundvergütung von 0.000,00 € brutto -) damit ein Abgeltungsbetrag von 0.000,00 € brutto (0.000,00 € brutto/Monat x 3 Monate : 65 Arbeitstage/Quartal (5-Tage-Woche) = 000,00 € brutto/Tag : 8 Arbeitsstunden/Tag = 00.00 € brutto/Stunde x 395,25 Über-/Mehrarbeitsstunden).

Angesichts dieser geringfügigen rechnerischen, wohl auch auf immanenter kaufmännischer Rundung der einzelnen Rechenschritte beruhender, Differenz war die Klage im Übrigen abzuweisen.

b) Die Entscheidung zu den geltend gemachten Verzugszinsen beruht auf den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.


III.

Die Beklagte hat damit die Kosten der Berufung zu tragen (§§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).


IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG die Beklagte hingewiesen wird, zulassen sollte.

Burger Löchel Moosburger
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