Text des Beschlusses
1 Ws 242/11;
1 Ws 237/11;
Verkündet am:
27.06.2011
OLG Oberlandesgericht
Jena
Vorinstanzen:
530 Js 62175/08 6 KLs
Landgericht
Mühlhausen;
Rechtskräftig: unbekannt!
Der Insolvenzverwalter ist nur dann Verletzter im Sinne des § 403 StPO, wenn er nach der Insolvenzeröffnung geschädigt worden ist
Leitsatz des Gerichts:
StPO §§ 395 Abs. 1, 3 403, 406a, UrhG §§ 106 Abs. 1, 108a Abs. 1; MarkenG § 143 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Der Insolvenzverwalter ist nur dann Verletzter im Sinne des § 403 StPO, wenn er nach der Insolvenzeröffnung geschädigt worden ist.
Wurde dagegen der Insolvenzschuldner vor der Insolvenzeröffnung geschädigt, ist der Insolvenzverwalter nicht antragsberechtigt. Ein Antragsrecht ergibt sich in diesem Fall auch nicht daraus, dass er als Partei kraft Amtes die Befugnisse des Insolvenzschuldners zugunsten der Masse ausübt.
gegen
1. N F,
Verteidiger: Rechtsanwältin P
2. N H,
Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. S
Nebenklägerin: 1. M
vertreten durch A,
Nebenklägervertreter: Rechtsanwalt H
2. A
Nebenklägervertreter: Rechtsanwalt H,
wegen
unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke u.a.
hier: Antrag auf Nebenklagezulassung und Adhäsionsantrag des Rechtsanwalts Dr. H als Insolvenzverwalter über das Vermögen der N GmbH, E
- Beteiligter -
hat auf die einfache und sofortige Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 20.04.2011 der des Thüringer Oberlandesgerichts durch , und am 27. Juni 2011 beschlossen:
Die Beschwerde und die sofortige Beschwerde werden auf Kosten des Beteiligten verworfen.
Gründe:
I.
Mit der Anklageschrift vom 24.06.2010 legt die Staatsanwaltschaft Mühlhausen den Angeklagten gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, gewerbsmäßige Kennzeichenverletzung, gewerbsmäßigen Betrug und Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem unberechtigten Vertrieb urheberrechtlich geschützter Software zur Last.
Mit Beschluss vom 26.01.2011 hat das Landgericht Mühlhausen die Anklage der Staatsanwaltschaft Mühlhausen vom 24.06.2010 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet.
Die Hauptverhandlung wird derzeit durchgeführt.
Mit Schreiben vom 29.03.2011 hat der Beteiligte, der mit Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 31.01.2009 (Az.: 176 IN 763/08) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der N GmbH, E, bestellt worden ist, beantragt, ihn als Nebenkläger zuzulassen. Gesellschafter der N GmbH waren die Angeklagten, die jedenfalls einen Teil der ihnen in der Anklageschrift vom 24.06.2010 als Straftaten zur Last gelegten Geschäfte über die NGmbH abgewickelt haben sollen. Unter Bezugnahme auf die bereits im Schreiben vom 29.03.2011 enthaltene Ankündigung, einen Adhäsionsantrag stellen zu wollen, hat der Beteiligte mit Schreiben vom 18.03.2011 beantragt, die Angeklagten zu verurteilen, an ihn 274.357,24 € nebst 4 % Zinsen seit 01.01.2009 zu zahlen.
Mit Beschluss vom 20.04.2011 hat das Landgericht Mühlhausen die Zulassung des Beteiligten als Nebenkläger abgelehnt und von einer Entscheidung über seinen Adhäsionsantrag abgesehen.
Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner beim Landgericht Mühlhausen am 27.04.2011 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 26.04.2011, der das Landgericht ausweislich seines Beschluss vom 11.05.2011 im Hinblick auf die gegen die Nichtzulassung als Nebenkläger eingelegte Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
In ihrer Zuschrift an den Senat vom 17.05.2011 hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
die Beschwerde und die sofortige Beschwerde zu verwerfen.
II.
1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung als Nebenkläger ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaft (Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 396 Rn.19 m. w. N.) und auch zulässig eingelegt, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass der Beteiligte nicht Verletzter im Sinne der §§ 395 Abs. 1 oder Abs. 3 StPO ist.
Gegenstand der Anklage ist die gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke sowie eine gewerbsmäßige Kennzeichenverletzung nach §§ 106 Abs. 1, 108a Abs. 1 UrhG, 143 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 MarkenG. Verletzter ist insoweit der Inhaber des mutmaßlich verletzten Urheberrechts bzw. Markenrechts. Dies ist der Beteiligte nicht und war auch die Gemeinschuldnerin nicht.
Ferner ist Gegenstand der Anklage ein gewerbsmäßiger Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB in 968 Fällen zum Nachteil der in der Anklageschrift im Einzelnen aufgeführten Softwarekäufer. Verletzter kann insoweit nur sein, wer durch die (angebliche) Vorspiegelung, ordnungsgemäß lizenzierte Software zu erwerben, zu einer Vermögensverfügung veranlasst wurde und dadurch einen - stoffgleichen - Vermögensschaden (in Form des vergeblich aufgewendeten Kaufpreises) erlitten hat. Auch dies trifft weder auf den Beteiligten noch auf die Gemeinschuldnerin zu.
Soweit den Angeklagten schließlich noch eine Urkundenfälschung in den Fällen 425 - 429 und 432 - 436 zur Last gelegt wird, indem sie im Schriftverkehr mit der Rechtsanwaltskanzlei FPS eidesstattliche Versicherungen bzw. Unterschriften der Zeugin S gefälscht haben sollen, sind potentiell der Verletzte die Rechtsanwaltskanzlei FPS bzw. die von der Kanzlei vertretenen Firmen, nicht aber der Beteiligte oder die Gemeinschuldnerin.
Wenn die Beschwerde unter Hinweis auf die Kommentierung in Meyer-Goßner, StPO, 54.Aufl., ausführt, dass „die Nebenklagebefugnis auch dann bestehe, wenn das Nebenklagedelikt in Tateinheit oder Gesetzeskonkurrenz mit einem anderen begangen ist, das zur Nebenklage nicht berechtigt“, dass es des Weiteren ohne Bedeutung sei, „wenn die Staatsanwaltschaft ihre rechtliche Beurteilung nicht auf das Nebenklagedelikt stützt, da die rechtliche Möglichkeit genüge, dass der Angeschuldigte eine der in §§ 395 Abs. 1 und 3 bezeichneten Taten begangen habe“, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft ihre rechtliche Beurteilung gerade auf eine Katalogtat nach § 395 Abs. 1 Nr. 2 StPO gestützt (§ 108a Urheberrechtsgesetz).Wie bereits ausgeführt sind jedoch weder der Beteiligte noch die Gemeinschuldnerin Verletzte der angeklagten Taten.
Für die Nebenklageberechtigung des Beteiligten ohne Belang ist es, ob das Tatgeschehen auch als Untreue zum Nachteil der Insolvenzschuldnerin zu behandeln ist.
§ 266 StGB ist keine Katalogtat nach § 395 Abs. 1 StPO und ist auch in § 395 Abs. 3 StPO nicht genannt. Zwar ist der Katalog des § 395 Abs. 3 StPO nicht abschließend und kommt auch bei anderen Verletzungstatbeständen in Betracht (Meyer-Goßner, a.a.O., § 395 Rdnr.10.). Allerdings handelt es sich bei den in § 395 Abs. 3 StPO ausdrücklich genannten Tatbeständen ausschließlich um solche, bei denen ein höchstpersönliches Rechtsgut mitverletzt ist, was bei § 266 StGB nicht der Fall ist.
2. Die sofortige Beschwerde gegen das Absehen von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag vom 26.04.2011 ist gemäß §§ 406a Abs. 1, 311 StPO statthaft und auch zulässig eingelegt, hat in der Sache jedoch ebenfalls keinen Erfolg.
Dem Beteiligten fehlt schon die Berechtigung zur Stellung des Adhäsionsantrags.
Nach § 403 StPO kann nur der Verletzte oder sein Erbe einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren geltend machen. Nach herrschender Meinung kann der Insolvenzverwalter den Antrag stellen, wenn der Insolvenzschuldner nach der Insolvenzeröffnung geschädigt worden ist (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 403 Rdnr. 5 m.w.N.).
Dass in den Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Insolvenzschuldner vor der Insolvenzeröffnung geschädigt worden ist, der Insolvenzverwalter weder durch die Straftat selbst verletzt wurde noch Erbe des Verletzten ist, steht außer Frage. Sein Antragsrecht ergibt sich in diesen Fällen auch nicht daraus, dass er als Partei kraft Amtes die Befugnisse des Insolvenzschuldners zugunsten der Masse ausübt (so aber OLG Celle NJW 2007, 3795 f., Löwe-Rosenberg/Hilger, StPO 26. Aufl. § 403 Rdnr. 4 m.w.N.; KK/Engelhardt, StPO, 6. Aufl. § 403 Rdnr. 7).
Vielmehr kommt nach Sinn und Zweck des § 403 StPO eine Ausdehnung seines Anwendungsbereichs auf den Insolvenzverwalter nicht in Betracht. Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger. Das muss jedenfalls in den Fällen gelten, in denen die Erhaltung des in Insolvenz geratenen Unternehmens nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ausscheidet. So liegt die Sache hier, denn nach Aktenlage haben die Angeklagten die Insolvenzschuldnerin, die N GmbH, dazu genutzt, die ihnen in der Anklageschrift vom 24.06.2010 als Straftaten zur Last gelegten Geschäfte abzuwickeln, was die Erhaltung der Insolvenzschuldnerin nach Abschluss des Insolvenzverfahrens als ausgeschlossen erscheinen lässt. In dieser Konstellation dient die Tätigkeit des Insolvenzverwalters vorrangig, wenn nicht gar allein, Gläubigerinteressen, darunter unter Umständen auch Interessen von Gläubigern, die nicht Geschädigte der den Angeklagten zur Last gelegten Taten sind. Deren Durchsetzung ist aber nicht Ziel der Privilegierung des Verletzten in § 403 StPO. Vielmehr findet die Bevorzugung des Verletzten gegenüber anderen Gläubigern des Täters ihren Grund im persönlichen Opferschutz und in der Durchsetzung von Genugtuungsinteressen des persönlich Geschädigten (OLG Frankfurt NStZ 2007, 1668, 1669).
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.-----------------------------------------------------
Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).